Way into the Light

von SpikesChild

 

„Und der Tag wird kommen, an dem das Böse sein Recht einfordert und die Welt erschüttern will. Es wird an denen liegen, die noch geboren werden um uns zu retten vor der Dunkelheit. Nur die Macht der Liebe kann aufhalten, was das Böse zu zerstören droht."

Rupert legte das alte Pergament mit der Prophezeiung wieder zur Seite. Die Worte, die mit alter Tinte darauf geschrieben standen, kannte er bereits auswendig. Dennoch las er sie immer wieder durch.

Der alte Mann saß in seiner kleinen Hütte mitten im Wald und grübelte über viele Dinge nach. Es war eine alte Holzhütte, die schon seit vielen Jahren Schutz und Heimat für Rupert darstellte. Hier war er in Sicherheit. Sie war nur spärlich eingerichtet. Gerade genug für den alten Mann, um all seine Bedürfnisse zu stillen.

Eine kleine Kochnische gleich rechts, wenn man die Hütte betrat, und eine alte gemütliche Sitzgruppe links im Raum neben dem offenen Kamin. Ein wärmendes Feuer knisterte darin. Geradeaus stand ein kleiner hölzerner Tisch mit einem Stuhl, auf dem Rupert saß. Über ihm hing ein Regal mit vielen Büchern, deren Einbände einen vergriffenen Eindruck machten. Zwischen der Kochnische und dem kleinem Tisch führte eine Tür in den einzigen weiteren Raum. Darin standen ein Bett, ein Schrank und ein Nachttischchen. In der ganzen Hütte fand sich kein einziger moderner Gegenstand. Als wäre die Zeit hier seit Jahren zum Stillstand gekommen. Nicht einmal Strom und fliesendes Wasser standen ihm zur Verfügung. Ein Brunnen vor der Hütte und ein sprudelnder Bach nicht weit von dort entfernt waren seine einzigen Wasserspender. Kochen und heizen tat er nur mit Feuerholz.

Rupert machte sich nichts aus all dem modernen Schnickschnack. Nur sehr selten machte er den weiten Weg zur Stadt, um dort Lebensmittel einzukaufen, denn zum größten Teil ernährte er sich von dem was der Wald ihm bot. Etwa alle drei Monate ging er in die Stadt, um auf dem Markt Dinge aus dem Wald zu verkaufen und zu tauschen. Die Leute liebten seine Marmeladen und geheimnisvollen Tränke. Rupert verstand es aus den Heilkräutern, die der Wald bot, wirksame Heiltränke für die alltäglichen Wehwehchen der Stadtmenschen zu brauen. Doch niemand dieser Leute ahnte wer er wirklich war, oder woher er stammte.

Alle dachten immer er sei ein alter verdrehter Mann, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Weshalb er so gut wie nie Besuch bekam. Außer es hatte sich jemand in dem wirklich großen Wald verirrt. Der einzige Freund, der alle Zeit seines Lebens mit ihm verbrachte, war Corvus, ein schwarzer Rabe.

Corvus saß auf Ruperts Schulter und krächzte. „Ja, ja mein Freund, Du hast ja Recht. Es ist endlich Zeit aufzubrechen. Ich habe es schon viel zu lange vor mir hergeschoben. Wir müssen uns jetzt auf den Weg machen, um sie zu finden. Hoffentlich ist es nicht zu spät. Die Sterne deuten, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sich die Prophezeiung erfüllt."

Widerwillig machte sich Rupert daran, alle Sachen zu packen, die seiner Meinung nach wichtig sein könnten. Sein alter lederner Koffer beinhaltete bereits einige Kleidung und Schuhe. Er legte noch ein paar Bücher und eine kleine Schatulle gefüllt mit verschiedenen bunten Kristallen dazu. Er löschte das Feuer im Kamin und verriegelte die Fensterläden. Mit dem Koffer in der Hand stand er nun in seiner fast verlassen wirkenden Hütte. Er nahm den kleinen Blumentopf mit einem blühenden Vergissmeinnicht mit und verließ nun schweren Herzens sein geliebtes Heim. Draußen im Schatten eines Baumes stellte er den Topf ab und sagte: „Hier meine kleine Blume, hier wirst Du Schatten und Nahrung finden, bis ich wieder zurückkomme."

Dann löste er die Pflanze vorsichtig aus dem Topf und pflanzte sie in der weichen Erde des Waldbodens ein.

Er warf noch einen langen Blick auf seine Hütte, welche in der frühen Morgendämmerung in einen geheimnisvollen Glanz getaucht war, bis er sich schließlich und endlich auf den Weg in die Stadt machte. Corvus, der bis jetzt die ganze Zeit auf seiner Schulter gesessen war, flog nun mit kräftigen Flügelschlägen hoch über Ruperts Kopf hinweg und deutete seinem Herrn den richtigen Weg.

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Irgendwo, in einem dunklen und kalten Verlies. Weit ab von jeglicher Zivilisation:

Es war kalt. Nur wenige Lichtstrahlen erreichten diesen Ort, um ihn in ein trübes Licht zu tauchen. Die kalten steinernen Wände waren schwarz von jahrhundertealtem Ruß und Staub. Die einzigen Geräusche, die man in diesem feuchten Kerker hören konnte, waren das Rasseln seiner Ketten und die angesammelte Feuchtigkeit, die gelegentlich in kristallklaren Tropfen von der Decke herabfiel. Altes, schweres Eisen legte sich erbarmungslos um seine wunden Handgelenke. Seine Arme waren taub. Zu lange stand er bereits hier mit ausgestreckten Armen an schweren Ketten in der Mitte des Raumes gefesselt. Seinen Kopf auf der unbekleideten Brust ruhend. Lange dunkle Haare versperrten den Blick auf sein Gesicht. Nur spärlich gekleidet mit einer zerrissenen alten Hose, die aus einem anderen Jahrhundert stammte. Zu viel Zeit war bereits vergangen, sodass er nicht hätte sagen können, welches Jahr man gerade schrieb. Schon längst hatte er jegliches Gefühl für Zeit verloren.

In seinen Erinnerungen fand er sich oftmals wieder, damals als er noch jung war. Als er seine Freiheit genoss, indem er berauschende Feste feierte. Er liebte das noble Leben bei Hofe. Die schnippischen Hofdamen, denen er allzu gerne einen Streich spielte. Seine Erinnerungen waren immer so real. Er fand sich selbst in einem herrlichen Garten wieder. Hell erstrahlt von der wärmenden Sonne. Ein prunkvoll geschmücktes und verziertes Haus direkt vor ihm. Hoch gebaut und stattlich wie das eines Königs. In seiner Hand hielt er einen dunkelroten Kristall. ‚Wunderschön’ dachte er, als ihn ein kalter Wassertropfen von der Decke seines Kerkers auf brutale Weise zurück in die Realität beförderte. Erschrocken fuhr er hoch. Kettengerassel hallte durch den kahlen Raum. Er warf seine Haare zurück, sodass nun die Sicht auf sein Antlitz möglich wurde. Sein jugendliches Gesicht ließ nicht erahnen wie alt er in Wirklichkeit war. Stattlich und schön wirkte er. Trotz all der Torturen, die er erleiden musste. Zahlreiche Narben und Wunden zierten seinen gesamten Körper. Schreckliche Qualen musste er wohl erlitten haben, in all den Jahren, in denen er bereits hier gefangen war. Oder waren es Jahrhunderte?

Das nervöse Flattern eines Schmetterlings ließ ihn hochschrecken. Das Geräusch der Ketten erinnerte ihn wieder daran, wo er sich befand. Verwirrt blickte er auf das kleine gelbe Ding, das aufgeregt vor seinem Gesicht hin- und herflatterte. Schließlich setzte sich der Zitronenfalter auf einen seiner nach oben ausgestreckten Arme und hielt dort inne. Der Gefesselte blickte ihn ungläubig an. Mühevoll lauschte er der Botschaft, die ihm der kleine Falter zu bringen versuchte. Es war schon lange her, dass er einem solchen Botschafter begegnet war. Zu lange, um die Worte gleich zu verstehen. Doch der Überbringer hatte viel Geduld mit ihm. Ein schmales Lächeln und ein Hoffnungsfunke in seinen tiefblauen Augen zeigten deutlich, dass er die Nachricht verstanden hatte. Neue Energie floss nun durch seinen Körper. Eine Energie namens Hoffnung.

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Los Angeles:

„Verdammt, schon wieder zu spät dran!" fluchte Buffy und machte sich geschwind auf den Weg zu ihrer Arbeit. In einem mausgrauen Kostüm konservativ gekleidet und ihre langen blonden Haare zu einem altmodischen Dutt hochgesteckt, eilte sie zu Fuß durch die belebten Straßen Los Angeles’ und hatte viel Mühe an den zahlreichen Menschen vorbeizukommen. Es war bereits halb Neun und alle Bewohner dieser Stadt schienen ausgerechnet jetzt auf ihrem Weg zur Arbeit zu sein, um ihr das Vorwärtskommen zu erschweren. In letzter Zeit kam sie beinahe jeden Morgen zu spät. Schon oft wurde sie von ihrem Vorgesetzten getadelt. Doch sie schaffte es einfach nicht rechtzeitig ihre Wohnung zu verlassen. Da waren immer diese Träume. Sie schlief sehr schlecht. Oft träumte sie von ihrer Kindheit im Heim. Dort, wo sie aufgewachsen war.

Niemals hatte sie richtige Eltern gehabt. Niemand konnte ihr je sagen, woher sie wirklich kam. Seit ihrer Kindheit hatte sie immer diese seltsamen Träume. Oftmals zu verworren, um schlau daraus zu werden. Sie dachte schon mal daran, einen Traumdeuter zu konsultieren, aber bisher hatte sie nie die nötige Zeit dazu gefunden. Als sie nun endlich das große Anwaltsgebäude erreichte, in dem sie als Sekretärin arbeitete, wurde sie von dem Wachmann bereits begrüßt: „Hallo Buffy! Na? Wieder mal spät dran was?"

Im Vorbeigehen erwiderte sie nur knapp: „Hallo Sam, ja, ich weiß. Hat er schon nach mir gefragt?"

Buffy meinte damit ihren Boss, der oftmals bereits ungeduldig auf sie wartete. Doch Sam, der liebenswerte Wachmann, verneinte ihre Frage mit einem Kopfschütteln. Rasch eilte sie nach oben in den obersten Stock in das kleine Büro direkt neben dem ihres Chefs. Kaum hatte sie sich gesetzt und ihren Computer eingeschaltet, kam auch schon ihr Boss ins Büro gestürmt. Der Mann, der in etwa Ende Vierzig war, stellte sich in seinem dunkelgrauen Nadelstreifenanzug vor ihren Schreibtisch und begann wütend zu schreien: „Buffy, Sie sind schon wieder zu spät dran! Was denken Sie sich nur dabei? Ich habe wichtige Dinge für Sie zu schreiben. Ich muss mich auf Sie verlassen können. Falls Sie noch einmal zu spät zur Arbeit erscheinen, sehe ich mich gezwungen Sie zu kündigen. Und nun kommen Sie sofort, Sie müssen mir einen wichtigen Brief fertig machen."

Buffy saß mit hochrotem Kopf auf ihrem Stuhl und erhob sich sogleich, um ihm zu folgen. Sie hasste ihren Job. Seit nunmehr 8 Jahren war sie hier bereits tätig und es wurde von Tag zu Tag unerträglicher für sie. Schon oft hatte sie sich in den letzten Jahren bei verschiedenen Firmen für andere Anstellungen beworben, doch bisher hatte sie keinen Erfolg.

Vielleicht lag es aber auch an der Halbherzigkeit, die sie in Bezug auf die Arbeitssuche an den Tag legte. Nicht, dass sie sich nicht nach einer anderen Arbeitstelle gesehnt hätte, sie hatte nur bisher nicht den richtigen Beruf für sich entdecken können. Als es um die Wahl ihres Lehrberufes ging, machte sie viele Praktika und Schnupperlehrgänge. Im Handwerklichen als Bäckerin und Näherin, im Betriebswirtschaftlichen als Industriekauffrau und Rechtsanwaltsgehilfin und sogar als Goldschmiedin. Doch kein einziger Beruf weckte ihr Interesse.

Von ihrer Heimleiterin wurde sie damals beschimpft, sie sei zu faul um einen ordentlichen Beruf zu erlernen. Doch wenn man ihre schulischen Leistungen betrachtete, dann deutete eigentlich nichts darauf hin, dass Buffy faul war. Sie hatte stets sehr gute Noten in all ihren Fächern. Hätte sie vermögende Eltern gehabt, wäre es ihr sicher möglich gewesen, ein teures Studium zu absolvieren. Doch die knappe Heimkasse ließ so etwas natürlich nicht zu. Und nach ihrer Volljährigkeit war Buffy vollkommen auf sich allein gestellt. Als Kind hatte sie oftmals davon geträumt, dass eines Tages ihre wahre Berufung zu Tage treten würde. Sie träumte davon die Auserwählte für eine wichtige Sache zu sein. Bedeutend für die Welt. Heute glaubte sie nicht mehr daran. Alles nur Märchen, die sich kleine Mädchen im Heim ausdenken, um der Realität zu entfliehen.

Mit dem Block auf ihrem Schoß folgte sie aufmerksam den Worten ihres Vorgesetzten und notierte sich jede Silbe. Sie beherrschte die Kunst der Stenographie, wie sie sie gern zu nennen pflegte, perfekt. In Steno zu schreiben machte ihr schon immer sehr viel Spaß. Vor allem, da es in der heutigen Zeit der Technik nur noch wenig Menschen gab, die diese Kurzschrift so gut beherrschten wie sie. Die meisten hohen Angestellten benutzen zum Diktieren schon längst ein elektronisches Diktiergerät. Doch Buffys Boss hatte eine Abneigung gegen fast alle technischen Geräte und bevorzugte die altmodische Methode.

Sein ganzes Wesen war eigentlich altmodisch, wenn man es genau betrachtete. Sein großräumiges Büro war mit alten dunklen und klobigen Büromöbeln voll gestellt. Ein großer Schreibtisch in der Mitte mit einem schwarzen ledernen Chefsessel dahinter. Die kleine dunkle Ledercouch in der Ecke strahlte keinerlei Gemütlichkeit aus, sondern erinnerte eher an ein Vorzimmer zu einem Bestattungsunternehmen. Die dunklen und düsteren Bilder an der Wand strahlten ebenfalls keinerlei Freundlichkeit aus.

Schon oft saß Buffy hier in diesem dunklen Büro, als sie auf ihren Chef warten musste und fragte sich wie man hier nur arbeiten konnte. Sie würde hier nur trübsinnig werden, dachte sie sich immer wieder, und je öfter sie hier saß, umso trübsinniger schien sie tatsächlich zu werden. ‚Dieser Ort strahlt irgendetwas Unheimliches aus’ dachte sie sich wieder mal, bevor sie wieder in ihr kleines Büro nebenan zurückging, um den wichtigen Brief zu schreiben.

„So wichtig!" murmelte sie leise vor sich hin. Wenn ihr Chef kein Geheimagent für eine geheime Organisation war und die Sätze, die sie sich notiert hatte, keine geheimen Botschaften enthielten, dann konnte sie nichts im Geringsten wichtiges an diesem Brief entdecken. Missmutig machte sie sich an die Arbeit, um ihren Chef nicht noch mehr zu verärgern.

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Rupert setzte sich auf einen freien Platz im Zug. Sehnsüchtig dachte er an die prunkvollen Züge aus früheren Zeiten, in denen das Reisen etwas komfortabler war. Er fühlte sich nicht recht wohl in diesem neumodernen ICE-Zug. Sachte stellte er den großen Käfig neben sich auf den Platz ab, den er eigens für diese Reise besorgt hatte, und in dem Corvus seinen Unmut über die unbequeme Reiseart mit einem lauten Krächzer von sich gab. „Tut mir Leid, mein alter Freund. Die Leute sehen es nicht gerne, wenn die Tiere hier drinnen frei herumlaufen. Wir sind in wenigen Stunden an unserem Ziel angekommen. Solange werden wir beide es hier schon aushalten." Der alte Mann nahm sich ein Buch, dass er in seinem langen hellbraunen Mantel eingesteckt hatte, heraus und versuchte sich mit dieser Lektüre selbst auf andere Gedanken zu bringen.

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Kurz vor der Mittagspause kam Cordelia, eine Arbeitskollegin, in Buffys Büro, um ein kurzes Pläuschchen zu halten. „Hallo Buffy. Na, hat dich der Alte wieder mal geärgert?"

„Oh hallo Cordy, ja, heute war er wieder überfreundlich!"

„Hast Du schon das Neueste gehört? Unser Vorstandsvorsitzende Herr Dr. Besonderswichtig, Du weißt schon wen ich meine, hat eine Affäre mit der Frau des Direktors!"

„Ehrlich? Woher weißt du denn das?"

„Ich halte alle meine Informanten streng geheim. Wie sieht es eigentlich in deinem Liebesleben aus? Wann suchst du dir endlich mal einen Mann?"

„Ach Cordy, nicht schon wieder, du weißt doch genau, dass ich kein Glück mit den Männern habe."

„Dann musst du eben etwas dagegen tun, meine Liebe. Geh doch mal aus! In dieser Stadt gibt es so viele nette ledige Männer und du willst mir erzählen, dass für dich keiner dabei ist?"

„Bitte lassen wir das Thema. Ich muss die Papiere hier noch fertig machen. Wir treffen uns mittags in der Kantine. OK?"

„Schon gut, ich geh ja schon. Ich wollte ja nur helfen."

Eingeschnappt verließ Cordelia das Büro.

Buffy saß an ihrem Schreibtisch und erinnerte sich traurig an ihre letzten Versuche eine Beziehung zu führen. Sie hatte bisher wirklich kein Glück mit Männern. Bisher hatte sie niemanden kennen gelernt, der sie verstand. Der sie so liebte wie sie war - mit all ihren kleinen Fehlern und Makeln - und den sie hätte lieben können.

Die meisten Beziehungen endeten bereits nach kurzer Zeit mit den üblichen Standartausreden, wie sie wohl jeder kennt. Nur selten dauerten sie mehr als sechs Monate. Denn jedes Mal erreichte Buffy den Punkt, an dem sie zu dem Entschluss kam, dass es nicht der richtige Mann für sie war. Irgendwie dachte sie, dass es vielleicht an ihr selbst lag. Vielleicht konnte es ihr kein Mann wirklich recht machen. Obwohl sie sehr gerne jemanden an ihrer Seite gehabt hätte. Sie fühlte immer eine innere Leere und Einsamkeit.

Sie schob all ihre trübsinnigen Gedanken zur Seite und verließ das Büro. Es war nun endlich Mittagspause. ‚Die angenehmsten Minuten des Tages’ dachte sie sich und ging nach unten in die Kantine.

+ + +

Der kleine Zitronenfalter war bereits auf den Weg zurück, um dem Auftraggeber seiner Botschaft mitzuteilen, dass seine Pflicht getan war. Hoch über den Dächern der Stadt suchte er sich seinen Weg. Er steuerte geradewegs einen hübsch angelegten Garten an und setzte sich dort auf die Schulter einer alten Frau. Diese begrüßte den Falter, überrascht ihn jetzt schon wieder zu sehen und fragte: „Warst du erfolgreich?"

Zufrieden blickte sie den gelben Falter an und war froh, dass es so gut geklappt hatte. Nun galt es nur noch eines zu tun. Doch bevor es so weit war, musste sie noch auf einen alten Freund warten, der, wie sie hoffte, bereits auf den Weg hierher war und den sie eigentlich schon längst hier erwartet hatte.

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Rupert verkniff sich mit Mühe ein Fluchen, als er, bepackt mit seinem Koffer in der Rechten und dem Käfig in der Linken, von einem jugendlichen Rabauken, der auf Rollerblades durch den Bahnhof fuhr, beinahe überrollt wurde. Nur knapp konnte er sich

davor bewahren nicht das Gleichgewicht zu verlieren und rücklings auf dem Boden zu landen. Verärgert drehte er sich zu dem jungen Mann um und rief ihm hinterher: „Junger Mann, passen Sie gefälligst auf, wohin Sie gehen!" ‚Oder sollte ich eher rollen sagen?’ dachte er dann noch zu sich selbst, nachdem der Jugendliche bereits weit außer Reichweite entschwunden war.

„Also diese Jugend von Heute?" Nach einem tiefen Seufzer machte er sich wieder auf den Weg. Noch wusste er nicht genau, wohin er als nächstes gehen musste. Aber er verließ sich ganz auf seinen Freund Corvus. Sobald sie im Freien waren, ließ er den Raben frei. Dieser flog hoch über der Stadt und suchte nach einer alten Freundin.

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Endlich fand dieser Arbeitstag ein Ende! Buffy fuhr ihren Computer herunter und räumte ihren Schreibtisch auf. Eigentlich hätte sie schon längst gehen dürfen, aber da sie ja wieder mal zu spät dran war, musste sie die verspätete Zeit wieder hereinholen. Doch nun konnte sie diesem Ort endlich den Rücken kehren und zielstrebig verließ sie das Büro.

Als sie aus dem Bankgebäude heraustrat, nahm sie erleichtert einen tiefen Atemzug. Sie löste die Klammer aus ihrem Haar und ihre langen blonden Locken fielen sanft auf ihre Schultern. Spielerisch schüttelte sie ihren Kopf und warf ihr Haar nach hinten. Ihr kam es jedes Mal wie eine Befreiung vor, wenn sie dieses Bürogebäude verlassen konnte.

Sie zog das mausgraue Jäckchen ihres Kostüms aus und nahm es über ihren Arm. Darunter trug sie ein weißes T-Shirt mit Spaghetti-Trägern. Nun wirkte die junge Frau wie verwandelt und machte sich auf den Weg nach Hause.

Ohne Eile schlenderte sie die Straße entlang. Ihre Wohnung war nicht weit entfernt. Sie hatte nur wenige Minuten Fußmarsch vor sich. Es machte ihr nichts aus zu Fuß zur Arbeit zu gehen. Sie genoss es sehr unter freiem Himmel zu sein.

Anna, ihre Vermieterin, war wieder mal in ihrem Garten und zupfte ihre wunderschönen Rosenbüsche zurecht. Sie war eine sehr nette alte Dame. Ihre Vorlieben waren ihre fünf liebenswerten Katzen und ihr liebevoll angelegter Garten vorm Haus. Buffy wohnte nun schon seit sechs Jahren bei der netten Dame und die beiden verstanden sich wirklich sehr gut.

Die ältere Hausherrin verwöhnte ihre Untermieterin nur allzu gerne, indem sie ihr öfters einen leckeren Kuchen backte, oder manchmal einen leckeren Braten zubereitete. Buffy störte dies nicht. Sie mochte die alte Frau sehr. Viele Abende haben sie schon zusammen im Garten gesessen und einander über dieses und jenes berichtet.

Anna sorgte beinahe wie eine Art Mutterersatz für Buffy. Sie selbst hatte keine Kinder. Ihr Mann ist früh verstorben und in den vielen Jahren danach hatte sie nie wieder jemanden gefunden, den sie an ihrer Seiten haben wollte. Zu groß war der Schmerz des Verlustes. Und noch heute erzählte sie Buffy oft von ihrem geliebten Wesley.


Freundlich begrüßte Buffy ihre nette Vermieterin und betrat dann das alte Haus zu ihrer Wohnung. Buffy ging die Treppe nach oben zu der einzigen Tür, die sich dort befand. Die Tür zu ihrer Zuflucht. Nirgends hatte sie sich jemals so wohl gefühlt, wie hier in diesem Haus. Schon vom ersten Tag an, als sie sich damals um die Wohnung bewarb, fühlte sie sich hier richtig geborgen.

Endlich in ihrem kleinen Reich angekommen, entledigte sie sich erst einmal ihrer unbequemen Büro-Kleidung und schlüpfte in etwas Bequemeres hinein. Sie tauschte ihren engen grauen Rock und die Stöckelschuhe in ausgewaschene Jeans und leichte Turnschuhe um. So fühlte sie sich schon viel wohler.

Ihre kleine Wohnung war nett eingerichtet. Alles war sehr hell und freundlich gehalten. Eine kleine hellblaue Couchgarnitur mit großen kuscheligen Kissen stand in der linken Ecke. Ein Kleiner Schreibtisch mit ihrem Computer und einigen Schreibutensilien befand sich in der Rechten gegenüber. In der Regalwand befanden sich ein paar Bücher, nette kleine Prozellan-Figuren, ein Fernseher und natürlich ihre geliebte Sammlung.

Schon seit ihrer frühen Kindheit, war Buffy fasziniert von Kristallen und Edelsteinen. Sie hatte viele Bücher darüber gelesen. Sie kannte beinahe alle Steine, deren Bedeutung und zugesprochenen Heilwirkungen. Sie glaubte zwar nicht an die heilenden Kräfte der Steine, aber dennoch faszinierten sie sie so sehr, dass sie immer einen bei sich trug. Immer mal einen anderen aus ihrer zahlreichen Sammlung. Je nachdem welcher sie gerade ansprach. Die Steine sprachen natürlich nicht wirklich mit ihr, sie handelte einfach aus ihrem Gefühl heraus.

Rechts neben dem Schreibtisch führte eine Tür zu ihrem Schlafzimmer. Dort befanden sich ein französisches Bett und ein großer Schrank für die vielen Kleidungstücke, die sie besaß. Von ihrem Schlafzimmer aus gelangte man noch in ein kleines Bad, was zwar nicht sehr groß war, doch für sie durchaus ihren Zweck erfüllte. Platz für eine Waschmaschine wäre hier keiner gewesen, aber den brauchte sie auch nicht, denn Anna bestand darauf ihre Wäsche für sie mit waschen zu dürfen. Dagegen hatte Buffy nichts im Geringsten, denn das Wäschewaschen war ihr schon immer ein Dorn im Auge gewesen.

Gleich neben der Eingangstüre zu ihrer Wohnung befand sich eine kleine Küchenzeile. Ein Kühlschrank, ein paar Schränkchen mit einem Waschbecken und ein kleiner Herd mit Kochplatten, dass reichte ihr vollkommen. Sie nahm sich aus dem Kühlschrank einen Becher Fruchtjoghurt und gesellte sich damit nach unten in den Garten zu Anna.

Die alte Dame freute sich sehr über die nette Gesellschaft und fragte Buffy freundlich: „Hallo Buffy, Liebes, wie war dein Arbeitsstag?"

„Ach Anna, frag mich lieber nicht. Ich bin froh, wenn ich jetzt nicht mehr an die Arbeit denken muss. Erzähl mir lieber, was es Neues gibt."

„Aber gerne. Mein kleiner Felix hat heute seine erste Maus gefangen. Er hat es mir gerade eben ganz stolz berichtet. Lissy hat sich offensichtlich in einen Straßenkater verliebt. Sie benimmt sich ganz komisch. Ach ja, die Rosen haben mir vorhin erzählt, dass der Winter dieses Jahr sehr mild sein wird. Und, dass heute Nacht noch ein Gewitter aufziehen wird. Sonnst weiß ich leider nichts Neues."

Buffy lauschte ihr aufmerksam zu und lächelte bei ihrem Bericht. Anna erzählte immer, dass sie mit ihren Pflanzen und Tieren sprechen konnte. Anfangs dachte Buffy, dass sie geistig etwas verwirrt war, doch seltsamer Weise stimmten alle Wettervorhersagen, die ihr die Pflanzen mitteilten. So gab es auch keinen Zweifel, dass es heute noch gewittern würde. Buffy machte sich nie die Mühe genauer zu hinterfragen, woher Anna dies nun wirklich wusste. Es spielte keine Rolle für sie. Sie ließ sie in dem Glauben, dass sie mit ihren Pflanzen und Tieren kommunizieren konnte. Aber selbst glaubte sie es natürlich nicht.

Die beiden Frauen unterhielten sich ein wenig, während Buffy genüsslich ihren Joghurt löffelte. Ein kleiner gelber Zitronenfalter kam plötzlich herangeflattert und setzte sich genau auf Buffys Löffel. Erstaunt blickte sie den gelben Flattermann an und wunderte sich, warum dieser nicht weiterflog.

„Oh, da ist er ja, ich dachte schon er sei wieder fort geflogen. Sag ‚Guten Tag’ zu meinem kleinen Boten", kommentierte die alte Dame.

Skeptisch blickte Buffy auf Anna und hielt dies für ein Spiel. „Guten Tag!" sagte sie daraufhin übertrieben freundlich zu dem kleinen gelben Geschöpf. Plötzlich war ihr so, als hätte sie eine Antwort von dem Zitronenfalter vernommen. Nicht mit ihren Ohren, sondern tief ihn ihr drin. Es war klar und deutlich und dennoch konnte sie sich nicht erklären woher diese Worte kamen. Erschrocken ließ sie den Löffel fallen und der Falter flatterte aufgeregt davon. „Was war das?"

„Was hast du denn Buffy? Hat er mit Dir gesprochen?"

„Ja! Es hört sich jetzt vielleicht verrückt an, aber ich dachte wirklich, er hätte ‚Guten Tag’ zu mir gesagt!"

„Aber Buffy, wie lange versuche ich Dir jetzt schon zu erklären, dass die Tiere wirklich mit uns sprechen. Nur sind die meisten Menschen nicht in der Lage dazu die Worte zu verstehen! Hab keine Angst, Liebes. Du brauchst Dich nicht davor zu fürchten."

Unsicher sah sie zu der alten Dame herüber. Das würde ihr jetzt gerade noch fehlen. Die meisten Leute, die sie kannten, dachten sowieso bereits, dass sie etwas komisch war. Sie hatte kaum Freunde in dieser Stadt gefunden. Eigentlich verbrachte sie die meiste Zeit zu Hause. Entweder alleine, oder mit Anna zusammen.

Wenn sich herausstellen sollte, dass sie jetzt auch noch anfing mit Tieren zu sprechen, dann wäre sie wohl doch am Ende ihrer Tage reif für die Klapsmühle. Anna lächelte ihre Untermieterin wissend an und meinte: „Warum wäre es denn so schlimm, wenn Du mit Tieren sprechen könntest?"

„Anna, Menschen können nicht mit Tieren sprechen! Und auch nicht umgekehrt. Es ist nun mal so."

„Na gut, lassen wir das Thema. Ich erwarte bald Besuch. Einen lieben Freund von mir. Er wird dir sicher gefallen. Sein Name ist Rupert. Er ist etwas altmodisch, aber liebenswert. Du wirst ihn mögen."

„Einen Freund? Du hast mir nie von einem Freund erzählt? Woher kommt er? Und warum hat er Dich bisher nie besucht?"

„Nun ja, er ist etwas scheu. Er verlässt nur äußerst ungern seine kleine Hütte. Er meidet Großstädte und alles, was nur im Entferntesten mit modernen Dingen zu tun hat. Deshalb haben wir uns auch schon seit Jahren nicht mehr gesehen."

Irgendwie erinnerte Buffy diese Beschreibung an ihren Chef, der ebenfalls eine Abneigung gegen die technischen Wunderwerke der heutigen Welt hegte. Aber sie wollte nicht voreilig ein Urteil über Annas Besuch fällen und freute sich, endlich mal einen Freund der Frau kennen zulernen, die ihr in den letzten Jahren zum Mutterersatz geworden war.

„Wann wird er denn hier ankommen?"

„Das weiß ich noch nicht. Bisher habe ich noch keine Nachricht von ihm erhalten."

Im selben Moment kam ein schwarzer Rabe den Himmel heruntergeflogen und landete direkt vor Buffys Beinen. „Huch!"

„Ah! Ich schätze das ist Corvus."

Der Rabe hüpfte noch etwas näher an Buffy heran und setzte sich dann mit einem Satz auf ihre Schulter. Buffy erschrak, als es sich der Rabe auf ihrer Schulter bequem machte, und meinte zu Anna: „Cor wer?"

„Corvus. Das ist ein alter Freund von mir. Er lebt bei Rupert. Ich denke, er ist nun endlich angekommen. Hör doch, er versucht mit dir zu sprechen."

Corvus blickte Buffy in die Augen, als wollte er ihr eine Nachricht überbringen. Doch Buffy verstand kein einziges Wort. Der Rabe machte einen Krächzer und wiederholte dann seine Botschaft erneut. Doch Buffy bewunderte nur das wunderschöne schwarze Gefieder des Vogels und öffnete ihr Herz nicht für die Worte, die er ihr mitzuteilen versuchte. Schließlich gab Corvus auf und flog auf Annas Schulter, um ihr seine Nachricht zu übermitteln.

„Hm... – Buffy, wärst Du so freundlich und würdest Rupert mit deinem Auto am Bahnhof abholen? Ich schätze er wird zwar nur widerwillig einsteigen, aber zu Fuß braucht er den halben Tag hierher. Und es ist bereits viel zuviel Zeit vergangen."

„Woher weißt Du, dass er am Bahnhof wartet? Halt, sag es nicht. Ich weiß schon. Der Rabe."

Anna lächelte vergnügt und fügte hinzu: „Corvus wird dich begleiten. Er führt dich zu ihm. Ich werde in der Zwischenzeit etwas Leckeres für uns zum Abendessen vorbereiten." Daraufhin flog der Rabe wieder auf Buffys Schulter und wartete geduldig darauf, dass Buffy sich in Bewegung setzte.

Ungläubig stand sie nur da und glaubte sich in einem ihrer dubiosen Träume wieder zu finden. Mit einem komischen Gefühl im Bauch und einem schwarzen Raben auf der Schulter, was ihr noch viel komischer vorkam, als ihr Bauchgefühl, ging sie zu ihrem Auto und fuhr los in Richtung Bahnhof.

Corvus hüpfte neben die Kopfstütze ihres Beifahrer-Sitzes und blickte geradeaus durch die Windschutzscheibe. Buffy versuchte sich so gut es ging auf den Verkehr zu konzentrieren, musste aber immer wieder zu dem seltsamen Anblick neben sich schauen.

„In meinem Auto sitzt ein großer schwarzer Vogel!" meinte sie mehr zu sich selbst, als sie plötzlich wieder eine Stimme in sich hören konnte: „Ich bin ein Rabe!"

Um ein Haar hätte sie vor Schreck die Ausfahrt verpasst und steuerte den Wagen abrupt nach links, so dass Corvus Mühe hatte auf seinem Stehplatz zu bleiben. Mit aufgeregten Flügelschlägen versuchte er das Gleichgewicht zu halten und beschwerte sich mit einem lauten Krächzer.

„Oh, tut mir leid, das wollte ich nicht!" entschuldigte sich Buffy.

Corvus meinte dann nur: „Schon wieder so ein stürmischer Mensch!"

„Ich bin nicht stürmisch!" erwiderte Buffy, ohne dass ihr bewusst war, dass sie sich soeben mit einem Raben unterhielt. Dann sickerten die letzten Geschehnisse langsam zu ihrem Verstand hindurch und sie legte vor Schreck eine Vollbremsung hin.

Glücklicher Weise fuhr gerade niemand hinter ihr, sonst hätte sie mit Sicherheit einen Unfall verursacht. Durch die abrupte Bremsung verlor Corvus das Gleichgewicht und fiel, aufgeregt flatternd, aufs Armaturenbrett. Wütend krächzte er auf. Nachdem er sich einigermaßen wieder gefangen hatte, blieb er vorsichtshalber auf der Sitzfläche des Beifahrer-Sitzes stehen und schimpfte seine Fahrerin. Doch Buffy war verwirrt und starrte den Vogel ungläubig an, wodurch sie nicht verstand was er zu ihr sagte. Was vielleicht auch besser war, den Corvus war wirklich sehr wütend.

„Ich spreche mit einem Vogel! Ich glaub jetzt dreh ich langsam durch. Ich sollte mir wirklich endlich eine neue Arbeit suchen. Der Job tut mir nicht gut!"

Sicherheitshalber stellte Buffy das Radio an, als sie weiterfuhr, damit sie nichts mehr von dem Vogel hören konnte. Oder besser gesagt, damit sie es sich nicht noch einmal einbilden konnte, denn sie glaubte auf keinen Fall daran, dass Corvus tatsächlich mit ihr gesprochen hatte.

Sie war heilfroh endlich am Bahnhof anzukommen. Doch sie hatte keine Ahnung wie sie diesen Rupert nun finden sollte? Corvus krächzte und hüpfte auf ihre Schulter. Er versuchte ihr zu sagen, dass sie noch ein gutes Stück weiter hinter zu den Parkplätzen fahren sollte, doch Buffy konnte ihn nicht verstehen. Sie machte sich zu viele Gedanken darüber wie sie ihren zukünftigen Fahrgast finden sollte. Schließlich suchte sie sich eine Parkbucht und stieg aus, um den Mann zu Fuß zu suchen. Corvus hatte genug von Buffy und flog davon. „Na Prima! Wie soll ich jetzt diesen Rupert finden?"

Corvus wusste natürlich wo Rupert wartete und flog zu ihm. „Da bist du ja endlich. Hast Du Anna gefunden?" Der Rabe berichtete ihm kurz was geschehen war und zeigte ihm den Weg zu Buffys Auto.

Buffy traute ihren Augen nicht, als ihr ein Mann mit dem Raben auf der Schulter entgegen kam. „Hallo Buffy, schön Sie kennen zulernen. Ich bin Rupert", begrüßte er sie und reichte ihr freundlich die Hand.

Buffy erwiderte zaghaft den Händedruck und fügte verblüfft hinzu: „Woher wissen Sie meinen Namen?"

„Corvus hat mir bereits von Ihnen berichtet. Sie seien eine sehr stürmische Frau und eine Freundin von Anna."

„Ich bin nicht stürmisch!" blaffte sie direkt den Vogel an. Langsam aber sicher hatte sie das Gefühl ihren Verstand zu verlieren. Und irgendwie glaubte sie langsam tatsächlich daran, dass dieser Vogel auf irgendeine Weise sprechen konnte. Das war zumindest die einzige Erklärung, die sie momentan für all die seltsamen Geschehnisse parat hatte.

Rupert folgte ihr zu ihrem Auto und richtete einen mehr als skeptischen Blick auf das Gefährt. „Keine Angst. Ich fahre auch ganz vorsichtig", versuchte Buffy ihn zu beruhigen. Nur zögerlich stieg Rupert ein, während Buffy sein Gepäck im Kofferraum verstaute. Corvus zog es vor, den Weg zurück in der Luft zu verbringen und flog davon.

Dies machte Rupert nur noch nervöser und er hielt sich verkrampft am Haltegriff an der Tür fest, obwohl sie noch nicht einmal losgefahren waren. Als Buffy einstieg und den Wagen startete, zuckte Rupert kurz zusammen und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Buffy fuhr so vorsichtig und ruhig wie es ihr möglich war. Während der Fahrt waren beide ganz still. Buffy dachte zwar, dass es unhöflich war und sie sich eigentlich mit ihrem Fahrgast unterhalten sollte, aber ihr gingen zu viele Dinge im Kopf herum.

Sie versuchte sich die Geschehnisse mit dem Raben noch einmal ins Gedächtnis zu rufen und eine logische Erklärung für alles zu finden. Rupert hingegen starrte nur ängstlich aus dem Fenster und hoffte, bald wieder aus dieser Teufelsmaschine aussteigen zu dürfen. So viele unheimliche Dinge hatte er bereits in seinem Leben gesehen. So vielen Gefahren war er stets mutig entgegen getreten, aber mit den Gefahren der modernen Welt hatte er wirklich ernste Probleme. Dementsprechend erleichtert war er natürlich, als sie ihr Fahrziel endlich erreichten.

Freudig begrüßten sich Rupert und Anna. Buffy brachte Ruperts Gepäck ins Haus.

Ein herrlicher Duft stieg ihr in die Nase. Anna hatte inzwischen ein wahres Festmahl für sie zusammen zubereitet.

Buffy bereitete den Tisch für das Essen vor, nachdem Anna sie darum gebeten hatte. Während Buffy im Haus verschwunden war, meinte Anna zu ihrem Gast: „Ich glaube wir müssen nicht lange nach der Auserwählten suchen. Ich glaube, dass sie es ist."

„Du meinst Buffy? Denkst du, dass sie diejenige ist?"

„Ja, sie hat die Gabe."

„Wir werden sehen."

Anna und Rupert gingen ins Haus und setzten sich an den gedeckten Tisch. Gemeinsam aßen sie das köstliche Mahl und unterhielten sich ein wenig.

Rupert fragte Buffy interessiert: „Buffy, erzählen Sie mir doch ein bisschen von sich. Haben Sie irgendwelche Vorlieben?"

Buffy verstand nicht so recht was Rupert mit ‚Vorlieben’ meinte und schaute ihn nur verblüfft an. Anna erkannte den Grund für Buffys Zögern und fügte hinzu: „Erzähl ihm doch von deiner Leidenschaft für Kristalle und Edelsteine!" Rupert wurde neugierig und fragte nach: „Sie interessieren sich für Kristalle?"

Daraufhin berichtete Buffy stolz von ihrer umfangreichen Sammlung und von ihrem Wissen, dass sie sich im Laufe der letzten Jahre selbst angeeignet hatte. Rupert war sehr angetan und in kürzester Zeit brach nun auch das letzte Eis zwischen ihnen, sodass sie sich angeregt miteinander über dieses Thema unterhielten.

Die Zeit verging wie im Fluge. Nach dem Essen hatten die Drei es sich im Kaminzimmer gemütlich gemacht und sich noch lange über allerlei Dinge unterhalten. Buffy erfuhr von Ruperts Hütte, weit abgelegen in einem großen Wald. Er berichtete ihr von seinem Leben zusammen mit Corvus und den anderen Tieren dort. Buffy musste unweigerlich erkennen, dass die Erzählungen von Rupert denen von Anna sehr ähnlich waren. Beide waren überzeugt davon mit Tieren und Pflanzen sprechen zu können.

Kurz kam ihr das Erlebnis im Auto in Erinnerung. Und die Tatsache, dass sie sich gar nicht mehr so sicher war, ob es sich um Realität oder Einbildung gehalten hatte. Doch jetzt wurde sie sehr müde und wollte nicht weiter darüber nachdenken. Morgen würde sich sicher für alles eine plausible Erklärung finden. Deshalb verabschiedete sie sich bei Anna und Rupert und zog sich in ihre Zimmer zurück.

Anna wollte nun endlich von Rupert wissen was er von Buffy hielt und fragte daher beinahe ungeduldig: „Na, was sagst du nun?"

„Was soll ich sagen?"

„Glaubst du nicht, dass sie es ist? Aber sie hat die Gabe."

„Nun ja, Corvus hat mir erzählt, dass sie ihn verstanden hat, aber nur kurz. Kann schon sein, dass sie die Gabe besitzt. Du weißt, dass es viele Menschen gibt, die sie haben, aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie diejenige ist, nach der wir suchen. Das wäre schon ein großer Zufall, dass ausgerechnet sie bei dir als Untermieterin wohnt."

„Rupert, das war kein Zufall! Das war Schicksal. Das sollte so sein. Das Schicksal hat sie direkt zu mir geführt! Ich bin mir sicher, dass sie es ist."

„Es würde uns auf jeden Fall einiges erleichtern. Wenn sie es wirklich ist, dann haben wir eine gute Chance, dass alles gut wird."

„Ja, das wird es bestimmt. Sei doch endlich mal etwas optimistischer. Bisher haben wir es doch noch immer geschafft, dass sich die Dinge zum Guten gewendet haben. Und das werden wir auch diesmal schaffen."

„Aber noch nie hatten wir einen so mächtigen und bösen Gegner! Das dürfen wir nicht unterschätzen. Erst wenn alles geschafft und die Gefahr gebannt ist, dann werde ich Optimismus zeigen."

„Also gut, ganz wie du meinst, dann lass uns endlich mit dem Ritual beginnen, damit wir Gewissheit haben."

„Das wird wohl das Vernünftigste sein."

Rupert holte die kleine Schatulle mit den Kristallen und ein altes Buch aus seinem Koffer; Anna holte ein paar ihrer Kristalle, Kerzen und ein paar vorbereitete Büschel Kräuter und legte sie im Kaminzimmer auf den kleinen Wohnzimmertisch. Rupert kam zu ihr und setze sich neben sie auf die kleine Couch.

Sie bereiteten nun alles für das Ritual vor, mit dem die Kräfte der Natur beschwört werden konnten, um diejenige preiszugeben, die die Auserwählte war. Dieses Ritual war in einem von Ruperts alten Büchern beschrieben und konnte nur von zwei Wächtern gemeinsam durchgeführt werden. Anna und Rupert waren solche Wächter. Ihre Aufgabe bestand seit vielen Jahren darin, die Zeichen der Sterne und Naturgewalten zu deuten und die Menschheit vor dem Bösen zu beschützen.

Viele Gefahren und Abenteuer hatten sie bereits gemeinsam bestanden. Doch dies alles war schon Jahre her. In letzter Zeit war es ruhig um sie geworden. Zu ruhig. Denn nun mussten sie sich auf einen mächtigen Gegner vorbereiten, der nur mit Hilfe einer jungen Frau zu bezwingen war, welche aber erst noch gefunden werden musste.

Eben dieses Ritual sollte die Identität der Auserwählten preisgeben. Erst wenn die Sterne richtig zu einander stünden und erst wenn die Mächte in der Auserwählten beginnen zu wachsen, dann konnte sie gefunden werden. Darum machten sich Anna und Rupert nun daran diese Auserwählte zu finden.

Sie legten alle Kristalle in einem Kreis auf den Tisch. In der Mitte zündete Anna eine Kerze an. Rupert schlug eine Seite in dem Buch auf und begann laut zu lesen: „Mutter Erde erhöre uns. Wir bitten die Mächte der Natur um Hilfe. Feuer, Wasser, Erde, Luft, wir rufen Euch! Erhöret unsere Bitte. Zeigt uns den Weg zu der Erwählten."

Rupert nahm ein Kräuterbüschel, das aus mehreren verschiedenen Kräutern zusammengebunden war und hielt es in die Flamme der Kerze. Rauch stieg hinauf und ein angenehmer Duft verbreitete sich im Kaminzimmer. Dann wiederholte er immer wieder den Bittruf. Anna saß währenddessen neben Rupert und hielt seine freie Hand fest. In ihrer anderen Hand hielt sie einen Bergkristall, der genau in ihre geschlossene Faust passte.

Rupert sprach immer wieder den Satz von vorne und allmählich schien sich die Atmosphäre im Raum zu verändern. Als wenn eine kühle Brise aufkommen würde. Beinahe unbemerkt, aber dennoch unverkennbar. Die Kerzenflamme flackerte auf. Anna driftete langsam in einen Art Trance-Zustand. Sie verdrehte die Augen und verstärkte den Händedruck. Rupert ließ sich nicht durcheinander bringen und wiederholte abermals seinen Text.

Der Rauch, der von dem Kräuterbüschel ausging, bekam plötzlich ein Eigenleben. Er tänzelte spielerisch um die Flamme der Kerze und zog immer größer werdende Kreise. Bis er schließlich direkt über dem Kreis der Kristalle schwebte und seine Bahnen zog.

Dann schien etwas in Anna hineinzufahren. Wie ein fremder Geist, der ihren Körper in Besitz nahm. Annas Köper bäumte sich kurz auf und sackte dann in sich zusammen.

Die grauen Rauchschwaden über den Kristallen verschwanden plötzlich, als wären sie von den Kristallen aufgesogen worden.

Annas Griff wurde locker. Hätte Rupert sie nicht gehalten, währe ihre Hand leblos nach unten geglitten. Der Kristall in ihrer anderen Hand fiel auf dem Boden. Er hatte sich verändert. Aus dem nahezu klaren und durchsichtigen Bergkristall ist nun ein schwarzer Stein geworden. Rupert hatte mit seinem Bittgesang aufgehört und blickte nun sorgenvoll auf Anna. Diese schien sich wieder zu erholen und öffnete langsam ihre Augen.

Rupert berührte sie sachte an der Schulter und fragte: „Alles in Ordnung?"

„Ja, ja, es geht schon wieder. War ein ziemlich heftiger Trip. Wie die Jugend von Heute zu sagen pflegt."

„Ein was?"

„Ach nichts. Es geht mir gut. Es verlief alles so wie geplant."

„Hattest du eine Vision? Was hast du gesehen?"

„Buffy."

+ + +

Zur gleichen Zeit ereignete es sich an einem alten geschichtsträchtigen Ort, dass etwas Böses auf unsere beiden Wächter aufmerksam wurde. Eine tiefe raue Stimme hallte durch die alten Gemäuer: „Jemand wagt es die alten Mächte der Natur zu beschwören."

Eine Gestalt, eingehüllt in einem langen schwarzen Umhang, stand in einem Raum an diesem besagten Ort. Sein Gesicht lag im Schatten der Kapuze verborgen. Er hatte deutlich die Mächte, die von den beiden Wächtern beschworen wurde, wahrgenommen. Mit jeder Faser seines unheiligen Körpers hatte er gespürt, dass ein uraltes Ritual vollzogen wurde, von dem er gehofft hatte, dass es keine lebenden Menschen mehr gäbe, die es beschwören könnten.

Doch nun hatte er Gewissheit. Es gab Menschen, die seine Pläne durchkreuzen könnten. Dies galt es auf jeden Fall zu verhindern. So lange hatte er darauf gewartet. Endlich, nach so langer Zeit, verhießen die Sterne den baldigen Zeitpunkt, an dem seine Kräfte stetig stärker werden und er die ganze Menschheit ins Verderben stürzen würde. Und niemand sollte es wagen seine Pläne zu durchkreuzen. Er musste unbedingt in Erfahrung bringen, wer versuchte sich gegen ihn zu stellen. Er hatte keinesfalls vor seine Feinde zu unterschätzen. Jede Bedrohung, und sei es ein noch so winziger und unwichtiger Mensch, könnte in der Lage sein die Menschheit zu retten. Dies hatte die Geschichte bereits mehrmals bewiesen.

Es war nun bald an der Zeit einen alten Feind zu besuchen. Einen, der bereits seit vielen Jahren in seinem Gewahrsam war. Ganz unten im Verlies dieses alten und verfallenen Gemäuers. Eingesperrt in einer dunklen Zelle, damit er nicht in der Lage sein würde den Triumph des Bösen zu verhindern.

+ + +

Tief unten in der Zelle rasselten die schweren Ketten, die ihn hier erbarmungslos festhielten. Auch er hatte die Schwingungen gespürt, die von dem Ritual ausgelöst wurden. Der gelbe Bote hatte also die Wahrheit gesagt. Es gab noch immer Menschen, die die alten Mächte beschwören konnten. Es müssen Wächter sein, denn nur solche sind dazu in der Lage. Das würde bedeuten, dass sie auf der Suche nach der Erwählten waren. Und wenn sie sie finden würden, dann gab es noch Hoffnung für ihn und für die Menschheit. Energisch rüttelte er wieder an seinen Ketten, doch sie gaben nicht nach. Ein Zauber lag auf ihnen und verhinderte, dass er sich befreien konnte. Blut lief seine Arme herab. Das schwere Eisen hatte sich abermals in seine Haut geschnitten. Wie schon so oft.

+ + +

Buffy wälzte sich in ihrem Bett herum, während an ihrem Fenster das vorausgesagte Gewitter stürmte. Wirre Träume verhinderten einen ruhigen Schlaf. In ihren Träumen sah sie dunkle Gestalten, die um einen Altar herum standen und in einer fremden Sprache einen Sprechgesang aufsagten. Auf dem Altar lag ein nacktes schreiendes Baby. Entsetzten machte sich in ihren Sinnen breit. Verzweifelt versuchte sie das Kind zu erreichen, aber eine unsichtbare Macht verhinderte, dass sie sich bewegen konnte.

Schweißgebadet fuhr sie schließlich hoch und erkannte erleichtert, dass es nur einer ihrer Träume war. Erschöpft ließ sie sich wieder in ihr Bett zurückfallen und versuchte sich selbst zu beruhigen. ‚Es war nur ein Traum! Es ist alles in Ordnung. Nur ein Traum.’ Sie hoffte darauf endlich etwas Ruhe im Schlaf zu finden. Doch dies war ihr nicht vergönnt. Kaum war ihr Körper in einen erneuten Schlaf gesunken, wurde sie von neuen Träumen gequält.

Am Morgen darauf erhob sie sich eher müde als ausgeruht aus ihrem Bett. Der Wecker neben ihr hatte kein Verständnis für ihre unruhige Nacht. Eigentlich hätte sie schon vor 15 Minuten aufstehen sollen, doch wie so oft in der letzten Zeit hatte sich ihr Körper heftig dagegen gewehrt. In den letzten Wochen war es immer schlimmer geworden. Und es gab nun keine einzige Nacht, in der sie nicht von ihren Alpträumen gequält wurde. Noch nie war es so schlimm gewesen. Träge erhob sie sich und bereitete sich auf einen erneuten Arbeitstag vor.

+ + +

Die Gestalt mit dem schwarzen Kapuzenumhang betrat das Verlies. Hölzerne Fackeln entzündeten sich von selbst und tauchten das Verlies in ein goldenes Licht. Erschrocken blickte der Gefangene durch die Gitter in den dunklen Gang und erkannte sofort wer gekommen war. Selbst wenn er ihn nicht gesehen hätte, hätte er gewusst wer ihm nun immer näher kam. Er konnte deutlich die böse und unheilvolle Aura fühlen, die von der Gestalt ausging.

Der Besucher öffnete die Gittertüre zu seinem Gefängnis, betrat seine Zelle und blieb direkt vor ihm stehen. Seine blauen Augen starrten gefasst in das, von der Dunkelheit verborgene, Antlitz seines Feindes. Er ahnte was ihn erwartete. Sicher hatte sein Gegenüber ebenfalls die Schwingungen der Magie vernommen. Und nun war er hier, um zu erfahren was die Wächter vorhaben würden.

Es war nicht gewiss, ob sein böser Feind von der Existenz der Erwählten wusste. Die alten Prophezeiungen wurden seit Jahrtausenden gehütet und bewacht. Doch wenn er es nicht wusste, dann dürfte er es auch auf keinen Fall erfahren. Denn sonnst wäre sie in großer Gefahr. Keine Sekunde würde das Böse zögern, um sie zu töten.

„Ich grüße dich. Alter Feind!" sprach die Gestalt nun mit tiefer rauer Stimme und wartete geduldig auf eine Antwort.

„Was willst du, Malignus?" antwortete er in einem abfälligen Ton.

„Ich dachte, dass du dich vielleicht über etwas Gesellschaft hier unten freuen würdest."

„Ich bin lieber alleine, Danke."

„Die Einsamkeit und die Ruhe tun dir nicht gut. Ich habe beschlossen jetzt mehr Zeit hier bei dir zu verbringen."

„Nimm den Zauber von meinen Ketten und ich werde dir einen angemessenen Empfang in meiner bescheidenen Behausung bereiten."

„Ja, das hättest du wohl gerne. Aber mach dir keine Sorgen, ich kann es mir auch so bei dir bequem machen."

Malignus erhob seine dürren, knöchrigen Finger und hielt wie durch unsichtbare Zauberei plötzlich ein Weinglas, gefüllt mit Rotwein, in der Hand. Zufrieden erkannte er in den Augen seines Gefangenen das Verlangen und die Sehnsucht nach diesem edlen Tropfen. Zwar hatte dessen Körper Gefühle wie Hunger und Durst schon längst aufgegeben, da sein Flehen seit langer Zeit nicht erhört wurde, doch der Anblick des Weines rief diese wieder hervor.

„Möchtest du auch einen Schluck? – Oh, ich vergaß. Du brauchst ja nicht zu essen oder zu trinken. Obwohl, wenn ich mich recht entsinne, dann hast du es immer sehr genossen die Vorzüge deines menschlichen Körpers auszuleben. Kaum ein Fest fand ohne dich statt, und kaum ein Weiberrock war vor dir sicher. Du hast das Leben immer in vollen Zügen genossen. Doch nun bist du hier bei mir gefangen bis in alle Ewigkeit. Eine traurige Geschichte. Findest du nicht?"

„Verschone mich mit deinen Metaphern und komm endlich zur Sache! Du bist sicher nicht ohne Grund hier."

„Na, na, ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf! Aber du hast recht, ich habe einen Grund für mein Erscheinen. Und ich bin mir sicher, dass du diesen bereits kennst. Denn bestimmt hast du auch die Magie gespürt, die gestern Abend von irgendwelchen dummen und einfältigen Menschen ausgeübt wurde. Also lass uns die Höflichkeitsfloskeln übergehen und kommen wir gleich zur Sache. Was weißt Du von den Wächtern? Wer sind sie? Und was haben sie vor?"

„Woher sollte ich das wissen? Schließlich hältst du mich hier schon seit einer Ewigkeit fest!"

„Ich denke doch, dass du etwas darüber weißt. Und du wirst es mir sagen. Dafür werde ich sorgen. Denn dein menschlicher Körper birgt nicht nur Vorteile für dich! Ich werde dir solange Qualen und Schmerzen bereiten, bis du mich anflehst es mir verraten zu dürfen."

Mit diesen Worten verwandelte sich das Weinglas in eine glühende Peitsche aus einem roten magischen Licht. Als er seine Drohung beendet hatte, ließ er die Peitsche wie von Geisterhand über den nackten Oberköper seines Gefangenen schnellen. Das magische Licht schnitt sich brennend heiß in das Fleisch. Viel schmerzvoller, als es eine normale Peitsche aus Leder hätte tun können. Nur mit großer Mühe konnte sein Gefangener einen Aufschrei verhindern.

+ + +

Endlich hatte Buffy ihr Büro erreicht. Doch wieder mal viel zu spät. Ihr wütender Boss wartete bereits in ihrem Büro auf sie.

„Buffy, Sie brauchen sich gar nicht erst die Mühe machen sich hinzusetzten! Sie sind gefeuert! Ich habe Sie bereits mehr als einmal gewarnt. Sie brauchen nicht zu versuchen mich umzustimmen. Ich habe genug von Ihnen. Harmony wird Ihre Pflichten übernehmen, bis ich eine neue Sekretärin gefunden habe. Ich möchte Sie daher bitten auf der Stelle dieses Büro zu verlassen!"

Buffy stand sprachlos vor ihrem Chef. Eigentlich hätte sie bestürzt sein sollen. Doch irgendwie fühlte sie sich jetzt erleichtert. Sie war sich nicht sicher, ob sie es je geschafft hätte aus eigener Kraft diesen Job zu kündigen. Doch nun war dies vollkommen hinfällig geworden. Sie war nun frei. Sie müsste sich nun zwar um einen neuen Job bemühen, doch das war ihr in diesem Moment egal. Gedankenversunken malte sich langsam ein leichtes Grinsen in ihr Gesicht.

Ihr Chef schien daraufhin noch erboster zu werden und bekam einen hochroten Kopf. „Sie finden das wohl auch noch Lustig? Verlassen Sie sofort dieses Büro und wagen Sie es nicht sich hier noch einmal blicken zu lassen!"

Buffy war jetzt wieder hellwach und änderte ihr leichtes Lächeln in einen festen Blick, der ihren Chef fixierte. Völlig ruhig und gefasst öffnete sie das Oberteil zu ihrem konservativen Kostüm und warf es sich über die Schulter. Sie öffnete die streng zusammengebundenen Haare und befreite ihre blonden Locken von der spießigen Frisur.

„Keine Sorge. Ich werde nie wieder einen Fuß in dieses Büro setzen. Leben Sie wohl."

Und mit einem Gefühl der Befreiung verließ sie den Raum, in dem ihr vor Wut schäumender Chef stand. Er konnte es kaum fassen, dass sie es so gelassen hingenommen hatte.

+ + +

Währenddessen besprachen sich Anna und Rupert wie sie es am besten anstellen sollten, damit Buffy ihnen glaubt, dass sie die Erwählte ist. Sie saßen draußen im Garten bei einer Tasse Tee und einem Stück von Annas leckerem Apfelkuchen. Anna meinte:

„Wir sagen es ihr ganz einfach, wenn sie von der Arbeit zurückkommt."

„Sicher, denkst du vielleicht, dass sie es uns einfach so glauben wird?"

„Wir werden sie überzeugen müssen."

„Ich dachte genau darum geht es gerade in unserem Gespräch? Nämlich herauszufinden, wie wir es anstellen, dass sie uns glaubt."

„Wir zeigen ihr, welche Macht sie besitzt"

„Wir wissen doch noch gar nicht wie weit ihre Macht bereits fortgeschritten ist? Es kann gut sein, dass sie ihre Macht noch gar nicht besitzt, sondern das sie erst später auftreten wird."

„Aber die Gabe mit Tieren zu sprechen besitzt sie bereits. Corvus wird uns helfen."

„Ja, das wird aber nicht reichen. Doch wir haben keine andere Wahl. Wir müssen es Buffy sagen. Und zwar so bald wie möglich."

„Was müsst ihr mir sagen?"

Rupert und Anna fuhren erschrocken herum, als sie bemerkten, dass Buffy hinter ihnen stand und offensichtlich einen Teil ihres Gesprächs mitbekommen hatte. Nachdem keiner der Beiden Anstalten machte ihr zu erklären worum es gerade in ihrem Gespräch ging, wiederholte sie ihre Frage erneut: „Was müsst ihr mir sagen? Ihr habt doch gerade über mich gesprochen. Also worum ging es gerade?"

Anna ergriff schließlich die Initiative und fing an zu erklären: „Buffy Liebes, setzt Dich erst mal zu uns. Es stimmt, wir müssen dir wirklich etwas sehr wichtiges erzählen. Es geht auch tatsächlich um dich."

Buffy kam ihrer Aufforderung nach und setzte sich zu den Beiden auf einen freien Gartenstuhl. Anna hatte jetzt ihre Neugierde geweckt und aufmerksam verfolgte sie was Anna und Rupert ihr nun zu berichten hatten. Anna setzte ihre Erläuterung fort und meinte: „Für alles, was im Leben passiert, gibt es einen Grund. Auch dafür, dass dich dein Weg zu mir und zu Rupert geführt hat. Du bist kein gewöhnlicher Mensch. Du bist geboren worden, um bald eine wichtige Rolle in der Geschichte der Menschheit zu spielen. Du bist die Erwählte."

Buffy verstand nur Bahnhof. Was sollte sie sein? Eine Erwählte? Erwählt wofür? Und wozu?

Für einen kurzen Augenblick dachte Buffy, dass Anna ihr gleich verklickern will, dass sie erwählt sei um Rupert zu heiraten, oder irgendetwas in dieser Richtung. Doch das kam ihr dann doch etwas unwahrscheinlich vor. Verwirrt blickte sie in die beiden Gesichter, die sie hoffnungsvoll ansahen, unfähig eine Erwiderung auf das Gesagte zu geben. Rupert fügte noch hinzu: „Buffy, du hast die Gabe! Du hast es gestern selbst bemerkt, als du mit Corvus gesprochen hattest. Du hast ihn verstanden. Glaube mir, du hast große Mächte in dir. Und unsere Aufgabe ist es dich deinen Mächten näher zu bringen und dich auf deine Mission vorzubereiten."

Das wurde ihr nun doch zu bunt! Ein Verkupplungsversuch wäre ihr jetzt beinahe lieber gewesen, als das hier! Schlimm genug, dass Anna immer mit ihren Hirngespinsten daherkam, aber das ganze im Doppelpack war nun doch etwas zuviel für die junge Frau. Schließlich hatte dieser Tag schon schlimm genug begonnen.

„Das reicht! Ich will nichts mehr hören. Ihr seid beide verrückt. Anna, tut mir Leid, ich hab dir immer aufmerksam zugehört und nie versucht dir reinzureden, wenn du mir immer wieder weismachen wolltest, dass du mit Pflanzen und Tieren sprechen kannst. Aber das ihr mir jetzt irgendwas erzählen wollt von wegen ich sei eine Erwählte oder so, ist einfach zu viel für mich. Es gibt keine Magie. Und Menschen können auch nicht mit Tieren sprechen. Bitte verschont mich mit diesen Hirngespinsten. Und jetzt entschuldigt mich, ich hatte einen harten Tag."

Und mit diesen Worten erhob sie sich, um sogleich im Haus zu verschwinden, noch bevor Rupert und Anna etwas dazu hätten sagen können.

„Damit war zu rechnen", meinte Rupert nur bedrückt.

„Lass ihr Zeit. Sie wird bald ihre Mächte spüren. Und früher oder später wird sie uns glauben."

„Ja meine Liebe, aber wir haben leider nicht viel Zeit. Und das Böse wird sicher bald auf uns aufmerksam werden."

„Denkst Du, dass seine Macht bereits so groß ist, dass er die Schwingungen in der Magie fühlen kann?"

„Ich weiß es nicht, aber wir müssen davon ausgehen. Wir sollten auf jeden Fall auf der Hut sein. Wenn das Böse von ihr erfährt, dann schwebt sie in großer Gefahr."

+ + +

Malignus saß in einem steinernen Thron, den er sich aus dem Nichts herbeigezaubert hatte, und sah zufrieden dabei zu, wie sich seine magische Peitsche immer wieder in die Brust seines Opfers schnitt. Zahlreiche Striemen und offene Wunden zogen sich bereits über den geschundenen Körper. Markerschütternde Schreie, die von jedem einzelnen Schlag der leuchtenden Peitsche herrührten, schallten durch die alten Mauern. Doch langsam wurden die Schreie schwächer. So wie die Kraft, die seinen Körper zu verlassen drohte.

Malignus bemerkte, dass sein Gefangener an Kraft verlor und befahl seiner Waffe eine Pause einzulegen. Der Gepeinigte ließ seinen Körper schlapp in die Ketten fallen und nutze die Gelegenheit, um sich etwas auszuruhen. Es dauerte nur Sekunden und sein Bewusstsein suchte sich Zuflucht an einem andern Ort.

Er sah eine Waldlichtung. Das Licht der Sonne, dass durch das kleine Loch in der dunklen Baumdecke hereinstrahlte, färbte den Waldboden und die dort wachsenden Farne in ein helles grün und ließ die schwirrenden Insekten wie funkelnde Sterne erleuchten. Die Vögel des Waldes stimmten ein fröhliches Lied ein.

Er setzte sich in das warme Gras und konzentrierte sich auf seine Umwelt. Er horchte in den Wald und konnte leise Stimmen hören. Sie erzählten ihm von Dingen, die kommen mögen oder auch nicht. Von dem Leben, das in ihnen wohnt und in die Natur übergeht, wenn sie alle sterben. Von dem Kreislauf des Lebens, von dem jedes Lebewesen ein Teil ist. Die Stimmen verkündeten ihm ein trauriges Schicksal, welches er anzunehmen hatte. Traurigkeit füllte sein Herz. Die Gewissheit dessen, was ihm widerfahren wird. Denn er hatte viele Fehler begangen.

Die kalte knöchrige Hand Malignus’ traf ihn hart im Gesicht und riss ihn aus seiner Zuflucht.

„Wirst du wohl hier bleiben? Es nützt dir nichts, dich in deine Bewusstlosigkeit zu flüchten. Denn ich werde trotzdem noch hier sein. Und du bist hier bei mir für immer gefangen. Für dich gibt es keine Erlösung."

Malignus ergriff das Kinn seines Gefangenen und hob es hoch, sodass dieser gezwungen war ihn anzusehen. Im Schatten der Kapuze war ein uraltes knöchriges Gesicht mit einer fahlgrauen Gesichtsfarbe zu erkennen. Seine Augen funkelten böswillig mit großen Schwarzen Pupillen auf seinen Gegner.

„Sag mir was ich wissen will und du kannst dich mit deinem kümmerlichen Geist wieder in deine Traumwelt flüchten."

Der schlappe Körper in den Ketten schwieg. Kein Wort würde über seine Lippen kommen.

Niemals.

+ + +

Buffy lag in ihrem Zimmer auf ihrem Bett und starrte die Zimmerdecke an. ‚Was denken sich diese Beiden nur dabei!’ kam es ihr in den Sinn. Jahrelang versuchte sie sich von ihren Wunschträumen zu trennen, dass sie kein besonderer Mensch, sondern nur eine ganz normale Frau sei. Nicht bestimmt und auserkoren, um eine wichtige Rolle im Leben zu spielen. Nun, da sie endlich erfolgreich ihre Sehnsüchte begraben hatte, kamen diese zwei Menschen und gruben sie wieder aus. Das war nicht fair. Sie wollte nicht daran glauben eine Erwählte zu sein. Es war einfach zu unglaubwürdig. So etwas gab es nur in Märchen und Filmen, aber nicht in der realen Welt.

Sie drehte sich auf die Seite und hielt ihr Kopfkissen fest an sich gedrückt. Dann starrte sie aus dem Fenster und beobachtete wie sich die ersten Herbst-Blätter der Bäume in der Sonne färbten. ‚Wunderschön.’ dachte sie nur.

Corvus, der Rabe, erschien plötzlich an ihrem Fenster und bettelte mit nervösen Schlägen seines Schnabels an der Fensterscheibe um Einlass. Buffy stand zögernd auf und ließ den ungeduldigen Gast herein. „Was willst du denn hier?" fragte sie ihn, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Denn schließlich können Tiere ja nicht sprechen. Doch Corvus flatterte herein, setzte sich auf ihre Bettkante und antwortete ihr. Und Buffy verstand diesmal: „Mit dir sprechen."

„Was?"

Schon wieder war es passiert. Sie hatte schon wieder dieses Gefühl Worte von ihm in ihrem Kopf gehört zu haben. Doch das konnte nicht wahr sein. Das war einfach zu verrückt.

„Ich wollte mit dir sprechen", wiederholte er seinen Satz und diesmal erfasste Buffy jedes Wort. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte, aber sie hatte sich auf den schwarzen Vogel konzentriert und dies machte es möglich, dass sie seine Worte hören konnte. Oder war es doch nur eine eingebildete Stimme in ihrem Kopf?

Sie musste es herausfinden. Und der einzige Weg dies zu tun war, sich auf ein Gespräch mit einem Raben einzulassen und zu sehen was geschieht.

„Bist es wirklich du, der mit mir spricht?" fragte sie Corvus ungläubig.

„Siehst du außer mir noch einen Raben in deinem Zimmer?"

„Nein."

„Na also!"

Buffy setzte sich neben ihm auf ihr Bett und studierte den Schwarzgefiederten Besucher.

Corvus ergriff daraufhin das Wort und begann: „Du musst den Wächtern glauben. Es steht ziemlich viel auf dem Spiel. Es hängt alles von Dir ab. Du bist die einzige, die uns helfen kann."

„Wen meinst du mit „Wächtern"?"

„Rupert und Anna. Die beiden sind Wächter. Ihre Aufgabe ist es die Zeichen der Natur zu deuten. Und Unheil zu verhindern. Und es war ihre Bestimmung dich zu finden, damit sie dich auf deinem Weg begleiten und dich auf deine Mission vorbereiten können."

„Meine Mission?"

„Ja, du hast eine Mission. Aber das wird dir Rupert genauer erzählen. Denn alles weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass du die Gabe besitzt mit mir zu sprechen. Und wenn es stimmt, was Anna und Rupert sagen, dann bist du noch zu viel mehr fähig!"

„Zu viel mehr? Was meinst du damit?"

„Magie, Zauberei, Hexerei, nenn’ es wie du willst, es ist in dir und du wirst es bald entdecken. Rupert wird dir zeigen, wie du damit umzugehen hast."

„Wieso ich?"

„Wieso ich, wieso ich? Denkst du ich habe es mir ausgesucht mit Rupert in einer Hütte im Wald zu leben? Ich war gemütlich auf der Suche nach ein paar leckeren Regenwürmern, als ich bemerkte, dass Rupert mich verstehen konnte. Ich blieb gleich darauf stumm, aber es half nichts. Der alte Mann hatte mich schon längst durchschaut. Und er ließ nicht locker, bis ich mit ihm sprach. Seither lebe ich an seiner Seite. Na ja, es ist eigentlich ganz nett bei ihm. Ich kann mich jedenfalls nicht beklagen. Es ist nun mal so. Manche Vögel sind dazu bestimmt ihr ganz normales Vogeldasein zu leben und andere, etwas Besonderes zu sein. Ganz genau so wie du."

Buffy wurde klar was er ihr damit sagen wollte. So wie es besondere Tiere gab, die sprechen konnten, so gab es auch besondere Menschen, oder erwählte junge Frauen.

+ + +

In dem alten Gemäuer, tief unten im Keller, hatte es sich Malignus wieder in seinem Thron gemütlich gemacht. Er wollte, dass sich sein Gefangener etwas erholen konnte. Ließ es aber nicht zu, dass er bewusstlos wurde. Jedes mal, wenn Malignus merkte, dass dessen Geist in andere Sphären flüchtete, ließ er einen Schwall Wasser aus dem Nichts auf ihn nieder, sodass er wieder zu sich kam. Dann beschloss er, dass es nun genug Ruhepause für sein Opfer war und befahl seiner magischen Peitsche erneut ihr Werk weiterzuführen. Doch diesmal nicht auf der Brust, sondern auf dem Rücken seines Gefangenen. Damit er sich an dem Anblick des schmerzverzerrten Gesichtes erfreuen konnte.

Ein lauter schmerzerfüllter Schrei entwich seiner Kehle. Und er spürte wie sich das magische Licht immer wieder in sein Fleisch brannte. Malignus trat vor ihn und beobachtete beinahe vergnügt und belustigend das schmerzverzerrte Gesicht des Gefesselten. Mit ruhiger und fast freundlicher Stimme, sprach er auf ihn ein: „Sag mir was ich wissen will und dies alles ist sogleich vorbei. Ich könnte sogar einen Zauber aussprechen und dir die Schmerzen lindern, dazu müsstest du mir nur sagen, was du über die Wächter weißt."

Sein Gefangener zwang sich selbst seinen Kopf stolz zu erheben und weitere Schreie zu unterdrücken, um seinem Peiniger folgende Worte entgegenzubringen: „Ich werde dir nichts sagen, Unheiliger!"

Sichtlich unberührt von seinen tapferen Worten, ließ Malignus einen Dolch in seiner Hand aus dem Nichts erscheinen und rammte ihn mit einem gewaltigen Stoß in den Bauch seines Gefangenen.

„Doch, das wirst du", erwiderte er siegessicher.

Es war klar, dass dies nicht seinen Tot bedeuten würde, den dies war ihm seit Jahrhunderten verwährt geblieben. Doch der Schmerz, den er ertragen musste, war mehr als unerträglich für seinen menschlichen Körper. Ein heiserer Schrei und ein tiefes Stöhnen waren die einzige Antwort, die zu geben er fähig war, bevor er erneut das Bewusstsein verlor.

+ + +

Mit dem Raben auf der Schulter, begab sich Buffy wieder nach unten zu den beiden Wächtern. Anna und Rupert saßen immer noch beisammen und hofften darauf, dass Corvus mehr Erfolg haben würde, als sie. Erleichterung machte sich daher in ihnen breit, als sie Buffy mit dem Schwarzgefiederten auf der Schulter auf sie zu kommen sahen.

Erwartungsvoll richteten sich ihre Blicke auf die junge Frau und beteten darum, dass diese ihr Schicksal annehmen würde. Buffy jedoch war sich noch nicht ganz sicher, ob sie bereit dazu war ein solches Schicksal anzunehmen. Doch etwas in ihr, sagte, dass dies der Augenblick war, auf den sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte. Sie wollte es versuchen. Sie wollte glauben, dass das, was ihr Rupert und Anna gesagt hatten, wahr war. Auch wenn es vielleicht ein Fehler sein würde, aber sie wollte ihr jetziges Dasein als unzufriedene Sekretärin ein für alle mal beenden. Und da sie sowieso grad auf Jobsuche war, fragte sie schließlich: „Ich habe gehört ihr hättet da eventuell eine Stellung als „Erwählte" zu vergeben. Wo kann ich mich dafür bewerben?"

Anna lächelte erleichtert und entgegnete: „Du bist eingestellt!"

Rupert wirkte eher skeptisch. Er konnte den Humor der beiden Damen nicht so recht teilen. War aber dennoch froh darüber, dass Buffy ihre Bestimmung endlich akzeptierte und fügte hinzu: „Gut, dann lasst uns sofort an die Arbeit gehen!"

„Sofort?" kam es von der Jüngeren stöhnend hervor. Und Anna pflichtete bei: „Ja Liebes, wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen dich schnellstens auf deine Mission vorbereiten."

„Was ist denn meine Mission? Corvus wollte es mir nicht sagen."

Rupert zögerte. Er war sich nicht sicher, ob es wirklich ratsam war, ihr jetzt schon die ganze Geschichte zu erzählen. Anna hatte auch Bedenken und tauschte einen ratlosen Blick mit ihm. Dann hackte Buffy noch mal nach und fragte erneut: „Hey ihr Beiden! Meine Mission? Was hat es damit auf sich? Was muss ich tun? Ich dachte uns bliebe nicht viel Zeit, also rückt endlich raus mit der Sprache."

Rupert entschloss schließlich ihr wenigsten einen Teil zu erzählen. Damit sie zumindest das Wichtigste wusste. Den Rest könnte er ihr später immer noch berichten.

„Du musst jemanden befeien."

„Jemanden befreien? Wen?"

„Niemand weiß genau wer, oder was er ist. Er lebt schon seit vielen Jahren auf dieser Welt. Keiner kennt seinen richtigen Namen. In den alten Schriften wird er nur Damnatus genannt. Das ist lateinisch und bedeutet soviel wie verurteilt."

„Ich soll einen Sträfling befreien? Das soll wohl ein Witz sein?"

„Er ist kein Sträfling. Er ist ein ehemaliger Wächter. Er hat gegen die Regeln verstoßen und wurde bestraft. Doch seine Strafe hat nichts damit zu tun, dass er der Gefangene von…" Rupert zögerte. Er wollte ihr noch nichts von dem mächtigen Gegner erzählen, dem sie alle bald gegenübertreten mussten. Nicht bevor Buffy sich ihrer eigenen Mächte bewusst sein würde. „… dass er gefangen ist, meine ich. Er wurde verurteilt kein wirklicher Mensch mehr zu sein, sondern ein Werkzeug des Guten. Eine Waffe gegen die Mächte der Finsternis. Wir brauchen ihn. Er allein kann die Menschheit retten."

Buffy dachte anfangs, dass es kaum noch dubioser werden könnte, aber sie hatte sich wohl getäuscht. Sie sollte ein Werkzeug der Guten retten. Ob es wirklich so eine gute Idee war, den Beiden zu glauben? Unbehagen baute sich in ihr auf. Am liebsten wäre sie wieder nach oben in ihre kleine Wohnung gegangen und hätte das alles als Hirngespinst abgetan. Aber aus irgendeinem Grund, konnte sie es nicht tun.

+ + +

Nachdem er das Bewusstsein verloren hatte, driftete sein Geist erneut in seine Vergangenheit. Er sah junge Mädchen lachend über eine blühende Sommerwiese laufen. Er lief ihnen hinterher und erfreute sich an den Bewegungen der blutjungen Geschöpfe. Bis er unerwartet einen stechenden Schmerz in sich fühlte. Sein ganzer Köper bebte und er glitt zu Boden. Im herrlich nach Kräutern duftenden Gras lag er dann da. Er erinnerte sich so lebhaft an diesen Duft, als ob er in diesem Moment tatsächlich wieder dort liegen würde.

Er hörte eine Stimme in sich. Lauter und deutlicher, als jede Stimme, die er je zuvor vernommen hatte. Es waren die Mächte der Natur selbst, die zu ihm sprachen. Und sie waren böse mit ihm. Er hatte nicht nur seine Pflichten als Wächter missachtet, sondern die Fähigkeiten, die ihm das Leben geschenkt hatte, dazu missbraucht jungen Mädchen nachzusteigen und dem lasterhaften Leben zu frönen. Er hatte seine Kräfte dazu verwendet unrechte Dinge geschehen zu lassen. Das Glückspiel zu manipulieren, jungen Frauen den Kopf zu verdrehen und dann auch noch andere Menschen zu bedrohen. Das war nicht Sinn und Zweck seines Daseins.

Und dafür musste er nun büßen. Sich seiner Schuld bewusst, nahm er sein Schicksal demütig an. Ihm tat leid was er getan hatte. Doch seine Einsicht kam zu spät. Ein Fluch wurde ihm auferlegt. Er war von nun an dazu verdammt unsterblich zu sein. Und fortan ein Leben ohne Erfüllung zu führen. Er würde seine Erlösung erst dann finden, wenn sich jene Prophezeiung, in der die Erwählte ihn erretten und ins Licht führen soll, erfüllen würde.

Von da an empfand er keine Freuden mehr daran jungen Mädchen nachzusteigen. Nicht mal der Wein schenkte ihm Trost. Er war leichte Beute für einen alten Feind. Ein Feind, der genau wusste wozu Damnatus fähig war. Damnatus, so wie ihn die eindringliche Stimme damals umtaufte.

Er wäre dazu in der Lage dem Bösen Schaden zuzufügen. Doch dies musste verhindert werden. Und so geschah es, das Malignus, die Ausgeburt des Bösen, ihn gefangen nahm und ihn schließlich zu einer noch grausameren Strafe verurteilte.

Eiskaltes Wasser riss ihn wieder zurück in die Gegenwart. Das laute höhnische Gelächter Malignus’ jagte Damnatus einen Schauer über den Rücken. Seine Glieder waren taub von den Ketten und sein Körper schmerzte von den Peitschenhieben. Blut quoll aus der schmerzenden Wunde an seinem Bauch. Wie Feuer brannten die tiefen Wunden auf seinem Rücken und seiner Brust. Er hatte Mühe einen klaren Gedanken zu fassen. Das Feuer auf seiner Haut betäubte seinen Verstand.

Malignus bemerkte dies und sah ein, dass es fürs erste keinen Sinn hatte seinen Gefangenen weiter zu verhören. Im Moment würde er nichts aus ihm herausbekommen. Er wollte sich erst einmal selbst auf die Suche nach den Wächtern machen und verließ daher das Verlies. Seiner Peitsche befahl er jedoch alle volle Stunde weitere Schläge auf seinen Gefangenen fortzuführen. So hatte Damnatus wenigstens ein paar wenige Minuten Ruhe, um sich zu erholen.

+ + +

Für Buffy begann nun das Training. Nachdem Rupert ihr das wichtigste zu ihrer Mission erklärt hatte, begab er sich mit ihr ins Kaminzimmer und fing an ihr die Grundregeln der Magie zu erklären. Er lehrte sie, dass alles Teil eines Ganzen sei und sie bald die Fähigkeit dazu besitzen würde, die Mächte, die tief im Innern der Erde ruhten, zu beherrschen. Dass sie die Elemente der Natur, Feuer, Wasser, Erde, Luft herbeirufen können wird und, dass sie in der Lage sein wird Dinge zu lenken und Angriffe eines bösen Zaubers abzuwenden. Und er erklärte ihr, dass Kristalle und Edelsteine wichtige Utensilien zur Beschwörung der Magie waren. Erfreut stellte Rupert fest, dass Buffy sich wirklich sehr gutes Wissen in Bezug auf ihr Hobby angeeignet hatte, sodass sie mit dem Lernen rasch vorankamen.

Buffy wurde sehr müde. Zuviel Theorie für einen Tag, fand sie. Vor allem, da sie sich noch immer nicht völlig sicher war, dass dies hier wirklich gut und richtig war. Sie fragte sich, ob es nicht vernünftiger war sich nach einem neuen Job umzusehen. Doch das konnte sie später ja immer noch tun. Und so lauschte sie weiterhin aufmerksam Ruperts Erläuterungen.

Anna ging zu den Beiden ins Kaminzimmer und unterbrach ihn: „Rupert, findest du nicht, du solltest ihr auch mal zur Praxis übergehen? Ich bin sicher, dass ihr das Lernen dann viel leichter fallen wird."

Rupert war erst etwas gekränkt, dass Anna Kritik an seinen Lehrmethoden übte. Doch er sah ein, dass sie Recht hatte. Um dies aber nicht zugeben zu müssen, erwiderte er: „Aber Anna, gerade das wollte ich soeben tun. Komm mit Buffy! Lass uns nach draußen in den Garten gehen. Dort werde ich dich den Mächten der Natur vorstellen."

Anna konnte sich ein wissendes Lächeln nicht verkneifen. Sie kannte ihren alten Freund noch immer zu gut und wusste daher genau, dass er es nie offen zugeben würde, dass sie Recht hatte. Sie folgte den beiden schließlich in den Garten, um zu sehen wie Buffy sich machen würde.

Im Garten angekommen, setzte sich Rupert ins Gras und forderte Buffy auf es ebenso zu tun. Sie kam seiner Aufforderung nach und setzte sich ihm gegenüber hin. Rupert fing an zu erläutern: „Schließe die Augen. … Lege deine Hand ins Gras und versuche dich auf die Mächte tief in der Erde zu konzentrieren."

Buffy war etwas verwirrt. Tiefe falten bildeten sich auf ihrer Stirn. „Wie meinst du das?"

„Es ist so wie mit dem Raben. Du konntest ihn nur verstehen, als du es zugelassen und du dich auf ihn konzentriert hattest. Mache das gleiche nun mit der Erde. Stelle dir vor, dass tief im Innern der Erde jemand wohnt, der zu dir sprechen möchte. Also konzentriere dich darauf und versuche die Stimme wahrzunehmen."

Buffy folgte den Anweisungen und legte ihre rechte Hand flach in das Gras. Sie schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. So recht wusste sie noch nicht auf was sie sich eigentlich konzentrieren sollte, aber sie wollte es wenigstens versuchen. Rupert und Anna waren ganz leise und beobachteten neugierig und interessiert, ob etwas geschehen würde.

Nach einigen Sekunden spürte Buffy eine innere Ruhe. Ihr Körper entspannte sich und sie fühlte sich unglaublich geborgen. Ein leichtes Lächeln spiegelte sich auf ihren Lippen wieder. Die tiefen Stirnfalten verschwanden und sie umhüllte eine wohltuende Erleichterung. Ein leichtes Kribbeln zog sich über ihre im Gras liegende Handfläche. Dieses Kribbeln fing an auf ihren Körper überzugehen. Ganz langsam wanderte es über ihre Hand in den Arm und über den Arm auf ihren Oberkörper. Und von da aus verteilte es sich über den gesamten Rest ihres Körpers.

Es war kein unangenehmes Gefühl, sondern eher so, als würde ihr Körper mit wohltuender Energie aufgeladen werden. Dann hörte sie eine leise Stimme, die zu ihr sprach. So, als wäre der Sprecher weit von ihr entfernt und würde nur langsam näher kommen. Noch konnte sie nicht recht verstehen was diese Stimme zu ihr sagte. Aber sie wollte es verstehen. Und so konzentrierte sie sich auf diese Stimme.

Es war, als würde ihr Geist den Weg zum Innern der Erde suchen und finden. Als würde sie der Stimme folgen um ans Ziel zu gelangen. Bis sie endlich nah genug heran kam und die Worte klar hören konnte: „Buffy, ich grüße dich. Hab keine Angst vor dem was dich erwarten wird. Wir werden immer bei dir sein."

Buffy hörte die lieblich klingende Stimme und ein unheimliches Glücksgefühl breitete sich in ihrem Innern aus. Es war, als wenn sie jemanden wieder gefunden hätte, den sie schon seit langer Zeit vermisst hatte. Als wenn sie sich ihr ganzes Leben nach diesem Augenblick gesehnt hätte. Eine Träne des Glücks rollte über ihre Wange und Rupert und Anna wussten, dass es geklappt hatte und beobachteten glücklich ihre Schülerin.

Doch die Stimme war nicht das Einzige, was Buffy vernahm. Sie spürte die Gegenwart von anderen Menschen, Tieren und Pflanzen. Sie erkannte in ihrem geistigen Auge viele verschlungene Wege tief im Innern der Erde. Keine Wege, die man hätte gehen können, sondern Bahnen aus Energieströmen. Die zu nutzen sie fähig sein würde. Es war wie eine Erleuchtung. Sie erkannte die Zusammenhänge des Lebens und des Todes. Buffy bekam ein klares Bild und eine Vorstellung des Ganzen. Des Lebens.

Überwältigt von der Flut all dieser Dinge brach sie den Kontakt zur Erde ab. Sie zog ihre Hand an sich und blickte erstaunt auf Rupert. Sie war durch all diese Eindrücke so aufgewühlt, dass sie nur ein mit Tränen begleitetes Lachen von sich geben konnte. Rupert und Anna waren erleichtert und glücklich und schenkten sich gegenseitig ein freudiges Lächeln.

Nachdem Buffy sich wieder etwas beruhigt hatte, fing sie begeistert an zu berichten: „Das war einfach unglaublich! Ich war mittendrin! Ich konnte die Stimme hören, von der du gesprochen hattest. Sie war so wunderschön. Und ich war so glücklich. Energie durchfloss meinen Körper. Ich konnte die Energien der Erde sehen. Sie waren ganz deutlich zu erkennen. Ich spürte die Gegenwart von anderen Menschen. Von Tieren und Pflanzen auf der ganzen Welt. Es war einfach überwältigend! Ich war Teil eines Ganzen. Dessen, was uns alle umgibt. Noch nie waren mir die Zusammenhänge so klar wie jetzt. Oh Rupert ich danke dir, dass du mir das gezeigt hast!"

Buffy war so aufgeregt, dass sie bestimmt noch den ganzen Tag davon weiterberichtet hätte, wenn Anna ihr nicht etwas überreicht hätte. Sie streckte ihr ihre Hand entgegen und gab ihr den durch das Ritual schwarz gefärbten Bergkristall. Buffy nahm das Geschenk neugierig entgegen und fragte: „Was ist das?" Und Anna kommentierte: „Das ist dein persönlicher Schutzstein. Es war mal ein glasklarer Bergkristall. Er färbte sich durch das Ritual schwarz, mit dem wir dich als die Erwählte erkannten. Er gehört dir und er wird dir auf deiner Mission helfen. Wie er zu nutzen ist, dass wirst du wissen, wenn du ihn brauchst."

Buffy betrachtete den Stein noch kurz, um ihn dann einzustecken. Dann wollte sie noch etwas wissen: „Ich hatte diese unbeschreiblichen Gefühle und ich konnte so vieles wahrnehmen. Ist das jedes Mal so? Ist das bei Euch auch so? Oder fühlt es sich nur beim ersten Mal so an?"

Rupert erklärte ihr daraufhin: „Das können wir dir nicht sagen. Weder Anna noch ich haben soviel Kraft die Stimme zu suchen, geschweige denn die Energieströme der Erde zu sehen. Kein Wächter kann das, was du gerade getan hast. Du bist die Erwählte und nur du bist dazu in der Lage!"

„Aber wenn ihr es nicht könnt, woher wusstest du dann wie es geht? Und woher wusstest du das ich es kann?"

„Wie es geht weiß ich aus meinen Büchern. Ich studiere sie schon seit Jahren, denn es ist meine Aufgabe dich alles zu lehren, was du auf deiner Mission wissen musst. Aber ob du es auch kannst, das wusste ich nicht sicher. Ich hoffte es. Ich wusste nicht wie weit deine Kraft bereits fortgeschritten ist. Wir mussten es einfach versuchen. Und es hat funktioniert."

Nachdenklich blickte Buffy auf ihren Lehrer. Konnte es denn wirklich sein, dass sie Kräfte besitzt, die sonst kein anderer Mensch auf der Erde hatte? Das eben Erlebte war einfach unbeschreiblich. Als hätte man ihr die Augen geöffnet. Die Vorstellung, dass außer ihr niemand dazu fähig war so etwas Wundervolles zu erleben, stimmte sie traurig. Doch ihre Trauer verschwand schnell, als ihr bewusst wurde welches Privileg ihr gerade zuteil wurde. Sie war Teil eines Ganzen. Und zwar ein ganz besonderer Teil. Sie war die Erwählte. Das wurde ihr nun zum ersten Mal richtig bewusst.

+ + +

Derweilen machte sich Malignus in den alten Gemäuern, weit ab von der großen Stadt, daran einen Zauber zu beschwören. Nicht die Mächte der Natur wollte er rufen, sondern die des Bösen. Seine Verbündeten waren Hass und Verderben. Er stand vor einem alten Altar aus schwarzem Marmor. Früher diente er den ehemaligen Bewohnern dieser Stätte als Altar für geistliche Zeremonien. Das große Kreuz, dass an der Wand direkt hinter dem Marmorblock befestigt war, hing mit der Kopfseite nach unten. Malignus gefiel es so besser.

Nicht, dass er den Teufel anbeten würde, nein, denn so etwas wie den Teufel gibt es nicht. Es gefiel ihm nur deshalb so gut, weil die Menschen dies als Zeichen des bösen deuteten. Daher nannte er es auch sein Markenzeichen. Und manchmal bezeichnete er sich auch selbst als diesen Teufel der Menschen.

Wenn sie von seiner Existenz wüssten, dann würden sie ihn vielleicht sogar für den Teufel halten. Ein teuflisch guter Gedanke, fand er.

Die Menschen waren schon immer so geblendet von ihrem Aberglauben, dass sie nicht fähig waren die wesentlichen Dinge zu erkennen. Dafür liebte er all die dummen und unwürdigen Lebenden. Ein großes Geschenk ward ihnen zuteil, doch sie wussten es nicht zu würdigen. Anstatt die Natur zu ehren und zu behüten, zerstören sie den Planeten, der sie ernährt. Sie zerstören sich selbst.

Eigentlich bewunderte er die Menschheit dafür, wie effektiv sie es schaffte sich langsam selbst zu zerstören. Doch es ging ihm nicht schnell genug. Und bevor sie doch noch irgendwann dahinter kämen, dass nicht der Teufel, sondern sie selbst an all ihrem Unglück schuld sind, wollte er die Entwicklung etwas beschleunigen und die Menschheit allesamt zerstören. Und mit ihnen auch all die Tiere und Pflanzen, die diesen Planeten bewohnten. Damit endlich die vielen Geschöpfe der Dunkelheit aus den Tiefen der Erde befreit werden konnten und nicht länger Gutes auf diesem Planeten bestehen bleibt. Und die Mächte der Natur sich den Mächten des Bösen ergeben müssten.

Bald schon rückte der Tag näher, an dem seine Kräfte den Höhepunkt erreichen und er diesen heiß ersehnten Wunsch zur Realität machen könnte. Doch er musste auf der Hut sein. Es gab Menschen, die seinen Plan vereiteln könnten. Wächter, die die unterirdischen Mächte beschwören konnten und eine Gefahr für ihn darstellten. Und es galt diese Gefahr zu bannen. Er musste diese Wächter finden und herausfinden was sie vorhaben würden.

Deshalb stand er nun an dem marmornen Altar und sprach altlateinische Beschwörungsformeln. Vor ihm auf der Marmorplatte stand eine flache goldene Schale. Darin befanden sich alte verdorbene Erde, ein verdorbener Apfel und die Knochen eines Tieres, an denen noch deutlich verfaulte Reste von Fleisch und Fell zu erkennen waren.

In seiner knöchrigen Hand hielt er unerbittlich einen vor Angst zappelnden jungen Spatzen fest. Im Halbkreis aufgestellt standen hinter ihm einige Gestalten, deren Körper vollkommen umhüllt von langen dunkelbraunen Umhängen waren. Es waren keine Menschen, auch wenn ihr Körperbau dies vermuten ließ, sondern geistlose Kreaturen des Bösen. Geschaffen aus verdorbener und unfruchtbarer Erde, die sich ringsherum um das ganze Gemäuer befand. Einzig allein dazu bestimmt ihrem Herrn zu dienen. Es war das Werk Malignus’. Er hatte dafür gesorgt, dass kein Keim mehr in dieser Erde je mehr erblühen könnte und schaffte sich diese Kreaturen als willenlose Sklaven.

Zur Unterstützung seines Zaubers stimmten sie nun einen Sprechgesang in einer toten Sprache an. Es war die Sprache der Dunkelheit und des Bösen. Kein von Menschen geschaffenes Schriftstück war jemals in dieser Sprache verfasst worden. Einzig allein die Mächte des Bösen konnten sie verstehen. Auch Malignus stimmte nun in diesen Sprechgesang mit ein und hob den zappelnden Vogel hoch. Dann griff er mit der anderen Hand nach dem Köpfchen und riss es mit einem Ruck von dem kleinen Vogelkörper. Das Blut ließ er in die Schale tropfen und grauer Rauch stieg dadurch aus der toten Erde hervor. Achtlos warf er den toten Körper auf den Boden.

Mit beiden Händen wedelte er etwas Luft in die Rauchschwaden und formte auf magische Weise eine runde Kugel. Noch war die Kugel gefüllt mit grauem Nebel, aber langsam begann dieser sich in der Mitte etwas zu lichten. Mit diesem Zauber sollte die Identität derer preisgegeben werden, die seine Pläne vereiteln wollten. Und langsam war im Innern der großen Kugel etwas zu erkennen.

Eine große Stadt zeichnete sich in ihr ab. Viele Kilometer entfernt von hier. Doch das reichte ihm noch nicht. Er wollte endlich wissen wer seine Feinde waren. Ungeduldig starrte er in die große Kugel aus Rauch. Das Bild begann sich zu verändern. Viele Menschen waren nun darauf zu sehen. So, als würde die Kugel einen Bestimmten unter ihnen suchen.

+ + +

Den Rest des Tages verbrachten Rupert und Buffy wieder mit staubtrockener Theorie. Er drückte ihr zwei Bücher in die Hand und zeigte ihr mehrere Passagen, die sie lesen sollte. Buffy war noch immer so aufgewühlt durch ihr Erlebnis im Garten, sodass es ihr nichts ausmachte nun diesen trockenen Lernstoff durchzukauen. Im Gegenteil, je mehr Informationen sie erhielt, umso deutlicher bekam sie ein Bild vom Ganzen. Vom Kreislauf des Lebens und den Zusammenhängen vieler Dinge.

Alle Lebewesen verbindet etwas miteinander. Und diese Verbindung ist wichtig, damit der Kreislauf des Lebens funktionieren kann. So wie jeder einzelne Mensch auf dieser Welt ein Teil des Ganzen ist und somit eine wichtige Rolle spielt. Sie saugte jede Information regelrecht in sich auf. Rupert staunte sehr, wie schnell sie alles begriff und wie emsig sie lernte.

Anna kam nun mit ein paar belegten Brötchen zu ihnen und wirkte ziemlich besorgt.

„Rupert, ich hab ein ungutes Gefühl! Irgendetwas geht vor sich."

„Was meinst du Anna?"

„Ich weiß nicht genau. Ich hab einfach ein mulmiges Gefühl im Bauch."

„Ihr Frauen und euere Gefühle", wollte Rupert es verharmlosen.

„Rupert, lass deine Scherze! Es ist mein Ernst. Irgendetwas geschieht gerade und mein Gefühl sagt mir, dass es nichts Gutes ist!"

Rupert wollte Anna, die eben immer lauter geworden war, gerade etwas beruhigen, als Buffy überraschend einwarf: „Ich fühle es auch!"

Zwei verwirrte Augenpaare richteten sich sogleich auf die junge Frau. Ohne ein weiteres Wort stand Buffy rasch auf und eilte nach draußen in den Garten. Rupert und Anna folgten ihr. Buffy richtete ihren Blick in den Abendhimmel, an dem bereits schwach die ersten Sterne zu sehen waren. Anna fragte sie neugierig: „Was denkst du?"

„Ich denke, dass irgendetwas auf der Suche nach etwas Bestimmtem ist."

Rupert konnte sich nicht vorstellen, dass Buffy bereits so geschickt mit ihren Fähigkeiten umgehen konnte, um einen solchen Zauber, wie sie ihn gerade beschrieb wahrzunehmen. Deshalb meinte er kritisch: „Wie kommst du darauf?"

„Ich weiß es nicht genau! Ich fühle die Präsenz von etwas Starkem. Und es ist auf der Suche nach irgendetwas. Ich kann Dir nicht sagen wie und wieso."

„Also gut, dann lasst uns schnell handeln! Es kann nur einer sein, der auf der Suche nach jemandem ist - und zwar auf der Suche nach uns! Kommt schnell! Wir müssen verhindern, dass er uns findet!"

Rupert glaubte zwar nicht daran, dass Malignus bereits soviel Macht besaß, aber da ja Buffy bereits so große und schnelle Fortschritte machte, musste er davon ausgehen, dass er Unrecht hatte und das Malignus vielleicht doch schon stärker geworden war. Rupert eilte schnell ins Haus zurück und holte aus seiner Schatulle drei etwa Ei-große Rosenquarze. Anna und Buffy waren inzwischen zurück im Kaminzimmer und zu dritt setzten sie sich dort im Kreis auf den Zimmerboden.

Rupert legte die Rosenquarze jeweils vor jeden von ihnen auf den Boden und alle drei nahmen sich an den Händen. Buffy beobachtete Ruperts Handeln aufmerksam. Er schloss die Augen und begann damit einen Schutzzauber auszusprechen. Er wiederholte den Spruch ein-, zweimal, bis Buffy und Anna sich seinem Singsang anschlossen und sie gemeinsam die Worte sprachen. Ein unsichtbarer Schutzwall begann sich langsam zwischen den drei Rosenquarzen aufzubauen. Er wuchs immer weiter und umschloss schließlich die drei am Boden sitzenden Menschen. Doch er hörte nicht auf zu wachsen, sondern dehnte sich immer weiter aus und umhüllte schließlich das ganze Haus. Wie unter einer magischen gläsernen Kuppel waren sie nun sicher vor Malignus’ Auge.

+ + +

Malignus wurde ungeduldig. Zornig starrte er in die rauchende Kugel und konnte noch immer nicht erkennen, wer seine Feinde waren. Die große Kugel wurde langsam unscharf und verlor ihren Weg zu den Wächtern. Der Schutzzauber hatte funktioniert und so war es dem Auge nicht mehr möglich die Wächter ausfindig zu machen.

Sich dessen bewusst, schleuderte Malignus die goldene Schale wütend von dem Altar herunter. Der Aufprall verursachte einen lauten Knall und die Kugel aus Rauch verschwand im Nichts. Vor Wut schäumend, fuhr Malignus herum und schrie in die Nacht hinein. Seine Diener fürchteten seinen Groll und gingen tief vor ihm gebeugt in Deckung.

Tief unten im Verlies vernahm Damnatus einen wütenden Aufschrei. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. Bis eine magische Peitsche sich wieder erbarmungslos an die Arbeit machte.

Kurz darauf erschien Malignus wieder bei ihm. Gefolgt von vier Sklaven. Die magische Peitsche verschwand nun dort hin, woher sie gekommen war. Noch immer zornig über den misslungenen Zauber, riss er durch Zauberkraft die Gittertüre auf. Ein lautes Scheppern ging durch das Verlies, als die Türe auf sprang. Damnatus schreckte hoch und erstarrte, als er die vor Wut rot funkelnden Augen Malignus’ erblickte. Sein Zorn war unermesslich und er brüllte sein Opfer an: „Sag mir was ich wissen will, oder ich schwöre dir, ich werde dafür sorgen, dass du dir wünscht endlich sterben zu können!"

Damnatus lächelte nur leicht und antwortet ruhig: „Das wünsche ich mir schon seit mehr als hundert Jahren."

Erbost hob Malignus seine Hände und sprach eine Zauberformel. Gelbe Funken sprangen aus seinen Fingern und ein Energieball baute sich über seinem Kopf auf. Diesen schleuderte er dann auf den Körper seines Opfers. Dieser wurde durch den Aufprall zurückgeschleudert. Wäre er nicht an seine Ketten gebunden, wäre er sicher durch die Luft an die Wand geschleudert worden. Der gelbe Energieball durchfuhr Damnatus’ Brust, verteilte sich in jede einzelne Faser und löste dort unbeschreibliche Qualen aus. Sein bereits geschwächter Leib erbebte vor Schmerzen. Damnatus schrie sein Leiden in die Welt hinaus, doch niemand schien ihn zu hören.

+ + +

Inzwischen war es schon spät geworden. Der Schutzzauber hatte funktioniert und Buffy und die beiden Wächter waren sichtlich erleichtert. Buffy bekam von Rupert noch einiges zu lesen und begab sich dann nach oben in ihr Schlafzimmer. So vieles war an diesem Tag geschehen. Zu viel für eine junge Frau, die bis jetzt dachte, dass das Leben vollkommen normal und alltäglich sei; ohne Zauberei und ungewöhnliche Ereignisse. Sie legte die Bücher auf ihr Nachttischchen und legte sich zum Schlafen in ihr Bett. Sie wollte morgen weiter lesen. Für heute war sie einfach zu müde gewesen.

Es dauerte nicht lange und sie schlief ein. Wie in jeder der vergangenen Nächte, hatte sie auch diesmal einen seltsamen Traum. Doch anders als sonst, empfand sie diesen Traum nicht als ungenehm und verwirrend. Obwohl es scheinbar derselbe war, den sie bereits öfters in letzter Zeit gehabt hatte.

Buffy sah eine dunkle Gestalt, eingehüllt in einen langen schwarzen Umhang. Nur ein rotes Funkeln der Augen war dort zu erkennen, wo das Gesicht sein müsste. Sie hatte diese Gestalt schon öfter gesehen. Doch früher schreckte sie immer schweißgebadet aus ihrem Schlaf. Diesmal aber war sie völlig ruhig. Sie wusste, dass dies nur ein Traum war und beobachtete zum ersten Mal was geschehen würde. Der Traum veränderte sich und sie stand plötzlich auf einer herrlich blühenden Sommerwiese. Sie blickte sich unsicher herum. Es war niemand zu sehen. Nur eine Wiese, die scheinbar im Nichts endete und sie stand mitten darin.

‚Wo bin ich?’ fragte sie sich. Und eine männliche Stimme antwortete ihr sanft: „Bei mir."

„Wer bist du?"

„Ein Freund."

„Warum bin ich hier?"

„Ich weiß nicht."

„Was ist das hier für ein Ort?"

„Das ist meine Zuflucht."

„Wovor flüchtest du?"

„Vor dem Schmerz."

„Zeig es mir."

„Du bist die Erwählte, nicht war?"

„Ja."

„Gut, dann zeige ich’s dir."

Die Sommerwiese verschwand langsam. Stattdessen befand sich nun kalter dunkler Stein unter ihren Füßen. Der blaue Himmel wich einer steinernen Decke und sie befand sich schließlich in einem dunklen leeren Verlies. Keine Gitter, keine Wände - nur ein großer leerer dunkler Raum ohne Fenster und Türen.

Die Stimmer erklang wieder und fragte: „Bist du dir sicher, dass du es willst?"

Buffy war sich nicht sicher weshalb, aber etwas in ihr drängte danach mehr über diesen Freund zu erfahren. Darum antwortete sie nur knapp: „Ja."

Der Raum drehte sich plötzlich einmal um ihre Achse herum und etwas griff nach ihren Armen. Als sie auf ihre Handgelenke blickte, stellte sie mit Schrecken fest, dass sie an schwere Ketten gefesselt waren. Mit nach oben ausgestreckten Armen war sie nun mitten in einem kleinen Kerker angekettet. Der unsichtbare Freund sagte traurig: „Verzeih mir."

Und noch ehe Buffy nachfragen konnte, verspürte sie grausame Schmerzen in jeder Faser ihres Körpers. Erschrocken blickte sie um sich und erkannte vor sich dieselbe schwarze Gestalt aus ihren Träumen.

Schreiend und schweißgebadet fuhr sie von ihrem Bett hoch. Ihr tat noch immer der ganze Körper weh und sie zitterte vor Schmerzen und Angst. Es war mitten in der Nacht und mit nassen Augen starrte sie aus dem Fenster in den Sternenhimmel.

+ + +

Eine neue Flut von Schmerzen kam über seinen geschundenen Leib, als er aus seiner Bewusstlosigkeit ausbrach. Sie war bei ihm gewesen. Er hatte die Erwählte gesehen. Ein Hoffnungsschimmer in seinem Herzen flammte auf. Doch wegen ihr hatte er freiwillig seinen Zufluchtsort verlassen und nun fand er sich in seiner schrecklichen Realität wieder.

Malignus war so wütend gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass sein Opfer besinnungslos gewesen war. Doch nun bemerkte er, dass sich etwas verändert hatte und er stellte die Schmerzwelle ein. Erforschend kam er ihm näher und versuchte aus seinen Augen herauszulesen, was sich geändert hatte.

Damnatus’ strahlend blaue Augen funkelten voller Hoffnung. Doch Malignus wusste nicht woher diese kam. Er betrachtete sich seinen Gefangenen ganz genau und las voller Abscheu den Trotz und die Gegenwehr in dessen Gesicht. Wie konnte das sein? Wie konnte dieser Wurm vor ihm nur soviel Kraft besitzen, dass er sich noch immer unbeugsam gegen ihn wehrte? Irgendwas ging hier vor sich und er musste herausfinden was es war. Angewidert packte er Damnatus am Hals und zwang ihn somit ihm direkt in die glühenden Augen zu sehen. „Was ist es, das dir jetzt noch Hoffnung schenkt? Sag es mir!"

Damnatus schwieg. Er wusste, dass es schmerzhafte Folgen nach sich ziehen würde, aber er wollte auf keinen Fall die Erwählte in Gefahr bringen. Lieber wollte er bis in alle Ewigkeit hier bleiben und unter Qualen leiden, als das noch ein einziger unschuldiger Mensch durch ihn Schaden erleiden würde. Vor allem nicht die Erwählte. Er hatte sie nur kurz gesehen und nur wenige Worte, oder eher Gedanken mit ihr ausgetauscht, aber dieser kurze Moment hatte ihn verzaubert. Seit mehr als hundert Jahren hatte er kein so zauberhaftes Wesen mehr gesehen. Er würde für sie sterben, wenn er es könnte.

Malignus riss ihn aus seinen Gedanken, als er ihm die Gurgel zudrückte und eindringlich auf ihn einredete: „Du bist verdammt dazu, hier elendig zu schmoren, bis in alle Ewigkeit! Deine ach so guten Mächte haben dir diesen Fluch auferlegt. Sie haben dich im Stich gelassen! Niemand wird kommen um dich zu retten. Niemand schert sich einen Dreck um Dich. Also weshalb verteidigst du sie immer noch? Warum gibst du mir nicht das was ich will und du hättest deine Ruhe. Keine Schmerzen mehr."

Malignus starrte auf ihn und wartete auf eine Antwort. Jedoch vergebens. Kein Laut kam über Damnatus’ Lippen. Wutendbrand stieß er ihn von sich weg und schrie laut: „Sag es mir!!"

Damnatus bemühte sich aufrecht zu stehen und keine Schwäche zu zeigen, was ihm aber nicht sehr gut gelang. Malignus war des Spielens müde. Er wollte endlich Antworten. Er trat ein paar Schritte zurück und fing wieder an eine Beschwörungsformel zu sprechen. Damnatus machte sich auf das Schlimmste gefasst, als er bemerkte wie der Boden unter ihm erzitterte.

Er blickte nach unten zu seinen nackten Füßen und sah wie sich unter ihnen der schwarze Stein bewegte. Ein kleines Loch erschien, aus dem rotes Licht hindurch schien. Das Loch wurde rasch größer und Damnatus hing nun in der Luft. Aufgehängt an seinen Ketten, die sich dadurch noch tiefer in seine Handgelenke hineinbohrten.

Nun war erkennbar woher das rote Licht stammte. Brodelnde Flammen loderten direkt unter ihm. Als ob das Tor zur Hölle direkt unter seinen Füßen geöffnet wurde. Malignus sprach weiter und die Flammen wurden immer höher. Bis sie schließlich die Beine seines Gefangenen erreichten. Es waren keine gewöhnlichen Flammen. Damnatus’ Haut nahm keinen Schaden, genauso wenig wie die Hose, die ihm als einziges Kleidungsstück diente, aber sie brannten und schmerzten genauso wie echtes Feuer. Laute Schreie hallten erneut durch die kalten Mauern des Gebäudes.

Malignus ließ seinen Gefangenen alleine. Er wollte ihn im wahrsten Sinne des Worten ein wenig schmoren lassen. „Ruf mich, wenn du mir etwas zu sagen hast!" meinte er beinahe freundlich, bevor er, gefolgt von seinen Untertanen, den Kerker wieder verließ.

+ + +

Am nächsten Morgen stand Buffy auf und ging nach unten in Annas Speisezimmer. Anna hatte bereits Frühstück für sie alle drei vorbereitet. Nun saßen sie gemeinsam am Tisch und aßen. Buffy hatte keinen so rechten Appetit, was Anna wunderte und sie dann fragte: „Buffy, Liebes, was ist los mit dir? Hast du wieder schlecht geschlafen?"

„Nein. Das heißt ja, eigentlich doch irgendwie schon, nur anders. Diesmal war es anders. Ich habe dir doch schon öfter von meinen Träumen erzählt, doch diesmal war es ganz seltsam. Ich glaube ich habe in meinem Traum jemanden getroffen."

„Wen?"

„Ich bin mir nicht sicher. Er sagte er sei ein Freund."

Rupert wurde neugierig und fragte nach: „Was hast du geträumt? Erzähl es uns!"

„Ich sah zuerst eine dunkle Gestalt. Er war völlig umhüllt von einem schwarzen Umhang. Nur seine roten glühenden Augen funkelten hervor. Und dann war ich plötzlich auf einer blühenden Sommerwiese. Es war so friedlich. Dort hat er dann mit mir gesprochen."

„Wer?"

„Ich weiß es nicht, das sagte ich doch. Er sagte nur er sei ein Freund und das dies sein Zufluchtsort sei. Er wollte wissen, ob ich die Erwählte bin. Und ich wollte wissen wovor er sich flüchtet. Dann hat er es mir gezeigt."

„Was hat er dir gezeigt?"

„Den Schmerz."

Buffy konnte nicht mehr darüber erzählen. Zu schrecklich waren die Erinnerungen daran. Rupert und Anna konnten ihr dies von den Augen ablesen und gingen deshalb nicht weiter darauf ein. Rupert vermutete wer die beiden Figuren in ihrem Traum waren und erläuterte: „Die Dunkle Gestalt, die du gesehen hast, ist vermutlich unser Feind, der Damnatus gefangen hält."

„Und der, der sich Freund nannte?" fiel ihm Buffy ungeduldig ins Wort.

„Das könnte Damnatus sein. Er hat gefragt, ob du die Erwählte bist, nicht wahr?" Buffy nickte bestätigend. „Also kann es nur er sein, denn sonnst gäbe es kaum einen, der von deiner Identität wüsste."

„Und diese dunkle Gestalt fügt ihm all diese Qualen zu?"

„Vermutlich."

„Dann lasst uns keine Zeit mehr verlieren. Bring mir alles bei, was ich wissen muss. Und zwar so schnell es geht. Auch wenn er kein gewöhnlicher Mensch ist, so ist das, was er erleiden muss, mehr als unmenschlich. Ich will ihm helfen. Ich werde ihn befreien."

Entschlossenheit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Eine Entschlossenheit, die selbst Rupert überraschte und er meinte darauf nur: „Gut, dann lass uns weitermachen."

Buffy und Rupert verbrachten den ganzen Tag damit zu lernen und zu üben. Anna versorgte sie liebevoll mit Speis und Trank und achtete darauf, dass die beiden Lernwütigen auch etwas zu sich nahmen. Rupert war sehr zufrieden mit seiner Schülerin. Wissbegierig und eifrig sog sie alles in sich auf. Der Tag verging wie im Fluge und eine neue Nacht brach herein.

Buffy war erschöpft und fragte ihren Lehrer: „Rupert, wie lange wird es dauern, bis ich soweit bin, dass ich meine Mission erfüllen kann?"

„Ich bin mir nicht sicher. Wen du in dem Tempo weiter machst, dann vielleicht noch eine Woche oder auch zwei."

„Soviel Zeit haben wir nicht. Wir müssen ihn bald da rausholen."

„Das ist eigentlich mein Text. Aber du hast Recht. Wir haben wirklich nicht viel Zeit. Wir dürfen es aber auch nicht übereilen. Das Risiko ist zu groß! Erst wenn du bereit dazu bist, wirst du deine Mission beginnen. Und erst dann werde ich dir erzählen, was du noch wissen musst."

„Was ich noch wissen muss? Soll das heißen, du hast mir noch nicht alles erzählt?"

„Nein, noch nicht. Aber ich werde es auch erst dann tun, wenn ich sicher bin, dass du so weit bist. Hab noch etwas Geduld. Du wirst noch früh genug dein Abenteuer erleben."

„Ja, du hast ja Recht, aber es ist nur..."

„Dir liegt wohl etwas an ihm?"

Buffy antworte nicht darauf. Sie konnte es nicht. Es war ihr nicht klar, weshalb sie so erpicht darauf war die Mission so schnell wie möglich anzutreten. Sie fühlte sich einfach dazu verpflichtet. Oder gab es andere Gründe dafür?

Rupert pflichtete noch bei: „Geh jetzt schlafen Buffy! Ruh dich aus. Morgen wird wieder ein harter Tag."

‚Nichts lieber als das!’ dachte sie sich, und schenkte ihrem Lehrmeister ein breites Lächeln zum Abschied. Dann ging sie wieder nach oben und legte sich schlafen.

+ + +

Damnatus hing noch immer über dem brodelnden Feuerloch. Die Hitze und der Schmerz waren unerträglich. Malignus war den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen seine Kräfte zu stärken, für seinen großen Tag. Seine geistlosen Gefolgsleute sorgten den ganzen Tag dafür, dass der Gefangene immer schön bei Bewusstsein blieb. Doch nun brach die Nacht herein und sie waren eingeschlafen. Und so konnte sich Damnatus ungehindert an seinen Zufluchtsort zurückziehen.

Ein strahlend blauer Himmel, eine saftig grüne Wiese mit herrlichen Blumen und duftenden Kräutern, das war wie Balsam für seine Seele. Er schaffte sich diesen Ort in seinen Gedanken selbst, um nicht die Schmerzen seiner Wirklichkeit ertragen zu müssen. In seiner Vergangenheit befand er sich des Öfteren an einem solchen Ort. Dort fühlte er sich immer frei und geborgen. Hier hatte er vergangene Nacht die Erwählte getroffen. Er fragte sich, ob sie wiederkommen würde. Seit dieser Begegnung musste er fortan an sie denken. Die Sicherheit, dass es sie wirklich gab und sie vielleicht seine Erlösung sein würde schenkte ihm Kraft.

Sein Herz stockte vor Freude, als er sie plötzlich wieder sah! Sie war wiedergekommen - zu ihm. Verloren stand sie in seiner geschaffenen Wiese und rief: „Wo bist du?"

Er antwortete ihr ruhig in einem sanften Ton: „Ich bin hier."

Buffy fuhr herum, denn die Stimme war so laut und deutlich, dass ihr Besitzer direkt hinter ihr hätte stehen müssen. Doch sie war allein.

„Warum kann ich dich nicht sehen?"

„Das ist ein Ort, den ich mir selbst erdacht habe. Er existiert nur in meinen Gedanken. Doch ich habe mir selbst keinen Körper geschaffen. Willst du mich sehen?"

„Ja, das will ich."

„Dann dreh dich um."

Buffy drehte sich um und sah einen jungen stattlichen Mann. Er war altmodisch gekleidet, mit einer dunklen Hose, einer Schärpenbluse und einem dunklen Frack. Er hatte kurzes honigblondes Haar und strahlend blaue Augen. Er stand direkt vor ihr und lächelte sie freundlich an.

„Hallo, ich bin Buffy."

„Hallo Buffy, freut mich sehr dich kennen zu lernen."

„Und wer bist du?"

Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, traurig und demütig senkte er sein Haupt. Als Antwort sagte er nur: „Damnatus."

„Aber das ist nicht dein richtiger Name nicht war?"

„Nein. Mutter Natur gab ihn mir. Ich habe ihn verdient."

„Wie meinst du das? Wie lautet dein richtiger Name?"

„Ich habe vieles falsch gemacht. Ich habe diese Strafe zu Recht bekommen. Mein richtiger Name tut nichts zur Sache. Er ist mit Schande befleckt."

Buffy spürte die tiefe Trauer in ihm und wollte sich ihm tröstend nähern. Sie hob eine Hand, um ihn über den Kopf zu streichen. Doch Damnatus wich erschrocken zurück.

„Nein. Bitte nicht. Ich..." er zögerte kurz. „Erzähl mir doch etwas über dich. Bitte."

Buffy ließ ihre Hand wieder sinken und fing schließlich an zu erzählen. Sie setzten sich gegenüber ins Gras und Buffy staunte wie real ihr diese Wiese vorkam. Sie erzählte ihm von ihrer Kindheit im Weisenhaus, ihrer Schulzeit und wie sie schließlich ihren Job bekam. Sie erzählte ihm von der großen Stadt und von ihren Lieblingsfilmen. Sie berichtete ihm, wie sie Anna kennen gelernt hatte. Von ihrer kleine Wohnung dort und ihrer umfangreichen Kristallsammlung. Und sie erzählte ihm von Rupert, der ihr nun alles beibrachte, was sie wissen musste, um eine Mission zu beginnen. Eine Mission, in der sie ihn retten würde.

Damnatus verstand nicht alles von dem was sie ihm erzählte. Er wusste weder was Kinofilme waren, noch konnte er sich eine solche Stadt vorstellen, wie die, die sie ihm gerade geschildert hatte. Aber er wusste sofort, wer Rupert und Anna waren. Das mussten die beiden Wächter sein. Als Buffy von ihrer Mission sprach, strahlte er über sein ganzes Gesicht. Eine Träne des Glücks und der Erleichterung rollte über seine Wange. Durch seine nassen blauen Augen blickte er in ihr Gesicht und glaubte einen Engel vor sich zu haben.

Buffy hob erneut ihre Hand und legte sie ihm sachte an die Wange. Behutsam strich sie ihm die Träne aus dem Gesicht. Erst wollte er wieder zurückweichen, hielt aber dann still und ließ sich von ihr berühren. „Halte durch! Rupert sagt, ich lerne sehr schnell. Sobald er findet, dass ich bereit bin, werde ich kommen und dich befreien. Ich verspreche es dir."

„Sei auf der Hut. Es wird nicht leicht sein. Du solltest jetzt wieder gehen. Du brauchst deinen Schlaf."

„Du hast Recht. Aber ich werde morgen wiederkommen."

Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und Damnatus beobachtete wie sich ihre Gestalt langsam auflöste. Er war wieder allein. Doch nun hatte er Gewissheit und Hoffnung. Er musste nur noch ein bisschen Geduld haben. So viele Jahre war er nun schon der Gefangene von Malignus, also würde er sicher noch durchhalten, bis Buffy kommt, um ihn zu retten.

+ + +

Sieben Tage waren inzwischen vergangen. Buffy lernte eifrig und Rupert war mehr als stolz auf seine Schülerin. Er war über ihre Kräfte und Fähigkeiten erstaunt. Jeden Abend fragte Buffy ihn ungeduldig, ob er sie als bereit erachtete. Doch bisher hatte er es vehement verneint. Und jede Nacht legte sich Buffy früh hin zum Schlafen, um Damnatus zu besuchen.

Sie hatte gelernt ihre Träume nach ihren Wünschen zu lenken und hatte keinerlei Mühe zu ihm zu finden. Sie trafen sich jede Nacht auf der kleinen Sommerwiese und unterhielten sich. Er erzählte manchmal etwas aus seiner Vergangenheit, aber nur wenig. Buffy berichtete von ihren Fortschritten in der Kunst der Zauberei und beim Beschwören von Feuer, Wasser, Erde und Luft. Damnatus lauschte immer aufmerksam ihren Erzählungen und freute sich über jede Sekunde, die sie gemeinsam verbrachten.

Die kurze Zeit mit ihr zusammen schenkte ihm soviel Kraft, dass er seine Qualen und Schmerzen ertragen konnte, ohne den Verstand zu verlieren. Trotz der Torturen, war dies die schönste Zeit in Laufe seiner gesamten Gefangenschaft. Denn jede Nacht kam ein Engel, um ihn zu besuchen.

Auch an diesem Abend fragte Buffy ihren Lehrer, ob sie nun endlich für die Mission bereit sei. Diesmal antwortete Rupert nicht so rasch, sondern zögerte: „Nun ja, ich denke nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich dir mehr erzählen muss. Die schwarze Gestalt, die du in deinen Träumen gesehen hast, das war Malignus. Er ist das Böse, das Damnatus gefangen hält. Und er ist es, den wir bekämpfen müssen. Wenn du es schaffst Damnatus zu befreien, dann ist es noch lange nicht vorbei. Nach der alten Prophezeiung wird die Erwählte Damnatus erretten und ins Licht führen. Damit sie gemeinsam gegen das Böse ankämpfen können."

„Was ist damit gemeint? ‚Ins Licht führen’."

„Tut mir leid, aber das weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass die Mächte der Natur, oder Mutter Natur, wie du sie immer zu nennen pflegst, ihn zu einem Werkzeug des Guten gemacht haben. Und dieses Werkzeug, oder vielleicht auch Waffe, musst du einsetzen, um Malignus zu besiegen. Dies wird seine Erlösung sein." Buffy bezeichnete die Mächte der Natur als Mutter Natur, weil Damnatus sie immer so nannte. Deshalb musste sie schmunzeln, als er dies erwähnte. Doch nun wurde sie stutzig. „Was meinst du mit Erlösung?"

„Nun, ich schätze, dass er dann endlich sterben kann. Ich vermute, dass er durch seinen Tod die Welt retten wird." Diese Aussage versetzte ihr einen tiefen Stich ins Herz. Das konnte doch nicht sein! Tagelang ersehnte sie endlich den Zeitpunkt, an dem Rupert ihr alles erzählen würde und sie Damnatus endlich befreien könnte. Und nun erfuhr sie, dass dies sein Tod sein wird. „Nein das darf nicht sein!" schrie sie laut auf, sodass Anna erstaunt aus der Küche zu ihnen kam und fragte: „Was ist denn los?"

„Rupert hat mir gerade erzählt, weshalb ich Damnatus retten soll. Er soll sterben, um die Menschheit zu retten. Eine Menschheit, die es gar nicht verdient hat errettet zu werden! Nicht um diesen Preis!"

Anna erkannte was vor sich ging. Ihr war schon längst aufgefallen, dass Buffy tiefe Gefühle für ihn entwickelt hatte, obwohl es Buffy noch nicht mal selbst bewusst war. Sie versuchte sie zu besänftigen: „Buffy beruhige dich! Du weißt doch wie lange Damnatus sich schon nach seinem Tod sehnt. Du hast es mir selbst erzählt. Wenn dies die Erlösung für ihn ist, dann solltest du sie ihm nicht verwehren. Frage ihn doch selbst wie er darüber denkt. Er wird dir sicher antworten, dass er sein Leben gerne für die Rettung der Menschen aufgibt. Das weißt du genau."

Buffy wusste, dass Anna Recht hatte. Doch trotzdem stimmte es sie abgrundtief traurig. Sie wollte es einfach nicht wahrhaben. Anna nahm sie tröstend in den Arm und sie fing herzzerreißend an zu weinen. Rupert stand etwas hilflos daneben und klopfte tröstend auf Buffys Schulter.

Nach einer Weile meinte er: „Morgen früh machen wir uns auf den Weg. Unsere Reise wird etwa einen Tag lang dauern. Du kannst ihm sagen, dass wir übermorgen bei ihm sein werden."

Buffy löste sich aus Annas Umarmung und blickte gefasst auf ihren Lehrer. „Ist gut." Dann erhob sie sich und zog sich zurück.

Als sie oben verschwunden war, meinte Anna zu Rupert: „Sie liebt ihn."

„Ja, das tut sie. Und er liebt sie. So wie es geschrieben steht. Ihre Liebe wird der Schlüssel für die Tür sein, durch die sie beide gehen müssen."

+ + +

Wieder war ein langer Tag voller Schmerzen geschafft. Malignus hatte während der letzten Tage nichts unversucht gelassen, um seinen Gefangenen zum Reden zu bringen. Doch dieser blieb standhaft. Trotz der glühenden Brandeisen, die er ihm ins Fleisch bohrte, trotz der weiteren Dolchhiebe, die er ihm verpasste und trotz der magischen Flammen, die noch immer unter ihm brodelten, brachte er nichts aus ihm heraus. Er stand schier machtlos der Tatsache gegenüber, dass, so viele Qualen er seinem Gefangenen auch zufügen würde, dieser nicht zum Sprechen zu bewegen war. Er hätte ihn am liebsten getötet, doch dies war ihm leider nicht möglich. Sonst hätte er es schon vor mehr als hundert Jahren getan. Er sah ein, dass es zwecklos war. Doch trotzdem quälte er ihn weiterhin. Nur in der Nacht gönnte er ihm etwas Ruhe, doch nur, weil er während dieser Zeit seine Kräfte sammelte.

Damnatus nahm erleichtert wahr, dass der Abend hereinbrach. Malignus’ Diener zogen sich zurück und er konnte endlich auf seine Sommerwiese flüchten. Dorthin, wo Buffy ihn bald besuchen würde.

Schließlich war es endlich so weit. Die beiden trafen sich in seinem Paradiesgarten. Damnatus hatte sich in seiner Erscheinung mittlerweile etwas verändert. Er hatte sich etwas an Buffys Erscheinung angepasst, und trug nun ein schwarzes T-Shirt zu seiner dunklen Hose, was ihm ihrer Meinung nach sehr gut stand. Sie umarmten sich zur Begrüßung und er fragte sofort nach ihrem Tag. Doch Buffy wurde traurig, und antwortet: „Es war nicht sehr erfreulich heute."

„Weshalb? Was ist geschehen?"

„Rupert hat mir von Malignus erzählt. Und er hat mir erklärt, weshalb ich dich eigentlich retten soll."

„Was hat er dir erzählt?"

„Na ja, er hat mir erzählt, dass Malignus der große Böse ist, und dass er dich seit..."

Damnatus fiel ihr ins Wort: „Nein, nicht das! Was hat er dir über mich erzählt?"

„Er hat gesagt, dass du.... dass wir dich brauchen um.... er hat gesagt, dass ... „ Buffy konnte es nicht aussprechen. Tränen rollten ihr über die Wangen. Damnatus kam auf sie zu, strich ihr sanft die Tränen fort und nahm sie zärtlich in den Arm. Dann fügte er ruhig hinzu: „Dass ich sterben werde?"

Buffy nickte nur.

„Buffy trauere nicht um mich. Das ist nichts Schlimmes für mich. Ich sehne mich schon so lange nach dem Tod. Das weißt du doch. Also mach kein so unglückliches Gesicht, das steht dir überhaupt nicht."

Buffy hob ihren Kopf und setzte ein gequältes Lächeln auf. Damnatus strahlte sie mit seinen blauen Augen an, und ihr Lächeln wurde breiter. „Siehst du, so gefällst du mir gleich viel besser."

Ein wenig beruhigt drückte sie sich fest an ihn. Dann löste sie sich erneut und sagte:

„Ich soll dir ausrichten, dass wir morgen früh aufbrechen werden. Rupert meinte, dass unsere Reise etwa einen Tag dauern würde, und wir also etwa übermorgen bei dir wären. Allerdings denke ich, dass er sich wohl nicht darüber bewusst ist, wie schnell ein Auto fahren kann. Also kann es auch sein, dass wir schon eher da sein werden."

„Morgen schon?"

„Ja."

Obwohl er seit den letzten Tagen nichts mehr ersehnte, als diesen Augenblick, so war er nun doch traurig. Denn dies würde das baldige Ende seines Daseins bedeuten. Warum nur bereitete ihm dies keine Freude? Er hatte sich doch so sehr danach gesehnt? Damit Buffy nicht bemerkte, dass er doch etwas traurig war, setzte er ein optimistisches Strahlen auf, und sagte: „Großartig, dann werden wir uns zum ersten mal wirklich begegnen."

Sein optimistischer Blick wich, als er daran erinnert wurde, wie sein körperlicher Zustand in Wirklichkeit war. Er wollte sie sanft darauf hinweisen und erwähnte: „Buffy, dazu sollte ich dir noch etwas sagen."

„Was denn?"

„Wenn wir uns begegnen meine ich. Ich werde dann nicht so toll aussehen, wie jetzt

gerade."

„Hast du Angst, dass du mir nicht gefallen wirst? Siehst du in Wirklichkeit gar nicht so

gut aus? Bist du vielleicht hässlich?"

„Nein, Unsinn, das meinte ich nicht. Als wir uns das erste Mal hier trafen, da habe ich dir meine Schmerzen gezeigt. Erinnerst du dich?"

„Wie könnte ich das je vergessen. Es war schrecklich."

„Ja. Es tut mir leid, ich hatte keine andere Möglichkeit es dir so zu zeigen, dass du es verstehst."

„Oh, keine Sorge! Ich hab es sehr gut verstanden. Aber du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen. Für mich war es nur ein kurzer Moment. Doch für dich ist es grausame Realität, und dass über Stunden hinweg."

„Genau dass meine ich. Ich bin zwar kein richtiger Mensch mehr, und ich kann auch nicht sterben, aber mein Körper ist immer noch menschlich, und die Qualen der letzten Tage zeichneten sich dort ab. Ich möchte nur dass du darauf vorbereitet bist, dass ich nicht so unversehrt bin, wenn du mich dort unten im Kerker findest."

„Kannst du mir zeigen, wie du wirklich aussiehst?"

„Ich könnte es. Wenn du es wirklich willst?"

„Ja das will ich."

„Gut, dann werde ich es tun."

„Halt stopp warte noch! Um eines möchte ich dich noch bitten."

„Worum möchtest du mich bitten?"

„Verrate mir deinen richtigen Namen."

„Warum willst du ihn unbedingt wissen?"

„Damit ich ihn in meinem Herzen tragen kann und er von seiner Schande rein gewaschen wird. Denn ein Name der im Herzen einer Frau getragen wird, kann nichts unrechtes an sich haben."

Diese Worte berührten ihn sehr, da er immer hoffte eines Tages seinen eigenen Namen wieder mit Stolz tragen zu können. Und so antwortete er ihr: „William."

Buffy sah ihm mit ihren sanften grünen Augen an und flüsterte: „Ich liebe dich William."

Liebevoll drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn, und erwiderte: „Ich liebe dich auch. Und nun schließe die Augen. Es wird Zeit für dich zu sehen, was dich erwarten wird."

William wich ein paar Schritte zurück und wartete darauf, dass Buffy ihre Augen schloss. Sie fürchtete sich etwas davor, was sie nun sehen würde. Doch sie wollte es sehen. Sie wollte vorbereitet sein.

Also machte sie ihre Augen zu, und wartete ab. William meinte noch: „Versprich mir, dass du mich für heute verlassen wirst, nachdem ich es dir gezeigt habe. Und komme erst Morgen Nacht wieder hier her. Versprich es mir!"

„Ich verspreche es."

Er könnte es nicht lange ertragen, wenn sie sieht wie sehr er leiden muss, aber er erachtete es als wichtig, sie darauf vorzubereiten. Deshalb nahm er ihr dieses Versprechen ab. Später im Kampf gegen Malignus hätte sie keine Zeit, sich an seinen Anblick zu gewöhnen. Es wäre nur ein Hindernis für sie.

Er hatte etwas Mühe seine Gestalt auf den wirklichen Zustand abzuändern. Er hatte mit Erfolg alle Wunden weitgehend aus seinem Gedächtnis verdrängt, und musste sie nun wieder herbeirufen. Doch schließlich gelang es ihm, und sein Zufluchtsort verwandelte sich in seinen Kerker. So wie in der Realität hing er an Ketten gefesselt über einen großen Loch, aus dem lodernde Flammen ragten. Sein ganzer Oberkörper war übersäht mit Schrammen und Wunden von den Volterwerkzeugen Malignus. Sein Haar war lang und ungepflegt. Er hatte keine Schuhe an, und seine Hose war zerrissen und verdreckt. Nur seine blauen Augen erstrahlten im selben Glanz wie bisher. „Denk an dein Versprechen, dass du mir gegeben hast! Du kannst deine Augen öffnen."

Buffy öffnete ihre Augen und erschrak furchtbar. Der Anblick, der sich ihr bot, war mehr als erschreckend! Sie hatte es sich zwar schlimm vorgestellt, aber schlimm war gar kein Ausdruck für das, was sie sah. Tränen standen ihr in den Augen, und sie hielt sich fassungslos die Hand vor den Mund. Sie wollte auf ihn zu gehen, doch er wendete seinen Kopf zur Seite und deutete schroff: „Geh! Bitte!"

Sie gehorchte, und verschwand.

+ + +

Buffy konnte nicht mehr schlafen. Obwohl es erst vier Uhr morgens war, stand sie auf und ging nach unten. Sie verließ das Haus und setzte sich mit ihrem Nachtkleid ins feuchte Gras. Sie fühlte wie die kalte Nässe ihren Körper erreichte, doch es störte sie nicht. Sie hatte vor, sich auf die Suche nach Mutter Natur zu machen. Nachdem Rupert ihr es vor einigen Tagen gezeigt hatte, hatte sie es nicht mehr versucht. Rupert meinte, dass es nicht erlaubt sei, die Mächte der Natur ohne einen Grund zu stören. Doch nun hatte sie einen Grund. Sie hatte Fragen, auf die sie Antworten erwartete.

Sie legte ihre Hände ins Gras und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Sie suchte nach dem richten Weg, und sie fand ihn schneller als erwartet. Mutter Natur begrüßte sie freundlich: „Hallo Buffy."

„Hallo Mutter Natur."

„Ah, du hast Damnatus schon kennen gelernt nicht war?"

„Ja das habe ich."

„Du bist hier um Antworten zu bekommen. Was möchtest du wissen?"

„Ich hab eine Frage zu meiner Mission. Was ist meine Aufgabe? Was muss ich tun?"

„Ich denke Rupert hat dir bereits alles gesagt."

„Ja schon, aber... ich meine was ist damit gemeint, dass ich Damnatus ins Licht führen soll?"

„Wo befindet er sich denn jetzt?"

„Er befindet sich in der Gewalt von Malignus."

„Und wo dort genau?"

„In einem dunklen Verlies?"

„Siehst du? Aus dem Dunkeln ins Licht."

„Das ist alles?"

„Nein. Natürlich nicht. Aber es ist alles, was du wissen musst."

„Und weshalb muss er sterben um die Welt zu retten?"

„Liebst du ihn?"

„Ja, das tue ich."

„Und liebt er dich auch?"

„Ja."

„Dann weißt du genug um deine Aufgabe zu erfüllen. Es hängt sehr viel von Euch beiden ab. Aber wenn Eure Liebe stark genug ist, werdet ihr es schaffen. Mehr können wir dir nicht sagen."

„Das ist nicht fair!"

„Niemand hat behauptet, dass es leicht wird für dich. Dir steht eine schwere Aufgabe bevor. Öffne deinen Geist, und wir werden dir zum Abschied ein Geschenk machen."

„Ein Geschenk?"

„Du wirst es gleich verstehen. Und du wirst später auch verstehen, warum wir dir nicht mehr Wissen mit auf den Weg geben können. Hab keine Angst! Glaube fest an Eure Liebe, und ihr werdet es schaffen. Verlass uns jetzt wieder. Rupert und Anna sind aufgewacht, und suchen nach dir."

„Woher weist du das?"

„Die Natur ist allgegenwärtig. Wir sehen durch jeden Baum, jede Blume, jeden Graßhalm und durch die Augen der Tiere und Menschen. Überall dort wo Leben ist, sind auch wir. Wir sind reine Energie, die durch alles fließt. Wenn ein Lebewesen stirbt, verwandelt es sich in die gleiche Energie und ist mit allem verbunden. Entsteht neues Leben, so schenken wir ihm einen Teil von uns selbst. Das ist der Kreislauf, der uns alle verbindet. Und nun geh."

Buffy hätte noch viele Fragen gehabt, aber sie sah ein, dass es zwecklos war. Sie würde nicht mehr erfahren und wenn es denn so sein sollte, dann wollte sie sich damit abfinden. Auch wenn es ihr schwer fiel. Sie gehorchte und lenkte ihren Geist wieder zurück in ihren Körper. Dann nahm sie starke Energie wahr, die sich über ihre Hände in ihrem gesamten Leib verteilte. Das war das Geschenk, von dem die Mächte gesprochen hatten. Wie ein Schwamm sog sie alles in sich auf und spürte wie ihre Kräfte immer mehr anstiegen. Als sie die Augen öffnete, sah sie direkt vor sich zwei besorgte Gesichter stehen.

Rupert und Anna hatten sich vor sie gebeugt und Anna legte ihr eine Decke über die Schulter. Rupert fragte Buffy: „Was machst du denn hier draußen?"

„Ich hatte Fragen. Ich wollte mit Mutter Natur sprechen."

„Und hat sie dir deine Fragen beantwortet?"

„Nein. Jedenfalls nicht so, wie ich es gerne hätte. Aber sie hat mir ein Geschenk gemacht."

„Ein Geschenk?"

„Ja!" Buffy reichte Rupert die Hand. Als Rupert sie ergriff, spürte er die hohe Lebensenergie in Buffys Körper. So stark, dass er sofort erschrocken zurückwich. Buffy lächelte nur und erhob sich. Die Decke fest um ihre Schultern gezogen, ging sie wieder ins Haus. Sie musste sich für ihre große Mission fertig machen.

Anna erkundigte sich bei Rupert über das Geschenk: „Weshalb bist du gerade so erschrocken?"

„Die Mächte der Natur haben ihr viel Energie geschenkt. Sie ist unheimlich stark. Allein durch ihre Berührung gibt sie soviel Energie ab, dass es für das Wachstum eines Elefanten reichen könnte!"

„Aber das ist doch gut, oder?"

„Es wird uns im Kampf dienlich sein. Komm, lass uns reingehen. Wir sollten uns langsam auf den Weg machen."

„Glaubst du sie wird es schaffen?"

„Sie muss, sonst sind wir alle verloren."

+ + +

Wenig später waren sie startklar für die Reise. Buffy und Rupert packten ein paar der wichtigsten Kristalle mit ein und Anna nahm Proviant und Gepäck für eine Woche mit. Rupert schmunzelte und wollte wissen: „Hast du etwa vor länger zu bleiben, als wir?"

„Aber Rupert, man kann doch nie wissen. Es ist immer ratsam etwas mehr bei sich zu haben."

Währenddessen kam Buffy nun endlich fertig für die Reise zu ihnen ans Auto. Sie hatte noch etwas Verbandsmaterial mit eingepackt. Eine kleine Reisetasche mit ein paar Anziehsachen hatte sie bereits vor einer Stunde fertig gepackt in den Kofferraum gelegt. Ungeduldig nörgelte sie: „Kann es jetzt losgehen? Sind wir soweit?"

„Alles startklar!" kam es von den beiden Wächtern gemeinsam. Buffy setzte sich ans Lenkrad und Anna nahm neben ihr Platz. Rupert fühlte sich hinten etwas wohler und versuchte es sich so gemütlich wie möglich zu machen. Er hatte kein gutes Gefühl dabei, mit dieser Höllenmaschine zu fahren. Er wäre viel lieber zu Fuß gegangen, aber dazu hatten sie wirklich keine Zeit.

Buffy fragte sich nur wie Rupert ohne Auto und ohne technische Hilfsmittel seine vielen Abenteuer bestehen konnte, von denen er manchmal ansatzweise berichtete. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er in Wirklichkeit viel älter war, als sie ihn eingeschätzt hatte. Doch für solche Gedanken hatte sie jetzt keine Zeit mehr. Sie musste sich auf ihre Aufgabe konzentrieren. Sie lenkte den Wagen auf den Highway und gemeinsam machte sich die kleine Truppe auf die Reise. Corvus, der Rabe, hatte es vorgezogen die Reise hoch in der Luft anzutreten und glitt mit kräftigen Flügelschlägen hinter dem Trio her.

Sie hatten einen weiten Weg vor sich und Buffy war heilfroh, dass Anna keine Angst vor Autos hatte und sie regelmäßig ablöste. Anna fuhr gerade den Highway entlang, während Buffy immer wieder die gleichen Fragen stellte. Rupert blieb aber geduldig und antwortete ihr auf alle ihre Fragen:

„Also Malignus ist unser Feind. Er verkörpert also das Böse."

„Ja genau."

„Und er kann sich aus toter Erde Gefolgsleute basteln?"

„Ja."

„Und das sind was für Kerle?"

„Seelenlose Sklaven, die für ihren Herrn sterben würden, wenn es sein muss."

„Seelenlose Körper, aus toter Erde?"

„Ja, aber sie wirken wie Menschen."

„Gut. Und Malignus befindet sich in einem alten Kloster?"

„Es ist eine Tarnung. Es war früher mal ein Kloster von einem Benediktiner Orden. Deshalb haben Malignus’ Diener auch alle Mönchsgewänder an. Bevor seine Kräfte sich wieder regeneriert hatten, bestand für ihn die Gefahr entdeckt zu werden."

„Aber du sagtest, dass ihm niemand etwas anhaben könnte, außer William."

„Ja so ist es."

„Dann frag ich mich, weshalb er nicht entdeckt werden durfte."

„Er wollte nicht entdeckt werden, weil es so nun leichter ist für ihn. Kein Mensch hätte wirklich etwas gegen ihn ausrichten können, auch nicht als er sehr schwach war. Nicht mal wir wären dazu in der Lage gewesen. Doch es wäre sicher schwieriger und lästig für ihn gewesen, wenn sich einige Menschen gegen ihn gestellt und versucht hätten ihn zu bekämpfen. Und jetzt, da er seine Macht beinahe vollkommen wiedererlangt hat, ist er mit Sicherheit in der Lage das ganze Klostergelände hermetisch abzuriegeln, sodass kein Lebewesen hindurch dringen kann. Außer du."

„Und wie?"

„Durch deine Magie!"

„Geht’s vielleicht auch ein bisschen genauer?"

„Es tut mir leid Buffy, ich weiß es auch nicht genauer. Ich kann dir nur sagen was in den alten Schriften steht. Leider hat dort niemand eine genaue Anleitung hinterlassen."

„Zu dumm!"

„Hab Vertrauen in dich! Du wirst es sicher schaffen."

„Ich muss es schaffen. Ich muss William da rausholen! Und wenn es das letzte ist, was ich tun werde."

Nervös spielte Buffy mit dem schwarz gefärbten Bergkristall, den Anna ihr gegeben hatte und versuchte sich etwas zu beruhigen. Dann fiel ihr noch etwas ein.

„Rupert, wodurch hatte Malignus eigentlich seine Kräfte verloren?"

„Das ist schon viele Jahre her. Lange bevor er Damnatus in seine Gewalt gebracht hatte. Es war ein einfacher Wächter, der ihm seiner Kräfte beraubt hatte."

„Ein Wächter?"

Anna fügte hinzu: „Ja, ein sehr mutiger Wächter!"

+ + +

Derweilen war es in dem alten Klostermauern erstaunlich ruhig. Malignus war in seinen Gemächern, um seine Kräfte zu sammeln. Schon seit Tagen war dies seine Hauptbeschäftigung. Zufrieden und siegessicher stellte er fest, dass er nun stärker war, als jemals zuvor. Selbst wenn die Wächter wirklich irgendetwas ausheckten, so war er sich sicher, dass ihm niemand wirklich etwas anhaben könnte. Denn der einzige, der ihm vielleicht gefährlich werden könnte, hing unten in seinem Kerker und machte nicht gerade einen guten Eindruck.

Er hatte inzwischen keinen Gefallen mehr an den magischen Flammen und ließ seinen Gefangenen stattdessen wieder mit der magischen Peitsche auspeitschen. Er sah ein, dass es zwecklos war ihn weiter zu verhören. Doch er wollte auf Nummer sicher gehen, und quälte ihn weiter, denn in dem geschwächten Zustand würde Damnatus ihm gewiss nicht gefährlich werden können. Er ahnte nichts davon, dass eine kleine Truppe mutiger Kämpfer sich auf den Weg zu seinem Landsitz machte. Noch nicht.

Malignus hatte Späher entsandt, die ihm sofort berichten würden, wenn sich ein Wächter dem alten Klostermauern nähert. Es waren hässliche schwarze Vögel, geschaffen aus derselben Erde wie seine Sklaven. Sie zogen täglich ihre Kreise weit und großräumig um das Gebiet herum, in dem sich das Klostergelände befand. Sie konnten einen Wächter selbst unter tausenden Menschen erkennen und so geschah es, dass zwei dieser Späher auf ein Auto aufmerksam wurden, das nur noch wenige Stunden von seinem Ziel entfernt war.

Einer der schwarzen Vögel flog sofort zurück zu Malignus, um ihm die Nachricht zu überbringen. Der zweite blieb zurück und verfolgte weiterhin das Auto. Doch er bemerkte nicht, dass er entdeckt wurde.

+ + +

Corvus erkannte sofort, dass diese zwei Artgenossen nicht das waren, dass sie zu sein vorgaben. Noch nie waren ihm zwei so abgrundtief hässliche Vögel begegnet. Besorgt stellte er fest, dass einer der beiden sich aus dem Staub machte. Und dies hatte wohl nichts Gutes zu bedeuten. Er war sich sicher, das Malignus da seine Finger mit ihm Spiel hatte. Bisher hatte er einen größeren Abstand zu Rupert und seinen beiden Begleiterinnen gehalten, damit er aus sicherer Entfernung alles beobachten konnte. Doch nun flog er so schnell er konnte direkt zu Buffys Auto, um die Anderen zu informieren.

Durch das offene Fenster flatterte er direkt auf Annas Schoß. Anna und Buffy erschraken, und Buffy lenkte den Wagen an den Straßenrand, um stehen zu bleiben. Rupert fragte bestürzt: „Corvus verdammt, was ist denn los? Warum kommst du hier reingestürmt!"

Alle drei richteten ihre Aufmerksamkeit auf den Raben und verstanden sofort weshalb dieser so aufgeregt war. „Ihr wurdet von zwei seltsamen Vögeln verfolgt. Ich glaube das Malignus sie geschickt hat. Einer von ihnen hat sich aus dem Staub gemacht. Er wird seinem Herrn von euch berichten. Der andere ist noch hier."

Als Buffy dies hörte, stieg sie sofort aus dem Wagen, um nach diesem Vogel zu sehen. Wie ein Geier, der auf seine Gelegenheit wartet, flog er hoch über ihren Köpfen. Buffy überlegte nicht lange, sondern handelte instinktiv. Sie konzentrierte sich auf das schwarze Ding über ihr und ließ ihre Hand vorschnellen. Direkt in die Richtung des Spähers. Der Vogel kam ins Straucheln. Eine unsichtbare Kraft hatte ihn getroffen, so dass er sich nicht mehr in der Luft halten konnte. Er stürzte hinab und landete nur wenige Meter von Buffy entfernt unsanft auf der Straße.

Vorsichtig näherte sie sich ihm. Wie eine Raubkatze, die sich an eine Beute heranschlich. Der heftige Aufprall auf die Straße fügte ihm zwar keinen ernsthaften Schaden zu, aber er war für kurze Zeit bewusstlos. Buffy näherte sich langsam und streckte eine Hand nach ihm aus. Wenige Zentimeter bevor sie ihn berührt hätte, kam er plötzlich wieder zu sich und versuchte zu fliehen. Von dem Sturz etwas verwirrt, gelang es ihm nicht sofort die richtige Richtung einzuschlagen und als er davonflog streifte er Buffys Hand. Just in diesem Moment, als Buffy ihn berührte, zerfiel er zu Staub.

Buffy schüttelte verwirrt den Staub von sich und blickte fragend auf Rupert und Anna, die das Schauspiel gerade miterlebt hatten. Sie fragte ihren Mentor: „Was war das?"

Rupert antwortete ihr: „Nun ich denke, dass Corvus recht hatte und das dies Malignus’ Werk war."

„Schon klar, das meinte ich nicht. Ich meine die Verschwindibus-Aktion gerade eben."

„Das weiß ich auch nicht."

Anna hatte alles mitbekommen und warf nun ein: „Aber Rupert, denk doch mal nach. Der Vogel bestand gewiss aus derselben Erde, wie Malignus Gefolgsleute. Und in Buffy steckt soviel Lebensenergie, dass sie diese durch ihre bloße Berührung an jemanden abgeben kann. Das hast du doch gesagt. Und was geschieht, wenn man tote Erde mit Lebensenergie in Verbindung setzt?"

Rupert verstand: „Dann ist sie keine tote Erde mehr. Das würde bedeuten, dass Buffy Malignus’ Gefolge allein durch ihre Berührung vernichten könnte."

„Endlich mal eine gute Nachricht!" fand Buffy und wies die beiden Wächtern an wieder einzusteigen. „Na los, dann last uns diesen Typen mal kräftig in den Arsch treten!"

Rupert war bestürzt über Buffys Ausdrucksweise und meinte: „Was meinst du?"

„Na, lasst sie uns fertig machen! Kommt schon, wir haben nicht mehr viel Zeit. Der Abend bricht bald herein. Und wenn Corvus Recht hat und einer dieser Vögel zu Malignus geflogen ist, wird er bald über uns bescheid wissen. Also sollten wir uns für die Nacht irgendwo in Sicherheit bringen."

„Du hast Recht", pflichtete Rupert bei und stieg wieder ein.

Auf der Suche nach einem geeignetem Nachtquartier machten sie sich wieder auf die Reise. Etwas später entdeckten sie eine verlassene heruntergekommene Hütte, die wohl seit Jahren nicht mehr bewohnt war. Gemeinsam sprachen sie einen Schutzzauber aus, damit Malignus sie dort nicht entdecken konnte, und Corvus hielt in der Luft nach weiteren Spähern Ausschau.

Anna hatte Schlafsäcke und Decken bereitgelegt und die drei versuchten sich ein bisschen auszuruhen. Es war eine anstrengende Reise und morgen würde es gewiss nicht leichter werden. Sie waren sich alle bewusst, dass Malignus ihre Ankunft verhindern würde. Sie machten sich alle Sorgen darüber, was der nächste Tag wohl bringen möge, doch niemand wagte es auszusprechen. Sie legten sich in ihre provisorischen Betten und versuchten zu schlafen.

Buffy hoffte dabei William wieder antreffen zu können. Sie schlief rasch ein, doch sie konnte ihn nicht finden. Unruhig wälzte sie sich in ihrem Bettlager.

+ + +

Inzwischen hatte der Späher seinem Herrn die Ankunft zweier Wächter und einer Frau

berichtet. Malignus hatte irgendwie gehofft, dass sie kommen würden, denn nun könnte er seine wiedererlangten Mächte testen. Und nichts würde ihm mehr Freude bereiten, als einen Wächter zu töten. Zumal er es einem von ihnen zu verdanken hatte, dass er Jahrhunderte lang hinter diesen Klostermauern verbringen musste. Es dauerte allein siebzig Jahre, bis er alles Leben von diesem Ort vertrieben hatte und er sich somit sein Gefolge schaffen konnte. Er wollte die Wächter eines langsamen Todes sterben lassen.

In Vorfreude schwelgend, stellte er sich vor wie er sie töten würde. Doch etwas machte ihn stutzig. Was hatte eine Frau bei ihnen zu suchen? Die Wächter würden nie einen unschuldigen Menschen in Gefahr bringen, also musste diese Frau etwas besonderes sein. Dies ließ ihm keine Ruhe. Er musste mehr über diese Frau erfahren. Ob sein Gefangener etwas darüber wusste?

Zwar war er sich sicher, dass Damnatus ihm nichts erzählen würde, aber vielleicht könnte er bluffen, indem er so tat, als wüsste er über die Frau bescheid. Es war einen Versuch wert und so begab er sich erneut nach unten zu seinem einzigen Gefangenen.

Es war schon spät. William hoffte darauf, dass Malignus’ Gefolgsleute endlich den Raum verlassen würden, damit er sich mit seiner Geliebten treffen könnte. Doch dann kam der Herr des Hauses persönlich in das Verlies. Er wirkte zufrieden und war für Williams Geschmack etwas zu freundlich.

„Wie geht es meinem Gast? Fühlst du dich wohl in deiner Suite?"

Malignus ließ die Peitsche verschwinden, damit sich sein Gefangener ganz auf ihn konzentrieren konnte. Er wollte genau sehen wie dieser auf seine Worte reagieren würde. William war zu erschöpft, um etwas zu erwidern. Er blickte ihn nur stumm an und wartete darauf, was Malignus ihm zu sagen hatte.

„Weist du, ich kann ja verstehen, dass du nicht mit mir reden willst. Aber ich finde du hättest mir ruhig etwas davon erzählen können, dass wir bald Besuch bekommen werden. Schließlich will ich unsere Gäste gebührend empfangen. Zumal, wenn eine junge Frau unter ihnen ist."

William war nun klar, was Malignus von ihm wollte. Die Erwähnung der jungen Frau versetzte ihm einen Stich ins Herz. Malignus wusste also, dass sie kommen würden. Doch er wusste noch nicht was Buffy für eine Rolle in diesem Spiel spielte, sonst wäre er sicher nicht wieder bei ihm, um Informationen zu bekommen. Er musste sich anstrengen einen so unberührten Eindruck wie möglich zu machen. Die Tatsache, dass sein Körper durch die Folterungen sehr geschwächt war, erleichterte es ihm einen schmerzlich fragenden Blick aufzusetzen. Mit gebrochener Stimme sagte er: „Wovon sprichst du?"

Malignus gab sich nicht so leicht geschlagen und meinte: „Na von dem süßen Püppchen, dass zusammen mit zwei Wächtern auf dem Weg hierher ist! Du weißt doch wen ich meine, nicht wahr?"

William hätte Malignus für diese Aussage am liebsten ins Gesicht gespuckt. Doch er musste sich beherrschen. Er schloss kurz seine Augen, damit man seinen Schmerz darin nicht lesen konnte und fügte schließlich hinzu: „Das ist unmöglich. Ein Wächter würde nie einen Menschen in Gefahr bringen. Deine Informationsquelle hat dir einen Unsinn erzählt."

Malignus wurde wütend. Nie würde ihn einer seiner Späher belügen. Oder doch? Malignus’ Versuch etwas aus Damnatus herauszubekommen ging nach hinten los. Könnte es wirklich sein, dass sich sein Späher getäuscht hatte? Er selbst hielt es ja für ziemlich unwahrscheinlich, dass wirklich eine Frau bei den Wächtern dabei ist. Zornig ließ er seinen Gefangenen stehen und verließ den Kerker. Er musste herausbekommen, was hier gespielt wird. Diese ewige Ungewissheit raubte ihm den Verstand.

Durch seine Wut vergaß er vollkommen, seinem Gefangenen neue Qualen zuzufügen und so hatte William zum ersten Mal seit Tagen wirklich Ruhe. Er genoss die Stille und ließ seinen Geist dann ins Reich der Träume übergehen. Er bemerkte nicht, wie sich die Tür zu seinem Verlies wieder öffnete und Malignus wieder zu ihm kam.

+ + +

Buffy suchte bereits ungeduldig nach dem Ort in Williams Träumen und fand endlich Einlass. Überglücklich ihn wieder zu sehen, stürmte sie auf ihn zu. William freute sich auch sehr, doch die Tatsache, dass Malignus von ihrer Ankunft wusste, bereitete ihm sorgen und überschattete seine Freude. Buffy bemerkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war und fragte nach: „William, was ist? Ist etwas passiert? Geht es dir gut?"

„Mir geht es gut, keine Angst, aber ich habe eine schlechte Nachricht. Malignus weiß das ihr kommt."

„Ja, das dachte ich mir. Zwei hässliche Vögel waren uns gefolgt. Einer davon flog davon und der andere löste sich in Staub auf."

„Er löste sich in Staub auf?"

„Ja! Ich hatte ihn nur berührt und dann machte es puff und er war weg. Rupert und Anna meinten, es läge an der Lebensenergie, die mir Mutter Natur geschenkt hat."

„Du warst noch mal bei Mutter Natur?"

„Ja gestern Nacht, nachdem ich dich verlassen hatte. Ich hatte Fragen. Ich konnte mich nicht damit abfinden, dass du für diese Welt sterben sollst."

„Buffy bitte, versteh doch, dass es meine Pflicht ist. Nur so kann ich mich von meiner Schuld befreien."

„Und das du jahrelang in Malignus’ Gewalt warst und von ihm auf unmenschliche Weise gequält wirst ist nicht genug Sühne? Was hast du denn so grausames getan, dass du so hart dafür bestraft wirst?"

William senkte traurig den Kopf. Die Erinnerung schmerzte ihn sehr. Er wollte nie mehr darüber sprechen, aber Buffy würde es dann vielleicht eher verstehen und so erläuterte er: „Ich habe ein Menschenleben auf dem Gewissen. Durch mein Handeln musste ein unschuldiger Mensch sein Leben geben. Und wenn ich meine Schuld durch meinen Tod begleichen kann, so will ich es tun."

„Wie? Und wieso? Ich meine... wann war das?"

„Als Kind wurde ich bereits auf meine Pflichten als Wächter vorbereitet. Ich hatte liebevolle Eltern, die versuchten einen rechtschaffenen Mann aus mir zu machen. Doch als ich älter wurde, interessierte ich mich mehr für den Wein, die Frauen und das Glücksspiel. Ich verlor viel Geld. Durch mich wurden meine Eltern langsam in die Armut getrieben. Und trotzdem verkehrte ich immer noch in den höheren Kreisen und verspielte dort all unser Hab und Gut.

Durch das Wissen der Zauberkraft, schaffte ich es immer wieder meine Mitmenschen zu blenden und mogelte mich so durch das Leben. Bis eines Tages Schuldeneintreiber ihr Geld verlangten und bei meinen Eltern zu Hause auftauchten. Mein Vater hatte trotz alledem noch zu mir gehalten und verteidigte mich. Obwohl ich es damals wahrlich nicht wert war.

Es kam zu einer kurzen Auseinandersetzung und mein Vater wurde getötet. Von diesem Augenblick an ging mir ein Licht auf. Aber leider zu spät. Mutter Natur war sehr enttäuscht von mir und hat mir zu Recht den Fluch des ewigen Lebens auferlegt."

„Aber nicht du hast deinen Vater umgebracht, sondern diese Schuldeneintreiber."

„Aber mein Handeln war die Ursache dafür. Also trifft auch mich die Schuld seines Todes."

„Man kann doch kein Menschenleben mit einem anderen Menschenleben wieder gut machen?"

„Natürlich nicht! Aber durch meinen Tod wird die gesamte Menschheit gerettet werden und dies ist nur ein geringes Opfer, was ich gerne geben werde. Außerdem ist es kein natürliches Leben, das ich in mir trage. Meine Zeit wäre schon längst abgelaufen, wenn nicht dieser Zauber auf mir liegen würde."

„Und was soll dann aus mir werden?"

„Du wirst leben und meinen Namen in deinem Herzen tragen. Das ist das größte Geschenk, das du mir machen kannst. Auf diese Weise werde ich in deinem Herzen weiterleben."

„Das werde ich. Das verspreche ich dir."

William nahm Buffy tröstend in den Arm und legte ihr sanft einen Kuss auf die Stirn. Sie verharrten einen kurzen Augenblick bewegungslos, bis Buffy plötzlich eine Stimme vernahm: „Buffy wach auf! Ihr seid in Gefahr!"

„Was?"

William hatte die Stimme nicht gehört und fragte verwirrt:

„Was ist?"

„Mutter Natur, sie hat mir gesagt ich soll aufwachen. Hast du es nicht gehört?"

„Nein. Von dem Ort aus, an dem ich bin, kann ich ihre Stimme nicht wahrnehmen."

„Tut mir Leid, ich muss gehen. Wir werden uns wieder sehen, aber nicht hier."

Buffy drückte ihm noch einen kurzen Kuss auf die Lippen und verschwand. William blickte in die Leere, die nun statt seiner Geliebten in seinen Armen ruhte und wurde dann jäh aus seinen Gedanken gerissen. Ein heftiger Schmerz riss ihn aus seinen Träumen. Als er die Augen aufriss, erkannte er Malignus’ glühend rote Augen direkt vor seinem Gesicht.

Erschrocken wich er zurück und bemerkte dann den Grund seines Schmerzes. Malignus hatte einen langen Dolch direkt in seine Eingeweide gestoßen. Er hatte ihn dort einfach steckengelassen und Blut floss aus der Wunde heraus. Malignus stand triumphierend vor ihm und kommentierte: „Du dachtest wohl ich hätte dich vergessen, was? So leicht kommst du mir nicht davon! Was auch immer deine Wächterfreunde aushecken. Dich werden sie mir nicht wegnehmen können!"

Mit diesen Worten ging er ein paar Schritte zurück und sprach eine Beschwörungsformel. Ein grün schimmerndes Band entstand in der Luft und legte sich um William herum. Es war ein runder Käfig aus magischem Licht. Undurchdringlich für jedermann. Dies sollte die Wächter davon abhalten, Damnatus zu befreien. Dann verließ er abermals das Verlies und bereitete sich auf die Ankunft der Wächter vor.

+ + +

Buffy erwachte und fuhr sofort von ihrem Bettlager hoch. Mutter Natur hatte sie gewarnt, dass sie in Gefahr seien. Sie weckte Rupert und Anna und sah sich anschließend draußen etwas um. Corvus sah, dass Buffy aufgestanden war und flog zu ihr auf ihre Schulter: „Buffy, was ist los? Warum schläfst du nicht?"

„Mutter Natur hat mich geweckt. Sie wollte mich vor etwas warnen. Sei auf der Hut, ich schätze Malignus hat uns irgendetwas auf den Hals gehetzt. Halte mal Ausschau, ob du etwas entdecken kannst."

„Wird erledigt", sagte der Rabe, während er sich bereits wieder in der Luft befand, um die Gegend zu inspizieren. Er flog großzügig das ganze Gebiet ab und bemerkte schließlich ein paar dunkle Gestalten, die sich in Buffys Richtung bewegten. Er krächzte laut und deutete Buffy die Richtung, aus der die Gestalten kamen. Buffy verstand sofort und verschwand wieder in der alten Hütte, um Rupert und Anna zu warnen: „Irgendetwas nähert sich uns! Ich glaube nicht, dass sie uns wohl gesonnen sind."

Rupert machte sich für einen Kampf bereit, während Anna den Schutzzauber etwas verstärkte, damit sie nicht sofort hier eindringen könnten. Kurz darauf erschienen die Gestalten und Buffy sah zum ersten Mal einen von Malignus’ Gefolgsleuten.

Es waren drei seiner Sklaven. Hässliche Kreaturen, eingehüllt in dunkelbraune Mönchskutten. Trotz des spärlichen Lichts der Nacht, konnte sie dennoch sehen wie unheimlich diese Figuren waren. Buffy blickte sich zu Anna um. Diese war noch nicht fertig mit dem Schutzzauber und so bestand die Gefahr, dass sie hier hereinbrechen würden. Darum verließ sie die Hütte und stellte sich ihren Gegnern. Rupert rief ihr aufgebracht hinterher: „Buffy was tust du? Bleib hier!"

Doch Buffy ließ sich nicht aufhalten und rief zurück: „Halte hier die Stellung!"

Dann schritt sie furchtlos diesen Kreaturen entgegen. Sofort wollten sich zwei gleichzeitig auf sie stürzen. Buffy konzentrierte sich auf ihre Kräfte und bündelte ihre Energie zu einem Gegenschlag. Ihre Hände schnellten hervor und eine unsichtbare Kraft traf die beiden Angreifer, die daraufhin nach hinten geschleudert wurden. Währendessen hatte der dritte Angreifer versucht von hinten an Buffy heranzutreten, um sie zu überraschen, aber sie hatte ihn bemerkt und war darauf vorbereitet.

Kurz bevor er sie erreichte, verpasste sie ihm ebenfalls einen Schlag mit ihrer magischen Faust. Dann ließ sie alle drei langsam näher kommen und wartete auf den richtigen Augenblick. Sie wollte sie etwas in Sicherheit wiegen und tat so, als wäre sie geschwächt. Als alle drei nah genug an sie herangetreten waren, streckte sie ihre rechte Hand weit von ihrem Körper und drehte sich einmal um ihre eigene Achse, sodass sie ihre drei Gegner einem nach dem anderen berührte und sich diese augenblicklich in Staub auflösten. Vergnügt sah sie in das erstaunte Gesicht ihres letzten Angreifers, als sie diesen in seinen Urzustand zurückverwandelte.

„Das war ein Spaß!" meinte sie noch, als sie zu den beiden ängstlich dreinschauenden Wächtern zurückging.

Rupert war etwas verwirrt und fragte: „Warum hast du erst mit ihnen gekämpft und sie nicht gleich in Luft aufgelöst?"

„Ich wollte sicher gehen, dass ich auch alle drei erwischen würde. Hätte ich sie einzeln erledigt, wäre das Risiko zu groß gewesen, dass einer von ihnen zu Malignus geflüchtet wäre, oder euch angegriffen hätte. Malignus weiß zwar, dass wir kommen, aber deswegen muss er noch lange nichts von meinen staubigen Händen wissen, oder?"

„Du erstaunst mich immer mehr. Du bist wahrlich die Erwählte."

„Ja, das bin ich und darum lasst uns jetzt weiterfahren. Wie weit, denkst du, ist es noch bis zu dem Kloster?"

„Nicht mehr weit. Mit deiner Höllenmaschine vielleicht noch eine halbe Stunde. Vielleicht auch weniger."

„Gut, dann schnell. Malignus denkt sicher, dass wir durch sein Begrüßungskomitee noch etwas aufgehalten werden. Das ist unsere Gelegenheit. Wir sollten so schnell wie möglich angreifen. Wir lassen alles hier, was wir nicht unbedingt brauchen. Los schnell!"

Rupert und Anna waren erstaunt über Buffys Initiative, gehorchten aber ohne Widerrede. Buffy hatte vollkommen Recht. Der Augenblick war günstig und so machten sie sich rasch daran ihre Reise fortzusetzen. Zwei Minuten später befanden sie sich wieder auf der Straße und Buffy fuhr so schnell sie konnte. Rupert krallte sich unsicher am Haltegriff fest und hoffte darauf, dass sie bald an ihrem Ziel ankommen würden. Obwohl sie dort eine noch größere Bedrohung erwartete. Doch der Gedanke an den Kampf mit Malignus störte ihn in diesem Moment weit weniger, als die Tatsache, dass er in diesem Auto sitzen musste.

+ + +

Malignus rieb sich siegessicher die Hände und wäre zu gerne dabei gewesen, als seine Sklaven die Wächter gebührend begrüßten. Doch er zog es vor hier hinter seinen sicheren Mauern zu warten und den Zauber, der jedem Lebewesen den Zutritt verwährte, noch etwas zu verstärken. Auf diese Weise wollte er sicher gehen, dass niemand hier eindringen konnte, um seinen Gefangenen zu befreien. So bemerkte er auch nicht, dass draußen nicht weit von seinen Mauern entfernt ein Auto parkte und drei Menschen dem alten Klostergelände immer näher kamen.

+ + +

Rupert und Buffy gingen auf die hohen Mauern zu, während Anna am Auto auf sie wartete. Buffy lief ein kalter Schauer über den Rücken, als sie die steinernen Klostermauern sah. Alles im Umkreis von zwei Metern um die Mauern herum war wie ausgestorben. Kein einziger Graßhalm wuchs dort. Selbst das Moos an den Steinen war abgestorben. Dies ließ die alten Mauern wirklich bedrohlich wirken. Dennoch trat sie mutig näher heran und wandte sich dann an Rupert: „Wie komm ich da rein?"

„Erinnere dich daran, was ich dir über das Sein und das Nichtsein von Dingen und Gegenständen gelehrt habe."

„Aber diese Mauer wird durch einen Zauber geschützt, ich kann es deutlich spüren."

„Du musst dir ein Loch durch die Barriere bohren."

Buffy verstand was er meinte und sie ging ganz nah an die Mauer heran. Sie berührte sie mit ihrer flachen Hand und fühlte die Schutzbarriere. Sie konzentrierte sich auf die Schwingungen dieses Zaubers und suchte nach einem Schlupfloch. Schließlich fand sie eine winzig kleine Lücke in der Barriere und konzentrierte sich darauf. Sie lenkte all ihre Kraft auf dieses Loch, um es zu vergrößern. Es gelang ihr endlich das Loch so weit zu vergrößern, dass ein ausgewachsener Mensch hindurchgehen konnte. Doch nun galt es die Mauer selbst zu durchdringen. Sie legte ihre zweite Hand ebenfalls auf das kalte Gestein und murmelte einige Wörter vor sich her. Der Stein veränderte sich in seiner Konsistenz und Buffys Hände glitten durch ihn hindurch. Sie schritt durch die Mauer hindurch und hatte somit das Hindernis überwunden. Rupert folgte ihr rasch, bevor sich die Barriere wieder aufbauen konnte.

Buffy und Rupert standen nun in dem ehemaligen Klostergarten. Auch hier sah alles wie ausgestorben aus. Nicht der geringste Keim des Lebens wohnte an diesem Ort. Völlig ruhig und gelassen ging Buffy nun auf den Eingang des Klosters zu, der von ihrem Standpunkt aus bereits zu erkennen war. Rupert folgte ihr unsicher und blickte sich mehrmals um. Bisher war noch keiner von Malignus’ Gefolge zu sehen, doch das würde sich sicher rasch ändern. Buffy hatte keine Angst vor diesen Gestalten und so schritt sie ruhig weiter, ohne sich durch Ruperts Verhalten beunruhigen zu lassen.

Als sie das große hölzerne Tor zum Kloster erreichten, ließ Buffy es von Geisterhand öffnen und trat herein. Schon stürzten die ersten Kreaturen auf sie zu, um sie aufzuhalten. Doch sie blieb vollkommen ruhig und streckte jeweils ihre Hand nach ihnen aus, um sie zu berühren. Und einer nach dem anderen zerfiel vor ihr zu Staub. Nachdem sich die ersten vier Angreifer verpufft hatten, wichen die restlichen erschrocken zurück. So konnte Buffy ungehindert ihrem Weg weiterfolgen.

Rupert blieb dicht hinter ihr, damit ihn keiner dieser widerlichen Gestalten etwas anhaben konnte, denn er besaß nicht die Macht sie in Staub verwandeln zu können. Er staunte über die Gelassenheit, die Buffy an den Tag legte und folgte ihr zuversichtlich.

Beinahe majestätisch schritt sie weiter und achtete nicht auf die restlichen Gestalten. Als es erneut einer wagte einen Angriff zu starten, musste er es ebenfalls mit einem Häufchen Staub bezahlen.

Ein leichtes Lächeln huschte über Buffys Gesicht, als sich erneut einer der Kreaturen in Nichts auflöste. Der große Gang, in dem sie sich befanden, endete schließlich bei der Klosterkapelle, in der Malignus seinen Altar stehen hatte. Buffy betrat, dicht gefolgt von Rupert, diese Kapelle und erkannte die Gestalt aus ihren Träumen. Malignus hatte nicht bemerkt was in seinem Domizil vor sich gegangen war und fuhr wütend herum, als er die Gegenwart von Menschen hinter sich wahrnahm.

Buffy schien er zu ignorieren, denn er erkannte sofort den Wächter, der soeben seine unheilige Kapelle betrat, und begrüßte ihn: „Rupert, wie schön! Kommst Du zu mir, damit ich dir persönlich dafür danken kann, was du mir angetan hast?"

Buffy richtete ihren Blick fragend auf ihren Begleiter. Doch ihr dämmerte es sofort, als Rupert sagte: „Nein Malignus, ich bin gekommen, um dir erneut deine Kräfte zu rauben!"

Rupert war also der Wächter, der Malignus damals seiner Kräfte beraubt hatte. Doch wie konnte das sein? Dann wäre Rupert weit mehr als hundert Jahre alt!

Lautes Gelächter schallte durch die Kapelle. Malignus war sichtlich amüsiert und meinte:

„Niemals! Du hast es zwar einmal geschafft, aber das wird dir nie mehr gelingen! Hier nimm das!" schrie er laut, als er seine Faust hervorschnellen ließ und auf die beiden Eindringlinge richtete. Ein magischer Lichtstrahl kam aus seiner Faust herausgeschossen und raste auf Rupert und Buffy zu.

Buffy hob schützend ihre Hand vor ihren Körper und sprach ein Zauberwort. Daraufhin erschien ein unsichtbarer Schutzschild, an dem der magische Lichtblitz aufgehalten wurde. Mit schützend Vorgehobener Hand, drehte sie ihren Kopf zu Rupert und meinte: „Du schuldest mir eine Erklärung!"

„Nicht jetzt!" erwiderte Rupert und hielt dabei seine Hände schützend vor seinem Gesicht, um von dem Licht nicht geblendet zu werden. Malignus ließ den Lichtstrahl enttäuscht stoppen, als er bemerkte, dass er seinen Zweck nicht erfüllt hatte. Und im selben Moment griff Buffy blitzschnell nach Ruperts Hand und sprach eine Zauberformel. Rupert war erst etwas überrumpelt, verstand aber sofort, was sie vorhatte und schloss sich dem Zauberspruch an.

Parallel ließen beide gleichzeitig ihre jeweils noch freie Hand hervorschnellen und richteten eine gewaltige Stoßwelle auf Malignus. Dieser wurde durch den gewaltigen Stoß nach hinten geschleudert und landete unsanft auf dem marmornen Altar. Vor Wut schnaubend, erhob er sich wieder und wollte zu einem erneuten Angriff ansetzen, doch Buffy war schneller und verpasste ihm einen zweiten Stoß mit ihrer unsichtbaren Faust. Diesmal wurde Malignus nach rechts in eine hölzerne Bankreihe geschleudert, die mit lautem Getose zusammenbrach.

Malignus fluchte laut und kroch aus den Trümmern hervor. Buffy wollte zu einem weiteren Schlag ansetzen, doch Malignus hob seinerseits diesmal die Hand schützend vor sich und ließ den Schlag abprallen. Wütend und verwirrt zugleich, richtete er nun endlich seine Aufmerksamkeit auf die junge Frau neben dem Wächter: „Wer bist du?"

„Dein schlimmster Alptraum", kommentierte Buffy ruhig und griff in ihre Hosentasche. Der Bergkristall war brennend heiß geworden und deutete Buffy somit, dass der Zeitpunkt ihn einzusetzen gekommen war. Buffy sah ihn sich kurz an und erkannte, dass er abermals seine Färbung geändert hatte. Er erstrahlte jetzt in einem hellen Blau. ‚So blau wie Williams Augen’, dachte sie kurz und warf den Stein auf Malignus zu.

Während der Stein durch die Luft flog, drehte sie sich um, legte schützend einen Arm um Rupert und zog ihn somit nach unten auf den Boden. Malignus beobachtete überrascht, aber unbeeindruckt den fliegenden Kristall. Als er direkt vor seinen Füßen auf dem Boden aufprallte, zersplitterte er in tausend Stücke, gefolgt von einer gewaltigen magischen Explosion.

Jeder der vielen Splitter beinhaltete ein kleines Stück Lebensenergie und hinterließ überall dort, wo sie aufprallten eine Spur Leben. Die wenigen Diener, die sich in der Kapelle befanden, zerfielen zu Staub, als sie von den zahlreichen Splittern getroffen wurden. Malignus selbst hatte am meisten der Splitter abbekommen und schrie nun laut auf.

Schmerzen zogen sich durch seinen unreinen Körper! Die Lebensenergie raubte ihm seine Kraft. Zwar töteten sie ihn nicht, aber sie schwächten ihn genug, um ihn für eine ausreichend lange Zeit außer Gefecht zu setzten. Lange genug, um eine Mission zu erfüllen. Buffy und Rupert blieben von der Explosion unversehrt und verließen rasch die Kapelle. Zwei von Malignus’ Sklaven wollten sich ihnen in den Weg stellen, doch Buffy lächelte nur und lief direkt durch die Staubwolken hindurch, in die sie sich verwandelten, als sie sie berührte.

Sie musste William so schnell wie möglich finden. Verzweifelt sah sie sich um und konnte nirgends eine Treppe finden. Nur zwei Gänge und zahlreiche Türen, die zu weiteren Räumen führten. Es würde ewig dauern, bis sie den richtigen Weg finden würden. Doch soviel Zeit hatten sie nicht.

Sie schloss die Augen und sprach vor sich hin: „Ihr Mächte des Feuers und des Lichts, ich rufe Euch! Kommt rasch herbei und zeigt mir den richtigen Weg."

Ein winziger Wirbelsturm aus kleinen Lichtfunken erschien plötzlich vor ihrem Gesicht. Buffy öffnete die Augen und betrachtete lächelnd das Lichtspiel. Dann formierten sich die Lichter zu einem einzigen kleinen Lichtpunkt, der sich rasch zu bewegen begann.

Buffy und Rupert eilten hinter dem kleinen Wegweiser er. Er führte sie durch zahlreiche Türen und Gänge. Bis sie schließlich über eine schmale steinerne Treppe nach unten zur Tür ins Verließ gelangten. Dort verschwand der Lichtpunkt wieder. Buffy stieß die schwere Holztüre auf und betrat den dunklen Kerker. Von weitem sah sie William bereits und machte sich auf einen schlimmen Anblick gefasst. William nahm von alledem nichts wahr. Das Band, das Malignus um ihn gelegt hatte, raubte ihm seinen Geist, sodass er sich nicht einmal in seine Traumwelt flüchten konnte.

Buffy eilte rasch zu ihm und Rupert folgte ihr. Sie blickte besorgt auf all die Wunden und auf das magische Band, das um ihn gesponnen war. Sie näherte sich langsam und streckte vorsichtig eine Hand danach aus. Ein heftiger Stoß, ähnlich wie ein Stromschlag erfasste sie und sie wurde zurückgeschleudert. Unsanft landete sie direkt auf Rupert.

„Entschuldige bitte", sagte sie kurz und richtete sich wieder auf. Fragend wandte sie sich an ihren Lehrmeister: „Und was nun?"

Rupert meinte nur: „So kurz vor dem Ziel und du wirfst bereits die Flinte ins Korn?"

‚Ein ziemlich moderner Spruch für einen ca. zweihundertjährigen Wächter’, dachte sie sich. Doch sie hatte keineswegs vor die Flinte ins Korn zu werfen. Also rief sie erneut die Mächte der Erde hervor, damit sie ihr helfen würden: „Ihr Mächte, ich rufe Euch! Feuer, Wasser, Erde, Luft kommt herbei, löst diesen Bann entzwei!"

Buffy spürte wie sich in ihr neue magische Kräfte versammelten und anstiegen. Sie richtete beide Handflächen mit gespreizten Fingern auf das grün schimmernde Band und lenkte diese Kräfte darauf. Zwei runde Flammen entstanden in ihren beiden Händen und wurden langsam größer. Aus jedem der Flammen kam schließlich ein heller Flammenstrahl hervor und durchbrach das Band.

Der grüne Schimmer verschwand. William kam wieder zu sich und sah seine geliebte Buffy vor sich stehen. Er konnte es nicht glauben. Sie hatte es bis zu ihm geschafft. Eine Träne des Glücks rollte über seine Wange. Buffy konnte nun endlich zu ihm gehen. Ihr standen ebenfalls Tränen in den Augen. Tränen des Glücks, darüber ihn endlich zu sehen, und des Schmerzes, den sie empfand, als sie seine Wunden sah.

Doch sie musste schnell handeln. Sie wusste nicht wie lange Malignus außer Gefecht bleiben würde. Jetzt war sie froh gewesen, dass William sie auf seinen Anblick vorbereitet hatte. Sie handelte rasch und nahm den Zauber von den Ketten. Sie brauchte nichts weiter zu tun, als die Eisenmanschetten zu berühren, und William war frei.

Bewegungsunfähig ließ er seine Arme herunter fallen. Nur mit Mühe konnte er verhindern, dass er zusammenbrach. Buffy stützte ihn und legte seinen Arm um ihre Schulter, während Rupert seinen anderen Arm ergriff. Buffy starrte unsicher auf den Dolch, der noch immer aus William Bauch ragte und entschloss schließlich ihn mit einem schnellen Ruck zu entfernen. William stöhnte kurz auf und Buffy sagte liebevoll: „Entschuldige Schatz, aber das brauchen wir glaub ich nicht mehr." William musste lachen, doch nur ein schmerzvolles Husten kam hervor.

Buffy entschied diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen und keiner der beiden Männer neben ihr hätte ihr widersprochen. So beeilten sie sich so rasch es ging und eilten den Weg zurück in den Garten. Kein einziger von Malignus’ Gefolgsleuten versuchte mehr sie aufzuhalten. Und von Malignus selbst war ebenfalls keine Spur zu sehen. Coruvs hatte die Drei aus der Luft entdeckt und gab rasch Anna bescheid, damit sie schon mal den Wagen starten und zum Haupttor vorfahren konnte.

Als Buffy das Tor durch eine unsichtbare Hand öffnen ließ, wartete Anna bereits auf die Flüchtenden. Gemeinsam hievten sie den stöhnenden William auf den Rücksitz. Buffy setzte sich daneben. Und Rupert stellte mit Schrecken fest, dass er vorne Platz nehmen musste. Anna sagte ungeduldig: „Na komm schon du alter Angsthase! steig endlich ein!"

Er kam ihrer Aufforderung nach und stieg ein. Anna machte kehrt und raste davon.

+ + +

Hinter den alten Klostermauern hörte man nur das Stöhnen und Ächzen einer unheiligen Gestalt. Malignus war schwer angeschlagen. Doch seine Kräfte waren nicht verschwunden. Er war lediglich etwas geschwächt. Und er schwor Rache, sobald er sich wieder erholt haben würde.

+ + +

Etwas später machte die kleine Truppe wieder Halt an der verwahrlosten Hütte. Sie hatten dort einiges zurückgelassen. Und William machte den Eindruck, dass er dringend eine Rast brauchen würde. Doch dieser lehnte ab und meinte: „Kümmert Euch nicht um mich. Ich werde mich wieder erholen. Es dauert nur seine Zeit."

Buffy lenkte ein: „Ja, aber Zeit haben wir leider nicht. Du musst dich rasch erholen. Und darum werden wir hier kurz Rast machen, damit ich deine Wunden versorgen kann."

Buffy wirkte entschlossen, sodass es niemand gewagt hätte etwas dagegen zu sagen. Sie halfen William aus dem Auto heraus und legten ihn auf eines der Bettlager, die noch immer in der Hütte ausgebreitet waren. Das war das erste Mal seit über zweihundert Jahren, dass William so etwas wie ein Bett unter sich spürte. Sein Körper entspannte sich und langsam kam Leben zurück in seine Glieder. Seine Arme begannen zu kribbeln, wie tausend Ameisen, die durch seine Adern krabbelten. Und dadurch, dass seine Arme nun wieder zum Leben erwachten, schmerzten ihn jetzt die tiefen Schürfwunden an seinen Handgelenken, zusätzlich zu den zahlreichen Wunden an seinem Körper.

Er konnte sich kaum bewegen. Zu schwach und zurückgebildet waren seine Muskeln. Buffy versorgte so gut es ging die unzähligen Wunden auf seinem Körper. Sie verband ihm die Handgelenke und die Stichwunden an seinem Bauch. Sie durfte gar nicht darüber nachdenken, was sie da eigentlich gerade tat, sonst wäre sie in Tränen ausgebrochen. Tapfer machte sie weiter. William entspannte sich unter Buffys zärtlichen Händen und schlief ein.

Im Traum vernahm er eine leise Stimme und folgte ihr mit seinem Geiste. Es war eine vertraute Stimme, die er vor langer Zeit einmal wahrgenommen hatte. Die Mächte der Natur riefen ihn herbei und er folgte ihnen.

„Hallo Damnatus! Buffy hat ihre Sache sehr gut gemacht. Nun liegt es an dir das Übrige zu tun."

„Ich werde mein Schicksal annehmen."

„Ihr habt bis zum nächsten Vollmond Zeit, dann wird das Böse sein Recht einfordern. Und

dann wirst du dein Schicksal antreten müssen."

„Gut."

„Tapferer Damnatus, wir haben ein Geschenk für dich. Du hast es dir verdient."

William brauchte nicht nachzufragen, denn sofort spürte er das Geschenk, von dem die Mächte sprachen. Es war dieselbe Lebensenergie, die auch Buffy als Geschenk erhalten hatte. Nur, dass dadurch nicht seine magischen Kräfte gesteigert wurden, sondern die zahlreichen Wunden an seinem geschunden Leib plötzlich rasch zu verheilen begannen.

Buffy schreckte zurück, als William plötzlich hoch schnellte und aufrecht auf seinem Bettlager saß. Sie musterte ihn mit einem fragenden Blick, doch William konnte ihr keinerlei Antwort geben. Er starrte verwundert auf seine Arme und auf seinen Körper. Zwar hatte er immer noch Schmerzen, aber bei weitem nicht mehr so stark wie vorher. Er fühlte sich beinahe wie neugeboren. Glücklich strahlte er Buffy an, die nun noch erstaunter dreinblickte und endlich fragen konnte: „Was ist passiert?"

„Mutter Natur! Sie hat mir Lebensenergie geschenkt, damit meine Wunden schneller heilen. Sieh doch nur!" Er deutete dabei auf seine Brust, wo die Spuren der Peitsche schon beinahe verblasst waren.

Buffy schloss sich nun seinem Strahlen an und fragte nur noch: „Und, kannst du aufstehen?"

William tauchte seine Mimik in einen fragenden Blick und versuchte aufzustehen. Überrascht stellte er fest, dass er kaum noch Mühe hatte seine Glieder in Anspruch zu nehmen und aufzustehen. Freudig versuchte er gleich ein paar vorsichtige Schritte. Er wirkte wie ein Kind, das seine ersten Schritte macht und genauso fühlte er sich auch.

Anna hatte alles amüsiert beobachtet und meinte nun: „Gut, wenn William in so guter Verfassung ist, dann lasst uns weiterfahren, bevor Malignus uns verfolgt."

Buffy und William stimmten ihr nickend zu und gemeinsam machten sich alle daran, alles einzupacken und die Rückreise anzutreten. William bekam von Buffy noch rasch ein schwarzes T-Shirt und eine Jeanshose, die ihm glücklicher Weise passten und schon konnte die Fahrt weitergehen.

Anna und Buffy wechselten sich beim Fahren des Öfteren ab, sodass sie ohne weitere Pause bis nach Hause durchfuhren.

Seit die kleine Reisegruppe das etwas abgelegene Gebiet verlassen hatte und sich immer mehr der modernen Zivilisation näherte, wurden Williams Augen immer größer. So viele neue und seltsame Dinge sah er, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Immer wieder fragte er: „Was ist das?"

Buffy und die beiden Wächter erläuterten ihm alles, was er wissen wollte. Sie erklärten ihm was Züge sind, das es kein Drache am Himmel, sondern ein Flugzeug sei, in dem Menschen reisten. Dass das Gefährt, mit dem sie sich gerade fortbewegten, keine magische Erscheinung, sondern heutzutage alltäglich war. Wobei Rupert beipflichten musste, dass es sich hierbei um unberechenbare Höllenmaschinen handelte, von denen man nie wissen konnte woher sie kämen. Dies leuchtete William dann ein, als sie sich auf den stärker befahrenen Straßen in den Großstädten befanden.

Erstaunt beobachtete er die zahlreichen Menschen in den Kleinstädten und auf den Gehwegen der Großstädte. Viele von ihnen hatten seltsame Frisuren und waren ungewöhnlich gekleidet. Manche bewegten sich sogar auf kleinen Rollen fort, von dem William besonders angetan war. Buffy schmunzelte immer wieder über Williams Interpretationen der Dinge, die er am Straßenrand entdeckte, und versuchte ihm dann so gut wie möglich alles zu erklären.

Wie ein unschuldiges Kind, das zum ersten mal die Welt entdeckte, staunte William selbst über die für Buffy alltäglichsten Dinge, wie der Diskman, den ein kleine Junge bei sich trug. Oder das Motorrad, das grade um die Ecke bog, der Eisverkäufer der am Straßenrand stand, und die Musik, die aus dem Radio kam. Alles war neu und ungewohnt, denn schließlich war er über zweihundert Jahre vollkommen von dem Rest der Welt abgeschottet gewesen. Überwältigt von all den neuen Eindrücken, blickte William angestrengt aus sämtlichen Fenstern des Wagens, damit ihm auch ja nichts entgehen konnte.

Buffy und die beiden Wächter waren sichtlich erleichtert und erschöpft, als sie endlich zu Hause ankamen. William jedoch schien noch überhaupt nicht müde zu sein. Strahlend stieg er aus dem Auto und blickte sich neugierig um. Buffy nahm ihn bei der Hand und wollte ihn ins Haus führen. Dort waren sicher viele Dinge, die seine Aufmerksamkeit erregen würden. Doch als sie ihn durch den Garten führte, löste er sich von ihr und ließ sich glücklich auf die Knie fallen. Mit beiden Händen fasste er tief ins Gras und sog genüsslich den frischen Duft ein. Endlich echtes frisches Gras! Eine Träne rollte ihm über die Wange. Buffy stand nur neben ihm und beobachtete amüsiert, wie er schnüffelnd durch die Wiese krabbelte. Dann erblickte er Annas herrliches Rosenbeet und sprang förmlich auf, um an ihnen zu riechen.

Annas Rosen begrüßten William freundlich. Zuerst etwas erschrocken, aber dann erfreut stellte er fest, dass die Rosen mit ihm sprachen. Er wusste zwar, dass es genau wie unter den Tieren und Menschen auch einige Pflanzen gab, die diese Gabe besaßen, aber es war eben sehr lang her, dass er solche Gesprächspartner hatte. Er grüßte sie ebenfalls und lobte sie für ihre herrliche Farbenpracht.

Ein kleiner gelber Freund kam nun ebenfalls näher und setzte sich direkt auf William Nasenspitze. William erinnerte sich wieder an den gelben Zitronenfalter, begrüßte ihn ebenfalls und dankte ihm für die Überbringung der damaligen Botschaft. Sie hatte ihm viel Kraft und Hoffnung gegeben.

Buffy hatte William derweilen alleine im Garten gelassen und half Anna und Rupert dabei, das Gepäck ins Haus zu tragen. Anna machte sich sogleich daran für die hungrige Truppe ein Abendbrot zu zaubern und Rupert nützte die Gelegenheit, um ein kleines Nickerchen zu machen. Er war erschöpft von der Reise und dem Kampf mit Malignus.

Buffy hätte zwar noch einige Fragen an ihn gehabt, vor allem, weil er ihr offensichtlich verschwiegen hatte, dass Rupert wohl ein kleines bisschen älter war, als sie ihn eingeschätzt hätte. Doch das konnten sie später auch noch bereden und so kümmerte sie sich erstmal um den neugierigen Gast im Garten.

William lag mit ausgestreckten Gliedern im Gras und sog den Duft des Grases genüsslich ein. Buffy blickte lächelnd auf ihn herab und meinte: „Komm mit ins Haus, da befinden sich noch viele neue interessante Dinge!"

Sie hoffte ihn somit locken zu können und es funktionierte prompt. Etwas schwungvoll sprang er auf und hielt sich dann den Bauch fest. Die Stichwunden waren zwar schon auf den besten Weg der Heilung, doch jede falsche Bewegung musste er mit einem stechenden Schmerz büßen. Buffy nahm ihn schließlich bei der Hand und führte ihn ins Haus.

William stellte fest, dass Buffy Recht hatte. Hier im Haus waren wirklich viele neue und erstaunliche Dinge.

„Das muss ein sehr talentierter Maler sein, der dieses Portrait gemalt hat!"

„Was meinst du? Aber nein, das ist kein Portrait. Es wurde nicht gemalt. Es ist eine Fotographie."

„Eine Fotographie?"

„Ja, man nimmt einen Fotoapparat und macht damit ein Foto, dann lässt man den Film entwickeln und erhält wunderschöne Fotos."

William verstand zwar kein einziges Wort, sagte aber: „Aha."

Interessiert besah er sich all die Möbel, die so ganz anders aussahen, als er sie in Erinnerung hatte. Er setzte sich auf Annas Couch und stellte fest, dass diese Möbel wesentlich bequemer waren, als früher.

„Komm mit William, ich zeig dir meine Wohnung", sagte Buffy, und zog ihn regelrecht von der Couch herunter. Als er Buffys Wohnzimmer betrat, fiel sein Blick sofort auf ein sehr seltsames Möbelstück.

„Wozu ist das gut?"

„Das ist ein Fernseher. Es zeigt dir Bilder aus der ganzen Welt. Und damit kann man auch die schönen Filme ansehen, von denen ich dir bereits erzählt habe."

„Und wie geht das?"

Buffy sparte sich weitere Erklärungen und schaltete das Fernsehgerät ein. Überrascht wich William etwas zurück, als plötzlich bunte Bilder auf der zuvor schwarzen Scheibe erschienen. Neugierig näherte er sich dem Fernsehbild und berührte die Glasplatte. Buffy wollte ihn noch warnen, doch es war schon zu spät. Ein kleiner elektrischer Schlag traf seine Finger, die er erschrocken zu sich zurückzog.

„Das war eine Stromspannung."

„Es fühlte sich an wie magische Energie."

„Ja, so könnte man es auch beschreiben."

„Hier, das ist eine Fernbedienung. Damit kannst du die Programme umschalten. Siehst du, so geht das."

Zur Demonstration schaltete sie etwas in den Kanälen herum und gab ihm dann anschließend die Fernbedienung.

Nun ging es wieder los mit der Fragerei: „Was ist das?"

„Das ist Alf ein Außerirdischer, den gibt es aber nicht wirklich. Es ist nur eine Fernsehserie."

Und so ging es dann die ganze Zeit hindurch unentwegt weiter. Buffy wurde langsam müde, aber der wissbegierige William hörte nicht auf weitere Fragen zu stellen.

Er wandte sich schließlich von dem Fernseher wieder ab und fragte dann: „Was geschah alles in den vielen Jahren, in denen ich gefangen war? Wurde die Sklaverei endlich abgeschafft? Wie sind die Kolonialkriege ausgegangen?"

„Nun ja, es geschah einiges in dieser Zeit. Ähm, die Sklaverei, nein, die gibt es schon lange nicht mehr. Und die Kolonialkriege... äh... ich weiß auch nicht..."

Buffy war sichtlich überfordert mit all den geschichtlichen Fragen. Sie wünschte sich nun früher in der Schule etwas besser aufgepasst zu haben, aber Geschichte hatte ihr nicht besonders gut gelegen. Nach kurzer Überlegung, wie sie ihm seine Fragen am Besten beantworten könnte, kam ihr die wohl offensichtlichste Lösung.

Denn unten im Gästezimmer lag gerade rein zufällig jemand, der die letzten schlappen zweihundert Jahre selbst miterlebt hatte und der William wohl am besten alle wichtigen Ereignisse beschreiben könnte. Obwohl sie sich nicht ganz sicher war, ob ausgerechnet Rupert mit seiner feindseligen Einstellung zur Technik ein geeigneter Berichterstatter wäre. Doch das war ihr im Moment egal. Sie war so erschöpft von den vielen Fragen, dass sie über jeden froh war, der ihr diese Aufgabe für eine Zeit lang abnehmen würde.

Also meinte sie zu William, dass er mit nach unten ins Kaminzimmer gehen soll und sie derweilen Rupert wecken würde, damit er ihm seine Fragen beantwortet. Dann fiel ihr noch das dicke Geschichtsbuch ein, das sie vor langer Zeit mal von ihren Arbeitskollegen geschenkt bekam. „Weltgeschichte – Eine Chronik" stand in großen Buchstaben darauf. Dort waren alle wichtigen Ereignisse seit der Entstehung des Planeten erfasst. Dies würde seinen Wissensdurst sicher etwas stillen.

Also drückte sie ihm den dicken Wälzer noch rasch in die Hand, bevor sie beide nach unten gingen. Sie weckte Rupert und bat ihn darum, William geschichtlich etwas auf die Sprünge zu helfen. Zu Buffys Freude erklärte sich Rupert gerne bereit Williams Fragen zu beantworten. Sie ließ die Beiden mit dem Geschichtsbuch allein und half Anna in der Küche.

Rupert erzählte William alles was er wissen wollte und berichtete ihm alle Geschehnisse, die in den letzten zweihundert Jahren passiert und nennenswert waren. Anna hatte derweilen mit Buffys Hilfe ein köstliches Abendessen zubereitet und bat nun die beiden Männer zum Essen.

Zögerlich setzte sich William an den reich gedeckten Tisch. Viele Jahre waren vergangen, seit er zum letzten Mal Nahrung zu sich genommen hatte. Während seiner Gefangenschaft dachte er oftmals mit Wehmut an die Zeit, in denen er leckere Gerichte gegessen und edle Tropfen Wein getrunken hatte. Er ging oftmals verschwenderisch und unbedacht mit diesen kostbaren Dingen um. Sich niemals bewusst, wie gut es ihm damals ging.

Dies alles war ihm erst bewusst geworden, als er gänzlich darauf verzichten musste. Denn in seinem Kerker hatte ihm niemals jemand etwas zu essen gebracht. Es bestand keine Notwendigkeit darin, denn auch ohne Nahrung konnte sein Körper nicht sterben.

So saß er nun mit glänzenden Augen vor seinem noch leeren Teller und blickte ungläubig auf die herrlich duftenden Speisen. Er beobachtete genau, wie Anna seinen Teller hochnahm und ihm ein Stück gebratenes Fleisch, etwas Gemüse und ein paar gebratenen Kartoffeln darauf tat und mit einer dunklen Soße übergoss. William lief das Wasser im Mund zusammen.

Als Anna ihm den Teller wieder vor die Nasse stellte, blickte er immer noch zögernd darauf. Er traute sich nicht etwas von dem Essen zu kosten. Als hätte er Angst, dass es nur ein Traum war, aus dem er erwachen würde, sobald er das Essen probieren würde.

Als Anna allen etwas auf den Teller getan hatte, wünschten sie sich allen einen guten Appetit und begannen zu essen. Nur William starrte noch immer auf seinen Teller. Buffy fragte ihn schließlich: „Was ist los? Möchtest du nichts?"

„Doch, es ist nur... es ist nur schon so lange her, dass ich das letzte Mal etwas gegessen hatte."

„Worauf wartest du dann? Greif zu!"

Auch Rupert und Anna blickten jetzt neugierig zu wie William die Gabel in die Hand nahm. Doch dann stutzte William erneut, als er seine eigene Hand erblickte. Sie war fast schwarz vor lauter Dreck, der sich im Laufe der Jahre angesammelt hatte. Er hatte nicht daran gedacht sich zu waschen, da er so fasziniert von all den neuen Dingen gewesen war. Er legte die Gabel rasch wieder zur Seite und versteckte beide Hände unter dem Tisch.

Nachdem er die verdutzten Gesichter der Anderen erblickte, meinte er: „Wo kann ich mir die Hände waschen?"

Jetzt war ihnen klar, was William hatte und Anna erklärte ihm kurz wo das Badezimmer war, worauf er sich entschuldigte, um seine Hände zu waschen.

Als er nach einigen Minuten noch immer nicht zurückkam, fürchtete Buffy, dass er vielleicht Schwierigkeiten mit dem Wasserhahn hatte und erhob sich, um nach ihm zu sehen. Sie fand ihn schließlich im Badezimmer vor dem Waschbecken stehen. Er starrte in den Spiegel und betrachtete sich selbst. Als er Buffy bemerkte, erläuterte er, ohne seinen Blick von seinem Spiegelbild abzuwenden: „Ich sehe fürchterlich aus."

Buffy trat hinter ihn, und sah ihn durch den Spiegel an.

„Aber nein. Mach dir keine Gedanken deswegen. Nach dem Essen wäschst du dich erst mal ordentlich und morgen lassen wir dir die Haare schneiden. Du wirst sehen, danach bist du wieder ganz der Alte. Und bis dahin..."

Sie beendete ihren Satz nicht, sondern holte einen von Annas Haargummi, der in einem Schrank war heraus und band ihm seine langen ungepflegten Haare im Nacken zusammen.

„Siehst du, so ist es gleich viel besser. Jetzt wasch dir die Hände und dann iss mit uns, bevor es kalt wird."

Nickend stimmte er ihr zu und befolgte ihre Anweisungen, nachdem ihm Buffy kurz zeigte, wie man den Wasserhahn betätigte.

Zurück am Tisch, griff er erneut nach der Gabel vor ihm und kostete ein Stück von den Bratkartoffeln. Langsam ließ er den Geschmack auf seiner Zunge zergehen. „Hmmm" kam es genüsslich aus seinem Munde. Danach kostete er auch von dem Gemüse und schnitt sich ein Stück von dem in dunkler Soße getränktem Fleisch ab. Genüsslich nahm er Gabel für Gabel zu sich und gab immer wieder einen genießerischen Laut von sich. Anna freute sich sehr, dass es William so gut schmeckte und fühlte sich in ihren Fähigkeiten als gute Köchin bestätigt.

Schmunzelnd betrachtete Buffy wie William seinen Teller vollkommen leer aß. Anna wollte ihm noch etwas Nachschlag reichen, doch Rupert ermahnte sie: „Ich glaube nicht, dass es ihm gut tut, wenn er zuviel auf einmal isst. Sein Körper muss sich sicher erst wieder an Nahrung gewöhnen."

William erwiderte freundlich: „Wäre ich ein gewöhnlicher Mensch, dann hätte ich sicher Schwierigkeiten mit der Nahrungsaufnahme, aber mein Körper hat damit keine Probleme. Genauso wenig, wie er jahrelang ohne Nahrung auskommen konnte. Aber vielen Dank Anna, ich bin sowieso schon satt. Es war sehr köstlich."

Anna freute sich über sein Kompliment und begann damit, den Tisch abzuräumen. Als Rupert sich erheben wollte, hielt Buffy ihn auf und forderte endlich eine Erklärung:

„Rupert, du schuldest mir noch eine Erklärung! Wie war das mit Malignus? Du hast ihm wirklich seiner Mächte beraubt. Und wie alt bist du eigentlich wirklich?"

Rupert begann schließlich damit, ihr ihre Fragen zu beantworten: „Ich bin ungefähr 250 Jahre alt. Ein paar Jährchen älter als du, William. Malignus hatte damals ungewöhnlich viel Macht erlangt, indem er sie den guten Mächten geraubt hatte. Meine Aufgabe bestand darin, diese gestohlenen Mächte zurückzuerlangen. Ich trat in einem ungleichen Kampf gegen ihn, denn meine Fähigkeiten waren bei weitem nicht so ausgereift, wie sie es heute sind. Und doch gelang es mir durch eine List, ihn seiner geraubten Mächte zu entledigen. All seine Kraft ging auf mich über und dies verlieh mir ein unnatürlich langes Leben. Das gab mir viele Jahre die Gelegenheit die zahlreichen Schriften zu studieren und vieles zu lernen, womit ich dich auf deine Mission vorbereiten konnte."

„Und wie geht es jetzt weiter? Ich habe William befreit und was wird als nächstes kommen?"

„So genau weiß ich das leider auch nicht. Ich hoffte, dass William uns dazu mehr erzählen kann."

Fragend richteten sich nun alle Augenpaare auf William, der damit begann sein Wissen preiszugeben: „Beim nächsten Vollmond wird ein Diener des Bösen sein Recht einfordern und durch ein altes Ritual versuchen die Mächte des Bösen aus der Gefangenschaft zu befreien?"

Buffy fiel ihm neugierig ins Wort: „Aus der Gefangenschaft?"

„Ja, seit vielen Jahrtausenden sind sie tief im Kern der Erde verborgen und werden durch Mutter Natur festgehalten. Schafft es Malignus die Pforte zu öffnen und die dort verborgenen Geschöpfe der Dunkelheit zu befreien, dann wandeln viele Kreaturen des Bösen auf der Oberfläche der Erde und zerstören alles, was ihnen in den Weg kommt. Die Menschheit würde vollkommen ausgelöscht werden."

„Und was ist das für ein Ritual, dass Malignus durchführen muss?"

„Ich weiß nicht genau wie es ablaufen wird, aber ich weiß, dass er dazu ein reines und unberührtes Opfer benötigt. Wir müssen um jeden Preis verhindern, dass er es schafft das Opfer zu töten und dessen Blut auf tote Erde tropfen lässt, denn sonst haben wir verloren."

„Ein reines und unberührtes Opfer? Wie ist das gemeint?"

„Es muss ein Mensch sein. Egal, ob männlich oder weiblich, aber es muss jungfräulich sein."

„Eine Jungrau also. Das hätte ich mir gleich denken können. Wieso nur muss es bei einem Opfer immer ausgerechnet eine Jungfrau sein?"

„Das weiß ich auch nicht. Es hat wohl etwas mit der Reinheit des Blutes zu tun."

„Und wann wird es soweit sein, dass Malignus dieses Ritual durchführen wird? Ich meine, wie viel Zeit bleibt uns noch?"

„Mutter Natur hat mir gesagt, dass wenn der nächste Vollmond kommt, es soweit sein wird."

Rupert erläuterte daraufhin: „In einer Woche also."

„Das ist nicht viel", meinte Buffy mehr zu sich selbst. Noch eine Frage brannte in ihr auf eine Antwort. Doch sie zögerte sie zu stellen. Sie kannte die Antwort im Grunde genommen und fürchtete sie sehr.

„Wie können wir ihn aufhalten?"

William wusste wie schwer es ihr fiel sich damit abzufinden, dass er sein Leben für diese Sache opfern musste. Er beugte sich zu ihr und nahm ihre Hand.

„Wenn Malignus damit beginnt seine Verbündeten zu beschwören ist er für einen kurzen Moment verwundbar. Wir müssen diesem Moment abwarten, das Opfer befreien und dann muss ich meiner Bestimmung folgen. Es ist meine Bestimmung, ihn durch meinen Tod daran zu hindern die Welt zu vernichten."

Buffy blickte ihn traurig an. Doch diese Antwort war ihr nicht genug und sie fragte nach:

„Wie? Ich meine was wirst du tun, damit du ihn aufhalten kannst? Und was muss ich dabei tun?"

„Du bist der Kämpfer, ich bin deine Waffe. Du musst meine Kraft dazu einsetzten, um ihn aufzuhalten."

„Dann muss ich dich also töten?"

„Nicht durch deine Hand werde ich sterben, sondern durch die Berührung mit Malignus."

„Du brauchst ihn nur zu berühren?"

„Nein so einfach ist es leider nicht, denn sonnst währe er schon längst vernichtet worden, als er mich..."

Er stockte, da er sich nur sehr ungern an all die Torturen in seiner Gefangenschaft erinnern wollte. Buffy wurde schließlich ungeduldig und fragte ein weiteres Mal nach: „Also dann sag mir endlich wie es von statten gehen wird! Und red nicht immer um den heißen Brei rum."

„Heißen Brei?"

„Das ist eine Redensart. Du sollst mir endlich sagen was geschehen muss, um Malignus zu stoppen!"

„Du musst uns berühren. Du musst sowohl ihn, als auch mich zur gleichen Zeit berühren und mit der Kraft deines Geistes meine Lebenskraft auf ihn übertragen. Ich trage soviel Lebensenergie in mir, dass es für ein unsterbliches Leben reicht und dies wird ihn zerstören, da er ebenso ein unsterbliches Wesen ist. Nur eben das komplette Gegenteil von mir. Verstehst du?"

„Also, dann muss doch ich dich töten!" kam es aufgebracht von ihr und sie schlug seine Hand verärgert beiseite.

„Indirekt ja, in gewisser Weise, aber es geht leider nicht anders. Du bist die Einzige, die soviel Macht besitzt, um dies zu tun."

„Und wenn ich dir einfach nicht alle deine Lebensenergien entziehe, sondern einen winzigen Teil übrig lasse, damit du weiterleben kannst?"

„Nein! Das ist nicht möglich! Du musst alles nehmen, damit Malignus vernichtet wird. Andernfalls wird er sich in wenigen Jahren erholen und versuchen die Menschheit auf eine andere Weise zu vernichten. Es ist meine Bestimmung und du musst es tun. Ich bitte dich!"

Tränen und Verzweiflung spiegelten sich in Buffys Augen.

„Du bittest mich, dich zu töten?"

„Du bist die einzige, die es kann. Buffy, wenn du mich liebst, dann versprich mir, dass du es tun wirst! Versprich es!"

Buffy stand auf und starrte auf William herab, der sie flehend ansah.

„Bitte! Versprich mir, dass du es tun wirst."

„Das kann ich nicht."

William erhob sich ebenfalls und kam auf sie zu.

„Doch du kannst es. Du musst es tun, sonst ist alles verloren. Hab keine Angst um mich. Ich werde Teil des Ganzen werden und bald mit einem neuen Leben wiedergeboren werden und einer neuen Chance. Und ein Teil von mir wird immer bei dir in deinem Herzen sein. Bitte versprich mir, dass du mir die Gelegenheit gibst all meine Schulden zu bezahlen. Durch meinen Tod wird meine Schuld beglichen und die Welt gerettet. Das wäre mein größter Wunsch, den nur du mir erfüllen kannst. Versprich mir, dass du es tun wirst."

Zärtlich strich er ihr eine Träne aus dem Gesicht und blickte sie flehend an, damit sie ihm dieses Versrechen geben würde.

„Ich verspreche es", gab sie sich traurig geschlagen.

Nachdem nun alle Fragen beantwortet waren, zogen sich Anna und Rupert ins Kaminzimmer zurück, während Buffy mit William nach oben ging.

Sie zog ihn mit sich in ihr kleines Badezimmer und begann seine Sachen auszuziehen. William stand nur schüchtern und still vor ihr und ließ sie gewähren.

Vorsichtig zog sie ihm das T-Shirt über den Kopf und löste sachte die Verbände, die sie ihm angelegt hatte, vom Oberkörper und den Handgelenken. Seine zahlreichen Wunden waren noch deutlich zu erkennen, waren aber zum größten Teil bereits verheilt. Die Lebensenergie, die Mutter Natur ihm geschenkt hatte, wirkte wahrlich Wunder.

Zaghaft griff sie nach seinem Hosenbund und begann ihm langsam die Jeans auszuziehen. William hatte sie die ganze Zeit über genau beobachtet. Jede noch so kleine Berührung lösten kleine Gefühlswellen in ihm aus. Er blickte auf ihr glänzendes blondes Haar, das federleicht über ihre Schultern fiel. Er sog den blumigen Duft ihrer Haare in sich auf. Herrlich frisch duftend, wie eine blühende Sommerwiese.

Während sie sich bückte, um ihm vorsichtig die Hose über seine Beine zu streifen, fuhr er spielerisch mit seinen Fingern durch ihr blondes Haar. Sie stoppte in ihrer Bewegung und erhob sich, um in sein Gesicht zu sehen. William starrte gebannt in ihre grünen Augen und folgte jeder ihrer Bewegung, bis sie schließlich dicht vor ihm stand, seine Finger immer noch in ihrem Haar verstrickt. Sie blickte ihm ebenfalls tief in seine meerblauen Augen und begann immer mehr in ihnen zu versinken.

Die zärtlichen Bewegungen seiner Hand lösten ein herrliches Kribbeln aus, das sich über ihre ganze Kopfhaut hinweg zog. Ihren Mund halb geöffnet, näherte sie sich seinem Gesicht immer mehr, bis sie nur noch wenige Millimeter voneinander getrennt waren. Ihre beiden Körper berührten sich bereits und lösten ein warmes wohliges Gefühl in beiden Körpern aus. Buffy spürte seinen Atem auf ihren Lippen. Und sie spürte immer mehr das Verlangen seine Lippen auf sich zu fühlen. Auch William erging es so und so näherte er sich ganz langsam, sodass sich ihre Lippen nur ganz leicht berührten. Sie begannen, sich ganz kleine und sanfte Küsse zu schenken. Federleicht und hauchzart, als wären ihre Lippen aus zerbrechlichem Pergament.

Doch William erinnerte sich an seine äußere Erscheinung. So wollte er sie nicht in die Arme nehmen. Zuerst wollte er sich all dem Schmutz entledigen. Aber er wollte diesen wundervollen Moment nicht zerstören und so fragte er Buffy: „Hilfst du mir bei meiner Reinigung?" Als sie nicht sofort antwortete, fügte er rasch hinzu: „Ich meine, wegen meiner Wunden. Ich wäre dir dankbar für deine Hilfe."

Buffy schmunzelte nur leicht und begann langsam ihre Bluse aufzuknöpfen. Unbewusst starrte er auf ihre Hände und auf ihre Brüste, die mit jedem einzelnen Knopf sichtbarer wurden. Es war zweihundert Jahre her, dass eine Frau sich vor seinen Augen ausgezogen hatte. Doch selbst vor dieser Zeit, gab es keine einzige, die er so begehrt hatte wie Buffy. Seine Augen fingen an zu glänzen und Buffy nahm dies wissend und erfreut zur Kenntnis. Noch nie hatte ein Mann sie auf diese Weise angesehen. Sie entledigte sich ihrer Bluse und zog nun auch ihre Jeans aus, sodass sich jetzt beide nur noch in Unterwäsche gegenüber standen.

William konnte nicht mehr warten. Der Anblick ihres wunderschönen Körpers raubte ihm jeglichen Verstand. Fordernd, aber dennoch zärtlich kam er ihr näher und näherte sich ihrem Mund. Sein Herz pochte vor Aufregung so laut, dass Buffy es hätte hören können, wenn das ihrige nicht genauso laut geklopft hätte.

Schließlich berührten sich ihre Lippen erneut, doch diesmal nicht mehr so zaghaft. Beinahe ängstlich schob William seine Zunge nach vorn und strich damit leicht über Buffys Lippen. Er hoffte darauf, dass sie sein Zungenspiel erwidern würde. Und dies tat sie auch. Ebenso vorsichtig näherte sich ihre Zunge der seinen. Ihr zärtliches Zungenspiel änderte sich rasch in einen tiefen verlangenden Kuss. Sich innig küssend, standen sie eine ganze Weile gegenüber, bis Buffy sich schließlich von ihm löste.

Neugierig beobachtete William, was sie vorhatte. Buffy zog ihr Höschen aus und erlaubte William somit einen Blick auf ihre Schambehaarung. Danach griff sie nach hinten, um ihren BH zu lösen. Sie drehte sich um ihn herum und stieg nun in die Dusche.

„Worauf wartest du?" fragte sie ihn, nachdem er immer noch starr vor der Dusche stand und seine geliebte Buffy betrachtete. Schließlich entledigte er sich ebenfalls seiner Unterwäsche und stieg zu ihr. Buffy wagte nur einen schüchternen Blick auf seine Männlichkeit. Sofort stieg ihr die Schamesröte in das Gesicht. Rasch drehte sie sich herum, um nach dem Duschkopf zu greifen und das Wasser auf eine angenehme Temperatur einzustellen. Als sie dies erreicht hatte, begann sie damit, ihre beiden Körper zu befeuchten. Nachdem sie beide nass waren, drehte sie den Hahn wieder zu und begann vorsichtig William Körper einzuschäumen. Immer darauf bedacht, seine Wunden nicht zu sehr zu reizen.

Vergessen schienen nun alle Sorgen um Malignus und Williams Bestimmung. Einzig allein dieser Augenblick zählte. Zusammen zu sein und sich gegenseitig spüren zu können. Sich gegenseitig liebevoll zu berühren und zu liebkosen, was sie nun auch taten.

Zärtlich seifte er ihren honigfarbenen Körper ein und erforschte dabei jede Wölbung ihres Körpers. Sie küssten sich erneut verlangend, während ihre Hände weiter den Körper des anderen erforschten. Solange, bis es Buffy kalt wurde und William ihre Gänsehaut fühlen konnte. Er unterbrach den Kuss und blickte fragend auf sie herab. Ein entschuldigendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Er griff nach dem Duschkopf und deutete ihr, dass sie das Wasser wieder anstellen sollte.

Als sie nun vollkommen vom Schaum befreit waren, stiegen sie wieder aus der Dusche heraus. William nahm ein großes Handtuch und warf es über ihre Schultern. Rasch begannen sie sich gegenseitig zu trocknen.

Eine heitere Stimmung lag in der Luft und die beiden lächelten sich sorgenlos an. Sie liebevoll im Arm haltend und ihr den Rücken trocken rubbelnd, kam er ihr erneut nahe und blickte ihr tief in die Augen. Seine Bewegungen wurden träger und Beiden war es, als würde die Welt um sie herum stillstehen.

Ohne ein Wort, hob er sie samt dem Handtuch hoch und trug sie nach nebenan in ihr Schlafzimmer. Dort legte er sie sachte auf dem Bett ab und legte sich neben sie. Währendessen wendete sie keine Sekunde ihren Blick von seinem Gesicht und seinen wunderschönen Augen ab, in denen sie jedes Mal zu versinken drohte, sobald sie in sie hineinblickte.

Langsam begann seine Hand erneut ihren weichen Körper zu erforschen. Genießend lehnte sie sich zurück und schloss ihre Augen. Seine zärtlichen Hände auf sich zu spüren lösten eine Welle unglaublicher Emotionen in ihr aus. Ihre Augen nun auf seinem Körper richtend, begann sie auch seinen muskulösen Körper zu erforschen. Seine Haut und sein Körperbau ließen in keiner Weise darauf schließen, dass er so viele Jahre älter war. Er wirkte immer noch stattlich und schön. Gut gebaut und stark. Mit ihren Fingern strich sie ihm langsam über seine Muskeln an Brust und Oberarmen.

Liebevoll begann er damit ihren gesamten Oberkörper mit kleinen Küssen zu übersähen. Ein leises lustvolles Stöhnen entwich ihrem Mund. So herrlich waren die Gefühle, die er durch seine Liebkosungen in ihr auslöste. ...

+ + +

Inzwischen hatte sich Malignus wieder aufgerafft. Noch immer ziemlich angeschlagen, schleppte er sich nach unten in den Kerker, um nach seinem Gefangenen zu sehen. Er hatte es zwar befürchtet, dass diese Frau und der Wächter Damnatus befreien konnten, aber er wollte trotzdem einen Blick in sein Verlies werfen. Als er nun nur die leeren Ketten von der Decke herabhängen sah, wurde er sehr wütend. Wäre er nicht so geschwächt, hätte er alles um sich herum zu Bruch geschlagen. Doch er hatte nicht genug Kraft dazu. Also ließ er sich nur erschöpft auf den Boden gleiten und ballte wütend die Fäuste. Mit eiskalter Stimme kam es kaum hörbar von ihm: „Das werdet ihr mir büßen."

+ + +

Ihre erste gemeinsame Nacht hatten beide sehr genossen. Buffy war sich sicher, dass sie diese Nacht in ihrem ganzen Leben nie wieder vergessen würde. Noch nie hatte sie ein so wundervolles und atemberaubendes Erlebnis. Und auch für William war dies die schönste Nacht in all den langen Jahren seines Lebens. Als sie am nächsten Morgen erwacht waren, hielt er sie behutsam in seinen Armen. Zum ersten Mal fühlte sich Buffy in den Armen eines Mannes geborgen und beschützt. Und zum ersten Mal hatte William das Bedürfnis diese Frau in seinen Armen für immer halten zu wollen und vor allem Bösen zu behüten.

Ein paar Stunden später, nachdem sie gemeinsam mit Rupert und Anna gefrühstückt hatten, zeigte Buffy ihm die große Stadt. Sie mussten nur wenige Minuten zu Fuß gehen, bis sie ins Zentrum gelangten. William stockte er Atem, als er direkt vor den zahlreichen riesigen Gebäuden stand und er beobachtete interessiert all die vielen Menschen, die sich auf den Gehwegen drängten. Alles war so neu für ihn. Immer wieder entdeckte er etwas anderes, was er noch nie zuvor gesehen hatte und löcherte Buffy mit tausenden Fragen.

Buffy schaffte es schließlich ihn an den zahlreichen Schaufenstern vorbei zu manövrieren, um ihn in einen Herren-Salon zu schieben. Der offensichtlich sexuell anders orientierte Friseur war sichtlich entsetzt über den schlechten Zustand seiner Haare und bemühte sich durch größtmöglichen Einsatz alles wieder zu reparieren. Scheinbar war er sehr angetan von Williams kräftigem Körperbau. Er schmeichelte ihm und schlich immer wieder um ihn herum, damit er auf alles einen besseren Einblick erhalten konnte. William war dies ein wenig unangenehm. Buffy jedoch konnte nur schmunzeln und beobachtete amüsiert die Bemühungen des Friseurs.

Wenig später präsentierte dieser mit großem Stolz sein Werk, indem er Williams Stuhl zu Buffy herumdrehte. Buffy verschlug es sichtlich die Sprache. William hatte nichts mehr gemeinsam mit dem Mann, den sie in Malignus’ Kerker gefunden hatte. Er wirkte wie ein ganz gewöhnlicher Mensch. Nun ja, vielleicht nicht ganz so gewöhnlich. Jedenfalls ungewöhnlich gut aussehend, so fand sie. Ungläubig blinzelte sie mit den Augen, um einen genaueren Blick auf ihn zu werfen. Schließlich strahlte sie ihn erfreut an, kam auf ihn zu und schenkte ihm einen langen innigen Kuss.

Der Friseur hatte nun keinen Zweifel daran, dass er gute Arbeit geleistet hatte. Neidisch blickte er auf das junge Paar, welches sich innig in den Armen lag.

Die beiden verbrachten noch einen schönen Nachmittag in der Stadt. Buffy zeigte William noch einige sehenswerte Dinge. Zwischendrin legten sie eine kleine Verschnaufpause in einem netten Café ein. Als sie am Abend wieder zu Hause ankamen, meinte Rupert, Buffy sollte sich noch etwas in ihren Zauberkünsten üben. Und auch William fand, dass er seine alten Kenntnisse etwas auffrischen sollte. Er war zwar etwas eingerostet, aber schon nach kurzer Zeit gewann er einige seiner zahlreichen Fähigkeiten wieder. Rupert war über Williams Können sehr erstaunt. Selbst nach all den Jahren schien er kaum etwas vergessen zu haben und hatte in vielen Dingen größeres Geschick, als er selbst.

William erklärte ihm schließlich, dass er während seiner langen Gefangenschaft sich all das Erlernte immer wieder ins Gedächtnis gerufen hatte, um für den Augenblick seiner Befreiung gewappnet zu sein. Es fehlte ihm nur an praktischer Übung, jedoch schon nach wenigen Anläufen war er schon fast wieder auf seinem alten Stand. Buffy und William übten sich daraufhin gemeinsam in einigen Techniken. Zum Beispiel führten sie einen Schwebezauber mit Annas Porzellanvase durch. Sehr zum Leidwesen der alten Dame, da sie schlimmstes befürchtete. Aber Buffy und William bildeten ein sehr gutes Team und gemeinsam machten sie große Fortschritte. Rupert und Anna kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

+ + +

Die nächsten Tage waren sehr schön für Buffy, aber auch anstrengend. Williams Wissensdurst schien nicht enden zu wollen. Er wollte einfach alles wissen. Und er gab sich nicht nur mit einfachen Erklärungen zufrieden, er wollte alles so genau wie möglich erklärt bekommen. Langsam wurde ihr klar, was damit gemeint war, ihn ins Licht zu führen. Es war das Wissen, dass sie ihm übermittelte. Sie zeigte ihm die Welt und alles was er in den vergangenen Jahren versäumt hatte. Sie brachte ihm das jetzige Leben näher und er freute sich sehr darüber, dass die Menschen sich in den Jahren seiner Gefangenschaft sehr weiter entwickelt hatten. Dies erleichterte es ihm ein wenig den schweren Weg in sein Schicksal zu gehen, denn er wusste jetzt, dass die Menschheit es auf jeden Fall wert war gerettet zu werden. Mehr, als es für ihn früher der Fall gewesen wäre. Buffy hatte ihn aus dem Dunkeln ins Licht geführt. In die jetzige Welt.

Jeweils am Nachmittag übten sie sich schließlich in den Künsten der Magie. Der Beschwörung von Kristallen und Edelsteinen und einigen anderen mystischen Dingen. Die Zeit verstrich wie im Fluge und langsam näherte sich der nächste Vollmond.

Buffy wurde unruhig. Zum wiederholten Male fragte sie genauestens nach, was alles geschehen würde und worauf sie sich vorbereiten mussten. William und Rupert hatten ihr alles, so gut sie es selber wussten, erklärt. Alles was sie noch tun mussten, war herauszufinden wo Malignus sein Recht einfordern und ein unschuldiges Opfer darbieten würde.

Rupert, Buffy und William saßen gemeinsam am Esstisch und besprachen einige Dinge.

Buffy fragte nach: „Können wir den Ort durch einen Zauber lokalisieren?"

„Was fragst du mich das? Inzwischen seid ihr Beiden viel geschickter im Umgang mit der Magie. Wenn es eine Möglichkeit gibt, dann werdet ihr sie finden", meinte Rupert.

William fand daraufhin: „Wir sollten unseren Geist auf die Suche nach ihm schicken. Verstehst du? So wie du mich damals im Traum gefunden hast, so können wir auch ihn finden."

„Ja, damals hatte ich ihn auch gesehen. Bevor ich das erste Mal zu dir gefunden hatte."

Anna kam aufgeregt ins Esszimmer. Sie war kurz einkaufen gewesen und berichtete nun, was sie erfahren hatte: „Habt ihr die Nachrichten gehört? Ein kleines Kind ist gestern Abend auf mysteriöse Weise verschwunden. Ich wette, dass Malignus da seine Finger im Spiel hatte."

Überzeugt sagte Buffy: „Ein Kind. Ja, das ist es. Ich habe davon geträumt. Es war ein kleines Baby. So kann er sicher sein, dass sein Opfer jungfräulich ist. Wie abscheulich!"

„Keine Sorge, wir werden das Baby retten. Und wenn es das letzte ist, was ich tue", versuchte William sie zu beruhigen.

Buffy starrte ihn erschrocken an. Es erinnerte sie daran, dass dies tatsächlich das letzte sein würde, was er tun könnte. Denn wenn dieser Augenblick gekommen ist, ist es seine Bestimmung zu sterben. Sie hatte diesen Gedanken bisher erfolgreich verdrängt. Vor allem, da sie in den letzten Tagen so eine wunderschöne Zeit zusammen verbracht hatten. Doch nun brannte er sich wieder in ihr Gedächtnis. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie musste sich sehr zusammen nehmen, um sie zurückzudrängen.

William hatte seine schlechte Wortwahl erst bemerkt, als er nun in Buffys Augen blickte. Er wollte sie nicht verletzten. Aber es war auch wichtig, dass sich ihrer Aufgabe bewusst war. Schließlich hing viel von ihr ab. Es war wichtig, dass sie sich mit diesem Gedanken abfand, um im entscheidenden Augenblick keine Rückzieher zu machen. Deshalb redete er wieder auf sie ein: „Buffy! Es ist wichtig, dass du das akzeptierst! Das Leben der gesamten Menschheit steht auf dem Spiel. Du darfst nicht zögern! Du musst zulassen, dass ich mich meinem Schicksal stelle."

Mit einem dicken Kloß im Hals, konnte sie nur zustimmend nicken und hoffte, dass es vielleicht doch noch irgendeinen anderen Weg geben würde. Doch tief im Herzen wusste sie genau, dass es keinen anderen Weg gab. Es war ein Teil ihrer Fähigkeiten, dass sie instinktiv wusste, dass dieser Augenblick kommen würde und sie dann sehr, sehr stark sein musste. Doch sie wusste nicht, ob sie dieser Aufgabe gewachsen war.

Der Gedanke daran, dass sie den einzigen Mann in ihrem Leben, den sie über alles liebte, eigenhändig in den Tod schicken musste, versetzte ihr einen tiefen Stich ins Herz. Es schien ihr einfach nicht fair. Sie sollte ihn opfern, um die Welt zu retten. Doch dann wäre sie wieder allein auf dieser Welt und sie wusste nicht, ob sie das auch wollte. Doch andererseits würde er trotzdem sterben, wenn sie es nicht tun würde, denn dann wäre kein menschliches Leben mehr auf dieser Erde vorhanden. Und all ihre Freunde müssten auch sterben und dies wollte sie verhindern. Wenn auch nicht für sich selbst, sondern nur für ihre Freunde.

So versuchte sie sich zusammen zu reißen, um ihm ein kleines Lächeln zu schenken und antwortete: „Ich werde es tun. Für die Welt und für meine Freunde. Und für Dich."

„Danke."

+ + +

Tief verborgen im Schutze der Erde, in einer dunklen Höhle, hatte sich Malignus eine neue Residenz eingerichtet. Er wusste, dass seine Gegner dazu in der Lage sein würden ihn hier früher oder später aufzuspüren, doch er hatte auch gar nicht die Absicht es zu verhindern. Er konnte es gar nicht erwarten, bis endlich der große Augenblick kommen würde, an dem er sich für alles rächen konnte und er die Menschheit vernichten würde.

In den vergangenen Tagen konnte er sich beinahe vollkommen von Buffys Angriff erholen. Noch hatte er seine Höchstform nicht erreicht, aber er spürte mit jeder Stunde neue Energien in sich. Nur noch eine Nacht und ein Tag, dann sollte es endlich so weit sein! Sobald das Licht des Vollmondes auf die Erde fallen würde, würde er am Höhepunkt seiner Macht angelangen und das Ritual sprechen können.

Er hatte nur noch zwei Helfer, da Buffy die anderen alle in Staub verwandelt hatte. Diese beiden Helfer hatten in seinem Auftrag ein Opfer besorgt. Ein kleines Baby, das vielleicht grade mal ein halbes Jahr alt war, lag nun auf einem steinernen Vorsprung. Eingewickelt in eine rosa, mit kleinen Teddybären bedruckte Decke lag sie da und schlief scheinbar ganz ruhig. Malignus hatte es mit einem Zauber belegt, da ihm das ewige Geplärre auf die Nerven gegangen war.

Zahlreiche Kerzen im ganzen Raum waren die einzigen Lichtquellen und tauchten die Höhle in ein goldenes Licht. Die beiden Sklaven waren eifrig dabei alles für das Ritual vorzubereiten. Sie verteilten tote Erde über den gesamten Steinvorsprung in dessen Mitte das kleine Baby lag. Auf einem hohem Ständer vor dem Vorsprung lag eine große goldene Schale, in die sie ebenfalls tote Erde füllten, einige Knochen und noch andere eklige Utensilien, von denen man nicht genau hätte sagen können was sie mal waren.

Währendessen hatte sich Malignus auf die Ankunft seiner Feinde vorbereitet. Er hatte den Eingang zur Höhle mit einer unsichtbaren Barriere verschlossen, welche sie mit Sicherheit ein wenig aufhalten würde. Er wusste, dass Damnatus große Macht besaß und dies kein unüberwindbares Hindernis für ihn sein würde, aber er würde ihn dadurch auf jeden Fall etwas beschäftigen können und somit auch die Gelegenheit haben, seine Ankunft sofort zu bemerken.

Jede Minute war nun kostbar für ihn, denn je später er sich dem Kampf gegen seinen alten Feind stellen musste, an je mehr Macht würde Malignus inzwischen gewonnen haben. Er traf noch einige weitere Vorkehrungen, um seine Feinde gebührend empfangen zu können, und wartete dann ungeduldig auf die bald kommende Vollmondnacht.

+ + +

William und Buffy kuschelten sich zusammen ins Bett. Bevor sie Beide in den Schlaf sanken, meinte William: „Wir werden die Reise gemeinsam antreten. Du erinnerst dich sicher noch an meine Sommerwiese. Dort werden wir uns treffen, dann zeige ich dir, wie wir ihn gemeinsam finden können."

Buffy nickte nur und drückte sich noch näher an seine Seite. Es dauerte nicht lange, bis die beiden fest schliefen und sich schließlich gemeinsam auf derselben Sommerwiese trafen, auf der sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Seit Buffy ihn befreit hatte, waren sie nicht mehr an diesem Ort gewesen und es war seltsam nun wieder hier zu sein. Seltsam, aber auch schön, denn einige angenehme Erinnerungen wurden dadurch bei Beiden hervorgerufen.

Neugierig fragte Buffy: „Und wie geht es nun weiter?"

„Gib mir deine Hand. Konzentriere dich auf alles, was du von Malignus weißt. Konzentriere dich so gut es geht auf seinen mehr oder weniger vorhandenen Körper."

„Was meinst du mit mehr oder weniger?"

„Malignus ist nicht wirklich. Er hat keinen festen Körper wie ein Mensch zum Beispiel. Es wirkt zwar so, da du ihn berühren kannst, aber er ist nur eine Art Hülle, gefüllt mit purem Hass und schwarzer Magie."

„Also muss ich mich auf die dunkle Energie in ihm konzentrieren?"

„Ja genau! Du konntest es fühlen, als du ihm in dem alten Kloster begegnet bist. Danach musst du suchen. Das ist es, worauf du dich konzentrieren musst."

„OK, ich hab’s verstanden."

Hand in Hand standen die beiden auf der Wiese und konzentrierten sich darauf nach dieser bösen Macht zu suchen. Auf einmal begann sich alles um sie herum zu verändern. Die Wiese verschwand im Nichts und es schien, als würde sich alles um sie herum immer schneller bewegen, während sie selbst vollkommen regungslos in der Mitte standen. Es tauchten immer mehr Gebilde um sie auf. Zuerst sehr undeutlich, doch zunehmend konnte man mehr erkennen. Erst ein paar Gebäude und viele Bäume. Straßen schienen unter ihnen entlang zu laufen, als würden sie sich blitzschnell bewegen. Doch keiner der Beiden bewegte sich auch nur einen Zentimeter.

Es war ihr Geist, der gemeinsam auf Reise ging, zerschmolzen zu einem Ganzen. Die vielen Bilder um sie herum wurden nun etwas langsamer und langsam konnten sie erkennen, wo sie ihre Suche hinführte. Sie konnten Malignus’ Gegenwart deutlich wahrnehmen. Und je näher sie ihrem Ziel kamen, umso stärker wurde dieses Gefühl. Sie erreichten schließlich eine Berglandschaft. Hohe Berge, scheinbar undurchdringbar für ein modernes Fahrzeug. Viele Bäume bildeten einen großen Wald, der nur durch hohe Berge getrennt wurde. Ihr Weg führte sie schließlich durch eine Höhle tief in das Innere eines der Berge hinein.

Dort unten tief im Herzen des Berges befand sich eine große Höhle. Kalte, dunkle Felswände befanden sich nun um sie herum. Sie wussten, dass er hier war, sie konnten ihn deutlich fühlen. William zog Buffy etwas zu sich, damit sie seine Aufmerksamkeit auf ihn richtete: „Das reicht. Weiter dürfen wir nicht gehen, sonst bemerkt er uns noch. Er hat seine Kraft wieder erneuert und kann uns sicher wahrnehmen, wenn wir uns ihm zu nahe nähern. Lass uns diesen Ort verlassen, wir wissen nun wo wir ihn finden werden. Es ist wichtig, dass wir uns im Schlaf ausruhen. Morgen früh werden wir uns sofort auf den Weg hierher machen."

„Ist gut. Schlaf gut."

Beide mussten über Buffys Aussage lächeln, schließlich schliefen sie ja eigentlich schon, jedoch waren sie mit ihrem Geist gemeinsam auf Reise gegangen, was sehr anstrengend für sie beide war. Indem sie nun ihre Verbindung zueinander und zu diesem Ort abbrachen, drifteten sie schließlich in einen erholsamen Schlaf.

Am nächsten Morgen berichteten sie Rupert und Anna das Ergebnis ihrer nächtlichen Geist-Reise und beschlossen, sich sofort auf den Weg dort hin zu machen. Der nächste Vollmond stand unmittelbar bevor, also mussten sie noch vor Einbruch der Nacht an ihrem Ziel angekommen sein, um das Beschwörungsritual zu verhindern. Sobald das Mondlicht diesen Ort berühren würde, würde Malignus’ Macht sein Höchstmaß erreichen, was den Kampf gegen ihn nicht gerade erleichtern würde.

Diese Reise mit dem Auto anzutreten hätte also viel zu lange gedauert und schließlich beherrschten sie ja nicht umsonst die hohe Kunst der Magie. Also bereiteten sie alles für einen Teleportationszauber vor. Rupert und Anna waren zwar etwas beunruhigt, da sie den Beiden nicht auf diese Weise folgen konnten. Ihre Kräfte reichten dazu nicht aus.

Rupert bestand darauf, dass Buffy und William versuchen sollten ihn mit zunehmen, aber die beiden waren sich einig, dass sie Rupert nicht dabei haben wollten. Es hatte keinen Zweck sich darüber zu beschweren. William und Buffy hatten ihre Entscheidung bereits getroffen und blieben eisern. Rupert blieb nichts weiter übrig, als hier bei Anna zu bleiben und abzuwarten. Dies würde ein harter Tag für die beiden Wächter werden.

Es war kurz vor Mittag, als nun alle Vorbereitungen getroffen waren. William stand dicht hinter Buffy und hielt seine Arme eng um ihren Körper verschlungen, damit sie an ihrem Ziel nicht getrennt ankommen würden. Sie standen in der Mitte eines Kreises aus brennenden Kerzen und fünf kleinen funkelnden Kristallen. Buffy hatte eine Tasche umhängen, in der sich Kerzen und Kristalle für die Rückreise befanden. Schließlich mussten sie auch irgendwie wieder hierher gelangen.

William und Buffy hatten alles möglichst genau durchdacht. Auch wenn Buffy der Gedanke nicht gefiel, so war ihr schmerzlich bewusst, dass sie die Rückreise vermutlich alleine antreten musste, denn wenn alles wie geplant verlaufen würde, würde William zum Zeitpunkt der Heimkehr bereits tot sein. Außerdem mussten sie berücksichtigen, dass sie ein kleines Kind vor Malignus zu retten hatten und Buffy dieses demzufolge dann mit auf die Rückreise mitnehmen musste.

Also war es umso undenkbarer, dass Rupert sie hätte begleiten können, da es schon schwierig genug sein würde ein Kind mit auf die Reise zu nehmen. Zusätzlich hatten sie noch ein paar andere Dinge eingesteckt, um für den Kampf gegen Malignus gewappnet zu sein.

Rupert und Anna beobachteten gespannt das Schauspiel, dass ihnen nun geboten wurde. Auch Corvus war anwesend. Er hockte auf Ruperts Schulter und krächzte dem Paar zum Abschied noch einmal zu. William legte seinen Kopf dicht an Buffys Wange. Sie schlossen beide ihre Augen und konzentrierten sich auf den Ort, zu dem sie hingelangen wollten. Synchron begannen sie nun mit einem Sprechgesang aus altlateinischen Worten.

Die Flammen der Kerzen wurden nun größer und flackerten wild hin und her. Die Kristalle begannen hell zu leuchten. Ihre Lichtstrahlen trafen gegenseitig aufeinander und bildeten ein Pentagramm, in dessen Mitte William und Buffy standen. Helles gleißendes Licht strahlte scheinbar direkt aus den Körpern der beiden. So hell, dass Rupert und Anna ihre Blicke abwenden mussten, da sie sonst geblendet würden. Eine Sekunde später war das Licht plötzlich verschwunden und mit ihnen auch William und Buffy. Die Kerzen waren erloschen und auch die Kristalle schienen an Glanz verloren zu haben.

Anna war sehr besorgt um die beiden und fragte ihren Freund: „Glaubst du, sie werden es schaffen?"

„Ich hoffe es sehr. Ihre Chancen stehen nicht schlecht. Bald wird es sich zeigen, ob ihre Liebe zueinander groß genug ist, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Wir können nichts weiter tun, als zu warten."

+ + +

„Es sind nur noch wenige Stunden, bis der Vollmond hoch am Himmel steht und ich meine Brüder und Schwestern aus den Tiefen der Erde befreien werde! Endlich ist der Zeitpunkt gekommen, auf den wir alle seit hunderten von Jahren gewartet haben. Endlich!!" hallte es von den Felswänden hernieder. Malignus stand triumphierend vor dem steinernen Vorsprung, während er mit wachsamem Auge über seine Sklaven und über sein Opfer wachte. Es musste alles perfekt vorbereitet werden. Schon der kleinste Fehler könnte alles zunichte machen. Deshalb überprüfte er noch mal sorgfältig die Arbeit seiner Untertanen.

Zufrieden stellte er fest, dass alles für seinen großen Moment bereit war. Nun musste er nur noch abwarten, bis das Mondlicht durch einen kleinen Felsspalt in die Höhle und direkt auf das Kind fiel. Dies würde der Augenblick sein, an dem er das Ritual beginnen konnte.

Um seinen alten Feind machte er sich nur wenig Sorgen, denn er hatte dafür gesorgt, dass dieser sobald nicht hier ankommen würde.

+ + +

Die Reise dauerte nur wenige Sekunden und sie befanden sich plötzlich in einer dunklen Höhle. Buffy griff in ihre Tasche und zog zwei Taschenlampen heraus, von denen sie eine William reichte. Sie sahen sich erst einmal etwas um, bis Buffy dann meinte: „Hier stimmt was nicht. Ich kann ihn nicht spüren. Du etwa?"

„Nein ich auch nicht. Du hast Recht, irgendetwas ist hier faul! Komm, lass uns ein Stück weitergehen."

Buffy und William gingen noch tiefer in die Höhle, bis sich schließlich an einer Sackgasse ankamen. Hier ging es nicht mehr weiter. Mit dem spärlichen Licht der Taschenlampen sahen sie sich genauer um und entdeckten einen seltsam schwarz gefärbten Stein am Boden liegen.

„Was ist das?" fragte Buffy neugierig und wollte bereits ihre Hand nach dem Stein ausstrecken. Blitzschnell griff William nach ihrer Hand und stoppte ihre Bewegung.

„Nicht! Fass es nicht an. Spürst du nicht die Energie, die von ihm ausgeht?"

Buffy konzentrierte sich und erkannte was er meinte. Dieser seltsame Stein strahlte eine magische Kraft aus. Erneut fragte sie: „Was ist das für ein Ding?"

„Ich fürchte dieses Ding hier ist daran schuld, dass wir hier in dieser Sackgasse gelandet sind. Malignus hat uns damit in die Irre geleitet. Wir müssen schnellstens einen Weg hier raus finden und ihn suchen."

„Heißt das, wir sind hier vollkommen falsch?"

„Nein, nicht vollkommen. Malignus kann nicht weit sein. Er befindet sich bestimmt hier in der Nähe. Mit diesem Stein könnte er niemals soviel Energie erzeugen, dass er uns vollkommen in eine andere Richtung lenkt, denn dann hätten wir ihn zweimal wahrgenommen. So hat er einfach nur von sich abgelenkt. Die Richtung muss also stimmten. Er muss hier irgendwo in der Nähe sein."

„Verstehe. Und wie finden wir ihn?"

„Zuerst mal müssen wir das hier zerstören", kommentierte William, als er seine Handfläche nur wenige Zentimeter über den Stein hielt, sich auf den Gegenstand konzentrierte und die ungewöhnlich hohe Energie in dem Stein wieder freisetzte, womit die dunkle Verfärbung verschwand und es nur noch ein gewöhnlicher Stein war.

Rasch machten sich die Zwei auf den Weg nach einem Ausgang aus der Höhle zu suchen. Die lange Höhle führte leicht nach oben, weshalb sie hofften bald auf einen Ausgang zu stoßen, doch zu ihrer Enttäuschung stießen sie erneut auf eine Sackgasse. Von hier gab es einen direkten Weg nach draußen. Malignus hatte sie in eine Falle gelockt.

„Wir müssen noch mal Teleportieren, das bedeutet aber, dass wir nicht genug Kristalle dabei haben, um später zurückkehren zu können", meinte Buffy besorgt.

„Vielleicht müssen wir das aber auch nicht", stellte William fest, während er die Beschaffenheit der Steinwand genauer untersuchte.

„Hast du was entdeckt?"

„Ich glaube ja. Hier, fühl mal. Die Steinwand ist bestimmt nicht dicker, als einen Meter. Mit einem Zauber müssten wir sie durchdringen können."

„Ja, genau! So, wie ich auch durch die Klostermauern hindurch gehen konnte."

„Genau so."

Buffy und William stellten sich beide neben die Wand. Mit einer Hand lehnten sie an dem kalten Gestein, und mit der anderen hielten sie sich einander fest. Mit Hilfe ihrer vereinten magischen Kräfte war es ein Kinderspiel für sie, die Konsistenz des Steines kurzzeitig zu verändern und so konnten sie geradewegs durch die Höhlenwand hindurchgehen und kamen ins Freie.

Die späte Nachmittagssonne stand bereits sehr tief und deutete ihnen, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten, um Malignus zu finden. Sie befanden sich in Mitten eines dichten Waldes, aus dessen Mitte mehrere hohe Berge ragten. An einem dieser Berge standen sie und hatten von ihrem erhöhten Standort eine gute Sicht auf die Gegend. Überall waren Bäume und Sträucher. Die meisten Tiere des Waldes hatten sich bereits nach Schlafplätzen umgesehen. Nur ein paar Vögel pfiffen noch und verkündeten den baldigen Sonnenuntergang.

„Wie sollen wir ihn rechtzeitig finden?" fragte Buffy niedergeschlagen.

„Wir finden ihn, keine Angst", meinte William zuversichtlich.

Er ging ein paar Schritte tiefer in den Wald und lauschte in die Stille des Waldes. Buffy folgte ihm verwundert und beobachtete was er tat. Er sah sich etwas um, als wenn er nach einem bestimmten Platz suchen würde. Dann schien er einen geeigneten Platz gefunden zu haben, wo er sich auf den Waldboden Kniete und seine Hände in feuchtes Moos vergrub.

„Fragst du Mutter Natur?" wollte Buffy neugierig wissen.

„Psst", wies er sie an ruhig zu sein.

Buffy verdrehte wegen seiner Äußerung die Augen, tat aber was er sagte und beobachtete gespannt was er tun würde.

William schloss die Augen und konzentrierte sich auf den Wald und seine Bewohner. Buffy staunte sehr, als plötzlich eine Hirschkuh näher kam und sich schließlich direkt vor William stellte. William lächelte wissend, noch bevor er seine Augen öffnete, da er bereits wusste, dass sein Bitten erhört worden war. Er bat die Bewohner des Waldes um Mithilfe, um Malignus zu finden und der Wald sandte ihm eine Hirschkuh als Führer.

Langsam erhob er sich und streichelte vorsichtig über den Kopf des scheuen Tieres. Buffy war fasziniert von diesem Schauspiel. Sie trat ebenfalls vorsichtig näher und war überrascht, als sich das Tier auch von ihr streicheln ließ.

„Hat sie mit dir gesprochen?" fragte sie neugierig, da sie selbst nichts gehört hatte.

„Nein. Nicht alle Tiere können mit Menschen sprechen. Doch ich kann mich trotzdem mit ihr verständigen. Es ist ganz leicht. Dazu musst du nur die Sprache des Waldes lernen. Ich würde es dir gerne beibringen, doch ich fürchte dazu werden wir keinen Gelegenheit mehr haben", stellte er traurig fest.

Dies erinnerte Buffy daran, dass diese Mission sein Tod sein würde, weshalb sie ihm traurig ins Gesicht blickte. Statt darauf etwas zu sagen, näherte sie sich und küsste ihn liebevoll auf die Lippen. Für einen kurzen Augenblick, hielten sie einander nur fest und prägten sich diesen Moment in ihre Erinnerung ein.

„Was auch passieren mag. Ich werde immer ein Teil von dir sein", versuchte er sie zu trösten.

„Du wirst immer in meinem Herzen sein", erwiderte sie mit einem traurigen Lächeln.

Die Hirschkuh entfernte sich ein paar Schritte, wodurch die Beiden sich daran erinnerten, dass sie keine Zeit mehr hatten. Sie folgten dem Tier, das zielstrebig durch den Wald eilte. Malignus hatte sie ein gutes Stück weit von seinem eigentlichen Standort weggeführt, sodass sie einen ziemlich langen Weg zurückzulegen hatten. Sie kamen schließlich am Fuße eines anderen Berges an, wo die Hirschkuh ihnen einen Eingang zu einer Höhle zeigte. Die Sonne verschwand bereits hinterm Horizont und es würde nicht mehr lange dauern, bis der Mond hoch am Himmel stehen würde. William bedankte sich bei dem Tier und gemeinsam gingen Buffy und William in die Höhle.

Vorsichtig folgten sie dem dunklen Gang. Stets auf der Hut vor weiteren Überraschungen von ihrem Feind. William ging immer ein kleines Stück vor, damit, falls sie in eine weitere Falle tappen sollten, es zuerst ihn erwischen würde und Buffy gewarnt sein würde. Statt einer Falle, stießen die Beiden jedoch auf eine unsichtbare Barriere. William stieß gegen eine unsichtbare Mauer und stellte verärgert fest, dass Malignus diese Barriere erstellt hat, um sie aufzuhalten.

Verwundert erfühlte Buffy die unsichtbare Mauer direkt vor ihnen. Sie konnte ganz deutlich sehen wie der Gang weiterführte und mit dem bloßen Auge war nicht zu erkennen, dass hier eine Barriere war, doch mit den Händen konnte sie es deutlich erfühlen.

„Wir müssen nach einem Loch suchen, wie bei der Klostermauer", meinte Buffy zuversichtlich.

„Hier wirst du kein Loch finden. Diese Mauer ist viel kleiner, als der magische Schutzwall um die Klostermauern. Je kleiner eine magische Mauer, desto schwerer ist es, sie zu durchdringen."

Buffy schätze den Durchmesser dieser Höhle auf höchstens zwei Meter. Also war diese Mauer ziemlich klein.

Beide versuchten trotzdem mit ihrem geistigen Auge einen Riss, oder einem winzigen Loch in der magischen Wand zu finden. Doch es war zwecklos. Die Mauer war makellos.

„Geh zur Seite", ordnete William ihr an, während er einen Schritt zurücktrat, sich konzentrierte und dann einen magischen Feuerblitz von seinen Händen auf die Mauer warf.

Buffy trat vor und untersuchte die Mauer erneut. Nichts hatte sich verändert. Sie war noch immer undurchdringlich.

„Soll ich es mal probieren?" fragte sie frech grinsend.

„Nein. Du brauchst deine Kräfte später gegen Malignus."

„Und was ist mit dir? Ich dachte ich muss deine Kräfte auf ihn übertragen?"

„Nicht meine Kräfte, sondern meine Lebensenergie. Aber gut, komm her, wir versuchen es gemeinsam."

Beide fassten sich an den Händen und konzentrierten sich auf ihr Vorhaben. Mit vereinten Kräften erzeugten sie einen Energieball, der sich vor ihnen bildete und in der Luft schwebte. Diesen Energieball schleuderten sie gegen die Mauer, worauf diese tatsächlich zerstört wurde. Glücklich strahlten sie sich an, als sie feststellten, dass der Weg nun frei war.

Sie schritten den Gang weiter und trafen schließlich auf eine etwas größere Höhle. Dort, wo Malignus darauf wartete, dass der Mond endlich hoch am Himmel stehen würde und er seine Brüder und Schwestern aus der Tiefe der Erde befreien könnte.

Nur wenig überrascht, seinen alten Feind hier zu sehen, blickte Malignus von dem steinernen Altar auf, auf dem noch immer das hilflose Baby lag. Buffy war zugleich froh und erschrocken es scheinbar gesund, aber in den Händen dieses Monsters, zu sehen.

William konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit ganz allein auf seinen alten Feind Malignus, der seinerseits seine Aufmerksamkeit wieder auf das Baby lenkte und beinahe desinteressiert sagte: „Damnatus, alter Freund. Wie schön, dass du noch rechtzeitig kommen konntest, um zu sehen wie ich mein Recht als Herrscher über diese Welt einfordere und meine Brüder und Schwestern aus den Fängen der Erde befreie."

„Nichts von dem wird geschehen, das weißt du genau", antwortete William zuversichtlich, und trat vorsichtig näher. Malignus’ Unbekümmertheit verunsicherte ihn ein wenig, weshalb er sich vorsorglich umblickte, ob irgendwo eine Falle auf sie lauern würde. Buffy folgte ihm ebenso vorsichtig und behielt ein Auge auf das Kind.

Als William und Buffy etwas die Hälfte der Strecke zurückgelegt haben, blickte Malignus schließlich auf und streifte langsam seine Kapuze von seinem Kopf. Sein Antlitz sah aus, als stünde er kurz vor der Verwesung. Er hatte kein einziges Haar auf dem Kopf. Seine Haut war fahlgrau und spannte sich dünn über die Knochen. Er wirkte wie ein ausgetrocknetes Skelett. Nur das bedrohliche Funkeln in seinen Augen, das in einem unnatürlichen Rot glänzte, ließ ihn lebendig erscheinen.

Ein abstoßendes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen, als er mit dunkler bedrohlicher Stimme meinte: „Tötet sie."

Malignus’ letzte Helfer stürmten plötzlich aus den Schatten der Höhle hervor und griffen die Beiden an. Buffy dachte, dass sie ihren Gegner nur zu berühren brauchte, doch sie musste feststellen, dass dies nicht ausreichte.

Ihr Gegner packte sie, verbog ihrem Arm auf den Rücken und hielt sie erbarmungslos fest. William wehrte sich in der Zwischenzeit gegen den zweiten von Malignus’ Dienern. Mit entsetzten sah er wie Buffy von ihrem Gegner überrumpelt worden war und er sie fest im Griff behielt. Er war ein weitaus besserer Kämpfer, als Buffy es war und schaffte es, sich seinen Gegner vom Leib zu halten. Mit ein paar weitern kräftigen Schlägen konnte er ihn schließlich überwältigen und versetzte ihm mit einer magischen Faust den Todesstoß. Malignus’ Diener zerfiel damit zu Staub.

William wollte sofort zu Buffy eilen und ihr helfen, doch Malignus schaltete sich ein und sagte drohend: „Keinen Schritt weiter, oder sie ist tot!"

William stockte und blickte abschätzend auf Malignus und dessen gehorsamen Diener, der Buffy fest im Griff hatte. Erst jetzt erkannte er, dass dieser eine scharfe Messerklinge an ihre Kehle gedrückt hielt.

Er schätzte seine Chancen ein, doch Buffy stand zu weit von ihm weg. Ehe er ihr zur Hilfe eilen könnte, würde der Kerl ihr die Kehle bereits durchgeschnitten haben. Er hatte also keine andere Wahl, als ruhig stehen zu bleiben. Wütend blickte er zu Malignus, der triumphierend am Altar stand und seinen großen Moment erwartete.

Beiläufig erklärte Malignus: „Ihr wundert euch vielleicht warum deine Wildkatze meine Männer nicht mehr zu Staub verarbeiten kann? Ich habe mir erlaubt einen Schutzzauber zu sprechen. Schließlich hatte ich nur noch zwei. Und nun ist es sogar nur noch einer. Aber egal, das kann ich verschmerzen, schließlich werden meine Brüder und Schwestern bald hier sein. Und du kannst zusehen, wenn der große Augenblick gekommen ist. Damnatus, mein alter Freund. Sieh nur, gleich ist es so weit."

Ein kaum wahrnehmbarer Lichtschein traf von der Höhlendecke in die Höhle und berührte bereits den Altar. Es waren nur noch wenige Augenblicke, bis das Mondlicht auf das Opfer treffen und Malignus am Höhepunkt seiner Kräfte angelangt sein würde.

Williams Blick wanderte zwischen Malignus, dem Lichtschein und Buffy hin und her. Sie mussten etwas unternehmen und zwar schnell. Er und Buffy wechselten einen kurzen Blick und dann ging alles ganz schnell. William ließ eine Feuerkugel auf Buffy und ihren Gegner fliegen. Buffys Gegner war kurz irritiert und lockerte den Griff, dies nutzte Buffy, um sich mit einem kräftigen Fußtritt an sein Schienbein zu befreien. Sofort duckte sie sich und die Feuerkugel traf ihren Gegner und ließ ihn zu Staub zerfallen. Rasch eilte sie an Williams Seite.

Erzürnt sah Malignus zu den Beiden. Er sammelte seine enormen Kräfte und schleuderte einen gewaltigen magischen Energieball auf seine beiden Feinde zu. Gerade noch rechtzeitig sprangen William und Buffy auseinander. Der Energieball raste an ihnen vorbei und schlug in der Felsenwand ein, sodass der ganze Berg erschüttert wurde.

Gleichzeitig ließen William und Buffy ihrerseits einen Energieball in ihren Händen entstehen und schleuderten diese auf Malignus zu. Malignus versuchte ebenfalls auszuweichen. Williams Energieball verfehlte sein Ziel dadurch, doch Buffys Ball traf direkt ins Schwarze. Malignus wurde zurückgeschleudert und landete hart an der Felsenwand.

Schnell eilten Buffy und William zueinander, fassten sich an den Händen und bildeten mit vereinten Kräften einen Feuerball, den sie auf Malignus schleuderten, noch bevor sich dieser wieder erheben konnte. Dieser Feuerball traf ihn hart. Stöhnend blieb er am Boden liegen.

Buffys Hand festhaltend, eilte William zu Malignus. Dieser war schwer angeschlagen. Sie hatten Glück. Buffy brauchte jetzt nur seine Lebensenergie auf ihn zu übertragen.

„Buffy jetzt, tu es!" ordnete William an.

„Ich kann nicht."

„Doch, du kannst es! Du hast es versprochen. Du brauchst ihn nur berühren. Tu es!"

Buffy zögerte noch einen kurzen Moment, bis Malignus sich zu bewegen anfing. Dann ging sie auf die Knie und legte ihre Hand blitzschnell auf Malignus’ Brust. Sie schloss die Augen und lenkte ihren Geist auf die beiden Körper an ihren beiden Händen. An der einen Seite spürte sie die reine und unsterbliche Lebensenergie von William und an der Anderen die böse, untote Energie von Malignus.

Ohne darüber nachzudenken, was sie im Begriff war zu tun, lenkte sie Williams Lebensenergie auf Malignus.

William spürte wie Buffy ihm langsam seine Energie entzog. Er wusste, dass dies seinen Tod bedeutet, doch er wusste auch, dass dies die Menschheit retten würde. Tapfer stellte er sich seinem Schicksal. Malignus begann sich unter der Berührung von Buffys Hand zu winden und stöhnte vor Schmerzen auf.

Buffy fand sich plötzlich an einem anderen Ort wieder. Sie stand nun mitten in dem Wald, den sie vor kurzem durchquert hatten. Sie blickte sich verwirrt um und verstand nicht, wie sie hierher gekommen war. „William?" rief sie irritiert.

„Ich bin hier", hörte sie eine Stimme sprechen. Sie blickte sich erneut um und sah William plötzlich neben sich stehen.

„Was ist passiert? Wo sind wir?" fragte sie verwirrt.

„Es ist alles vorbei. Du kannst aufhören."

„Womit aufhören?"

„Hör auf mir meine Energie zu entziehen!" meinte er nun etwas schroffer.

Buffy sah auf ihre Hand und erkannte, dass sie Williams Hand noch immer fest im Griff hatte und er scheinbar unter ihrem Griff schwächer wurde. Sofort hörte sie auf seine Energie von ihm zu entziehen. Sie war so glücklich ihn gesund zu sehen, doch sie verstand nicht, was passiert war.

„Was ist passiert? Wie kommen wir hierher?"

„Es ist alles vorbei. Malignus wurde vernichtet. Wir sind in Sicherheit."

„Und wie? Wie ist das passiert? Warum kann ich mich an nichts erinnern?"

„Du wurdest ohnmächtig."

„Wo ist das Baby?"

„Es geht ihm gut. Mach dir keine Sorgen."

Buffy hatte ein ungutes Gefühl. Etwas stimmte nicht. Dieser Ort hier kam ihr nicht real vor. Und auch William kam ihr nicht real vor. Durch ihre starke Liebe kannte sie ihn mittlerweile so gut, dass sie instinktiv spürte, dass etwas mit ihm nicht stimmte.

Sie schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf die Liebe zwischen ihr und William. Sie fühlte, dass er nah bei ihr war, doch sie fühlte auch noch immer die Gegenwart von etwas Bösem. Sie versuchte ihren Geist vollkommen auf William zu lenken und mit ihm in Kontakt zu treten. Dann hörte sie seine Stimme: „Buffy, hör nicht auf ihn! Mach weiter!"

Sie begriff endlich, dass Malignus sie verzaubert hatte. Er gaukelte ihr eine Schweinwelt vor, in der bereits alles überstanden war, doch in Wahrheit befanden sie sich noch immer in der Höhle. Sie öffnete die Augen und sah vor sich den falschen William stehen, der sie mit flehendem Blick ansah. Sie drückte die Hand noch fester zusammen und fuhr fort Williams Energie auf Malignus zu lenken.

Je mehr Energie sie von William entzog, umso schwächer wurden beide Körper und umso mehr verblasste die falsche Realität, die Malignus ihr vorgegaukelt hatte.

Als die Scheinwelt vollkommen verschwand, sah Buffy wie William regungslos am Boden lag und sie liebevoll anblickte, während Malignus stöhnend unter ihrer Hand lag und sich im nächsten Augenblick in Staub auflöste. Zurück blieb nur noch der schwarze Umhang, den er getragen hatte.

Sofort hörte Buffy auf, Williams Energie zu entziehen. Besorgt beugte sie sich zu ihm, hielt seine Hand und küsste ihn sanft auf die Lippen. Sie blickte in ein schwaches Antlitz. Seine sonst so strahlend blauen Augen waren verblasst.

„Danke für alles", flüsterte er mit einem schwachen Lächeln.

Tränen rollten aus Buffys Augen und fielen auf sein Gesicht.

„Bitte verlass mich nicht. Bitte bleib bei mir. Ich liebe dich!" redete sie verzweifelt auf ihn ein.

„Ich bin immer bei dir", erwiderte er schwach.

„Bleib bei mir“, wiederholte sie erneut. Verzweifelt blickte sie in sein blasses Gesicht, wo nur noch ein schwaches Lächeln verzeichnet war. Sein Blick wurde plötzlich starr. In seinen Augen spiegelte sich nur noch Leere.

 

„NEIN!“ schrie Buffy auf. Sie zog seinen Körper zu sich. Drückte ihn fest an ihren Leib, während sie hilflos schluchzte. Sie weinte um ihren Geliebten.

 

Das laute Weinen eines kleinen Kindes erinnerte sie daran, dass das Baby noch immer auf dem kalten Altar lag. Schweren Herzens ließ sie den leblosen Körper in ihren Armen auf den Boden sinken und trat zu dem Baby an den Altar.

 

„Schhhh, nicht weinen“, versuchte sie das kleine Mädchen zu trösten, während sie rasch ihre Jacke auszog und das Baby darin einwickelte. Sie wiegte es in ihren Armen und flüsterte tröstende Worte: „Es wird alles gut. Keine Angst. Alles wird gut“, als wollte sie sich selbst mit diesen Worten trösten.

 

Sie musste nun den Zauber allein bewältigen. Musste das Kind in Sicherheit bringen. Darum ging sie zurück zu ihrer Tasche, die auf dem Boden lag, und nahm alle notwendigen Gegenstände heraus, während sie das kleine Bündel mit einem Arm an sich drückte.

 

Es kostete sie all ihre Kraft, nicht an William zu denken. Sie musste sich auf ihre Aufgabe konzentrieren. Musste diesen Weg nun allein gehen.

 

Sie versuchte sich auf den Zauber zu konzentrieren. Mit tränennassen Augen blickte sie auf das kleine Bündel in ihrem Arm. Das Baby schien von dem vielen Schreien so erschöpft und geschwächt zu sein, dass es in Buffys sicherer Umarmung schließlich eingeschlafen war. Wenigstens hatte sie nun Ruhe, um sich auf den Zauber zu konzentrieren.

 

Doch so sehr sie sich anstrengte, sie konnte es einfach nicht tun. Sie konnte nicht einfach so ohne William zurückkehren. Es musste einen Weg geben ihn zurückzuholen!

 

Entschlossen legte sie das Baby behutsam auf ihre Tasche, damit es nicht wieder aufwachen würde. Dann trat sie zurück zu Williams leblosem Körper, der unverändert auf dem Boden lag.

 

Sie kniete sich neben ihm auf das kalte Gestein und berührte mit ihren beiden Händen den Boden. Sie schloss die Augen und suchte sich ihren Weg durch die Erde zu Mutter Natur.

 

„Buffy, ich habe dich bereits erwartet“, hörte Buffy eine sanfte Stimme sprechen.

 

„Gib ihn mir zurück! Er hat es nicht verdient zu sterben! Ich weiß du kannst es. Du allein hast die Macht über alle Lebensenergie. Mach ihn wieder lebendig!“ forderte Buffy sofort.

 

„William hatte ein längeres Leben, als jeder andere Mensch auf Erden. Seine Seele hat seinen Körper längst verlassen. Es liegt nicht in meiner Macht ihn zurückzuholen. Nur du allein kannst es tun.“

 

„Ich? Was soll das heißen? Wie kann ich ihn zurückholen?“

 

„Du musst deinen Geist dorthin lenken, wo die Seelen der Menschen nach ihrem Tod verweilen. Du musst dich beeilen. Es bleibt nicht viel Zeit. Bald wird sein Geist sich mit meiner Energie verschmelzen und er wird all seine Erinnerungen verlieren. Du allein kannst ihn durch deine Liebe finden und zurückbringen. Doch hüte dich. Wenn du ihm mit deinem Geiste folgst, kann es sein, dass du für immer dort gefangen bleibst. Dann gibt es auch für dich kein Zurück mehr!“

 

„Das ist mir egal. Ich muss es versuchen. Ich werde ihn finden. Aber zuerst muss ich das Baby in Sicherheit bringen.“

 

„Sorge dich nicht um das Kind. Ich werde mich um Elisabeth kümmern. Geh und finde William. Die Zeit drängt.“

 

„Woher weißt du ihren Namen?“

 

„Ich weiß alles von den Lebenden. Du vergisst, wer ich bin. Nun geh! Beil dich!“

 

Buffy wusste zwar nicht genau, wohin sie ihren Geist nun lenken sollte, doch sie begann nach William zu suchen. Sie folgte den unterirdischen Verzweigungen zahlreicher Energiestrahlen und suchte nach ihrem Geliebten.

 

Während Buffy nach William suchte, bildete sich um den Körper des kleinen Babys ein farbiger Nebel, der das kleine Bündel mit magischer Lebensenergie versorgte und ihm einen ruhigen Schlaf schenkte. Wie versprochen, sorgte Mutter Natur dafür, dass der Kleinen nix passierte.

 

Endlich konnte Buffy eine schwache Energiequelle ausmachen, die sich nach ihrem Geliebten anfühlte. Rasch drang sie mit ihrem Geist immer tiefer in ein Meer aus Emotionen und Seelen, die hier tief in der Erde verankert waren.

 

Schließlich landete sie wieder auf einer blühende Sommerwiese, die sie sehr stark an Williams Wiese erinnerte. Doch hier waren viele Menschen zu sehen. Sie lachten vergnügt und tanzten zu stummer Musik. Sie blickte sich suchend um und rief laut nach William.

 

„Er kann dich nicht hören“, hörte Buffy erneut die sanfte Stimme, diesmal jedoch war es ihr, als wäre die Person, der diese Stimme gehörte, direkt hinter ihr, weshalb sie sich ruckartig umdrehte.

 

Vor ihr stand eine wunderhübsche junge Frau mit seidig goldenem Haar, das ihr bis zu den Hüften reichte. Sie trug ein hellblaues fast weißes Gewand, das silbern glänzte und schimmerte. Ihr ganzer Körper strahlte, als könnte man die pure Lebensenergie mit bloßem Auge sehen.

 

„Mutter Natur?“ fragte Buffy verwundert.

 

„Wenn du so willst. Ja.“

 

„Also so siehst du aus?“

 

„Nein. Das ist nur eine mögliche Gestalt, die ich annehmen kann. Ich wählte diese, um dir bei deiner Suche zu helfen.“

 

„Du willst mir helfen? Wie?“

 

„Siehst du diese Menschen hier? Sie sind alle eine Erfindung von Williams’ Geist. Es sind alles Menschen, die er im Laufe seiner langen Jahre kennen gelernt hat. Er hat sie sich erfunden, um bei seinem letzten Weg nicht allein zu sein. Hier ist er glücklich. Der menschliche Geist erfindet sich seine eigene Welt. Seinen eigenen Himmel oder die eigene Hölle. Solange, bis er sein Gedächtnis verliert und mit mir verschmilzt, um danach in einem neuen Leben von vorne zu beginnen. Du musst ihn finden und ihn davon überzeugen, dass er mit dir zurückgehen muss. Du hast nicht viel Zeit. Wenn du merkst, dass diese Welt verblasst, dann musst du ohne ihn zurückkehren. Oder dein Geist bleibt für immer hier gefangen.“

 

„Wo finde ich ihn?“

 

„Folge deinem Herzen.“ Dies war der letzte Ratschlag, den Mutter Natur ihr gab, bevor sie sich in Luft auflöste.

 

Frustriert seufzte Buffy auf. „Warum bekomme ich nicht einmal eine klare Antwort? Warum sagt sie mir nicht einfach, wo er ist?“

 

Leise fluchend fing sie an nach William zu suchen. Sie versuchte auf ihr Herz zu hören, doch dieses schien nicht sehr gesprächig zu sein. Also versuchte sie ein paar der seltsam aussehenden Leute anzusprechen.

 

„Hallo? Können Sie mir sagen wo William ist? Hey!“

 

Doch die Leute reagierten nicht auf sie. Sie besah sich diese Menschen ein wenig genauer. Sie alle waren altmodisch gekleidet. Was verständlich war, da William ja schon ziemlich lange auf der Welt war. Ihr fielen auch ein paar wenige Menschen auf, die moderner gekleidet waren. Einer kam ihr besonders bekannt vor, bis ihr einfiel, dass es ein Fernsehmoderator war. Sie hätte William wohl nicht so lange vorm Fernseher sitzen lassen sollen.

 

Sie überlegte kurz, wohin sie gehen sollte, als ihr ein inneres Gefühl sagte, sie solle weiter über die Wiese zu einem angrenzenden Wald gehen. Sie folgte ihrem Gefühl und eilte über die Wiese. Dann betrat sie einen dichten Wald. Sie konnte Vögel zwitschern hören. Und sie konnte sogar den würzigen Waldduft riechen. Diese Illusion war so täuschend echt, dass sie glaubte in einem wirklichen Wald zu stehen.

 

Sie sah etwas entfernt ein Licht. Sie folgte diesem Licht und so kam sie direkt an eine helle Lichtung. Die Sonne brach sich in den Wipfeln der Bäume und deren Strahlen fielen hier bis auf den Boden. Die hellgrünen Farne wurden erleuchtet und tauchten den Waldboden in ein hellgrünes Meer. Insekten tanzten in den warmen Sonnenstrahlen und wirkten wie zauberhaftes Funkeln, das dicht über dem grünen Mehr schwirrte.

 

Es war wunderschön. In der Mitte dieser Lichtung sah sie William sitzen. Doch er war nicht allein. Ihm gegenüber saß eine junge Frau, die genauso aussah wie Buffy. William hatte Buffy genauso wie alle anderen Menschen hier projiziert.

 

„William!“ rief Buffy ihrem Liebsten zu, doch dieser schien sie gar nicht wahrzunehmen. Wie verzaubert starrte er die Projektion seiner Angebeteten an, welche seinen Blick stumm erwiderte.

 

Buffy hatte schließlich die Schnauze voll, dass alle sie hier ignorierten, weshalb sie zu ihm trat, sich neben ihm mit einem Bein auf den Boden kniete und mit einer Hand an seiner Schulter rüttelte.

 

„William! Ich bin es, Buffy!“

 

William blickte wie in Trance zu ihr. Er lächelte auf und sagte: „Buffy.“

 

„Ja, genau. Ich bin Buffy. Du musst mit mir kommen.“

 

„Wohin?“ fragte er verwundert.

 

„Zurück in deinen Körper. Du musst wieder… Na zurück einfach“, erklärte sie umständlich.

 

„Ich bin in meinem Körper. Es geht mir gut. Es gefällt mir hier. Ich will nicht wo anders hingehen. Hier sind alle meine Freunde. Meine Familie. Hier bist du“, erklärte er verträumt, während er zurück zu der Buffy-Illusion blickte.

 

Buffy wurde ungeduldig. Energisch zog sie William auf die Beine und begann erneut: „Das hier ist nicht die Wirklichkeit. Erinnerst du dich nicht? Es ist deine Traumwelt. Dein Zufluchtsort. Die Wiese, auf der wir uns in unseren Träumen immer trafen. Du kannst hier nicht bleiben. Wenn du hier bleibst, verliere ich dich! Du musst mit mir zurückkehren! Bitte! Ich bitte dich. Komm zu mir zurück.“

 

„Mein Zufluchtsort?“ fragte William nach.

 

Mit Entsetzen sah Buffy, dass die Welt um sie herum zu verblassen begann. Die Insekten waren bereits verschwunden. Die Farne änderten ihre Farbe in ein dunkles Grün. Der Wald um sie herum schien immer dunkler zu werden, als ob sie ganze Welt um sie herum in ein dunkles Nichts getaucht werden würde. Die Sonnenstrahlen wurden schwächer und nur noch ein kleiner Teil der Lichtung wurde erhellt.

 

Verzweifelt versuchte sie zu William durchzudringen, bevor es zu spät wäre. Bevor er alles vergessen würde.

 

„William hör mir zu. Wir haben den Kampf gewonnen. Malignus ist vernichtet. Mutter Natur hat mich zu dir geschickt. Du darfst zurückkehren. Du und ich dürfen zusammen leben. Du musst mit mir mitkommen! Wenn du nicht mitkommst, dann verlierst du dein Gedächtnis. Du vergisst wer ich bin. Und dann verschwindest du für immer!“

 

„Ich weiß.“

 

„Du weißt es? Verdammt William, warum kommst du dann nicht mit?“

 

„Es ist der Lauf der Dinge. Es ist meine Bestimmung. Das hier ist mein letzter Weg.“

 

„Vergiss deine verdammte Bestimmung! Ich bin deine Bestimmung! Du gehörst zu mir. Du wirst jetzt mit mir gehen!“

 

Besorgt blickte sich William um, als würde er genau wissen, was bald geschehen würde. „Es tut mir leid, Buffy. Ich kann nicht. Du musst jetzt gehen. Es wird nicht mehr lange dauern. Meine Welt beginnt zu verblassen. Du musst gehen, bevor es dich mitreißt.“

 

„Du wusstest es. Du wusstest es die ganze Zeit! Du… Ich werde nicht gehen! Wenn du hier bleiben und dein Leben wegwerfen willst, dann geh ich mit mir.“

 

„Das geht nicht! Du wärst hier in einem endlosen Nichts gefangen, solange bis dein Körper stirbt. Du musst zurück!“

 

„Ich gehe nicht ohne dich!“ sagte sie entschlossen und verschränkte demonstrativ ihre Arme vor der Brust.

 

„Buffy, mein Leben dauerte schon länger an, als es sein sollte. Ich bin dir dankbar für die letzten wunderschönen Tage, die ich mit mir nehmen konnte, doch meine Zeit ist zu Ende. Aber deine beginnt erst noch. Du musst jetzt gehen!“ versuchte William sie nun energischer zu überzeugen.

 

„Ich gehe nicht ohne dich!“

 

William blickte sich besorgt um, als seine Illusion-Buffy sich plötzlich in Luft auflöste und der ganze Wald nur noch ein tiefschwarzes Nichts war.

 

„Warum hörst du nicht auf mich? Geh, bevor es zu spät ist!“

 

Verzweifelt sah sie in sein Antlitz und sagte schwach: „Ich kann nicht. Ich liebe dich.“

 

Auf diese Worte hin, schnellte William vor, schloss seine Arme um ihren Körper und küsste sie auf ihren Mund. Sie hielten einander fest umschlungen und küssten sich. Die Welt um sie herum begann vollkommen zu verblassen, doch davon bekamen die beiden nichts mehr mit. Sie waren längst auf einer weiten Reise.

 

Als sie sich wieder voneinander lösten und sich gegenseitig voller Liebe ansahen, befanden sie sich wieder zurück in der Höhle. William mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden sitzend und Buffy neben ihm kniend, hielten sie einander noch immer fest.

 

„Ich liebe dich“, erwiderte William ihre letzten Worte.

 

Glücklich strahlte sie ihn an, als sie endlich begriff, dass sie es geschafft hatte und er nun wieder bei ihr war. Sie fiel ihm erneut um den Hals und drückte ihn fest an sich. Er erwiderte die Umarmung, glücklich bei ihr zu sein. Am Leben zu sein.

 

Glücklich vereint.

 

 

Ende

                                         

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