Remember the Place

von SpikesChild

 

 

Timeline: London 1905

Hauptchara: Angel(us)/Spike

Inhalt: Angelus, Spike, Darla und Dru sind eine ganz "gewöhnliche" Vampirfamilie. Doch Spike hat genug von seinem Dasein als Childe von Angelus, der Geisel von Europa. Nach einem Streit mit seinem Sire, verlässt er den Vampirclan, um auf eigenen Beinen zu stehen.

Hinweis: Spielt nicht im Jossverse. Angelus wird nie eine Seele erhalten und die Vampirfamilie wird nie auf Buffy stoßen.

 

Es war ein typischer verregneter Tag im alten London. Der mit Wolken verhangene Himmel ließ keine Sonnenstrahlen auf die Erde durchdringen. Trotz des schlechten Wetters, tummelte sich allerlei Gesellschaft auf den belebten Straßen. Unter ihnen ein Mann, der vor Wut und Bitterkeit zerfressen war, und sich auf die Suche nach einer neuen Existenz machte.

Es hatte wieder mal einen Streit gegeben. Angelus war böse auf ihn gewesen, und hatte ihm eine lange Standpredigt gehalten. Er hatte wieder mit Strafe gedroht. Immer dasselbe, wie schon tausend Male zuvor. Immer wieder. Und er hatte genug davon. Er hatte genug von den langen Standpauken und von all den Strafen. Er hasste sein Dasein als Childe und wollte endlich frei sein.

William war schon eine ganze Weile in London unterwegs, um sich ein eigenes Plätzchen zu suchen. Einen Ort, wo er allein bestimmen könnte, was er tut, oder nicht. Nur er allein. Er durchkämmte zuerst die wohlhabenden Viertel und wanderte schließlich immer weiter an die Randgebiete der Stadt. Dort, wo der ganze Abschaum lebte. Wo es immer leicht war, sich ein Opfer zu suchen. Dort, wo William wusste, dass Angelus nicht sein würde.

Angelus liebte das Leben in den angesehenen Kreisen. Er bevorzugte die reichen Viertel der Städte. Er und Darla suchten stets Kontakt zu den wohlhabenden Leuten. Sie liebten das Leben in Luxus und den Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation. Doch William hasste all die Regeln, die sich zwangsläufig mit diesem Luxusleben ergaben. Er durfte nicht töten, wen, und wann er wollte. Er musste immer auf die Erlaubnis seines Sires warten.

Immer hatte es geheißen, es wäre zu gefährlich entdeckt zu werden. Es würde die Familie in Gefahr bringen. Immer hieß es, er müsse sich an diese Regeln halten, solange er in dieser Familie leben, und die Annehmlichkeiten ihres Daseins genießen wollte. Und davon hatte er endgültig genug. Also beschloss er auf Familie und Annehmlichkeiten zu verzichten und ein eigenes Leben zu führen.

Angetrieben von der Euphorie, endlich unabhängig zu sein, durchstreifte er die schmutzigen Londoner Gassen der Armenviertel. Je weiter er von Angelus und seiner Familie weg kam, umso freier und unabhängiger fühlte er sich.

In einer der Gassen schnappte er sich einen vorbeigehenden Vagabunden. Er packte ihn, zog ihn zu sich und versenkte seine Zähne in dessen Hals. Obwohl er und sein Opfer nicht allein in dieser Straße waren, kümmerte es sonst Keinen, als dieser sich mit einem erstickten Schrei wehrte und in seinen Armen zappelte. Es kümmerte Niemand, als er den leblosen Körper einfach zu Boden fallen ließ. Es war ein großartiges Gefühl für William, sich einfach zu nehmen, was und wann er wollte.

Die wenigen Menschen in dieser Gasse sorgten sich nur um ihr eigenes Leben und kümmerten sich nicht darum, was neben ihnen geschah. Sie hielten nur vorsorglich Abstand, versuchten sich unauffällig zu verhalten, oder flüchteten aus der Gasse. Doch niemand dachte daran ihn aufzuhalten. Und als der Vampir sein Opfer zu Boden fallen ließ und unbekümmert weiter ging, eilten sie herbei, wie hungrige Hyänen und beraubten den leblosen Körper von allem Hab und Gut, welches in dieser kalten Stadt brauchbar war.

William verließ diese Gasse, während er sich das Blut mit einem Taschentuch von den Lippen wischte. Er blickte nur zufällig auf sich herab und bemerkte den Schmutz an seinen Kleidern. Der Schmutz und der Gestank der Gosse klebten überall an seinem Gewand. Auf seiner Zunge schmeckte er noch das Blut, zusammen mit einem faden Beigeschmack aus stinkendem Schmutz und Schweiß. Es war zwar gut gewesen, sich einfach so ein Opfer zu schnappen, doch sein nächstes wollte er sich vorsorglicher auswählen.

 Er schlenderte weiter, auf der Suche nach einer Taverne um sich, für den Rest des Tages, einen sicheren Platz zum Ruhen zu gönnen. Er merkte dabei nicht, dass er bereits seit einer geraumen Weile verfolgt worden war. Eine dunkle unauffällige Gestalt schlich schon seit einigen Straßen hinter ihm her und hatte ihn auch dabei beobachtet, als er mitten am Tage einem Menschen das Blut aus den Adern gesaugt hatte. Erst als William in der Taverne verschwunden war, und nicht sobald wieder herauskam, schlich sich diese Gestalt lautlos davon.

William hatte genug Geld, um für eine ganze Woche im voraus ein Zimmer zu bezahlen. Er orderte noch zwei Flaschen feinsten Tropfen Whiskey, womit sein Geld zwar aufgebraucht war, doch das kümmerte ihn nicht. Er würde sich in der kommenden Nacht ein weiteres Opfer suchen, und dieses um sein Geld erleichtern. Also, wozu sollte er sparen? Es bestand für ihn kein Grund dazu. Nicht so, wie Angelus es immer getan hatte. Er wollte nichts tun, wie es Angelus immer tat.

****

Die kommenden Nächte hatten ihm zwar neue Opfer, jedoch keinen einzigen Penny Geld gebracht. Immer waren es arme Bettler und Vagabunden gewesen, denen er das Blut ausgesaugt hatte. Langsam widerte ihn dieser fade Beigeschmack der Gosse an, und er sehnte sich nach dem frischen Blut einer jungen Dirne. Oder eines jungfräulichen Burschen. Er begann sich auch nach der Nähe seiner Familie zu sehnen. Vor allem nach der seines Sires. Doch dieses Gefühl verdrängte er so gut er konnte. Er wollte nicht mehr zurück. Nie mehr!

Da er kein Geld mehr für sein Zimmer hatte, vertröstete er den Wirt, ihm das Geld später zu geben. Doch auch später konnte William nur ein paar lumpige Groschen ergattern, die nicht annähernd für ein so gutes Zimmer reichten, das er gewählt hatte. Es kümmerte ihn jedoch nicht weiter. Falls der Wirt Ärger machen würde, würde er ihn einfach töten.

Der Wirt hatte genug von seinem Gast, der von Tag zu Tag mehr nach Gosse stank und seine Zeche nicht mehr bezahlen wollte. Also heuerte er fünf kräftige Schlägertypen an, die für ein paar Cent sogar gemordet hätten. Diese brachen bei Tage in Williams Zimmer ein, während er noch geschlafen hatte, und überrumpelten ihn vollkommen. Sie schlugen brutal auf ihn ein. William war zu überrascht gewesen und es waren einfach zu viele auf einmal.

Er verlor das Bewusstsein und sie warfen ihn aus der Taverne. Zu seinem Glück war es ein, für London typischer, bewölkter Tag, sodass die Sonne ihn nicht verbrannte. Sie zerrten ihn ein paar Seitenstraßen weiter zu einer Sackgasse und warfen ihn dort einfach in einen Berg von Dreck und Abfall, den die Anwohner dieser Gasse dort zusammengehäuft hatten. So etwas wie eine öffentliche Müllentsorgung gab es in dieser Gegend nicht, und so lag William in Mitten unter verdorbenen Essensresten, toten Tierkadavern und den stinkenden Fäkalien der Bettler und Obdachlosen, die diesen Ort als Toilette nutzten.

Ein paar Bettler kamen sofort näher und wollten William seine Kleider vom Leib stehlen. Sie zerrten an seinen Schuhen. Den Mantel, den er besessen hatte, hatte sich bereits einer der Rausschmeißer unter den Nagel gerissen, also zogen sie ihm seinen Frack aus. William erwachte gerade rechtzeitig, bevor einer der Vagabunden mit seinen Schuhen davon laufen konnte. Blitzschnell und Kampfbereit sprang er auf, da er im ersten Moment glaubte noch in seinem Zimmer zu sein.

Er reagierte mehr aus Reflex, und tötete alle Menschen um ihn herum, die gerade versucht hatten ihn zu bestehlen. Erst als nur noch Leichen vor seinen Füßen lagen, begann er zu realisieren, wo er sich befand. Fluchend und schimpfend stellte er fest, dass er von oben bis unten verdreckt war, und erbärmlich stank. Nur mit Socken an seinen Füßen stand er in einer undefinierbaren stinkenden Brühe, die auch am Rest seines Körpers bis zu seiner Haut vordrang. Wüten zog er sich seine Schuhe und seinen Frack wieder an und stapfte davon.

Sein nächtlicher Beobachter war stummer Zeuge des Geschehens gewesen und huschte unbemerkt in einen Schatten, als William direkt an ihm vorbei ging. William war so wütend, dass er die nahe Gegenwart eines anderen Vampirs nicht bemerkt hatte. Er hatte das dringende Bedürfnis ein ausgiebiges Bad zu nehmen und brauchte dringend etwas Geld, um sich endlich wieder etwas Luxus leisten zu können, also steuerte er trotz seines erbärmlichen Aussehens in die wohlhabenden Viertel der Stadt.

*****

William verbarg sich in einer dunklen Seitengasse und wartete geduldig auf einen günstigen Moment. Für einen Vampir war es noch sehr früh. Selbst an einem so verregneten Tag wie diesen, hatte Angelus es nie zugelassen vor dem Einbruch der Nacht zu jagen. Der Sonnenuntergang war gewiss noch vier Stunden entfernt, doch William scherte das nicht.

Als eine hübsche und nach deren Erscheinung her scheinbar wohlhabende Frau ohne Begleitung an ihm vorbei ging, sprang er aus seinem Versteck, zerrte sie in die Seitengasse und stürzte sich sofort an deren zarten und herrlich wohlriechenden Hals. Die Frau konnte gerade noch einen erstickten Schrei von sich geben, was jedoch reichte, um einige Passanten auf das Geschehen aufmerksam zu machen.

Sofort stürmten einige hilfsbereite Männer herbei, um die werte Dame zu retten. Einer der Männer rief nach einem Wachmann, der gerade in der Nähe seine tägliche Runde machte. Sofort alarmierte er die ganze Gegend mit einem lauten Warnpfiff aus seiner Pfeife.

Die Gegend war von wichtigen und wohlhabenden Leuten bewohnt, weshalb hier stets einige Wachmänner zu gegen waren. William schaffte es kaum, seinen Durst zu stillen, als bereits einige Männer auf ihn zustürmten um ihn zu überwältigen. Wütend stieß er die zappelnde Frau von sich, und hielt sich die zahlreichen Männer mit einem bedrohlichen Knurren vom Leib. Einige Wachmänner eilten herbei, und als sie die unnatürliche Gestalt des Angreifers erblickten, richteten sie sofort ihre Waffen auf ihn.

Die Schießeisen, die die Wachmänner bei sich trugen, konnten William zwar nicht töten, doch sie richteten schmerzhafte Wunden an. William wurde zweimal getroffen, ehe er aus der Gasse fliehen konnte. Die Wachmänner folgten ihm. Ebenso einige der Bewohner, die schnell zu einer sehr bedrohlichen Menge heranwuchsen und mit brennenden Fackeln bewaffnet hinter dem Teufelswesen hereilten, das sie in dem Flüchtenden vermuteten.

William hetzte so schnell er konnte durch die engen Gassen der Stadt, achtete dabei aber nicht wohin er lief. Statt in die ärmeren Viertel zurück zu laufen, blieb er in der Nähe der Stadtmitte, wodurch er die Aufmerksamkeit von immer mehr Bewohnern auf sich zog, und seine Verfolger immer zahlreicher wurden.

Wegen seiner Verwundung, war er nicht so schnell und stark, wie er es sonst wäre, wodurch sich der Abstand zu seinen Verfolgern gefährlich verringerte. Er versuchte sie abzuschütteln, indem er mehrmals die Richtung wechselte und in verschiedene Seitengassen abbog. Schließlich landete er in einer Sackgasse und kam nicht mehr weiter. Eine wütende Menge Männer mit brennenden Fackeln und einige Wachmänner mit Schießeisen standen ihm nun direkt gegenüber.

Kampfbereit richtete er sich auf. Er war nicht bereit sich seinem Schicksal ohne Gegenwehr zu stellen. Sich in ihrer Gemeinschaft stark fühlend, wagten es gleich mehrere Männer auf ihn zu stürmen. Sofort war William in einem Kampf um Leben und Tod verwickelt. Es waren zu viele auf einmal, als dass er sie wirkungsvoll abwehren konnte. Außerdem war er durch seine Verwundung geschwächt.

Sie drängten ihn in eine Ecke und schlugen vereint auf ihn ein. Er konnte nicht mehr tun, als sein Gesicht unter seinen Armen zu schützen. Er musste viele empfindliche Treffer einstecken, als plötzlich von den Dächern der umliegenden Gebäude ein paar dunkle Gestalten sprangen und in den Kampf mit eingriffen.

Die Bewegungen der Gestalten waren zu schnell, als dass die anwesenden Menschen sie deutlich erkennen konnten. Einige der Menschen fanden ein schnelles Ende in dieser Sackgasse. William spürte starke Hände, die ihn von seinen zahlreichen Gegnern entrissen und ihn hochhoben. Durch seine geschwollenen Augen konnte er nur wage die Gestalt eines Vampirs erkennen, der ihn rasch aus der Gasse und in eines der Gebäude trug, während er hinter sich die Todesschreie einiger der Menschen hörte.

Er vermutete, dass Angelus hinter dieser Rettungsaktion steckte und wusste nicht, ob er glücklich oder verzweifelt sein sollte. Von seinen Verletzungen zu sehr erschöpft und sich in Sicherheit fühlend, gestattete er sich schließlich in die Bewusstlosigkeit zu driften

****

Als William langsam zu sich kam, hörte er eine unbekannte weibliche Stimme, die ihn begrüßte: „Schön, dass du endlich zu dir kommst."

Vorsichtig öffnete er die Augen und sah sich genauer um. Neben ihm, auf dem warmen weichen Bett, in dem er lag, saß eine atemberaubende Schönheit, die gerade dabei war seine verbundenen Wunden an seiner Brust zu überprüfen. Jemand hatte ihm sein stinkendes Gewand ausgezogen und seinen Körper gereinigt, was er mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis nahm. Wenigstens stank er nun nicht mehr so Gott erbärmlich.

William brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass diese Frau eine Vampirin war. Sofort blickte er sich suchend nach seinem Sire um. Doch weder sah er ihn, noch konnte er dessen Gegenwart spüren, weshalb er eine leichte Enttäuschung verspürte, die er jedoch sofort aus seinen Gefühlen verdrängte.

Das Zimmer, in dem er lag, war ihm vollkommen fremd. So fremd, wie die schwarzhaarige Frau, die ihn mit hellen eisblauen Augen genau musterte. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er solche stechende Augen gesehen. Misstrauisch fragte er schließlich: „Wer bist du?"

„Du kannst mich Helena nennen. Ich bin Anführerin des Osiris-Clans. Von welchem Clan stammst du? Und was machst du so allein in meinem Jagdgebiet?"

Ihre Worte strahlten eine versteckte Strenge aus, welche William unweigerlich an Angelus erinnern ließ. Der Osiris-Clan war ihm zwar bekannt, doch er konnte sich nicht daran erinnern, ob er gegenüber dem Aurelius-Clan wohl gesonnen, oder feindlich war. Angelus hatte mehrfach versucht ihm Wissen über alle wichtigen Vampir-Clans mit samt seinen Anführern beizubringen, doch er hatte sich nie dafür interessiert. Gerade jetzt wünschte er sich, er hätte ein klein wenig besser aufgepasst, als Angelus ihm von dem Osiris-Clan erzählt hatte.

„Ich heiße Spike. Ich bin auf der Durchreise. Mein Clan ist tot", log William.

„Du bist noch ziemlich jung. Du solltest nicht alleine unterwegs sein. Wenn du willst kannst du bleiben und dich uns anschließen", erklärte Helena, während sie, zufrieden darüber erfahren zu haben, was sie erfahren wollte, aufstand und die Zimmertüre öffnete.

William wollte protestieren. Diese Clanführerin hatte scheinbar dieselbe Einstellung, wie Angelus es hatte, weshalb er sich nicht diesem Clan anschließen wollte. Doch ehe er etwas dazu sagen konnte, betrat ein weiterer Vampir den Raum. Er grüßte Helena mit viel Respekt, wodurch William sofort dachte, es wäre einer ihrer Lakaien.

„Sire, Markus ist von der Jagd zurück. Er hat dir und unserem Gast etwas zu Trinken gebracht."

„Ich danke dir, Childe. Bringt es uns."

„Ja, Sire."

Helena wandte sich zurück zu William, der das ganze staunend beobachtet hatte. Irgendwie irritierte ihn das Verhalten der Vampire. Er wusste nicht, was genau ihn verwirrte, doch irgendetwas war anders an dem Verhalten zwischen diesen Vampiren. Er hatte das unterwürfige Verhalten des Childes bemerkt. Angelus hatte nie darauf bestanden, dass er sich ihm gegenüber unterwürfig zeigte. Und auch Angelus selbst zeigte gegenüber von Darla niemals ein solches Verhalten. Sie bemerkte seinen verwirrten Blick und erklärte: „Das war Darken. Er ist mein ältestes Childe. Er hat Nahrung für uns."

William war neugierig geworden und wollte mehr über Helena erfahren.

„Wie viele Childer hast du?"

„Ich habe vier. Darken, mein Ältester, Morgana, Sirius und Markus. Sie haben alle bereits weitere Nachkommen. Wenn du dich stark genug fühlst, um aufzustehen, stelle ich dir meinen Clan vor."

William überprüfte seinen körperlichen Zustand und fühlte sich fit genug. Er richtete sich ohne größere Mühe auf, was Helena ein wenig überraschte. Für das geringe Alter, das Helena ihn geschätzt hatte, besaß er zu viel Stärke und seine Wunden heilten schneller als bei einem Vampir, der lange Zeit ohne Familie lebte, weshalb sie ihn misstrauisch beobachtete. Sie reichte ihm einen warmen Morgenmantel, den William dankbar annahm. Es war ein Ähnlicher, wie Angelus ihn immer trug, was er nachdenklich feststellte. Doch er verdrängte diesen Gedanken sofort, da er nicht wieder an seinen Sire erinnert werden wollte.

William folgte Helena aus dem Zimmer. Darken kam ihnen in Begleitung eines weiteren Vampirs entgegen. Sie hatten je ein menschliches Opfer bei sich, das gefesselt und geknebelt war. Ein junges Mädchen, und einen hübschen jungen Burschen. Helena winkte Darken freundlich zu, der ihr und William schließlich folgte. Helena führte William in einen größeren Raum. An einer Seite stand ein großes bequemes Bettlager, das groß genug war, um mehr als fünf Vampire gleichzeitig zu beherbergen. Darin lag ein Paar, das sich miteinander vergnügte. Als sie merkten, dass Helena den Raum betreten hatte, blickten sie kurz auf, um die Clan-Herrin mit einem ehrfürchtigen Nicken zu begrüßen.

Helena lächelte den Beiden im Bett freundlich zu und deutete ihnen an, dass sie ruhig weiter machen durften. William erregte der Anblick des Paares, das nun ihr Liebesspiel, von den zahlreichen Zuschauern unbekümmert fort fuhr. Außer ihnen waren noch eine ganze Menge weiterer Vampire im Raum, die Helena ebenfalls ihre Ehrerbietung darboten und sie respektvoll begrüßten. William war von all dem, was er hier sah sehr verwirrt.

Außer seiner kleinen Familie, war er noch nie einem anderen Vampir-Clan begegnet gewesen. Er hatte bisher noch nicht mal den Meister, das Oberhaupt des Aurelius-Clans, kennen gelernt. Er wusste nicht, ob dies ein normales Verhalten war. Doch ihn beeindruckte es sehr, dass alle Vampire Helena wie ihre Königin behandelten. Als sei sie etwas ganz besonderes.

Ihre freundliche Art und das respektvolle Verhalten der vielen Clanmitglieder ließen William vermuten, dass Helena eine sehr gute Clanführerin sein musste. Viel besser, als Angelus es zu ihm war. Er war sehr von dieser Frau angetan und wollte mehr von diesem Clan kennen lernen.

Helena lächelte William freundlich zu und begann schließlich ihre Childer vorzustellen: "Das hier ist meine Familie. Die rothaarige Vampirin, die sich gerade in unserem Bett vergnügt ist Morgana, mein zweites Childe. Darken kennst du ja bereits und der stattliche Mann neben ihm ist Markus, mein Jüngster und Treuester."

Von ihren Worten berührt, trat Markus zu ihr und ging vor ihr auf die Knie. Sie legte ihm zärtlich ihre Hand an die Wange und deutete ihm an sich zu erheben. Liebevoll küsste sie ihn auf den Mund. Ein leises verlangendes Stöhnen entwich seinen Lippen. William erkannte deutlich, wie sehr sich Markus nach seinem Sire sehnte. Unweigerlich erinnerte er sich an seine ersten Zöglingstage bei Angelus. Ihm war es damals ähnlich ergangen. Er hatte sich auch so sehr nach seinem Sire gesehnt, bis all die Regeln kamen.

William fragte sich, wie alt Markus sei. In der Regel können Vampire das Alter eines anderen Vampirs gut abschätzen. Das ist wichtig. Es sorgt für den nötigen Respekt gegenüber den Älteren, und bewart die Jüngeren vor tödlichen Fehleinschätzungen. Nach seinem Verhalten hätte William ihn für sehr jung geschätzt. Doch sein Gefühl sagte ihm deutlich, dass Markus weit älter war, als er selbst.

Als Markus sich respektvoll zurückzog, deutete Helena auf die zahlreichen anderen Vampire im Raum und erklärte weiter: "Dies hier sind alles Childer und Grandchilder meiner Childer. Wir leben schon seit vielen Generationen in einer engen Gemeinschaft. Sie alle stehen unter meiner Obhut. Wenn du möchtest und du dich als Loyal erweist, kannst zu unserer Gemeinschaft beitreten. Du kannst dir alles in Ruhe ansehen, bis du dich entscheidest. Kein Geheimnis soll dir verborgen bleiben."

William war überrascht über diese Offenheit. Dieser Clan hier war so ganz anders, als er sich je einen Vampirclan vorgestellt hatte. Angelus hatte zwar oft versucht ihm von anderen Familien zu erzählen, doch er hatte nie richtig zugehört gehabt. William konnte sich jedoch noch an die zahlreichen Warnungen erinnern und daran, wie Angelus oft erwähnt hatte, dass es bei anderen Familien um ein vieles Strenger hergehen würde.

Helena aber, war so freundlich und sanftmütig zu ihren Childern. Ganz anders als Angelus. All die Childer und Childeschilder des Clans begegneten ihr mit großem Respekt und Ehrerbietung. Dies deutete für William darauf hin, dass sie sehr großmütig und sehr nett zu ihnen sein musste. Qualitäten, die er bei Angelus noch nie gesehen hatte. Er wurde immer neugieriger und der Clan faszinierte ihn immer mehr.

"Du wirst sicher hungrig sein. Hier, trink", bot Helena ihm an, worauf Darken mit dem jungen Mädchen in seinem Griff zu William trat, und ihm dessen nackten Hals darbot.

William war wirklich hungrig. Die Hetzjagd durch die halbe Stadt und die Heilung seiner Wunden forderte ihren Tribut. Gierig stürzte er sich sofort auf sein Opfer und versank seine Zähne in deren zartes Fleisch. Genüsslich saugte er das junge frische Blut in sich. Seit Tagen, war dies das Beste, was er zu trinken bekommen hatte.

Während er seinen Durst stillte, spürte er die Blicke aller anwesenden Vampire auf sich ruhen. Ohne von seinem Opfer zu lassen, ließ er seine Augen unauffällig im Raum umherwandern und traf dabei auf einige sehnsüchtige Blicke anderer Vampire. Selbst Darken beobachtete ihn, als wäre er neidisch auf das Mädchen, welches William genüsslich aussaugte.

Zwischen den Vampiren, fiel William ein Vampir besonders auf. Dieser wirkte älter, als die meisten anderen hier. Er hatte langes schwarzes Haar und beinah so helle und stechende Augen, wie Helena selbst. Hass spiegelte sich darin, doch William konnte nicht deuten auf wen dieser Hass gerichtet war.

Als er sich schließlich von dem Mädchen löste, hörte er hinter sich das Wimmern des Menschenjungen. Er blickte zurück und sah, wie Helena ihre Zähne in dessen Hals vergraben hatte, während ihr Childe Markus gleichzeitig am Handgelenk des Jungen saugte. William ließ seine Mahlzeit achtlos zu Boden fallen und blickte zurück zu dem Vampir, der ihm aufgefallen war, doch er konnte ihn nicht mehr entdecken.

****

„Was heißt das, du hast ihn verloren?!", schrie Angelus wütend auf, als sein Diener ihm die Nachricht überbrachte.

„Es ging so schnell, Master Angelus! Es waren zu viele Menschen dort. Ich habe mich unter sie gemischt, um ihm zu helfen, doch als ich endlich in der Sackgasse ankam, war er verschwunden. Es wurden viele Menschen getötet, das kann unmöglich er allein gewesen sein."

Angelus war mehr als wütend. Er packte den Lakaien am Hals und presste ihn gegen die Wand, wodurch eines der teuren Gemälde zerstört wurde. Sein Vampirgesicht lag nur wenige Zentimeter von dem seines Dieners und seine goldenen Augen sprühten vor Zorn.

„Du hattest nur eine ganz einfache Aufgabe zu erledigen. Du solltest ihn nur im Auge behalten. Nicht mehr und nicht weniger. Warum war das so schwer?"

„Ich bitte um Verzeihung, Master. Es müssen andere dort gewesen sein. Ich kann es mir nicht anders erklären. Ein paar der Überlebenden berichteten von übernatürlichen Wesen, die ihn gerettet hätten", presste er aus zusammengedrücktem Halse hervor, in der Hoffnung Angelus würde sein Unleben verschonen.

Angelus schleuderte seinen Lakaien quer durch die Luft, sodass dieser an der gegenüberliegenden Seite des Zimmers unsanft landete.

„Geh mir aus den Augen!", schrie er ihn an, worauf dieser fluchtartig den Raum verließ.

„Beruhige dich Liebling. Ihm wird schon nichts passieren", hörte er die liebliche Stimme seines Sires. Darla lehnte anmutig gegen das Kopfende ihres gemeinsamen Bettes.

„Hast du nicht zugehört, was Michael gerade gesagt hat?"

„Doch. Fremde übernatürliche Wesen haben ihn gerettet. Was denkst du wohl, wer das gewesen ist?"

„Es kann nur Helena gewesen sein. Das weißt du genau. Also schwebt er in Gefahr!"

„Angelus, mein Schatz. Helena würde es nie wagen ihn zu töten. Sie kennt dich. Sie weiß wozu du fähig bist. Also, was wird sie wohl mit ihm machen?"

Angelus dachte eine Weile darüber nach und antwortet dann: „Du hast recht. Sie wird ihn nicht töten. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht? Vielleicht lernt er dann endlich was es bedeutet, Chlide des Angelus vom Aureliusclan zu sein."

****

Teil 2

Die nächsten Nächte verbrachte William fast ausschließlich an Helenas Seite. Sie gingen gemeinsam auf Jagd, wobei sie ihm niemals Vorschriften machte, wen oder wann er töten sollte. Hauptsächlich jagten sie in der ärmeren Umgebung der Stadt, wobei Helena ihm ein paar gute Orte zeigte, wo es immer frisches und wohlschmeckendes Blut zu finden gab.

Auch sonst konnte er tun und lassen was er wollte. Während der langen Tage, in denen die Vampire gezwungen waren, Schutz vor der Sonne zu suchen, erlaubte ihm Helena sich unter den noch jungen weiblichen Zöglingen des Clans welche auszusuchen, die dann von ihr angewiesen wurden ihm Gesellschaft zu leisten und all seine Wünsche zu erfüllen.

William genoss diese Vergnügungen. Er genoss es derjenige zu sein, der die Oberhand hatte. Er mochte es, sich von den jungen Vampirinen verwöhnen zu lassen. Doch gleichzeitig vermisste er auch die härtere Hand seines Sires auf seinem Körper. Mit jedem Stoß, mit dem er sich selbst tief in die willigen Körper vergrub, stellte er sich vor, dass er es wäre, der willig auf der Matratze dalag und dass es sein Sire wäre, der voller Leidenschaft in ihn stieß. Und jedes Mal, wenn er seine Erleichterung von sich schrie, stellte er sich vor, dass Angelus Augen ihn ansahen und dieser ihn wissend anlächelte.

Sobald es vorbei war, schickte er die Mädchen fort, um allein zu sein. Um all diese Gedanken an Angelus zu verdrängen. Um sich selbst daran zu erinnern, dass er keinen Sire brauchte. Und er fragte sich, ob er es je schaffen würde, sich vollkommen von seinem Erzeuger zu lösen.

Zunächst aber genoss er sein Leben bei Helena. Hier war alles anders. Hier war er sein eigener Herr. Helena versuchte nie ihm irgendetwas beizubringen, und auch ihren Childern hielt sie nie irgendwelche Lehrpredigten, so wie Angelus es bei ihm immer getan hatte.

Er war fasziniert von ihr und der Art, wie sie ihren Clan anführte. Sie war immer überaus freundlich und liebevoll. Alle begegneten ihr mit viel Respekt. William war überzeugt davon, dass es in diesem Clan um Längen besser war, als bei Angelus und seiner Familie.

Mit großem Interesse beobachtete er das gesamte Geschehen innerhalb des Clans. Bisher konnte er absolut nichts Negatives daran entdecken. Er wunderte sich nur darüber, dass er diesen einen Vampir, der ihm an seinem ersten Tag im Clan aufgefallen war, nicht mehr wieder gesehen hatte. Er hatte oft nach ihm Ausschau gehalten, doch bisher hatte er ihn nicht entdeckt. Helena wollte er nicht fragen, weil er sich mittlerweile gar nicht mehr sicher war, ob er diesen Vampir tatsächlich gesehen hatte, oder ob er es sich nur eingebildet hatte. Doch trotzdem hielt er weiterhin nach ihm Ausschau.

*****

Es war Nacht. Helena hatte ihm gerade eine stark besuchte Taverne gezeigt, in der sie mitten unter den vielen Menschen, die sich hier einen Abendtrunk gönnten, ihren Durst gestillt hatten. Darken hatte sie beide begleitet. Er hatte James, sein jüngstes Childe bei sich, das gerade mal ein paar Wochen alt war. James war sehr aufgeregt. Er wich keinen Schritt von seinem Sire. Darken schien dies nicht sehr zu gefallen, da er sehr angespannt wirkte und James öfters in die Schranken zurück wies.

Dies erinnerte William sehr an seine Zöglingszeit. Als er gerade frisch verwandelt von Angelus geführt wurde. Als Angelus begann ihm die Nacht und das Jagen zu zeigen. Als er ihm lehrte, wie man richtig kämpft. Wie man die vampirischen Kräfte am besten einsetzt. Wie man seine Opfer möglichst schnell und lautlos tötet. Wehmut schlich sich dabei zwischen seine Gefühle. Er vermisste diese Zeit sehr. Damals war es noch schön, ein Vampir zu sein.

James war unglaublich aufgedreht von dem Blutrausch in der Taverne. Es war seine erste richtige Jagd gewesen. Selbst für William war es unheimlich aufregend unbemerkt zwischen so vielen Menschen zu jagen, weshalb der junge James geradezu euphorisch war. Begeistert tänzelte er um Darken herum und wiederholte jede Einzelheit seiner ersten Jagd.

William erinnerte sich an seine erste Jagd. Damals war er genauso aufgedreht gewesen. Es war noch in der ersten Nacht gewesen, in der er als Vampir auferstanden war, weshalb er sich kurz wunderte, warum James erste Jagd so spät stattfand. Damals war William so aufgeregt, dass auch er jede Einzelheit der Jagd wiederholt hatte, und Angelus hatte ihm zugehört. Er hatte ihn gelobt und ihm gesagt, was er das nächste mal besser machen könnte. Und dann hatte er ihn geküsst.

Diesen Augenblick würde William niemals vergessen. Der Augenblick, als Angelus ihn das erste mal geküsst hatte. Er war berauscht gewesen, von dem Blut seines ersten Opfers und fühlte sich unendlich zu seinem Erzeuger hingezogen. Es war wie die Erfüllung allen Seins gewesen. Es war die Krönung einer perfekten Nacht.

Diese Nacht damals war noch besser geworden, als Angelus und er zurück in ihre Residenz gekommen waren. In dieser Nacht zeigte Angelus ihm, wie Vampire lieben.

Verwirrt schüttelte William all diese Erinnerungen von sich. Angelus liebte ihn nicht. Niemals!

James stand nun vor Darken, seinem Sire, und blickte ihm sehnsüchtig in die Augen. William kannte diese Sehnsucht sehr gut. Er selbst verspürte sie gerade in diesem Moment. Die Sehnsucht nach seinem Sire. Darkens strenger Blick wurde sanfter. Er griff mit der flachen Hand nach James Wange und strich mit seinem Daumen sanft über dessen Haut. James lehnte sich in diese zarte Berührung.

William sah etwas in Darkens Augen, was ihn ein wenig verwirrte. Es war tiefe Zuneigung. Er konnte Darken richtig ansehen, wie sehr er sich nach James sehnte. Er erkannte deutlich, wie gern Darken hier und jetzt seine Lippen auf die seines Childes senken wollte, doch aus irgendeinem Grund hielt er sich zurück. Er fragte sich, ob Angelus damals auch dieses Verlangen in sich gespürt hatte, oder ob er es nur getan hatte, damit Williams Sehnsucht nach ihm stärker wurde.

Darken gab seinem Verlangen schließlich nach. Er beugte sich vor, und gab James einen leichten Kuss auf dessen Lippen. William lächelte, da es schöne Erinnerungen in ihm weckte. Doch sein Lächeln erstarb augenblicklich, als er sah, wie Helena an James Rücken trat und einen Holzpflock in dessen Brust stieß. Darken erstarrte, als sein Childe direkt vor ihm zu Staub zerfiel. Tiefer Schmerz stand ihm ins Gesicht geschrieben.

In seiner Hand, die noch immer an der Stelle hing, wo James Wange zuvor gewesen war, befand sich etwas von dem Staub, der einst sein Childe war. Tränen sammelten sich und drohten aus seinen Augen zu treten. Wie in Schock, küsste er die letzten Staubkörner in seiner Hand.

„Ich hab dich gewarnt. Du weißt, dass ich so was nicht dulde. In meinem Clan gibt es kein Küssen zwischen Männern!" herrschte Helena ihn an. Ihre Stimme war schneidend und völlig anders, als sonst.

Darken blickte zu ihr und protestierte: „Es war nur sein natürliches Bedürfnis als Childe!"

Darken erschrak regelrecht über seine eigenen Worte, was William sehr verwirrte. Helena veränderte ihr Verhalten erneut, und wurde wieder die sanfte erhabene Herrscherin. Sie strich ihm liebevoll über das Haar und schnurrte: „Wolltest du mir gerade widersprechen?"

Sofort senkte Darken demütig seinen Blick und erwiderte: „Nein Sire. Ich bitte um Verzeihung."

William begriff nicht, was hier gerade passiert war, doch er besaß genug Feingefühl, um nicht danach zu fragen. Nachdenklich beobachtete er das sorglose Verhalten von Helena, die, als sie zurück zu ihrem Versteck gingen, so tat, als wäre nichts geschehen, während Darken versuchte seinen Schmerz zu unterdrücken und ihr und William schweigend folgte.

Kurz bevor sie in ihrer Unterkunft ankamen, meinte Helena zu William, dass sie noch Lust auf eine weitere Jagd hätte. Die Nacht war noch jung und es wäre noch genug Zeit gewesen, doch William entschuldigte sich, dass er müde sei und sie nicht begleiten wolle.

Sie ordnete Darken an, sich um Williams Wohl zu kümmern und ging dann ihres Weges, um sich für diese Nacht noch ein leckeres Opfer zu suchen.

William schaute ihr noch nach, bis sie weit außer Reichweite war und wandte sich dann zu Darken, der mit gesenktem Kopf vor ihm Stand und auf seine Wünsche wartete.

„Warum hat sie James getötet?" fragte William.

Darken blickte erst überrascht auf, erwiderte dann aber: „Darüber darf ich nicht sprechen."

William verstand nicht, warum Darken sich so unterwürfig verhielt. Darken war ein großer starker Vampir. Er hatte in etwa die Statur wie Angelus. Er war gewiss viermal so alt, wie William, wenn nicht noch mehr, aber dennoch verhielt er sich wie ein Diener.

„Wieso nicht?"

William konnte Darken förmlich ansehen, wie er mit sich selbst kämpfte. Darken wollte ihm etwas erzählen, doch ganz offensichtlich fürchtete er sich davor. William verstand jedoch nicht, wovor er sich so sehr fürchtete. Schließlich hatte Darken seiner Meinung nach den wohl besten Sire, den es gibt. Oder sollte er sich etwa so sehr in Helena getäuscht haben?

Nachdem Darken noch immer nicht antwortete, fragte William neugierig: „Wovor fürchtest du dich?"

Darken überlegte lange, und antwortete dann: „Wenn sie heute nach ihrer Jagd zurückkommen wird und sie mich fragen wird, was deine Wünsche waren, werde ich ihr sagen, dass du müde warst und allein sein wolltest. Ich werde sagen, dass ich mich in meine Kammer zurückgezogen habe, um zu Ruhen. Sie darf nicht von der Tür erfahren, die ich dir gleich zeigen werde und hinter der du alle Antworten bekommen wirst."

William nickte verstehend und erwiderte: „Von mir wird sie es niemals erfahren."

Darken lächelte freudlos und sagte: „Sie wird es so und so erfahren, doch das ist es mir wert. Du wirst bald verstehen, was ich damit meine."

William folgte Darken zu den Gemächern, in denen alle Childer von Helena ein eigenes Zimmer hatten, und wo auch William eines der Zimmer bewohnte. Darken ging bis zum Ende des Ganges, wo ein großer schwarzer Vorhang von der Decke bis zum Boden herab fiel. Bisher hatte William dort immer ein Fenster vermutet, und war überrascht, als Darken den schweren Stoff zur Seite hob und eine Tür dahinter erschien.

Darken blickte sich ängstlich um, bevor er an William herantrat und noch sagte: „Sie wird nicht sehr lange fort sein. Beeil dich."

William nickte verstehend und trat zur Türe. Bevor er sie öffnen konnte, verschwand Darken in seinem Zimmer.

Mit einem etwas mulmigen Gefühl, öffnete er die Tür und trat in einen dunklen Raum. Hier war es so finster, dass William kaum die eigene Hand vor Augen sehen konnte. Durch den schweren Stoff des Vorhanges, wurde die Türe wieder zugedrückt, und es wurde noch dunkler. William verwandelte sein Gesicht, um mit scharfen Vampiraugen eine bessere Sicht zu erlangen.

Er erkannte eine wage Gestalt, die in einer Ecke des Raumes kauerte.

„Hallo?" fragte er neugierig.

„William, vom Aurelius-Clan. Ich grüße dich."

„Woher kennst du mich? Wer bist du?" fragte William sofort neugierig und verwirrt darüber, dass hier in diesem dunklen Loch jemand war, der ihn kannte.

„Ich bin Sirius. Childe der Osiris. Wärst du so freundlich, und würdest die Kerze für mich anzünden? Ich selbst kann es leider nicht tun und ich würde dich gerne sehen, wenn ich mit dir spreche."

William blickte sich suchend um, und entdeckte dabei einen Kerzenständer mit einer einzelnen halb abgebrannten Kerze auf dem Boden stehend und ein paar Streichhölzer daneben liegend. Er zündete sie an, worauf sich der Raum ein wenig erhellte. Er hob die Kerze vom Boden auf, und wandte sich dann zu der Gestalt in der Ecke.

Dort lehnte der eine Vampir sitzend an der Wand, den William an seinem ersten Tag hier gesehen hatte. Er trug keine Schuhe. Nur eine alte Hose und ein offenes zerfetztes Hemd, wodurch William zahlreiche Wunden auf dessen Haut erkennen konnte. An Armen und Beinen hatte er schwere Eisenketten, die ihn an die Wand fesselten und ihm nur wenige Meter Freiraum gaben. Er wirkte sehr schwach und erschöpft.

William trat näher, setzte sich vor Sirius auf den Boden und stellte die Kerze zwischen ihnen ab. Nun konnte William den Vampir noch besser erkennen. Lange, schwarze Haare fielen glatt über dessen Schultern und stechend hellblaue Augen trafen die seinen.

Sirius lächelte schwach über den verwirrten Gesichtsaudruck, mit dem William ihn musterte, als er anfing diese Verwirrung zu vertreiben.

„Helena weiß genau wer du bist. Jeder Vampir in der Stadt kennt Angelus und seine Childer. Und jeder Vampir weiß, dass du dich gegen ihn auflehnst. Sie will dich benutzen, um ihn zu bekämpfen."

„Dann war ihr ganzes freundliches Verhalten nur vorgetäuscht?"

„Nein. Helena ist genauso, wie sie ist. Äußerlich ist sie immer gütig und freundlich, aber in Wahrheit ist sie der Teufel."

„Hat sie dir das angetan?"

„Natürlich."

„Warum?"

„Vor etwa dreihundert Jahren hat Helena sich von ihrem Clan getrennt und den Osiris-Clan gegründet. Osiris ist der Gott der Toten. Das Symbol der Auferstehung und des ewigen Lebens. Sie ließ alle ihre Childer im Glauben, dass sie eine wahre Göttin sei. Dass sie selbst Osiris sei und sie allein über den Tod und das Leben bestimmen würde. Natürlich glaubten ihr all ihre Childer. Damals waren es Darken, Morgana und ihr ursprünglich erstes Childe, George, die sie geradezu angebetet hatten.

Dann kam ich. Sie verwandelte mich und machte mich zu Ihresgleichen. Auch mir erzählte sie von ihrer grenzenlosen Macht als Göttin Osiris. Nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich als Mensch studiert hatte, und genau wusste, wer Osiris in Wirklichkeit war.

Ich schwieg lange, schließlich liebte ich sie. Wie alle Childer ihren Sire lieben. Doch dann sah ich ihr wahres Gesicht. Sie ist eine geisteskranke Psychopatin. Sie behandelt all ihre Childer wie Sklaven. Jedes Vergehen gegen ihre idiotischen Ansichten wird mit dem Tode oder mit schrecklicher Folter geahndet. All unsere Zöglinge tötet sie schon bei dem geringsten Fehlern. Sie duldet nur vollkommene Vampire, die würdig sind, ihren Namen zu tragen.

Sie tötete eines meiner Childer. Und das nur, weil sie einen Krug Wein verschüttet hatte. Sie meinte als Göttin wäre es unter ihrer Würde so ungeschickte Childer unter sich zu haben. Ich war so wütend, dass ich sie vor allen anderen anschrie, dass Osiris ein Mann war. Dass er viele Jahre vor ihr gelebt hatte und es nur ein Aberglaube sei, dass er ein Gott sei. Ich hatte sie vor allen Mitgliedern unserer Familie bloß gestellt."

„Nette kleine Geschichte. Und darum hat sie dich hier eingesperrt?"

Müde lächelnd fuhr Sirius fort: „Sie hat alle meine Childer getötet und auch alle deren Nachkommen. Sie hat meine gesamte Nachkommenschaft vernichtet. Mich straft sie seitdem mit quälender Folter und ich durfte seit dieser Nacht nie mehr auf Jagd gehen. Als mein Bruder George mich verteidigen wollte, tötete sie auch ihn und seine gesamte Nachkommenschaft. Sie vernichtete den halben Clan. Mich ließ sie am Leben, damit sie mich täglich weiterquälen kann. Ich glaube sie kann mich nicht töten, weil ich der Spiegel ihrer selbst bin. Weil ich dieselben Augen habe, wie sie. Doch mittlerweile wünschte ich mir, sie hätte mich damals auch getötet.

Lange Zeit sah ich kaum jemanden, außer sie selbst, wenn sie Lust hatte mich zu foltern oder gelegentlich einen der Zöglinge, von denen ich trinken durfte. Erst nach Jahren, durfte ich mich wieder frei bewegen. Zumindest innerhalb unseres Quartiers. Ernähren darf ich mich nur von anderen Familienmitgliedern, die es mir erlauben. Weißt du wie es ist, seit Jahren kein menschliches Opfer mehr gehabt zu haben?"

Kopfschüttelnd verneinte William diese Frage, worauf Sirius weiter erzählte: „Sei froh. Es ist die Hölle! Und als du hier her kamst, hat sie mich wieder weggesperrt, weil sie wusste, dass ich dir die Wahrheit sagen würde."

„Aber wieso dieses ganze Versteckspiel? Warum erzählt sie mir nicht gleich, dass sie Angelus vernichten will? Ich kann ihn nicht leiden! Ich helfe ihr gern."

„Du bist ein Idiot!"

„Kennst du ihn? Weißt du, wie er ist? Weißt du, wie er mir die ganze Zeit Vorschriften macht und mir ständig mit seinen Unterweisungen auf die Nerven geht? Ich wette mit dir, du würdest ihn genauso hassen wie ich!"

„Wie viele Childer hat Angelus?"

„Wieso fragst du? Ich denke du weißt so gut bescheid über mich?"

„Sag schon."

„Zwei. Drusilla und mich."

„Drusilla hat er nur verwandelt, weil sie das zweite Gesicht trägt. Nicht, weil er sie als sein Childe wollte, sondern nur weil er sie so besser unter Kontrolle halten kann. Oder bringt er ihr auch all die Dinge bei, die er dir beibringen will?"

„Nein. Das hätte eh keinen Sinn, weil Dru verrückt ist."

„Siehst du?"

„Nein, verdammt. Was soll ich sehen?"

„Du bist sein einziges Childe. Er investiert seine ganze Energie darin aus dir einen Meistervampir zu machen. Ich schätze du bist seit höchstens dreißig oder vierzig Jahren ein Vampir, nicht wahr?"

„Fünfundzwanzig."

„Nur fünfundzwanzig. Und trotzdem bist du stärker und hast eine bessere Selbstheilung als Darken, der nun schon fast einhundertachtzig Jahre alt ist. Woran liegt das?"

„Keine Ahnung?"

„Wie oft durftest du von Angelus trinken?"

„Weiß ich nicht mehr? Oft."

„Helenas Childer dürfen genau einmal von ihr trinken, und das ist bei ihrer Verwandlung. Und selbst das ist ihr unangenehm. Dadurch, dass Angelus dich von ihm trinken ließ, schenkte er dir seine Kräfte und machte dich viel stärker, als andere in deinem Alter. Vor allem, da es kaum einen mächtigeren gibt, als ihn. Er gab dir alles, was du brauchst.

Helena schenkt keinem ihrer Childer irgendeine Zuneigung oder die Obhut, die ein Zögling normaler Weise braucht. Stattdessen befiehlt sie, dass wir uns viele weitere Nachkommen erschaffen sollen. Je mehr, desto besser. Je mehr Nachkommen, umso größer ist die Macht, die sie hat. Doch sobald sie merkt, dass einer dieser Nachkommen intelligenter ist, als sie, ist er des Todes. Sie hält sie alle absichtlich dumm, denn dumme Vampire lassen sich leichter lenken. Sie bringt keinem ihrer Childer etwas über die alten Vampirgesetze bei. Oder darüber, was ein Vampir wissen muss, um allein zu überleben. Was hat dir Angelus beigebracht?"

„Einiges. Aber der ganze Scheiß interessiert mich überhaupt nicht!"

„Warum denkst du, dass er dir das alles beibringen will?"

„Ich weiß es nicht!" antwortete William langsam einwenig genervt.

„Denk mal darüber nach. Und denk mal darüber nach, wieso du überhaupt in der Lage warst Angelus zu verlassen."

„Was soll das jetzt wieder bedeuten? Rück endlich raus mit der Sprache!"

„Ein Sire hat viel mehr Macht über sein Childe, als du denkst. Glaubst du, ich würde freiwillig bei ihr bleiben, wenn ich, so wie du, meine eigenen Wege gehen könnte? Wenn er es gewollt hätte, könnte er nach dir Verlangen, und du könntest nichts anderes tun, als zu ihm zurückkehren. Egal wie weit du dich von ihm entfernst. Doch indem er dich zu einem starken Childe herangezogen hat, gab er dir die Kraft auf deinen eigenen Beinen zu stehen. Helena würde nie einem ihrer Childer erlauben den Clan zu verlassen. Eher würde sie es vernichten."

„Du denkst tatsächlich, dass Angelus mir damit nur was Gutes tun wollte, indem er mich ständig mit all dem Scheiß nervte?"

„Geh zu Darken, und frag ihn, was Helena ihm alles beigebracht hat. Frag ihn, ob sie ihm gezeigt hat, wie man gut kämpft. Wie man schnell und lautlos tötet. Frag ihn, wie viele seiner Childer sie schon getötet hat und aus welchen Gründen. Und dann überlege dir, wie Angelus dich behandelt hat."

Langsam begann William zu verstehen, was Sirius ihm damit sagen wollte. Angelus hatte ihn zwar oft getadelt, und auch oft bestraft, doch niemals waren seine Bestrafungen sehr schlimm. Niemals waren es Tod und Folter. Im Vergleich zu Helenas Methoden, waren Angelus’ Strafen Kleinigkeiten wie, ein verweigerter Orgasmus für einige Tage, die Verweigerung jeglicher Zuneigung oder er durfte nicht mit Jagen gehen. Die schlimmsten Bestrafungen bisher waren Peitschenhiebe, die er sich aber auch immer verdient hatte.

Aber niemals hatte Angelus ihn ernsthaft verletzt. Immer hatte er sich bemüht aus ihm einen guten Vampir zu machen. Schon in den ersten Nächten seines Vampirdaseins, lehrte er ihm, wie man gut kämpft. Wie man lautlos durch die Gassen schleicht. Worauf man beim Trinken achten muss. Dass man zum Beispiel niemals das Blut eines Toten trinken darf. Und noch so viele Dinge mehr, was William bisher als selbstverständlich angesehen hatte.

Doch nun fing er an zu begreifen, dass Angelus all dies nicht hätte tun müssen. Es wäre für ihn viel einfacher gewesen ihm all diese Dinge zu verschweigen und ihn zu behandeln, wie einen der Lakaien. William hätte sich dann genauso wenig von seinem Sire entziehen können, wie Sirius es konnte. Oder wie Helenas andere Childer es konnten.

Angelus behandelte ihn niemals so, wie Helena ihre Childer behandelte. Er versuchte ihm all sein Wissen zu vermitteln und ihn mit Hilfe seines Blutes so stark zu machen, wie er es selbst war. Er wollte ihn zu einem Meistervampir machen. Zu einem starken Mitglied des Aureliusclans.

Wie schuppen fiel es William plötzlich von den Augen. Angelus wollte, dass Spike eines Tages ein gleichwertiges Mitglied des Clans wird. Dass er sein Gefährte wird. Plötzlich bekam William ein furchtbar schlechtes Gewissen. Die ganze Zeit wollte er stark und unabhängig sein. Die ganze Zeit wollte er sein eigener Herr sein. Und Angelus wollte im Grund nichts anderes, als ihm dies zu geben, indem er ihm lehrte, was ein Vampir wissen muss und indem er ihm mit seinem Blut seine eigene Stärke schenkte.

William war zu blind gewesen, um dies zu erkennen. Er hatte gedacht, dass Angelus dies alles nur getan hatte, um ihn zu drangsalieren. Er hatte gedacht, dass Angelus seine Macht als Sire über ihn benutzt hatte, um ihn zu demütigen. Dabei hatte William nie wirklich zu spüren bekommen, wie viel Macht Angelus über ihn hatte.

Und nun wurde ihm dies alles schlagartig bewusst. Plötzlich verstand er, weshalb Angelus wollte, dass er all die Informationen über andere Clans wusste. Ihm wurde bewusst, dass er einen großen Fehler gemacht hatte. Nun wollte er nichts anderes, als zu seiner Familie zurück zu kehren und seinen Sire um Verzeihung zu bitten. Er hoffte nur, dass es nicht zu spät dafür war.

Sirius konnte an den zahlreichen Emotionen, die über Williams Gesicht huschten, deutlich sehen, dass seine kleine Rede Früchte trug. Er war zufrieden mit sich selbst, dass er ihm die Augen öffnen konnte.

„Was wirst du jetzt tun?" fragte er ihn mit einem wissenden Grinsen, nachdem William wie versteinert auf die Flamme der Kerze starrte.

Aus seinen Gedanken gerissen, blickte er zu Sirius auf und antwortete: „Ich werde nachhause gehen."

Entschlossen stand er auf und wollte den Raum bereits verlassen, als er hinter sich Sirius’ bittende Stimme hörte: „Nimm mich mit! Befrei mich aus dieser Schmach. Oder mach meinem Leben wenigstens ein Ende. Bitte, ich flehe dich an!"

William drehte sich nachdenklich zu Sirius herum. Wenn er Sirius zur Flucht verhelfen würde, würde Helena es erfahren. Auf eine Konfrontation mit Helena konnte er eigentlich verzichten. Andererseits, wenn er schnell genug wäre, wäre er vielleicht schon zurück in Sicherheit bei seiner Familie, bis Helena davon erfahren würde. Schließlich verdankte er Sirius, dass er seinen Fehler eingesehen hatte. Hinzu kam, dass er nicht leugnen konnte, dass er eine gewisse Sympathie für den schwarzhaarigen Vampir empfand.

Also fragte er: „Wo sind die Schlüssel zu den Ketten?"

Sirius deutete an die Wand direkt neben der Türe, wo an einem Nagel ein eiserner Ring hing, an dem wiederum der besagte Schlüssel befestigt war. Rasch griff sich Spike den Schlüssel und löste damit die schweren Eisenmanschetten von Sirius Gelenken. Freudige Erwartung spiegelte sich in Sirius Gesicht. Er konnte es kaum erwarten, Helena den Rücken zu kehren. Selbst wenn dies seinen Tod bedeuten würde.

Mühselig rappelte er sich hoch. Er war sehr geschwächt, sodass er kaum auf den eigenen Beinen stehen konnte. William sah ein, dass eine Flucht so keinen Zweck hatte, weshalb er Sirius sein Handgelenk darbot. „Hier trink. Du musst zu Kräften kommen."

Sirius Augen glänzten, als er die dargebotene Hand erblickte. Ohne zu zögern, versank er seine Fänge in Williams Fleisch. William zischte, da Sirius grob und unbeherrscht an seinem Handgelenk saugte. Er konnte ihm deutlich ansehen, dass dies der köstlichste Tropfen Blut war, denn Sirius seit langem bekommen hatte. Er ließ ihm viel von seinem Blut trinken. Mehr, als er es gut für ihn war. Doch Sirius brauchte sein Blut dringender, als er es tat. Erst, als William das untrügliche Ziehen in seinen Adern spürte, entzog er Sirius seinen Arm.

Fasziniert starrte Sirius ihn an. Er fühlte sich stärker denn je. Noch nie hatte er solch mächtiges Blut in seinem Leben getrunken. Nicht einmal Osiris schien solch starkes Blut zu besitzen. Und dies, obwohl William erst fünfundzwanzig Jahre alt war. Sirius war klar, dass er soeben die Ehre gehabt hatte, reinstes Aurelius-Blut zu trinken, und er in seinem Leben wohl nie mehr solch wertvolle Kost bekommen würde.

„Ich danke dir William!" bedankte sich Sirius und senkte respektvoll den Kopf.

William war ziemlich verwundert, über Sirius respektvolles Verhalten. Doch er konnte nicht leugnen, dass ihm dies sehr gefiel. Er fühlte sich dadurch stark und mächtig. Doch leider hatte er keine Zeit, diese Gefühle weiter zu genießen. Sie mussten diesen Ort hier verlassen, und zwar schnell.

Sirius fühlte sich nun stark genug, ohne Hilfe zu laufen, also ging William voran und spähte vorsichtig in den Gang. Es war niemand zu sehen, also schlichen sich die beiden Vampire lautlos hinaus. In den langen Gängen, die durch die Behausung führten, begegnete ihnen kein einziger von Osiris Clanmitgliedern. Dies beunruhigte die beiden ein wenig. Und als sie schließlich die Tür zu dem großen Hauptraum öffneten, durch den sie gehen mussten, um das Quartier zu verlassen, wurde ihnen schlagartig klar, weshalb ihnen niemand begegnet war.

Hier war der gesamte Clan versammelt und wartete scheinbar bereits auf die Beiden. Kaum hatten William und Sirius den Raum betreten, schloss einer von Helenas Gefolgsleuten hinter ihnen die Tür. Helena selbst saß auf ihrem übergroßen Bett, und lies sich von ihrem Childe Markus die nackten Füße massieren. Ohne sich zu William und Sirius umzudrehen, sagte sie mit ihrer üblichen freundlichen Stimme: „Wie ich sehe, hast du mein viertes Childe nun auch kennen gelernt, Spike. Oder soll ich William zu dir sagen?"

William antwortete nicht und blieb abwartend stehen. Helena entzog Markus ihren Fuß und erhob sich von ihrem Bettlager. Sie trug nicht mehr als nur einen Hauch von einem roten seidenen Stoff, der zu einem Teil nur knapp ihre wohlgeformten Brüste bedeckte, und zum anderen knapp über ihre schmalen Hüften fiel. Majestätisch schritt sie auf ihn zu. Ihre Bewegungen glichen einer Raubkatze und die rote Seide auf ihrer honigfarbenen Haut ließen sie wie eine Tochter des Teufels wirken. Verführerisch und tödlich zugleich.

Helena winkte ihren Gefolgsleuten zu, die sich daraufhin sofort Sirius griffen, und ihm die Hände hinter dem Rücken fesselten. Sirius war sich darüber im Klaren, was sie mit ihm machen würde, und sah dem gefasst entgegen. William blickte besorgt zurück, als Helenas Gefolgsleute Sirius wegführten.

Helena war inzwischen bei William angekommen und griff nach Williams Wange, um sein Gesicht zu ihr zu führen. „Mach dir keine Sorgen. Er wird es überleben", schnurrte sie ihm seidig entgegen. William konnte sich ihrem aufreizenden Anblick nicht entziehen. Sie hatte eine unglaublich anziehende Wirkung auf ihn. Er verstand nicht weshalb sie plötzlich so eine starke Wirkung auf ihn ausübte.

Schnurrend fragte sie: „Willst du frei sein? Willst du dein eigener Herr sein? Ich kann dir das alles geben. Bleib bei mir an meiner Seite, und du wirst ein König sein. Und ich werde deine Königin sein. Hilf mir Angelus zu besiegen, und wir beide werden über die ganze Stadt herrschen."

Helenas süße Stimme hallte in seinem Verstand. William wurde schwindlig, doch er wusste nicht, ob es an dem Blutverlust lag, oder an dieser durchdringenden Stimme. Bis er sich endlich an eine wichtige Lektion seines Sires erinnerte. Angelus hatte ihm einmal gezeigt, wie manche Vampire, vor allem weibliche, dazu in der Lage sind, in das Bewusstsein eines anderen einzudringen und ihnen mit ihren übersinnlichen Fähigkeiten denn Verstand zu verdrehen. Drusilla hatte diese Fähigkeit. Und Angelus hatte ihm gezeigt, wie er sich dagegen wehren konnte.

Mit diesem Wissen, verbannte er Helenas widerhallende Stimme aus seinem Kopf. Er kniff die Augen zu und schüttelte seinen Kopf wieder vollkommen wach. Dann blickte er triumphierend in Helenas eisblaue Augen, die nun vor Wut eine goldene Färbung bekamen. Sie war wütend darüber, dass ihre Fähigkeiten bei William keine Wirkung zeigten.

Helena versuchte sich wieder zu beruhigen. Sie brauchte ihn, um an Angelus heranzukommen. Also versuchte sie es erneut und sagte: „Mein Angebot steht. Hilf mir Angelus zu vernichten, und ich mache dich zu meinem König. Was sagst du dazu?"

„Wirklich zu dumm von dir. Hättest du mir von Anfang an erzählt, was du vorhattest, hätte ich dir vermutlich sogar geholfen. Doch nachdem ich dein krankes Spiel durchschaut habe, ist mir einiges klar geworden. Angelus ist mehr ein Gott, als du es jemals sein wirst. Er ist mein Sire, und ich darf mich mit Stolz als sein Childe nennen. Ich bin William vom Aurelus-Clan und damit bin ich bereits tausend mal mehr wert, als du."

William grinste triumphierend, als er die Reaktion in Helenas geschocktem Blick erkannte. Er hatte mit seinen Worten genau Helenas wunde Punkte getroffen. Sie war so wütend, sodass ihre Gesichtzüge in ihr dämonisches Antlitz gewechselt hatten. Wütend schrie sie ihre Leute an: „Bringt ihn in mein Zimmer. Legt ihm Ketten an. Fesselt ihn an die Wand, damit ich meine Wut an ihm austoben kann!"

*****

Teil 3

Angelus tigerte nervös im Zimmer auf und ab. Seine Laune war seit Tagend erschreckend schlecht, sodass keiner der Bediensteten sich ohne ausdrücklichen Befehl in seine Nähe wagte. Selbst Darla vermochte es nicht mehr ihn zu beruhigen. Sie hatte es mit gutem Zureden versucht. Mit blutjungen Burschen als Präsent. Mit liebevollen Zärtlichkeiten und mit einem strengem Befehlston. Doch nichts von alldem brachte Angelus dazu sich zu beruhigen.

Auch Drusilla wurde von dieser negativen Stimmung erfasst. Sie wimmerte und weinte unaufhörlich. Sie trauerte um ihren Bruder, was Angelus’ Sorgen nur noch weiter ansteigen ließ. Nur mit Mühe konnte Darla verhindern, dass Angelus aufbrach, um Helena samt ihren ganzen Clan zu vernichten.

Täglich sandte Angelus Lakaien aus, um etwas Neues über sein Childe, William, zu erfahren, doch nie gab es viel Neues zu berichten. Sie konnten nur manchmal beobachten, wie William gemeinsam mit Helena auf Jagd ging, aber nicht mehr. Dies beruhigte ihn nur insofern, dass es William scheinbar gut ging, und sein Leben nicht in Gefahr war. Doch er kannte Helena. Er wusste, dass man ihr nicht trauen konnte. Er dachte darüber nach, einen seiner Diener als Abgesandten zu schicken, doch er tat es nicht.

Er wollte nicht, dass William sich bedrängt fühlte. Er wollte seinem Chlide nicht zeigen, wie sehr er sich nach ihm sehnte. Wie sehr er sich wünschte, dass William zu ihm zurückkommen würde. Er wollte, dass William aus freien Stücken zu ihm zurückkehren würde. Deshalb wartete er jede Nacht vergebens auf dessen Rückkehr.

„Master Angelus?" hörte Angelus die vor Angst zitternde Stimme von Michael, seines treuestem Dieners.

„Was ist?" herrschte er ihn an, wütend darüber, dass er in seinen Gedanken gestört worden war.

„Jemand bittet um die Erlaubnis, mit Euch sprechen zu dürfen, Master."

Sofort interessiert, blickte sich Angelus zu seinem Diener um, der durch die schnelle Bewegung seines Herrn zusammenzuckte. „Wer ist es?"

Erleichtert, dass Angelus ihm nichts antun wollte – wenigstens noch nicht – erklärte er weiter: „Es ist Master Darken, vom Osiris-Clan, Master. Soll ich ihn herein bitten?"

„Natürlich! Lass ihn sofort herein!" befahl Angelus ungeduldig.

Michael verschwand sofort in der Türe, um den Gast zu holen. Angelus schenkte inzwischen sich und seinem Gast jeweils ein Glas feinsten irischen Scotch ein. Zwar war Darken von einem verfeindeten Clan, doch Angelus wusste, dass er mit Freundlichkeit mehr erfahren würde, als mit Drohungen. Und falls dies nicht funktionieren sollte, konnte er danach immer noch drohen.

Pünktlich, um Zeuge des Geschehens zu werden, betrat Darla das Zimmer, die wie immer in ihrer Schönheit und Erhabenheit glänzte. Sie trug ein elegantes aufwendiges Kleid, wie es in der gehobenen Gesellschaft üblich war. Angelus würdigte sie nur eines kurzen Blickes und wartete unruhig auf seinen Gast.

„Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?" fragte Angelus, ohne Darken mit dem Respekt eines gleichwertigen Meistervampirs zu beehren, als dieser nun von Michael hereingeführt wurde. Angelus kannte Darken, und wusste, dass er weit unter ihm stand.

„Verzeiht mir, dass ich Euch störe. Master Angelus. Lady Darla. Ich denke es wird Euch interessieren, was ich Euch zu erzählen habe", eröffnete Darken respektvoll das Gespräch. Angelus persönlich gegenüber zu stehen flößte ihm Furcht und Unbehagen ein. Er wusste, dass ein falsches Wort seinen sofortigen Tod bedeuten würde.

„Was hast du mir zu erzählen? Sprich!" Angelus Stimme war schneidend und ließ klar erkennen, dass er ziemlich ungeduldig war.

„Helena, mein Sire, hat Euer Childe. Sie versuchte ihn zu täuschen und sein Vertrauen zu gewinnen, um Euch zu vernichten. Doch er kam hinter ihr Geheimnis. Nun schwebt er in großer Gefahr. Sie ließ ihn gefangen nehmen. Ich bin sicher, dass sie ihn im Moment gerade foltern wir…." Seine Stimme brach abrupt ab, als Angelus mit einer einzigen flüssigen Bewegung sein Glas fallen lies, Darken am Hals packte und ihn einige Zentimeter vom Boden hoch hob.

„Warum sollte ich dir glauben? Soll das ein Trick sein, um mich in eine Falle zu locken?"

„Nein, Sir. Es ist die Wahrheit", presste Darken hervor.

„Warum kommst du hier her und erzählst mir das? Warum hintergehst du deinen eigenen Sire? Sprich!"

„Ihr wisst wie Helena ist. Ihr kennt ihre Methoden. Für sie bin ich nicht mehr, als ein Lakai. Ich habe längst aufgehört von ihr als meinen Sire zu denken."

Angelus stieß Darken von sich. Dieser hatte Mühe seine Balance nicht zu verlieren und stand nun nervös und unsicher im Raum, sich seine schmerzende Gurgel haltend. Darla schlich beinahe Geräuschlos um ihn herum und musterte ihn genau.

„Was denkst du, meine Liebe? Sagt er die Wahrheit?" fragte Angelus seinen Sire.

„Spielt das wirklich eine Rolle?" lächelte sie ihm entgegen.

„Ich verstehe nicht?" Angelus war leicht verwirrt.

„Du wartest doch schon seit Tagen darauf, dass sich ein Grund ergibt Helena anzugreifen. Hier hast du deinen Grund."

Wieder einmal hatte es Darla geschafft ihn zu überraschen. Er hatte befürchtet sie würde ihm davon abraten zu Helena zu gehen. Und nun war er froh, dass es nicht so war.

Ohne weiter zu zögern, rief er nach Michael und gab ihm seine Befehle. Kurze Zeit darauf bestiegen Darla und Angelus, begleitet von Darken und ein paar der Bediensteten, die Kutsche des Hauses, um einem benachbarten Vampirclan einen Besuch abzustatten. Angelus konnte es kaum erwarten, bis er Helena gegenübertreten würde.

****

Schmerz zog sich durch Williams ganzen Körper. Helena hatte ihn in ihrem Zimmer an die Wand fesseln lassen, wobei deren Gefolgsleute nicht gerade freundlich mit ihm umgegangen waren. Er hatte sich heftig gewehrt. Er war viel stärker als alle von ihnen, doch gemeinsam hatten sie es geschafft ihn zu überwältigen. Vor allem deshalb, da er zuvor Sirius von sich hatte Trinken lassen.

Sein Hemd, war zerfetzt und zerfleddert. Blutige Striemen von zahlreichen Peitschenhieben bedeckten seine Brust, Arme und sein Gesicht. Das Blut strömte ebenfalls aus den tiefen Wunden, die von den glühenden Schürhaken stammten, die noch immer in seinem Körper steckten. Einer mitten in seinem Bauch. Einer in seinem rechten Oberschenkel und ein Dritter direkt durch seine linke Schulter. Nur knapp über dem Herzen.

Genüsslich leckte sie über die blutigen Wunden und saugte das kraftvolle Blut in sich auf. Sie hatte ihn bereits mehrmals gebissen und ihm das kostbare Lebenselixier bedrohlich nahe an der ertragbaren Grenze entzogen, bevor sein Körper zu Staub zerfallen würde.

William fühlte sich schwach. Seine Kehle schmerzte von den Schreien, der Qualen, die Helena ihm zugefügt hatte. Er bereute es nun mehr denn je, dass er seinen Sire verlassen hatte. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass dieser kommen, und ihm zur Hilfe eilen würde.

Verwundert nahm er die gedämpften Schreie eines anderen Vampirs wahr, bis er erkannte, dass Helena sich Sirius zugewandt hatte und nun ihre sadistischen Gelüste an ihrem Childe ausließ, der gefesselt und geknebelt neben William auf dem Boden lag. Helena genoss es gerade ein paar von Sirius Körperstellen mit einem brennenden Streichholz zu streicheln. Der Gestank von verbranntem Fleisch verbreitete sich bereits im Raum und verursachte Übelkeit bei William.

Markus betrat das Zimmer und meldete ihr: „Sire, wir konnten Darken nirgendwo finden."

Wütend funkelte sie Markus entgegen. Wie konnte es sein, dass sich nun auch Darken gegen sie verschworen hatte? Helena hielt plötzlich inne, als sie außerhalb ihres Zimmers Schmerzensaufschreie vernahm. Sie ahnte schreckliches.

*****

Allen voran schritt Angelus mitten durch die Behausung des Osiris-Clan. Einige todesmutige Vampire stürzten sich ihm entgegen, doch keiner von ihnen konnte sich gegen Angelus auch nur im Geringsten behaupten. Gnadenlos tötete er alle Vampire, die seinen Weg kreuzten. Direkt hinter ihm, folgte Darla, die ebenso wenig erbarmen mit den Angreifern zeigte. Gemeinsam waren sie ein tödliches und unschlagbares Paar, das wie ein Sturm über den Clan einfuhr.

Danach folgten drei von Angelus Lakaien, die den Rücken des Paares deckten und von hinten kommende Angreifer abwehrten. Sie waren zwar bei weitem nicht so gefährliche Kämpfer, wie Angelus und Darla, doch das brauchten sie auch gar nicht zu sein. Darla und ihr Childe schlugen mit einer solchen Übermacht ein, sodass schon nach den ersten Kämpfen kaum noch jemand wagte anzugreifen.

Darken war ebenfalls Begleiter des Tot bringenden Paares. Sobald er einen seiner Nachkommen sah, deutete er an, dass sie nicht kämpfen sollten. Damit stellte er sich öffentlich auf die Seite von Angelus. Ein gefährliches Risiko, das er aber gerne bereit war einzugehen. Lieber wollte er sterben, als weiter unter Helena zu dienen.

„Wo ist William, mein Childe?" fragte Angelus laut und erwartete eine sofortige Antwort, die auch prompt kam, indem ein paar der Vampire auf die Türe deuteten, die zu den privaten Gemächern von Helena führten.

Unaufhaltsam folgte Angelus dieser Richtung. Dort in den Gängen, begegneten ihm Morgana und Markus. Die beiden treuen Childer von Helena. Angelus kannte die Beiden ebenso, wie er auch Darken kannte. Und er zögerte nicht, Markus’ Angriff blitzschnell abzuwehren. Während Markus ein paar Sekunden brauchte, um sich wieder hoch zurappeln, griff Angelus sich das Genick von Morgana und brach es entzwei, sodass ihr Körper zu Staub zerfiel. Markus dagegen packte er im Nacken und schleifte ihn mit sich.

„Zeig mir ihr Zimmer!" herrschte Angelus den jungen Markus an.

Markus stellte sich stur und schwieg. Dessen Nacken fest im Griff, stieß Angelus Markus’ Kopf mit voller Wucht gegen die Wand. Wäre er ein Mensch gewesen, hätte ihn dieser Schlag sofort getötet.

„Ihr Zimmer!" wiederholte Angelus erneut.

„Ich nehme an, du suchst mich", hörte Angelus eine ruhige Stimme. Er blickte sich um und sah Helena in einer der Türen stehen. Markus mit sich ziehend, hielt er direkt auf das Zimmer zu, in dem Helena nun verschwand. Darla und die drei Lakaien folgten ihm.

Seine ohnehin bereits große Wut wuchs noch mehr an, als er den schrecklichen Anblick seines Childes sah.

William war sehr schwach, aber dennoch spürte er sofort die Anwesenheit seines Sires. Voller Hoffnung sah er auf und blickte seiner geliebten Familie entgegen. „Angelus", kam es schwach flüsternd von seinen Lippen.

Am liebsten wäre dieser sofort zu ihm gestürmt, und hätte ihn von den Ketten befreit, die ihn gnadenlos an der Wand fest hielten, doch ein hölzerner Pflock, der dicht über Williams Herzen ruhte verhinderte, dass er es sich zu bewegen wagte. Helena stand mit einem triumphierenden Lächeln vor William und bedrohte dessen Leben mit einem einfachen Holzpflock.

„Lass Markus los", befahl sie Angelus.

Angelus überblickte die Szene vor sich. Sirius lag gefesselt und geknebelt auf dem Boden. Direkt hinter Helenas Beinen. So geräuschlos wie möglich versuchte Sirius sich in eine Position zu bringen, womit er Helena einen kräftigen Tritt verpassen könnte. Mit seinen Blicken versuchte er Angelus zu verstehen zu geben, dass er ihm helfen wollte. Angelus verstand sehr gut. Er erkannte, dass er noch ein klein wenig Zeit schinden musste, also meinte er: „Helena, Helena, wann wirst du endlich lernen, dich nicht mit mir anzulegen? Ich rate dir den Pflock ganz sachte wegzulegen. Vielleicht werde ich dann Gnade zeigen, und dich gleich töten, anstatt dich die nächsten hundert Jahre als Spielzeug zu behalten. Du kannst es dir überlegen."

„Spar dir deine Worte. Lass Markus los, oder du kannst dein Childe als Staubhaufen mit nachhause nehmen."

„Jeden Schmerz, den du ihm zugefügt hast, werde ich dir tausendfach zurückzahlen, das schwöre ich dir, meine Liebe. Lege den Pflock weg, sofort!"

Helena wusste, dass Angelus keine leeren Versprechungen machte. Sie wusste, dass sie kaum Chancen gegen ihn haben würde. Doch wenn sie schon sterben sollte, dann sollte William mit ihr gehen.

Sie zog aus, um William den Pflock in die Brust zu rammen. Angelus’ Augen weiteten sich in Schock. Er schleuderte Markus von sich und stürzte sich auf Helena. Sirius holte aus, und trat gegen Helenas Beine. Darla packte sich Markus und erledigte ihn mit einem schnellen Genickbruch. Sirius schaffte es nicht, Helena von William wegzustoßen, sondern brachte sie lediglich ins Schwanken. Helenas Hand raste auf Williams Brust zu. Heißer schrie William auf, als das Holz seine Brust durchstieß. Angelus schlug Helena mit einem einzigen heftigen Schlag nieder, sodass sie vor ihm zu Boden krachte.

Helena hatte Williams Herz nur um wenige Zentimeter verfehlt. In Schmerzen stöhnte William auf, doch er war froh, seinen Sire zu sehen. Als Angelus erleichtert erkannte, dass William nicht zu Staub zerfallen war, entlud er seinen Schock, indem er weiter auf Helena einschlug, bis diese sich gewiss nicht mehr bewegen konnte.

Darla behielt ein wachsames Auge über die wenigen anwesenden Vampire, die den Raum betreten hatten, um zu sehen, was hier vor sich ging. Niemand wagte es, in das Geschehen einzugreifen.

Als Helena kaum noch einen heilen Knochen im Leib hatte, stieß Angelus sie zu seinen Lakaien, damit sie sie fesseln konnten. Dann endlich trat er zu seinem Childe.

„Angelus", flüsterte dieser Schwach.

„Schscht mein Junge. Schone deine Kräfte. Trink."

Ohne zu zögern, entblößte Angelus seinen Hals, und führte Williams schwachen Körper zu ihm. Noch bevor er ihm all die Folterwerkzeuge entfernte. Er wollte ihm erst etwas von seiner Kraft schenken, bevor er ihm weitere Schmerzen durch das Entfernen der Schürhacken und des Pflockes zufügen musste.

Gierig saugte William an dem kostbaren und machtvollen Lebenselixier seines Sires. Er war noch nie so froh und so dankbar über ein solch kostbares Geschenk. Die anwesenden Vampire des Osiris-Clans staunten mit Unglauben über diesen Anblick. Nur die wenigsten unter ihnen konnten es sich vorstellen, dass ein so mächtiger Sire wie Angelus sein Childe von sich trinken lässt. Und keiner von ihnen hatte so etwas jemals gesehen. Helena hatte so etwas nie gestattet.

Nachdem Angelus seinem Childe viel von seinem Blut gegeben hatte, löste er sich von ihm und zog ihm mit raschen Bewegungen all die Schürhacken aus dessen Körper. William versuchte sein Schreien zu unterdrücken, was ihm bis auf den letzten Schürhacken sogar gelang. Er war dankbar, über Angelus’ zärtliche Berührung seiner Hand an seiner Wange. Dies schenkte ihm ebenso viel Kraft wie das Blut. Mit einem letzen Ruck entfernte Angelus schließlich den Holzpflock, der beinahe Williams Leben gekostet hätte.

Rasch löste er Williams Arme von den fesseln. William war zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten, also stützte Angelus ihn und führte ihn. Kurz bevor sie den Raum verließen, lenkte William ein

„Angelus warte, … Sirius … bitte", bat William.

Angelus verstand seine Bitte und deutete seinen Lakaien an, dass sie Sirius von seinen Fesseln befreien sollten. Michael beugte sich rasch zu Sirius hinunter und löste ihm Knebel und Fesseln. Er half ihm sich auf zurichten und führte ihn mit hinaus.

Darla schritt wachsam voran, falls es irgendwer wagen sollte sie aufzuhalten. Angelus führte sein Childe, während zwei seiner Lakaien Helena mit schleiften.

Niemand wagte es, sie noch anzugreifen, weshalb sie schließlich unbehelligt den Clan verlassen konnten. Während die beiden Lakaien mit der bewusstlosen Helena oben auf dem Kutschbock platz nahmen, betrat der Rest von ihnen die Kutsche. William lehnte sich erschöpft an seinen Sire. Er war mehr als froh, wieder in dessen Obhut zu sein. Sich endlich wieder in Sicherheit fühlend, schlief er tief und fest ein.

*****

Sorgenvoll blickte Angelus auf sein Childe herab, das noch immer schlafend im Bett lag, während einer der Lakaien dessen Wunden verpflegte. Er bereute es, dass er nicht schon früher eingegriffen hatte. Andererseits würde William es überleben, und wer weiß, ob dies nicht sogar eine lehrreiche Lektion für sein junges Childe war?

Darla lächelte ihrem Liebsten liebevoll entgegen. Sie wusste, dass William eine sehr große Bedeutung für Angelus war. Und auch sie mochte ihr Grandchilde sehr. Weshalb sie Verständnis dafür hatte, dass Angelus die nächste Zeit an dessen Seite verbringen würde. Sie verließ Williams Zimmer, um nach den Bediensteten zu sehen.

Michael trat demütig zu ihr und meldete: „Lady Darla. Ich ließ für Master William und unseren Gast Nahrung beschaffen. Soll ich diese nun bringen?" Sofort nach ihrer Ankunft hatte Michael zwei der Diener beauftragt, auf Jagd zu gehen. Darla schätzte ein solches Verhalten von Michael sehr, weshalb sie ihn mit einem freundlichen Lächeln belohnte und ihn anwies: „William hat bereits von Angelus getrunken und im Moment schläft er. Warte noch etwas, bis du ihm Nahrung bringst. Aber du kannst gleich mit mir zu Sirius gehen. Ich bin sicher er wird erfreut sein."

„Jawohl, Lady Darla." Rasch huschte er in die untern Räume, wo die Bediensteten zwei junge Mädchen in Gewahrsam hatten.

Sirius war in das Gästezimmer gebracht worden, wo nun eine junge Bedienstete sich um sein Wohl kümmerte. Als Darla das Zimmer betrat, zuckte das Dienstmädchen erschrocken zusammen. Als Vampir, war sie eine Katastrophe, doch als Dienstmädchen war sie eine wahre Perle im Haus. Darla schenkte ihr kaum Aufmerksamkeit und besah sich stattdessen den Zustand des Gastes an.

Sirius fühlte ich unwohl. Er wusste nicht, wie er sich in Gegenwart von Darla verhalten sollte. Außer seinen Clanmitgliedern war er noch nie einem anderen Vampir begegnet. Und schon gar nicht einem so Mächtigen, wie Darla es war.

„Wie fühlst du dich?" fragte Darla ihren Gast.

„Es geht mir gut. Ich danke Euch für die Gastfreundschaft", hoffte Sirius die richten Worte zu treffen.

„Ich habe Nahrung für dich", kommentierte sie freundlich und gab Michael ein Zeichen, dass er das Mädchen hereinführen sollte. Sogleich wurde ein blutjunges Ding ins Zimmer gebeten. Sie wusste nicht, in welcher Gefahr sie schwebte. Sie war eine Straßendirne und glaubte, sie war gerufen worden, um ihre Dienste anzubieten.

Sirius’ Augen glänzten voller Verlangen, als er das junge Mädchen sah. Seit einer Ewigkeit, hatte er kein menschliches Opfer mehr. Er konnte sich kaum mehr an den köstlichen Geschmack frischen Blutes erinnern. Bei ihrem Anblick lief ihm förmlich das Wasser im Munde zusammen.

Die Straßendirne sah sich skeptisch um und meinte respektlos zu Darla: „Vor Publikum kostet aber extra."

Darla ließ sich so ein Verhalten nicht gefallen. Sie packte das Mädchen blitzschnell im Nacken und stieß es zu Sirius aufs Bett. Das Mädchen schrie erschrocken auf. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Darla so stark war.

Ängstlich blickte sie sich um. Ihr wurde plötzlich klar, dass sie in Gefahr war. Ihr Puls begann zu rasen und ihr Herz trommelte in ihrem Brustkorb. Eine Musik, die Sirius Verlangen nur noch mehr ansteigen ließ. Erregt von dem Anblick der Dirne, starrte er deren pulsierende Halsschlagader an.

„Was ist? Worauf wartest du? Sie gehört dir", fragte Darla, nachdem Sirius keine Anstalten zu machen schien, sich das Mädchen zu greifen.

Sirius konnte es noch immer kaum glauben. Dieser Mensch gehörte ihm allein. Seine Gesichtzüge verwandelten sich Augenblicklich und er packte sich das Mädchen. Diese schrie verzweifelt auf. Sirius versank seine Zähne ihn ihr zartes Fleisch und begann das köstliche Blut aus ihren Adern zu saugen.

Darla erkannte dabei deutlich, wie ungeschickt sich Sirius anstellte. Wie ein junger Zögling, der sein erstes Opfer in den Armen hielt.

****

Angelus war nun allein mit William im Zimmer. Er saß auf einem Stuhl neben dem Bett. Nachdenklich wachte er über dessen Schlaf. Er fragte sich, ob sein Childe nun glücklich war, wieder zuhause zu sein, oder ob er, sobald er gesund wäre, ihn wieder verlassen würde. Als er ihn aus Helenas Fängen befreit hatte, schien es ihm schon so, als hätte sich William gefreut. Doch vermutlich nur deswegen, weil Angelus ihn vor weiterer Folter bewahrt hatte.

Er versuchte sich nichts weiter vorzumachen. William hatte ihn verlassen, und er war nicht aus freien Stücken zu ihm zurückgekehrt. Sobald seine Wunden wieder verheilt sein würden, würde er ihn also wieder verlassen.

William begann sich leicht zu regen. Angelus stand sofort von seinem Platz auf und blickte besorgt auf seinen Schützling herab.

Als William schließlich erwachte, war das erste, was er sah, als er langsam die Augen öffnete, der besorgte Blick seines Sires. William durchfuhr sofort ein furchtbar schlechtes Gewissen. Er hatte seinen Sire zu Unrecht gehasst und beschimpft. Er hatte ihn aus seiner eigenen Dummheit heraus verlassen und bereute dies nun zutiefst. Er wollte um Verzeihung bitten. Wollte seinem Sire sagen, dass er im Unrecht war und dass es ihm leid tat. Dass er froh war, nun wieder zuhause zu sein. Er suchte nach den richtigen Worten, doch er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Und er wusste nicht, wie Angelus darauf reagieren würde.

Wollte Angelus ihn denn überhaupt noch hier haben? Empfand er noch etwas für ihn? Hatte er jemals etwas für ihn empfunden? Hatte er ihn nur befreit, weil er es als seine Pflicht sah?

Tausend Fragen quälten ihn und er versuchte noch immer die richtigen Worte zu finden, als Angelus ihm zuvorkam und fragte: „Wie fühlst du dich?"

„Sire ich… es tut… es geht mir gut. Danke", verließ ihn der Mut sich bei seinem Sire zu entschuldigen. Er fürchtete zu sehr, dass Angelus ihm noch immer böse wäre.

Angelus sah in das Gesicht seines Childes. Was er dort sah, verletzte ihn sehr. William schien nicht sehr glücklich zu sein, ihn hier zu sehen. Scheinbar lag der Streit, den sie beide hatten doch tiefer, wie er gehofft hatte. Er hielt es für besser, sich keine weiteren Hoffnungen zu machen. William würde ihn gewiss wieder verlassen. Es hatte also keinen Zweck sich Illusionen über eine gemeinsame Zukunft zu machen.

Verbittert wandte er sich ab und sagte mit trauriger Stimme: „Ich werde dir das Hausmädchen schicken. Sie wird sich um dich kümmern, falls du wünsche hast. Ruh dich noch eine Weile aus, damit du dich recht bald wieder erholst."

Damit verließ Angelus sein Zimmer, worauf William ihm am liebsten nach geschrieen hätte. Wie sehr hätte er sich gewünscht, dass Angelus ihm etwas Zärtlichkeit schenkt. Selbst wenn es nicht mehr, als nur eine bloße Berührung gewesen wäre. Oder hätte er doch nur ein nettes Wort gesagt, das über seine korrekte Art hinausging. Hätte er doch nur irgendein Zeichen gegeben, was William gezeigt hätte, dass Angelus ihn noch als sein Childe haben wollte. Oder wollte er das etwa gar nicht mehr?

****

Als Darla etwas später in ihr Zimmer ging, um sich zur Ruhe zu legen, war sie überrascht Angelus hier vorzufinden. Er saß in einem großen Ohrensessel und starrte aus dem Fenster, wo der Sonnenaufgang nur noch wenige Minuten entfernt lag. Sie hatte erwartet, dass er den Tag bei William verbringen würde. Verwunderlich war es auch, dass Angelus nun trotz dessen, dass William wieder zuhause war noch immer unglücklich zu sein schien.

Besorgt fragte sie ihr Childe: „Angelus, was ist los? Weshalb bist du nicht bei William?"

Angelus blickte zu ihr um, wodurch Darla seinen traurigen Blick sehen konnte.

„Was ist los mit dir? Habt ihr euch wieder gestritten? Hat er etwas zu dir gesagt? Sprich mit mir!" orderte sie nun etwas strenger an, während sie ans Fenster ging, und vorsorglich den Vorhang zu zog.

„Er hat nichts gesagt. Zumindest nicht sehr viel. Er brauchte nichts zu sagen, denn sein Blick verriet mir mehr als genug. Er ist nicht glücklich darüber, wieder hier zu sein. Er wird sicher gehen wollen, wenn er sich erholt hat", erklärte er niedergeschlagen.

Darla verstand das Verhalten ihres Chlides nicht. Sie konnte nicht mit ansehen, wie sehr er sich quälte. Liebevoll trat sie zu ihm, strich ihm zärtlich über den Kopf und fragte: „Warum quälst du dich so sehr, mein armer Schatz? Warum benutzt du nicht deine Macht als sein Sire und zwingst ihn zu bleiben? Warum nimmst du dir nicht, was dir gehört?"

„Weil ich nicht denselben Fehler machen will, wie bei Penn. Damals hatte ich es mit Gewalt versucht, doch es hatte nichts gebracht. Penn hatte mich gehasst und mich verlassen."

„Und was hat es dir bisher gebracht, dass du bei William keine Gewalt genutzt hast?"

Angelus seufzte. „Es hat mich nicht viel weiter gebracht, da hast du recht. Ich bin wohl kein guter Sire."

„Vielleicht solltest du es einfach probieren? William und Penn sind sich vollkommen unterschiedlich. Vielleicht bringt es dich weiter, wenn du William zeigst, wer der Herr im Haus ist?"

„Ich weiß nicht, ob ich es kann. Penn hatte mir niemals soviel bedeutet, wie William. Ich weiß nicht, ob ich in der Lage sein werde ihn härter anzufassen."

„Du solltest es versuchen. Sobald er sich vollkommen erholt hat, wirst du damit beginnen. Wenn du es nicht tust, werde ich es tun. Ich kann nicht weiter mit ansehen, wie du leidest. Du kannst dich also entscheiden. Entweder du zeigst ihm, wer sein Herr ist, oder ich werde es tun. Und ich werde nicht so sanft mit ihm umgehen."

An dem leichten Unterton in ihrer Stimme erkannte Angelus, dass dies nicht nur ein gut gemeinter Rat, sondern ein Befehl war, den er zu befolgen hatte. Als sein Sire gab sie ihm nur sehr selten Befehle. Angelus hatte in allem freie Hand. Doch wenn Darla Befehle gab, war es klüger, diese zu auch befolgen.

Vielleicht hatte sie ja auch recht? Vielleicht würde es bei William wirklich etwas bringen, wenn er ihm zeigte, wer die Oberhand über ihn hatte. Auch, wenn er nicht wusste, ob er dazu in der Lage wäre erwiderte er schweren Herzens: „Ja Sire."

Zufrieden darüber, dass ihr Liebster sie genau verstanden hatte, fügte sie ohne weiteren Unterton hinzu: „Und bis es soweit ist, kannst du unserm Gast ein paar Dinge über Vampire beibringen. Ich bin sicher, er ist dir ein weitaus aufmerksamerer Schüler, als William es je war."

„Warum soll ich einem Vampir von einem feindlichen Clan unterweisen?" fragte Angelus überrascht.

„Ehemals Feindlich, mein Guter. Der Feind wurde von uns besiegt. Sirius ist wissensdurstig. Vereinbare mit ihm ein Abkommen. Bringe ihm die Dinge bei, die Helena ihren Childern verwehrt hatte und erwarte als Gegenleistung von ihm, dass er Darken als neues Oberhaupt des Osiris dazu bringt sich mit uns zu verbünden. Darken hat sich bereits solidarisch gezeigt, als er uns half Helena zu stürzen. Er wäre ein Dummkopf, wenn er ablehnen würde. Unser Meister wird sehr erfreut darüber sein, wenn er erfährt, dass sich ein neuer Clan zu unseren Verbündeten zählt."

„Du schaffst es immer wieder, mich zu erstaunen, meine Liebste Darla. Ich werde gleich morgen damit anfangen."

„Gut so. Ich bin sicher, dass es lohnend für uns sein wird. Außerdem denke ich, dass du gewiss mehr Freude an Sirius haben wirst, als du es bisher bei William hattest. Ich bin überzeugt, dass er dir ein gehorsamer Schüler sein will. Und nun komm her. Ich bin erschöpft von dem Kampf heute. Zeig deinem Sire, wie sehr du sie liebst."

Ein vorfreudiges Grinsen bildete sich auf seinen Lippen, als er sah, wie Darla begann ihr Kleid im Rücken zu öffnen. Er verdrängte alle weiteren Gedanken über sein Childe und beschloss Trost und Zerstreuung bei Darla zu finden.

*****

Zwei Tage war William ans Bett gefesselt gewesen. Die wenigen Besuche, die er bekommen hatte, waren die der Bediensteten gewesen. Er hätte sich so sehr gewünscht, dass sein Sire nach ihm geschaut hätte, doch immer wenn er nach Angelus gefragt hatte, hieß es, er sei beschäftigt.

Nur Dru hatte ihn einmal einen längeren Besuch abgestatten, der für William aber eher anstrengend war. Er versuchte von ihr zu erfahren, ob Angelus noch böse auf ihn sei, doch in ihrem Wahnsinn erzählte sie nur etwas über Unterrichtslektionen und von schlimmen Veränderungen. Außerdem nervte sie mit ihrer Lieblingspuppe, die sie behandelte, als wäre es eine wirkliche Person.

William war inzwischen schrecklich langweilig. Außerdem machte er sich viele Gedanken, wie er Angelus gegenübertreten sollte. Er hatte viel Zeit, um sich eine kleine Rede vorzubereiten, die er ständig wieder verwarf und an einer neuen strickte. Er wusste, wie sehr Angelus auf die richtigen Umgangsformen wert legte und er wollte sich wirklich bemühen, die richtigen Worte zu finden.

Seit Mittag war er nun wieder auf den Beinen, obwohl es zum Aufstehen noch viel zu früh war. Doch er hatte die letzten Tage so viel geschlafen, dass er ruhelos in seinem Zimmer umher ging. Angelus würde gewiss noch schlafen, weshalb es keinen Sinn gehabt hätte zu ihm zu gehen. Zudem mochte es Darla nicht, wenn sie beide gestört wurden. Also überdachte William noch mal, was er zu seinem Sire alles sagen würde.

Er fuhr überrascht herum, als jemand klopfte und sich gleich darauf die Tür zaghaft öffnete. Es war Michael, der einen unsicheren Blick in das Zimmer warf, um nach ihm zu sehen.

„Michael? Was willst du?"

„Master Angelus lässt fragen, wie es um Euer Wohlbefinden steht, Master William. Wenn Ihr Euch gut genug fühlt, lässt er Euch bitten ihm für heute Gesellschaft zu leisten. Ich wurde angewiesen, Euch beim Ankleiden zu helfen."

Ein wenig irritiert darüber, dass Angelus ihm dies nicht selbst mitgeteilt hatte, erwiderte er: „Ich fühle mich gut."

Michael schien über diese Aussage sehr erleichtert. Sofort trat er an Williams Kleiderschrank, um dort für seinen jungen Herrn passende Kleider zu entnehmen. William war froh über Michaels Hilfe. Seine Wunden waren zwar weitgehend verheilt, doch jede falsche Bewegung schmerzte ihn noch sehr.

Während ihm Michael in den Frack half, fragte William neugierig: „Wie hatte sich Angelus verhalten, als ich weg war? War er etwa traurig, oder war er eher böse?"

„Master Angelus war fürchterlich böse. Niemand von uns traute sich zu ihm in die Nähe. Nicht einmal die Lady vermochte es, ihn zu besänftigen", bestätigte Michael seine Befürchtungen.

Angelus war gewiss noch immer sehr böse auf ihn.

*****

Als William mit mulmigem Gefühl im Bauch ins Kaminzimmer trat, erblickte er dort Angelus und Sirius, wie sie beide vor dem wärmenden Feuer des Kamins auf dem Boden saßen und sich angeregt unterhielten. Eine Woge der Eifersucht durchfuhr William sofort bei diesem Anblick, doch er unterdrückte seine Gefühle und versuchte ein unbekümmertes Gesicht zu machen.

„William, gut, dass es dir wieder besser geht. Ich lerne Sirius gerade die wichtigsten Verhaltensregeln unter Vampiren. Wenn wir fertig sind, wollen wir auf die Jagd gehen. Fühlst du dich gut genug, uns zu begleiten?"

„Ja", antwortete William vollkommen perplex.

Sirius grüße ihn nur kurz, da Angelus seine Aufmerksamkeit sofort wieder auf die Bücher richtete, die vor den beiden lagen. William konnte Sirius deutlich ansehen, mit welcher Freude er beim Lernen war. Sirius bemühte sich sichtlich alles ihm beigebrachte noch einmal zu wiederholen, während Angelus ihm zufrieden zuhörte und ihm nur selten berichtigte.

William erinnerte sich zurück, an seine Unterweisungen von Angelus. Ihm war dies immer sehr lästig gewesen und er hatte sich nie wirklich bemüht seinem Sire zu zuhören. Es endete fast immer in langen Standpauken oder Streit.

Angelus und Sirius achteten nicht weiter auf William, der sich irgendwie verloren vorkam. Er setzte sich schließlich auf einen Zweisitzer, der zum Kaminfeuer gerichtet war. Stumm lauschte er, wie Angelus seinen neuen Schüler unterrichtete.

Angelus fragte Sirius, nach den wichtigsten Clanoberhäuptern in ganz England. Sirius zählte die Namen nacheinander auf. William konnte nur staunen, wie sich Sirius nach so kurzer Zeit dies alles hatte merken können. Ein wichtiger Name fehlte noch in Sirius Aufzählung. Wohl der Wichtigste überhaupt. Und vermutlich der einzige Name, den William sicher hätte aufsagen können. Nachdem Angelus Sirius darauf aufmerksam machte, dass noch ein Name fehlen würde, und Sirius nicht einfiel, welchen Namen er in seiner Aufzählung vergessen hatte, lenkte William ein: „Der Meister."

Diese Antwort war richtig. Angelus blickte sich zu ihm um. Kurz lächelte er auf und er verspürte einen gewissen Stolz, dass William die richtige Antwort gesagt hatte, doch dann erinnerte er sich an Darlas Worte. Sein Gesicht verfinsterte sich und er sagte streng: „William, verhalte dich bitte ruhig und störe uns nicht."

Eingeschüchtert senkte William seinen Blick und sagte leise: „Verzeihung." Er wollte nicht, dass Angelus noch wütender auf ihn werden würde, weshalb er sich vornahm still zu sein.

*****

William war erleichtert, als er, Angelus und Sirius endlich gemeinsam auf die Jagd gingen. Er hatte es immer geliebt mit seinem Sire gemeinsam auf Jagd zu gehen. Zwar gab es auch dann immer lästige Unterweisungen, doch fast immer endete ihre Jagd damit, dass sie sich berauscht von dem frischen Blut küssten, oder sogar liebten. Bei diesen Gedanken wurde ihm wieder richtig bewusst, wie sehr er seinen Sire vermisst hatte.

Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass Angelus’ Unterricht für Sirius sich auch auf die Jagd erstrecken würde. Wie das fünfte Rad am Wagen trottete William hinter den beiden Vampiren her, während Angelus seinem Schüler viele wertvolle Ratschläge für die Jagd auf Menschen gab.

Ihr gemeinsamer Weg führte sie schließlich zu einem kleinen abgeschotteten Park, wo junge verliebte Pärchen sich oft vor der Öffentlichkeit davon stahlen. Der perfekte Ort, um nach frischen Opfern Ausschau zu halten.

Die drei Vampire entdeckten ein junges Pärchen, das hinter einem großen Busch auf einer Parkbank saß und sich innig küsste. Angelus gab seinem Schüler genaue Instruktionen. Sirius sollte an das Paar herantreten und sie ablenken. Er sollte deren Vertrauen gewinnen und so tun, als wäre er auf der verzweifelten Suche nach seinem Freund. Dann würde Angelus auftauchen, der der vermisste Freund sei und sie beide würden danach das Paar gemeinsam töten.

Es ging nicht darum, die Jagd geschickter zu veranstalten, sondern nur darum, dass Sirius lernte das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Dazu sollte er mit ihnen reden. Wenn er es schaffte als vertrauenswürdig empfunden zu werden, würde ihm dies bei späteren Jagten eine große Hilfe sein. Vor allem wenn mehrere Menschen in der Nähe waren. Dies war also mehr eine Übung, als wirklich ein notwendiger Plan um das Pärchen zu töten. Sie hätten es auch einfach nur überrumpeln können.

William hatte früher nie verstanden, warum Angelus von ihm wollte, dass er zuerst mit den Menschen reden sollte, bevor er ihnen das Blut aus den Adern saugte. Es hatte Angelus viele anstrengende Nächte gekostet, ihm diese Lektion beizubringen und selbst nachdem William es endlich verstanden hatte, hatte er trotzdem immer so gejagt, wie er es selbst für richtig gehalten hatte.

Sirius stellte Angelus’ Anweisungen nicht eine Sekunde lang in Frage und befolgte den Plan wie angeordnet. Er trat an das Pärchen heran und sprach die beiden Liebenden an. Angelus beobachtete ihn interessiert und lauschte mit seinem empfindsamen Vampirgehör den Worten, die Sirius sagte.

William nutzte die Gelegenheit, endlich allein mit seinem Sire zu sein, und fragte: „Was soll ich tun?"

Angelus schien ihm gar nicht zugehört zu haben, denn sein Blick war weiterhin auf Sirius geheftet. William wartete eine Weile geduldig, aber als noch immer keine Antwort von seinem Sire kam, wollte er erneut fragen, doch im gleichem Moment wandte sich Angelus zu ihm um und sagte: „Weshalb fragst du? Hattest du deiner Meinung nicht schon genug Leerstunden von mir erhalten? Geh, und such dir ein eigenes Opfer."

Ehe William darauf etwas erwidern konnte, verließ Angelus ihn, um zu Sirius zu gehen und den Plan zu Ende zu bringen.

William wusste nicht, ob er schreien oder verzweifeln sollte. Die Situation war viel schlimmer, als er es befürchtet hatte. Er hatte sich die Gunst seines Sires verspielt. Dies wurde ihm nun schmerzlich bewusst. Was sollte er nur tun, um Angelus versöhnlich zu stimmen? Vielleicht würde es helfen, wenn William sich für die Nacht ein besonders schwieriges Opfer suchen würde und es Angelus als Präsent überreichen würde?

Entschlossen machte sich William auf den Weg, um für Angelus etwas Besonderes zu suchen.

Angelus und Sirius hatten inzwischen ihr Pärchen erledigt. Während Angelus in tiefen Zügen das Blut aus seinem Opfer saugte, blickte er besorgt hinter William her. Vielleicht hätte er nicht so abweisend sein sollen? Aber er musste strenger zu ihm sein. Wenn er es nicht sein würde, würde es Darla tun. Und Angelus wusste genau wozu Darla fähig war.

Kaum hatte Angelus die junge Frau leer getrunken, ließ er sie achtlos fallen und folgte der Spur seines Childes. Sirius ließ den jungen Mann ebenfalls fallen und ging seinem Lehrmeister nach.

William beobachtete eine kleine Familie, die scheinbar auf der Suche nach einem Nachtquartier war. Offensichtlich hatten sie bei ihrer bisherigen Suche kein besonders großes Glück gehabt. Der Vater legte seiner Frau liebevoll eine wärmende Decke über ihre Schultern und über seinen kleinen Sohn, den die Frau in den Armen trug.

Ein Kind. Ein kleines zartes Kind. Kein anderes Opfer ist schwerer zu beschaffen, da Eltern selten nach Sonnenuntergang mit ihren Kindern draußen unterwegs sind. Wenn er Angelus ein Kind bringen könnte, würde er ihn damit vielleicht besänftigen können. Angelus liebte Kinder. Kein Blut ist süßer als das eines kleinen Kindes.

William überquerte die kaum belebte Straße an die andere Seite, wo die kleine Familie ratlos stand. Er wollte es diesmal auf die Art machen, wie Angelus es bestimmt machen würde. Er versuchte deren Vertrauen zu gewinnen. Er trat an den Vater der Familie heran und fragte, ob er ihm helfen könnte.

Aus einiger Entfernung, hinter dem Schutz einer Hauswand, beobachtete Angelus, wie William mit dem Mann sprach. Er war ein wenig überrascht, doch zugleich auch stolz, dass William versuchte es so zu machen, wie Angelus es früher immer von ihm erwartet hätte. Sirius beobachtete ebenfalls aufmerksam, was passieren würde.

Angelus sah, wie William dem Vater mit der Hand etwas andeutete. Scheinbar wollte er ihm etwas zeigen, worüber die kleine Familie dankbar zu sein schien. William nahm dem Vater sogar einen der Koffer ab und führte die Familie die Straße entlang.

„Gut so, führe sie von der Straße weg. Sehr gut, mein Junge", sprach Angelus mehr zu sich selbst. Sirius musterte Angelus’ Mine und stellte erstaunt fest, dass dieser genau auf das Geschehen achtete und ein glückliches Strahlen in seinen Augen hatte.

Dieses Strahlen erstarb jedoch, als Angelus einen Wachposten der Polizei entdeckte. Sofort fuhr sein Blick zurück zu seinem Childe. Vielleicht hatte er den Wachposten nicht gesehen? „Achte auf den Wachmann. Will, schau dich um!" flüsterte er besorgt.

William blickte sich noch einmal in der Straße um, bevor er die Familie in eine Seitengasse führte. Er musste den Wachposten ganz deutlich gesehen haben. Da war Angelus sich sicher.

„Mach jetzt bloß keinen Fehler, hörst du?" fieberte Angelus förmlich mit.

William hatte den Wachposten gesehen, doch er dachte, wenn er die Sache schnell und sauber erledigen würde, würde es keine Aufmerksamkeit erregen.

Selbst aus der großen Entfernung konnten Angelus und Sirius das laute Geschrei eines Kindes hören. Der Wachposten wurde natürlich sofort auf das Geräusch aufmerksam und steuerte geradewegs auf die Seitenstraße zu, in der William seine Opfer gelockt hatte.

Wütend rammte Angelus seine Faust in die Hausmauer. „Dieser verfluchte Dickschädel! Wann wird er das endlich lernen?" schimpfte er, während er rasch über die Straße eilte, dicht gefolgt von Sirius.

Etwa zeitgleich mit dem Wachmann, kamen auch Angelus und Sirius zu der Stelle, wo William versucht hatte die Familie zu töten. Der Vater lag regungslos auf dem Boden, während die Frau versuchte, sich mit ihrem weinenden Sohn aus Williams Reichweite in Sicherheit zu bringen. William wollte sie gerade packen, als er bemerkte, dass er nicht mehr allein in der Seitengasse war.

Gerade als der Wachtposten in seine Alarmpfeife blasen wollte, um Verstärkung zu rufen, packte ihn Angelus von hinten und brach ihm mit einer schnellen Bewegung das Genick. In Panik getrieben, flüchtete die Frau, samt ihrem Sohn, tiefer in die Seitengasse. William wollte ihr nacheilen, als er den strengen Ton seines Sires vernahm. „Childe!" Und abrupt stehen blieb.

William brauchte nicht in Angelus’ Gesicht blicken, um zu wissen, dass dieser sehr wütend auf ihn war. Angelus nannte ihn sonst nie „Childe". Nur wenn er wirklich verärgert war.

„Es tut mir leid, ich wollte nur…" Mehr schaffte William nicht zu sagen, da ihn der harte Schlag seines Sires gegen die Steinmauer schleuderte.

„Sirius, geh zurück zu unserem Quartier. William und ich werden später nachkommen", erklärte Angelus seinem Schüler.

Sirius ging sofort wie angeordnet und ließ die Beiden allein.

Ein weiterer Schlag traf William direkt im Gesicht. „Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst auf Wachtposten achten? Wie oft?" herrschte er sein Childe an.

„Es tut mir leid. Ich dachte ich könnte es schnell erledigen."

Angelus schlug erneut hart auf ihn ein. „Hörst du mir überhaupt zu? Ich habe dir eine Frage gestellt. Wenn ich dir eine Frage stelle, erwarte ich eine Antwort. Hast du verstanden?"

William bekam es nun mit der Angst zu tun. So hatte Angelus noch nie reagiert. Und noch nie hatte er so mit ihm geredet. Seine Furcht stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben und er wich vor Angelus zurück.

Nachdem William nicht antwortete, hagelte es weitere Schläge und Angelus fragte erneut: „Hörst du mir zu?"

„Ja, Sire!" antwortete William diesmal sofort, bevor er weitere Schläge bekommen würde.

„Gut. Also dann noch mal. Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst auf Wachposten achten?"

„Ich weiß es nicht", erwiderte er unsicher.

„Du weißt es nicht? Wie kommt das? Kommt das vielleicht daher, weil du mir nicht zuhörst?" fragte Angelus wütend.

„Ich weiß nicht", kam die verzweifelte Antwort.

„Ich weiß nicht, was?"

„Was?" William wusste nicht, was Angelus hören wollte.

Angelus packte William am Hals und schob in gegen die Wand. „Wer bin ich?"

„Angelus", presste William unsicher hervor. Dieser gab ihm eine schallende Ohrfeige und wiederholte: „Wer bin ich?"

„Sire", versuchte es William erneut.

„Besser. Wer bist du?"

„Dein Childe."

„Richtig! Du bist mein Childe. Du gehörst mir. Und von jetzt an, wirst du tun, was ich sage, hörst du?"

„Ja, Sire."

„Wenn du siehst, dass ein verfluchter Wachposten in der Nähe ist, dann lass gefälligst die Finger von schreienden Kindern! Hast du gehört?"

„Jawohl, Sire", antwortete er gehorsam und unterdrückte dabei seine drohenden Tränen.

„Ich bin mir nicht sicher, ob du mich auch richtig verstanden hast, also darum frage ich noch mal: Was tust du, wenn du einen Wachposten siehst?"

„Ich.. ich lass die Finger von dem Opfer und warte bis der Wachposten weg ist."

Wieder erhielt William eine schmerzhafte Ohrfeige, doch er verstand nicht wofür diese war.

„Wer bin ich?" kam die erneute Frage, und William verstand nun sehr gut.

„Mein Sire, Sire", antwortete er demütig.

„Gut. Vergiss das nicht. Sorg dafür, dass man die Leichen nicht sofort findet. Und danach kommst du Nachhaus. Wage es nicht dich davonzuschleichen. Ich werde dich finden, und dann wirst du es bitter bereuen." Mit diesen letzten Worten ließ Angelus sein Childe allein an der Wand stehen. William rutschte an der Wand herab und versteckte sein Gesicht zwischen seinen Knien und unter den Armen, um die Tränen über seinen Schmerz und die Demütigung zu verstecken.

Angelus eilte mit raschen Schritten aus der Gasse. Es brach ihm beinahe das Herz, auf diese Weise mit seinem Childe umzugehen. Doch er wusste sich langsam keinen anderen Rat mehr. Als er William vorher beobachtet hatte, wie er mit der Familie gesprochen hatte, war in ihm die Hoffnung erwacht, dass seine vielen Versuche seinem Childe etwas beizubringen doch nicht umsonst gewesen waren. Doch wieder einmal hatte ihm William gezeigt, dass er nichts von seinen Anweisungen hielt. Also musste Angelus einen anderen Weg finden ihm die Dinge beizubringen, die wichtig waren. Wenn es sein musste, mit Gewalt.

****

Als William etwas später zuhause ankam, schlich er sich lautlos nach oben. Er wollte Angelus nicht wieder gegenübertreten müssen. Wenigstens nicht in dieser Nacht. Er fühlte sich sehr elend. Durch Angelus’ Schläge war die Wunde an seiner Linken Schulter wieder aufgeplatzt und schmerzte. Frisches Blut sickerte durch sein weißes Hemd.

Niedergeschlagen dachte er noch mal über die Geschehnisse in der Seitengasse nach. Angelus hatte ihn behandelt wie einen der Lakaien. Er betrauerte, wie sehr sich sein Verhältnis zu seinem Sire verschlechtert hat und bereute zutiefst seine Familie verlassen zu haben. Er fragte sich, ob er je in der Lage sein würde, die Gunst seines Sires zurück zu erlangen.

Leise öffnete er die Türe zu seinem Zimmer. Als er es schließlich betrat, sah er Angelus dort vor seinem Fenster stehen. Sein Sire hatte seine Ankunft bereits erwartet. Er stand vor dem offenen Fenster und blickte nachdenklich in die dunkle Nacht hinaus. William wusste nicht, wie er sich nun zu verhalten hatte. Unsicher und nervös trat er etwas näher und fragte leise: „Sire?"

„Komm her, mein Junge", erwiderte Angelus mit ruhiger Stimme. Er stand hier nun schon seit einer halben Stunde. Er wollte ihn einfach sehen. Sehen, dass es ihm gut ging. Er hatte befürchtet, dass sein William nicht wieder kommen würde, nachdem was in der Gasse vorgefallen war. Und doch, er war gekommen.

William trat mit einem mulmigen Gefühl im Bauch neben seinen Sire. Dieser starrte weiter durchs Fenster. Er war hier gewesen, um William zu sehen, doch nun fürchtete er sich davor, was er in dem Blick seines Childes lesen würde. Wäre es furcht? Oder Hass?

Schließlich wandte sich Angelus zu ihm um und sah tief in dessen Augen. Was er dort sah, war reine Sehnsucht. Diesen Blick hatte Angelus nicht mehr gesehen, seit William noch ein junger Zögling war. Er hatte mit so vielem Gerechnet, doch nicht mit dieser Sehnsucht.

William wollte nun endlich die Gelegenheit ergreifen und bei seinem Sire um Verzeihung bitten. Dafür, dass er ihn verlassen hatte und er niemals genügend Aufmerksamkeit schenkte, wenn Angelus ihm versucht hatte etwas beizubringen.

„Sire, ich möchte…" Weiter schaffte er es nicht, da Angelus plötzlich nach ihm Griff, und er erschrocken inne hielt, da er im ersten Moment dachte Angelus würde ihn erneut schlagen. „Du bist verwundet!" Angelus hatte nur mit Schrecken den Blutfleck an Williams Hemd entdeckt und knöpfte nun rasch das blutige Kleidungsstück auf.

Verwirrt beobachtete William, wie Angelus schon fast hektisch an dem Stoff zerrte und seine blutende Wunde offen legte.

„Es ist nicht schlimm. Es wird morgen verheilt sein", stellte Angelus erleichtert fest. William blickte verwundert zu ihm auf. Sein Sire war nun wieder so, wie er es früher war. Stets besorgt um sein Wohl. Stets darauf bedacht, dass es ihm gut ging. Was war der Grund, für diese Veränderung?

Doch dieses Verhalten änderte sich erneut so schnell, wie es gekommen war. Angelus Blick wurde wieder hart und er zog seine Hand zurück. William war nicht sehr schwer verletzt. Angelus erinnerte sich, dass er nicht zu viel Zuneigung zeigen wollte. Er wollte nur sehen, dass es ihm gut ging, und dass er hier war. Davon hatte er sich nun überzeugt, also wollte er wieder gehen.

Als William merkte, wie sich Angelus’ Gesichtzüge wieder verschlossen, und sein Sire Anstalten machte, aus dem Zimmer zu gehen, sah er sich gezwungen drastischere Maßnahmen zu ergreifen. Er wollte endlich um Verzeihung bitte. Er wollte, dass Angelus erfährt, dass er seine Fehler eingesehen hatte. Er hoffte, dass dadurch alles wieder so werden würde, wie es einmal war.

William eilte an Angelus vorbei, stellte sich ihm in den Weg und fiel vor ihm auf die Knie. Während er sprach hielt er seinen Kopf gesenkt, da er den strengen Blick seines Sires nicht ertragen konnte. Und so bat er: „Bitte hör mich an. Es tut mir leid, dass ich fort gegangen bin. Ich sehe ein, dass ich viele Fehler gemacht habe. Ich hätte besser zuhören sollen. Bitte verzeih mir, mein Sire."

Angelus glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Hier vor ihm kniete sein wunderschönes Childe. Den Haupt gesenkt und er bat ihm um Verzeihung. Dies berührte Angelus mehr, als er es je für möglich gehalten hätte. Gerührt blickte er auf William herab und berührte ihn sanft an der Wange. Sanft zeichnete er mit seinem Daumen den scharfen Wangenknochen nach und hob William mit den restlichen Fingern das Kinn hoch, damit er in die herrlich blauen Augen seines Childes Blicken konnte.

Wieder war es Sehnsucht, die er dort erkannte, und Angelus wunderte sich, was diese Veränderung in seinem Childe verursacht hatte. Lag es daran, dass er ihn härter behandelt hatte? War dies der Auslöser dafür gewesen. Hatte Darla recht, dass William eine härtere Hand brauchte? Würde dies aus ihm eines Tages einen Meistervampir machen? Oder würde er ihn dadurch zu seinem Sklaven machen? Wenn es eines gab, das Angelus sicher nicht wollte, dann dass sein Childe ihm wie ein Sklave dienen würde.

Er wollte ihn immer zu einem starken Mitglied der Familie machen. Doch all seine bisherigen sanften Versuche hatten fehlgeschlagen, und nun, seit er es auf eine strengere Art versuchte, war William wie ausgewechselt. Scheinbar war dies der richtige Weg.

William war froh, als Angelus’ Gesichtszüge wieder sanft waren. Er blickte hoffnungsvoll zu seinem Sire auf und wartete sehnsüchtig auf ein freundliches Wort. Es hatte ihn viel Überwindung gekostet auf so unterwürfige Art vor seinen Sire zu treten. Doch er wusste sich keinen anderen Rat mehr. Durch Angelus’ dominantes Verhalten in der Gasse nahm William an, dass er ihn durch ein solches Verhalten besänftigen könnte. Und die sanfte streichelnde Hand, gegen die William seinen Kopf nun lehnte, zeigte ihm, dass er mit seiner Vermutung recht hatte. Scheinbar wollte Angelus, dass sich William ihm gegenüber unterwürfig zeigte.

„Ich verzeih dir, mein Junge. Zeig mir in Zunkunft, dass es kein Fehler war, dich zu meinem Childe zu machen. Und es wird keinen Grund mehr geben, um Verzeihung zu bitten."

„Ich verspreche es", erwiderte William sofort und fügte zögernd „Sire" hinzu.

Angelus musste gegen den Drang ankämpfen, sein Childe auf die Beine zu heben und in den Arm zu nehmen. Bevor er diesem Drang doch noch nachgeben würde, tätschelte er ihn leicht an der Wange und verließ dann rasch Williams Zimmer.

Seufzend setzte sich William zurück auf seine Beine und blickte traurig zu Boden. Ihm wurde klar, dass eine bloße Entschuldigung nicht ausreichte, um die Gunst seines Sires wieder zu erlangen. Er nahm sich vor hart dafür zu arbeiten und seinem Sire allen Grund zu geben, stolz auf ihn zu sein.

****

„Hallo Liebling, wie war die Jagd?" begrüßte Darla ihren Liebsten freundlich, als Angelus in ihr gemeinsames Zimmer trat.

Sie und Drusilla waren gerade von ihrer eigenen Jagd zurückgekehrt. Darla war noch berauscht von dem Blut ihrer Opfer. Vergnügt kam sie Angelus entgegen und schmiegte sich sanft an dessen Seite.

„Es war erfolgreich", meinte Angelus knapp.

„Und wie macht sich Sirius als dein Schüler?" fragte sie verspielt, während sie ihm mit einem frechen Lächeln von seinen Kleidern entledigte.

„Sehr gut. Er ist ein sehr aufmerksamer und lernwilliger Schüler. Bald hat er alles Wichtige gelernt."

„Und wie war William? Hat er wieder Fehler gemacht?"

„Ja", gab Angelus widerwillig zu.

„Und hast du ihm gezeigt, wer der Herr ist?"

„Ja, das habe ich. Und ich denke er reagiert gut darauf."

„Wie kommst du darauf?"

„Ich war gerade bei ihm. Er fiel vor mir auf die Knie und bat mich um Verzeihung. Ich denke du hattest Recht. William braucht wohl eine strengere Hand. Auch, wenn es mir schwer fällt, aber ich denke ich werde ihn in Zukunft härter ran nehmen müssen."

„Du wirst sehen, am Ende wird es sich lohnen."

Zweifelnd sah er auf seinen geliebten Sire und erwiderte: „Ich bin mir nur nicht sicher, ob es mich dort hinführt, wo ich hin will."

„Mach dir keine Gedanken, Liebling. Du wirst schon sehen. William wird ein gutes Childe."

„Ich hoffe es."

*****

Die nächsten Tage waren für William eine einzige Qual. Er war stets darauf bedacht, seinem Sire mit dem größten Respekt gegenüberzutreten. Während der vielen Unterrichtsstunden, in denen Angelus seinem Schüler alles Wichtige beibrachte, verhielt sich William so still wie möglich, was ihm besonders schwer fiel.

Auf den nächtlichen Jagten, wartete er immer geduldig, dass Angelus ihm Anweisungen gab und wagte keinen einzigen selbstständigen Schritt. Er achtete darauf, dass er Angelus in beinahe jedem Satz mit „Sire" ansprach. Er hoffte inständig, dass durch sein unterwürfiges Verhalten das Verhältnis zwischen ihm und Angelus wieder besser werden würde.

Darla hielt ein wachsames Auge über ihre beiden männlichen Familienmitglieder. Mit großer Zufriedenheit beobachtete sie, dass William sich wirklich vorbildlich ihr und seinem Sire gegenüber verhielt. Sie hätte es kaum für möglich gehalten, dass der sonst so vorlaute und widerspenstige Vampir so gehorsam und ruhig sein konnte.

Dies war ihrer Meinung allein auf Angelus’ strenge Behandlung zurückzuführen, weshalb sie darauf achtete, dass ihr Childe nicht wieder in seine alten Gewohnheiten zurückfallen würde und ihn öfter darauf hinwies, wie wirkungsvoll die Veränderungen waren.

Angelus selbst dagegen nervte das unterwürfige Verhalten seines Childes. William schlich ihm ständig nach, wie ein abgerichteter Hund und wagte nie unangesprochen etwas zu ihm zu sagen. Ihn nervte dieses ewige „Sire". Er vermisste die lebensfrohe Art, die William früher hatte. Er vermisste das goldene funkeln in dessen blauen Saphiren. Er vermisste auch die Liebe, mit der ihn sein Childe früher angesehen hatte. Nichts von dem war noch übrig geblieben.

Alles was Angelus in dem Gesicht seines geliebten William lesen konnte, war Widerstreben und Traurigkeit. Angelus glaubte, dass William gegen seinen Willen handelte. Dass dieser nicht hier sein wollte. Er konnte es ihm deutlich ansehen, wie sehr sein Childe mit sich selbst kämpfte und wie ungern er in Angelus’ Gegenwart war.

Angelus’ Laune wurde dadurch immer schlechter. Er ertrug es nicht William so unterwürfig zu sehen, weshalb er ihn immer öfter aus dem Raum schickte und ihm die Erlaubnis verwehrte, ihn und Sirius auf der Jagd zu begleiten. Stattdessen ordnete er an, dass Michael ihn begleitete. Oder Darla und Dru nahmen ihn mit, was für William eine noch größere Qual war.

William hatte zwar kein schlechtes Verhältnis zu seinem Grandsire. Doch Darla war unberechenbar. Er wusste, dass er es sich nicht erlauben durfte, dass auch sie wütend auf ihn wäre, weshalb er auch ihr den größtmöglichen Respekt schenkte.

Was weder Darla, noch Angelus merkten war, dass William sich über Tage, wenn alle schliefen, heimlich ins Kaminzimmer schlich, und sich dort die Bücher ansah, aus denen Angelus ihm früher alles Wichtige beibringen wollte. William studierte all die verschiedenen Vampirclans. Er lernte alles über die vielen verschiedenen Dämonenarten. Er lernte welche der Dämonen zu fürchten, und welche harmlos waren. Was ihre Schwächen waren. Worauf Vampire zu achten hatten. Alles, was Angelus immer versucht hatte ihm beizubringen, eignete er sich nun selbst an.

Wenn Angelus Sirius unterwies und es William erlaubt war im Raum anwesend zu sein, lauschte er jedem einzelnen Wort. Jede von Angelus’ Fragen versuchte er im Geiste zu beantworten. Doch er behielt es stets für sich, wenn er etwas wusste, das Sirus entgangen war.

*****

Die ganze Familie war im Kaminzimmer anwesend. Darla saß auf dem Zweisitzer vor dem Kamin und war in ein Buch vertieft. Sirius saß an einem Tisch und lauschte den Unterweisungen von Angelus, welcher am Fenster hin und her ging, während er seinem Schüler gerade erklärte, wie man sich einem hohen Clanoberhaupt gegenüber zu verhalten hatte.

So wie es Darla vorausgesagt hatte, hatte Darken zugestimmt, ein Bündnis mit dem Aureliusclan einzugehen. Sirius wollte sein angelerntes Wissen an seine Familie weitergeben. Er würde bald zu seinem Clan zurückkehren und zusammen mit Darken die Familie anführen. Damit das Bündnis öffentlich abgeschlossen werden konnte, sollten Sirius und Darken vor das Oberhaupt des Aureliusclan geführt werden. Vor dem Meister selbst.

Hierzu erklärte Angelus, wie wichtig es für ein Familienmitglied war, seinem Oberhaupt vorgestellt zu werden. Dass erst dann das Childe offiziell in die Gemeinschaft aufgenommen werden würde. Er erklärte ihm, wie sich ein verbündeter Clan gegenüber dem Meister zu verhalten hatte und noch so einiges mehr.

William saß etwas abseits bei seiner Schwester Drusilla, die ihren Puppen summend die Haare bürstete. Er achte genau auf alles, was Angelus erzählte. Mit großem Interesse erwartete er den bald nahenden Tag, an dem die Familie mit Sirius und Darken zum Meister fahren würde. Schließlich war er ein Childe des Aureliusclans und nachdem, was er nun alles wusste, war es sehr wichtig, dass er dem Meister vorgestellt werden würde. Was eigentlich schon längst hätte passieren müssen. William war schon seit fünfundzwanzig Jahren ein Vampir. Andere Childer wurden mit viel jüngeren Jahren vorgeführt. Er hoffte, dass sich dann etwas ändern würde. Dass, wenn der Meister ihn offiziell anerkennen würde, auch Angelus stolz auf ihn wäre. Er hoffte es so sehr.

Umso bestürzter war nun William, als er hörte, als Angelus seinen Lakaien Anweisungen gab, dass nur Darla, Sirius, Darken und er die Reise antreten würden. Außerdem befahl er, dass William während seiner Abwesenheit unter der der strengen Aufsicht von Michael sein sollte. Nicht einmal Drusilla bekam eine solche Aufsicht, wenn Angelus und Darla nicht anwesend waren. Und dabei war Dru eindeutig Geisteskrank! William fühlte sich mehr als gedemütigt. Er wollte dagegen protestieren. Doch Darla und Sirius waren noch anwesend, weshalb er wohlüberlegt wartete, bis sich ein besserer Zeitpunkt ergeben würde.

*****

Angelus war unten im Keller. Dort pflegte er zur Zeit des Öfteren seinem zweiten Hausgast einen Besuch abzustatten. Helena war dort wie ein Hund mit einer Leine um den Hals an die Wand gekettet. Solange Sirius noch im Haus war, vermied es Angelus Helena mit nach oben zu nehmen. Auch wenn Sirius keine enge Bindung zu seinem Sire mehr spürte, so fand Angelus es nicht für klug, Helena in dessen direkten Anwesenheit zu foltern. Sirius wusste, dass sie hier unten war und er hätte die Erlaubnis gehabt sie jederzeit zu sehen, doch er lehnte es ab ihr gegenüberzutreten.

Wegen seinem Kummer um William kam er immer öfter hier nach unten und ließ all seinen Frust an dem Körper der Vampirin aus. Ohne Gnade folterte er sie stundenlang. Fügte ihr all die Schmerzen zu, die sie seinem Childe zugefügt hatte. Nur tausendmal schlimmer. Wie er es ihr versprochen hatte. Angelus pflegte sein Wort immer zu halten.

William ging hinunter zu seinem Sire und trat vorsichtig in den Raum, in dem dieser sein Folterobjekt gerade zwang, an seiner Härte zu saugen. Ohne Rücksicht stieß Angelus in Helenas Mund, die mit, auf dem Rücken gefesselten Händen, vor ihm kniete. Ihr Blick war schmerzverzerrt und sie kämpfte gegen den Drang an, sich zu wehren, da sie wusste, dass dies nur schlimmere Folter zur Folge hätte.

Mit fest geschlossenen Augen lehnte sich Angelus mit einer Hand an die Wand und hielt mit der Anderen Helenas Kopf fest. Währenddessen stellte er sich vor, dass es William wäre, der ihm diesen Dienst erwies. So wie es früher oft gewesen war. Nur, dass er sein Childe niemals hatte dazu zwingen müssen und es niemals mit soviel Gewalt genommen hatte, wie er es bei seinem Folterspielzeug tat.

Eine schreckliche Eifersucht überkam William, als er seinen Sire erblickte. Seit seiner Rückkehr hatten er und Angelus keinerlei Intimitäten mehr ausgetauscht. Dabei hätte William sich nichts sehnlicher gewünscht, als in den Armen seines Sires zu liegen. Ihn, wie früher, mit seiner Zunge und seinem Mund verwöhnen zu können. Den köstlichen Geschmack seines Sires auf der Zunge zu spüren. Den steifen Schaft seines Erschaffers in sich zu fühlen. All dies vermisste William so sehr.

Er hatte gedacht, dass Angelus zu wütend war, und keinerlei Lust verspürte. Doch als er nun sah, dass er sich an Helena befriedigte, übermannte ihn das schreckliche Gefühl, dass er selbst es war, den Angelus nicht wollte. Scheinbar befriedigte sich Angelus lieber an einem Feind, bevor er es bei William tat. Dies war eine schmerzliche Erkenntnis.

Angelus hatte die Gegenwart seines Childes bereits bemerkt, doch er ließ sich nicht davon stören. Dadurch wurde seine Illusion, Williams geschickten Mund zu spüren nur noch verstärkt, da er dessen Gegenwart so deutlich spürte und dessen Duft riechen konnte. Mit einem letzten Stoß stöhnte er schließlich seinen Orgasmus hinaus. Eine Weile verharrte er regungslos, um nur für einen kurzen Moment weiter in seiner Illusion leben zu können. Helena hatte alles, was er ihr gegeben hatte, artig geschluckt und leckte ihn nun sauber.

Ihre sorgfältige Leckarbeit, der Geruch seines Childes und der Gedanke an eine schönere Illusion ließ sein Glied wieder erhärten. Helena fürchtete schon, dass ihre Demütigung noch weiter gehen würde, weshalb sie froh war, als Angelus sich, mit noch offenem Hosenlatz, von ihr wegbewegte und zu dem Tisch ging, der direkt neben der offenen Türe stand, in der William wartete.

Den halberregten Schaft seines Sires zu sehen irritierte William. Für einen Moment vergaß er, weshalb er eigentlich hier war. Erinnerungen stiegen in ihm hoch. Schöne Erinnerungen. Erinnerungen, an eine glückliche Zeit, wo Angelus beinahe jeden Tag zu ihm gekommen war, um sich Befriedigung zu suchen. Und wo die beiden Vampire Stunden damit verbrachten, sich zu verwöhnen. Manchmal ausgiebig und zärtlich, oder auch schnell und hart.

William musste seinen Blick von seinem Sire abwenden, als dieser nun dicht neben ihm, an dem Tisch stand, auf dem Angelus’ liebste Folterwerkzeuge verteilt lagen und sich selbst mit einem Tuch trocken wischte.

Angelus bemerkte, wie William seinen Blick abwandte. Gekränkt meinte er: „ Hast du ein Problem damit, den Schwanz deines Sires zu sehen? Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen du ganz wild darauf warst."

Bestürzt blickte William zu Angelus. Er hatte nicht den Anschein erwecken wollen, dass er Angelus’ Männlichkeit nicht mehr ansehen könnte. So war es ganz gewiss nicht. „Daran hat sich nichts geändert, Sire!" versuchte er überzeugend zu klingen.

„Gewiss" erwiderte er ungläubig. „Was willst du von mir? Weshalb störst du mich bei meiner Folter?"

William wollte den falschen Gedanken, den Angelus über ihn hatte berichtigen, doch im Augenblick war es wichtiger etwas anderes zu klären. „Sire, kann ich einen Moment mit dir reden?"

Angelus nervte dieses unterwürfige Verhalten. Er mochte es nicht, sein Childe so zu sehen. Sein Childe sollte stark und selbstbewusst sein, und nicht so jämmerlich. Dementsprechend genervt erwiderte er: „Das tust du doch bereits. Rück raus mit der Sprache. Was willst du mit mir reden?"

William merkte den genervten Unterton. Er fragte sich, ob es vielleicht besser wäre ihn später zu behelligen. Doch er hatte es satt noch länger zu warten. Er wollte endlich Klarheit. „Sire, weshalb nimmst du mich nicht mit, wenn du den Meister besuchst?"

„Weil du noch nicht so weit bist, und jetzt lass mich in Ruhe. Helena und ich haben noch einiges vor heute", antwortete er abweisend. Helena zuckte erschrocken zusammen, als sie dies hörte und drückte sich ängstlich gegen die Wand.

William verlor seine Zurückhaltung. Unbeherrscht lenkte er ein: „Du sagtest, ein Childe muss dem Clanoberhaupt vorgestellt werden bevor es ein vollwertiges Mitglied werden kann. Erst wenn der Meister mich anerkennt, werde ich offiziell als Familienmitglied anerkannt. Warum willst du mich dem Meister nicht vorstellen? Warum muss ich hier unter Aufsicht bleiben, als wäre ich ein verfluchtes Kind?"

Wütend knallte Angelus das Folterwerkzeug auf den Tisch, dass er sich gerade ausgesucht hatte, um Helena damit zu bearbeiten. Mit erhobener Stimme fing er an zu erklären: „Du willst wissen, warum ich dich dem Meister nicht vorstelle? Das willst du wirklich wissen?"

William blickte Angelus finster entgegen und wich nicht zurück, als dieser bedrohlich näher kam.

„Weißt, du, was der Meister mit dir machen würde?" Angelus packte William blitzschnell im Nacken und presste dessen Gesicht auf den Tisch, ungeachtet dessen, dass dort einige scharfe Gegenstände lagen. Dieser erschrak so sehr, dass er vergaß auf eine direkte Frage zu antworten. Doch Angelus war zum Glück nicht daran interessiert William weitere Maßregeln über direktes Antworten auf seine Fragen zu erteilen.

Stattdessen drückte er ihn fest auf den Tisch und beugte sich zu ihm hinunter. Bedrohlich sprach er in Williams Ohr. „Der Meister duldet keinen wie dich! Er erwartet stets ungeteilte Aufmerksamkeit von seinen Nachkommen! Er braucht dich nur anzusehen, um dort deinen Widerwillen zu sehen, den ich jeden Tag erdulden muss. Willst du wissen, was er mit dir machen würde? Willst du es wissen? Genau das hier würde er mit dir machen."

Mit seiner freien Hand riss er William die Hose herunter. Dieser versuchte sich zappelnd aus dem festen Griff zu befreien, doch Angelus war viel stärker als er, sodass er keine Chance hatte. Noch nie hatte William zu spüren bekommen, wie stark Angelus wirklich war. Nun bekam er eine ungefähre Vorstellung davon.

„Willst du wissen, was das Rattengesicht mit dir tun würde?" fragte er erneut, ohne eine Antwort zu erwarten, während er seine eigene Hose wieder öffnete und seinen noch halbsteifen Schaft mit seiner Hand zu voller Größe bearbeitete.

„Er würde seinen hässlichen Rattenschwanz rausholen, und ihn dir in den Hintern schieben", kommentierte er, während er sein eigenes, nun hartes Glied ohne jegliche Vorbereitung in den Anus seines Childes stieß. William schrie auf, als er durch den gewaltigen Stoß einen stechenden Schmerz fühlte. Er hatte das Gefühl, als würde Angelus ihn innerlich auseinander reißen. Noch nie war er so brutal zu ihm gewesen. William kämpfte darum, keine Tränen zu vergießen. Es war nicht allein der körperliche Schmerz, der ihn Quälte. Viel schlimmer war der psychische Schmerz, den er empfand.

„Vor allen Leuten würde er dich ficken, bis er sich in dir vergießt!" zischte Angelus ihm ins Ohr, während er in einem harten schnellen Rhythmus in ihn ein hämmerte.

Es dauerte nicht lange, bis Angelus seinen toten Samen in den Körper seines Childes vergoss. Mit einem letztem Grunzen schob er seinen Schaft tiefer, lehnte sich erneut vor und erklärte kühl: „Das ist es, was er mit dir machen würde, solange du nicht gelernt hast, ein brauchbares Mitglied unserer Familie zu sein. Und solange wirst du außerhalb seiner Reichweite bleiben. Hast du mich verstanden?"

„Ja, Sire", erwiderte William mit gebrochener Stimme und gebrochenem Herzen.

Hinter sich hörte William das leise Kichern von Helena, die diese Show sichtlich genossen hatte. Er fühlte sich unendlich gedemütigt.

„Jetzt geh, und lass mich allein!" herrschte ihn Angelus an, während er sich aus Williams Körper entzog und sich rasch zu Helena wandte. Er ertrug den Anblick seines Childes nicht mehr. Es tat ihm zu sehr weh.

William schob sich schluchzend die Fetzen seiner Hose nach oben und flüchtete aus dem Keller.

Angelus kämpfte um seine Fassung. Er wollte William nicht so grausam behandeln. Er konnte nur den Gedanken nicht ertragen, dass der Meister all dies wirklich tun konnte. Er hatte es selbst schon einmal miterlebt, als andere Clanmitglieder ihre Childer vorgeführt hatten. Wenn es dem Meister gefiel, konnte er es tun. Doch Angelus könnte es nie ertragen, wenn ein Anderer sich an seinem Childe vergehen würde. Dies allein, war der Grund, warum er kein Risiko eingehen wollte, und William erst vorstellen wollte, wenn er ein stattlicher Vampir wäre. Nur bezweifelte Angelus ernsthaft, ob dies jemals geschehen würde.

****

William hatte genug von seiner Familie. Er hatte genug von all den schrecklichen Demütigungen. Angelus hatte ihm angedroht ihn zu suchen, und ihn zu finden, falls er versuchen würde wieder wegzugehen. Also wartete er bis Angelus und Darla zum Meister gehen würden. In der Zwischenzeit verbrachte er die meiste Zeit nur noch auf seinem Zimmer.

Die wenigen Male, in denen er Angelus oder Darla begegnete, verhielt er sich vollkommen still und sprach nur, wenn er direkt angesprochen wurde. Er wollte nur noch darauf warten, dass er eine günstige Gelegenheit fand, um von diesem Alptraum zu fliehen. Er sah ein, dass er seinen Sire längst verloren hatte, und er ihn nie wieder zurückbekommen würde.

Endlich war es soweit. Darla war sichtlich aufgeregt, den Meister, ihren Sire, bald wieder zu sehen. Sie hatte die ganze Reise genau geplant. Sie überprüfte noch mal jede Kleinigkeit, auf die es zu achten gab. Sirius und Darken waren pünktlich erschienen und sahen dem Ereignis ebenfalls mit großer Spannung entgegen. Nur Angelus schien sich nicht sehr auf das Bevorstehende zu freuen.

Seit dem Vorfall im Keller hatte er William kaum mehr gesehen. Angelus fürchtete, dass er zu weit gegangen war. Er machte sich Vorwürfe. Doch diese verdrängte er unter dem Vorwand, dass es so vielleicht besser war.

Vor seiner Abreise gab Angelus dem zurückbleibenden Lakaien genaueste Instruktionen. Drusilla war ein artiges Childe. Sie liebte ihren Daddy und versprach ihm hoch und heilig artig zu sein und auf ihren Bruder aufzupassen. Angelus wusste, dass er sich auf Dru verlassen konnte, doch was William betraf, so war sich Angelus nicht sicher, ob es wirklich eine so gute Idee war, ihn hier in London zurückzulassen.

Allerdings konnte er ihn genauso schlecht mitnehmen, wenn er nicht riskieren wollte, dass sein Grandsire sein Recht über William einfordert. Also blieb ihm nichts anderes übrig. Er beauftragte Michael auf ihn acht zu geben. Er drohte seinem Lakai, falls William etwas passieren sollte, oder er weglaufen sollte, würde Michael mit seinem Leben dafür büßen. Michael zählte bereits seit Langem zu Angelus’ Untertanen und er wusste, dass dieser stets zu seinen Worten stand. Vor allem, wenn es eine Drohung dieser Art war.

 

 

Die Kutsche wartete bereits auf die Abreise. Darla übergab den Lakaien letzte Instruktionen und wies die beiden Clanführer des Osiris-Clans an, in die Kutsche zu steigen. Angelus stand noch ruhelos in der Eingangshalle. Er hatte sich eben noch von Drusillia verabschiedet. Die nun zusammen mit Mrs. Edith nach draußen ging, um sich bei ihrer Grandmommy ebenfalls zu verabschieden. Nun hoffte er, dass William noch kommen würde um Auf Wiedersehen zu sagen.

William saß oben in seinem Zimmer und dachte nicht einmal daran Angelus Lebewohl zu sagen. Es wäre ein Lebewohl für immer gewesen, und Angelus hätte es ihm bestimmt angesehen. Er blickte nach unten aus dem Fenster, wo er die Stimme seines Grandsires hören konnte, die Angelus bat, endlich zu kommen, damit sie abreisen könnten. Das letzte, was William sah, war Angelus, wie er als letzter in die Kutsche einstieg und noch mal zu ihm nach oben zum Fenster blickte. Es war sein suchender und sehnsüchtiger Blick, der William verwirrte. Rasch wich er zurück und presste seinen Körper an die Wand, damit sein Sire ihn nicht sehen konnte. William war verunsichert. War dies wirklich Sehnsucht, die er in dem Blick seines Sires erkannt hatte?

*****

William wusste, dass Angelus und Darla mindestens eine Woche weg sein würden. Es bestand daher also kein Grund gleich in der ersten Nacht zu fliehen. Es war klüger erst noch zu warten, bis Angelus und Darla ihr Ziel sicher erreicht haben würden.

Also ließ er sich von Michael einen Menschen bringen, da er selbst die Residenz ja nicht verlassen durfte und setzte sich später ins Kaminzimmer, um dort noch ein paar Dinge in den Büchern nachzuschlagen. Er würde für die nächste Zeit auf eigenen Beinen stehen müssen und wollte diesmal keine Fehler mehr machen.

Er hatte viel gelernt. Besonders viel über andere dämonische Wesen, die den Vampiren Freund oder Feind waren. Er plante nach Europa zu gehen und dort Unterschlupf bei einem neutralen Dämonenstamm zu suchen. Diese waren weder Freund noch Feind. Also musste er weder befürchten, dass man ihn bekämpfen würde, noch dass man seine Anwesenheit seinem Sire verraten würde. Ein guter Plan.

*****

Inzwischen war der Tag angebrochen. William war noch immer im Kaminzimmer und studierte ein paar Bücher. Drusilla konnte nicht schlafen. Sie wurde von schlimmen Bildern gequält. Wimmernd hielt sie sich ihre Puppe vor die Brust und suchte die Gesellschaft ihres Bruders.

Ein wenig gereizt nahm William die Gegenwart seiner Schwester war. Sie winselte wie ein kleines Kind und sprach wirres Zeug.

„Dru, geh in dein Zimmer. Lass mich allein", bat William mit ruhiger Stimme.

„Ich kann nicht schlafen. Dort ist soviel Feuer."

„Feuer? Wovon redest du?" Nichts ist tödlicher für Vampire, wie Feuer. Außer vielleicht ein gut gezielter Holzpflock einer Jägerin, weshalb William nun aufmerksamer zuhörte.

„Es ist überall! Überall sind hohe Flammen. Es gibt keinen Ausweg. Sie werden alle verbrennen."

William wusste, dass Drusilla sehr oft Visionen hatte. Besorgt fragte er weiter: „Wer wird verbrennen?"

„Daddy und Grandmommy. Sie werden alle brennen. Der Meister wird brennen. William, du musst etwas tun!"

Angelus wird brennen? Starr blickte er auf die Vampirin, die sich wie in Trance hin und her wiegte und immer wieder von hohen brennenden Flammen sprach.

William dachte darüber nach, was wäre, wenn Drusillas Vision wahr wäre. Wenn Angelus und Darla verbrennen, wäre er frei. Dann wäre er Oberhaupt dieser Familie. Dru war zwar älter, aber sie wäre nicht in der Lage einen Clan anzuführen. Er wäre dann sein eigener Herr. Eigentlich konnte ihm gar nichts Besseres passieren.

Nachdenklich ging er an die Hausbar und schenkte sich einen von Angelus’ edelsten Tropfen ein, den er dann in aller Ruhe trank. Mit einer gewissen Genugtuung stellte er sich vor, wie seine Familie samt dem Meister in Flammen aufging. Er stellte sich all die Vampire vor. Sirius, Darken, Darla und all die Lakaien. Er hörte im Geiste ihre Schreie, wenn die Flammen ihre Körper ergreifen würden.

Er stellte sich Angelus vor, wie er als Letzter in mitten eines Flammenmeers stand und verzweifelt nach einem Ausweg suchte, wo keiner da war. Seine Vorstellung war so real, dass er beinahe die Hitze der Flammen spüren konnte. Er sah seinen Sire im hellen Licht der Flammen stehen. Sah seinen Blick. Und dann hörte er einen letzten Schrei. Er hörte ihn rufen. „William!" rief Angelus, als ihn die Flammen ergriffen und er zu Staub zerfiel.

Das laute Klirren seines Glases riss William aus seiner Gedankenwelt. Es war ihm aus der Hand entglitten und lag nun in Scherben auf dem Boden. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er hatte Angelus sterben sehen und nach ihm rufen gehört. Auch wenn er wusste, dass dies nur eine bloße Vorstellung war, so ließ es ihm keine Ruhe mehr und weckte eine nie vermutete Angst. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie viel ihm Angelus wirklich bedeutete.

Sofort rief er nach Michael, der gleich darauf im Zimmer erschien.

„Master William, Ihr habt gerufen", meldete sich dieser anstandsgemäß.

„Sattel zwei Pferde. Du musst mich zum Meister führen. Ich muss Angelus sofort warnen. Etwas Schlimmes wird geschehen."

„Das ist unmöglich Sir. Master Angelus hat mir genaueste Anweisungen gegeben. Ich darf nicht zulassen, dass Ihr das Haus verlasst."

„Wenn ich Angelus nicht warne, werden er und alle Anwesenden sterben. Dru hatte eine Vision. Sie sah, wie Angelus und Darla verbrennen."

Misstrauisch sah Michael zu Drusilla, die noch immer wimmernd auf dem Zweisitzer saß, und ihre Mrs. Edith wiegte. „Lady Drusilla hatte eine Vision?"

„Ja, verdammt!! Frag sie, wenn du mir nicht glaubst!" schrie William unbeherrscht. Rasch trat er vor seine Vampirschwester und redete ruhig auf sie ein: „Dru, Liebes. Erzähl Michael, was du gesehen hast. Bitte."

Artig wiederholte Drusilla die schrecklichen Dinge, die sie in ihrer Vision gesehen hatte. Michael war zutiefst bestürzt, doch er hatte trotzdem noch Angst William gehen zu lassen. Angelus würde ihn dafür gewiss töten. William wäre auch allein geritten, doch er kannte den Weg nicht. Also brauchte er Michaels Hilfe. Er brauchte schließlich eine geschlagene Stunde, bis er Michael davon überzeugt hatte, dass Angelus gewarnt werden musste. Allerdings nur unter der Bedingung, dass William hoch und heilig versprach immer in Michaels Nähe zu bleiben und keinen Unsinn anzustellen. William kam sich vor wie ein Idiot, dass er nun schon Lakaien gegenüber Versprechen abliefern musste, doch um seines Sires Lebens Willen verdrängte er diese Tatsache.

Nachdem Michael nun endlich zugestimmt hatte ihm den Weg zu zeigen, drängte William, dass sie sofort los reiten sollten, doch Michael lenkte ein: „Es tut mir leid, Master William, aber wir können noch nicht los reiten. Die Sonne steht noch am Himmel."

„Die verfluchte Sonne scheint?"

„Ja, Master."

„Was ist das nur für ein bescheuertes Wetter hier. Ständig ist es bewölkt, doch wenn man die Wolken mal braucht, dann sind sie nicht da!" schimpfte William aufgebracht und setzte sich niedergeschlagen auf die große Couch an der Wand. Ihm blieb nichts anders übrig, als auf den Sonnenuntergang zu warten, was wohl die längste Zeit seines Lebens werden würde.

„Soweit ich mich erinnern kann, hat Euch das Londoner Wetter schon einmal das Leben gerettet, Master", wagte Michael es zu erwähnen.

„Mir? Wie kommst du darauf?" fragte William interessiert nach.

„Verzeiht mir, Master. Aber als man Euch aus der Taverne warf wäre es Euer Tod gewesen, wenn keine Wolken am Himmel gewesen wären."

„Woher weißt du, dass ich aus der Taverne geworfen wurde?"

„Ich habe Euch gesehen, Master."

„Du warst dort?"

„Ja, Master. Master Angelus hatte mir befohlen Euch zu beschatten. Ich habe Euch die ganze Zeit über beobachtet."

„Angelus ließ mich beobachten? Er wusste die ganze Zeit wo ich war?" stellte William vollkommen erstaunt fest.

„Jawohl, Master."

„Aber wenn er wusste, wo ich war, warum ist er nie gekommen, um mich zu holen? Oder warum hat er dir nicht befohlen mich Nachhaus zu bringen? Wusste er es auch, dass ich bei Helena war?"

„Ja das wusste er auch. Ich habe Master Angelus über alles informiert. An dem Tag, als Euch die Menschen verfolgt hatten, hatte ich Euch verloren und Master Angelus war sehr wütend auf mich gewesen. Ich hatte Glück, dass er mich nicht getötet hatte. Er war sehr böse mit mir. Aber er wollte nie, dass ich mit Euch in Kontakt trete. Er hoffte, dass Ihr allein zurückkehren würdet. Er hatte jede Nacht auf Euch gewartet, Master William."

William brauchte eine Weile, bis er all diese Informationen zusammenreihen konnte. Dann fing er langsam an zu verstehen. Angelus hatte gehofft, dass er aus freien Stücken zurückkommen würde, was er ja auch tun wollte, doch soweit war es nie gekommen, da Helena es verhindert hatte. Angelus wusste das aber nicht. Er hatte nie erfahren, dass William vorher von alleine zurückkehren wollte. William verstand nun, dass Angelus wohl angenommen hatte, dass er wieder weggehen würde. Und um dies zu verhindern, wandte er strengere Maßnahmen an.

William konnte es nun nicht erwarten, bis er mit Angelus reden konnte. Auch wenn es dafür vielleicht schon zu spät war, wollte er, dass Angelus es erfahren würde, dass er von selbst zurückkehren wollte. Er sollte es zumindest erfahren.

Ungeduldig wartete er auf den Sonnenuntergang, der noch Stunden entfernt lag.

*****

Kaum war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, waren Michael und William auf den Pferden unterwegs, um Angelus und den Meister zu warnen. William trieb sein Pferd an und ritt wie der Teufel. Er hoffte, dass sie nicht zu spät ankommen würden. Sie ritten die halbe Nacht durch und kamen nur wenige Stunden vor Sonnenaufgang endlich an ihrem Ziel an.

Der Meister hatte seine Residenz in einer Stadt, die beinahe so groß wie London war. Tief unter der Erde verbarg sich sein Reich. Hier befehligte er hunderte von Vampire. Die meisten seiner Untertanten waren Lakaien oder andere Clans, die dem Meister loyal dienten. Er besaß auch wenige Childer, die bei ihm lebten. Doch nur ein Nachkomme hatte seine offizielle Zustimmung eigenständig und außerhalb seiner Residenz zu existieren. Nur Darla besaß dieses Privileg.

Die Stadt war Menschenleer. Alles schlief um diese Zeit. William und Michael ritten durch die gepflasterten Straßen. Die Hufe der Pferde hallten durch die Nacht. Michael führte William schließlich zu einem alten Opernhaus. William sah sich verwundert um. Hier sollte der Meister seine Residenz haben?

„Folgt mir Master William", bat Michael freundlich.

Skeptisch befestigte William die Zügel seines Pferdes an einem Pfosten und folgte Michael um das Operngebäude. An der Rückseite des Gebäudes befand sich eine Hintertüre, an der Michael nun klopfte. Er war ziemlich nervös. Er wusste, dass wenn Angelus ihn und William hier sehen würde, er bestimmt sehr großen Ärger bekommen würde. Er hoffte inständig, dass sein Master ihm glauben würde, dass er nur hier war, um ihn zu warnen.

William blickte sich etwas genauer in der Gegend um. Er hatte ein mulmiges Gefühl. Plötzlich sah er eine Gestalt hinter einem Nebengebäude vorbeihuschen. Er war sich nicht sehr sicher, doch er glaubte einen Bora-Quhai-Dämon gesehen zu haben. Aus den Büchern wusste William, dass die Boras Feinde der Vampire waren. Und was er noch wusste, war, dass ein Bora-Quhai ein Sekret ausspucken konnte, das hochentzündlich war.

Sofort bewegte er sich in die Richtung, in die die Gestalt verschwunden war.

„Master William! Wo wollt Ihr hin?" fragte Michael bestürzt und hielt William davon ab weiter zu gehen.

„Michael, geh zu Angelus und erzähl ihm von Drusillas Vision. Sag ihm, dass ich einen Bora-Quhai gesehen habe. Ich werde nachsehen, ob mehr von denen hier sind. Ich komme dann wieder hier her. Los, geh!"

„In Ordnung, Master", erwiderte er gehorsam und wandte sich zur Tür, die gerade geöffnet wurde. Ein Diener des Meisters blickte herablassend auf Michael und fragte nach dessen Beweggründe an der Tür des Meisters zu klopfen.

Michael erklärte, dass er eine dringende Nachricht an Master Angelus hatte. Daraufhin durfte er schließlich eintreten. Er wurde einige Gänge und Treppen nach unten geführt, wo gerade ein kleines Fest stattfand. Alle anwesenden Clanmitglieder feierten das neue Bündnis zu Darkens neuen Clan. Die Feier hatte erst vor kurzem begonnen. Vorher hatte noch eine Jagd stattgefunden und nun würden Angelus und Darla bald die beiden neuen Verbündeten vorstellen.

Es war eine festliche Veranstaltung. Eine kleine Kammermusik spielte während der Meister sein liebstes Childe Darla begrüßte. Die beiden hatten sich eine sehr lange Zeit nicht mehr gesehen, weshalb es einiges zu erzählen gab. Als nächstes würde Angelus den Meister auf standesgemäße Weise begrüßen, um dann anschließend Darken und Sirius vorzustellen.

Geduldig stand Angelus im Saal und wartete, bis der Meister ihn zu sich bitten würde, als einer der Lakaien zu ihm trat, und ihm meldete, dass einer seiner Bediensteten mit einer dringenden Nachricht hier wäre. Angelus drehte sich sofort beunruhigt zum Eingang des Saals. Als er dort Michael erkannte, stiegen Wut und Sorge in ihm hoch. Es musste etwas mit William passiert sein, sonst wäre Michael nicht hier.

Angelus war sehr verärgert, dass Michael ausgerechnet jetzt hier auftauchen musste. Der Meister würde jeden Augenblick nach ihm rufen. Er konnte unmöglich einfach gehen. Doch ohne triftigen Grund wäre sein Diener bestimmt nicht hier her gekommen. Also verließ Angelus seien Platz und ging rasch zur Eingangstüre, wo Michael mit einem unguten Gefühl wartete.

Darla war bestürzt, als sie bemerkte, wie Angelus den Saal verließ. Sirius und Darken waren ebenfalls sehr verwirrt. Auch der Meister selbst war etwas ungehalten, da er gerade nach seinem Grandchilde rufen wollte.

Angelus schob Michael mit sich aus dem Saal und presste ihn mit der Hand an der Kehle gegen die Wand.

„Wehe dir du hast nicht einen wirklich guten Grund mich ausgerechnet hier und jetzt zu stören!"

„Bitte Master Angelus, ich flehe Euch an. Tötet mich nicht. Ich bin hier um Euch zu warnen. Ihr schwebt in großer Gefahr!"

Mit dieser Aussage wenig zufrieden fragte er weiter: „Wo ist William? Hast du ihn etwa allein gelassen?"

„Nein Master! Master William hat mich begleitet. Es war sein Befehl hier her zu kommen. Lady Drusilla hatte eine Vision in der alle hier Anwesenden sterben werden."

„Es war Williams Befehl?"

„Jawohl Master."

„Warum ist er nicht bei dir? Du solltest ihn doch keine Sekunde aus den Augen lassen!"

„Er ist mit mir hier angekommen. Ich soll Euch von ihm sagen, dass er einen Bora-Quhai-Dämon gesehen hat. Er wollte nachsehen, ob mehr von ihnen hier sind."

„So ein Unsinn! William würde einen Bora nicht mal erkennen, wenn er ein Namensschild tragen würde. Wo ist er?"

„Er ist oben, Master."

Plötzlich tauchte Darla hinter Angelus auf, die ziemlich wütend war.

„Angelus! Wie kannst du einfach so gehen? Der Meister wollte dich gerade zu sich bitten", zischte sie verärgert, bis sie Michael erkannte. „Was ist passiert? Was hat William diesmal angestellt?"

Michael zuckte erschrocken zusammen und versteckte sich hinter Angelus’ Rücken. Darlas Augen funkelten golden vor Wut.

Angelus erklärte: „Michael sagt Dru hätte eine Vision, in der wir alle sterben werden. William ist auch hier. Angeblich hätte er einen Bora gesehen. Die beiden sind hier um uns zu warnen. Ich werde hoch gehen und nach William sehen. Rede du mit dem Meister. Sag ihm, dass seine Leute sich vorsichtshalber umsehen sollen."

„Du wirst diesen Unsinn doch wohl etwa nicht glauben?" fragte Darla bestürzt.

„Bisher waren Drusillas Visionen immer richtig. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Geh zum Meister und sag ihm Bescheid. Ich sehe nach William", wiederholte er entschlossen und machte sich sofort auf den Weg nach oben. Michael folgte ihm rasch, da er sich vor Darla fürchtete.

Darla seufzte auf und ging zurück in den Saal. Sirius und Darken blickten ihr unsicher entgegen. Sie trat an ihren Sire heran und erläuterte die Umstände.

*****

Besorgt eilte Angelus nach oben durch die Türe, die ins Freie führte. Draußen sah er sein Childe ihm entgegen kommen. Sofort ging er ihm schnellen Schrittes entgegen und packte ihn am Kragen.

„Was zum Teufel denkst du, was du hier tust?" fauchte Angelus ihn an. Er war wütend, dass William im Alleingang hier oben unterwegs war. Noch dazu, da sie scheinbar alle in Gefahr waren.

William hatte genug von Angelus’ falschen Interpretationen. Er hatte genug davon, das unterwürfige Childe zu sein. William wusste, dass er diesmal keinen Fehler gemacht hatte und deshalb wehrte er sich gegen den Griff seines Sires. Er riss sich los und schimpfte: „Angelus verflucht! Hör mich wenigstens an, bevor du mich windelweich schlägst! Hier gleich um die Ecke warten etwa zwanzig Boras darauf, den Meister samt seinen Untertanen zu grillen. Wir müssen ihn warnen!"

Es war der Name, den William gesagt hatte, und der Angelus veranlasste sich zu beruhigen. „Angelus", so hatte William ihn schon sehr lange nicht mehr genannt. Es war kein „Sire" und kein unterwürfiges Verhalten, das William von sich gab. Er stand vor ihm, wie er es sich immer von ihm gewünscht hatte. Wie ein stolzes Childe.

Angelus war noch immer einwenig skeptisch. Zu oft hatte er Hoffnung in William gesteckt. Deshalb fragte er nach: „Woher weißt du, dass es Boras sind?"

William grinste schelmisch und antworte: „Der Bora-Quhai-Dämon trägt ein einzelnes Horn auf der Stirn. Seine Haut ist runzlig und hat eine rote Färbung. Er sondert einen sehr übel riechenden, ekligen Schleim aus, den er bis zu zwei Meter weit spucken kann. Das Zeug ist nicht nur eklig, sondern eignet sich auch hervorragend für ein nettes kleines Feuerchen. Glaubst du mir jetzt?"

Angelus staunte sehr über die genauen Details, die William aufzählte, und die alle genau stimmten. „Woher weißt du das alles?"

„Sollten wir das nicht später klären? Ich denke wir sollten jetzt lieber etwas unternehmen", lenkte William frech grinsend ein. Er war sehr stolz, dass er seinen Sire mit seinem Wissen überrascht hatte.

„Du hast recht. Wo hast du die Boras gesehen?"

„Zwei Blocks weiter in einem verlassenem Haus. Es sind etwa zwanzig."

„Komm mit", sagte Angelus und wandte sich wieder an die Türe, wo der Diener des Meisters inzwischen seinen Platz wieder eingenommen hatte.

Angelus informierte den Diener, der gleich darauf Alarm schlug. Wenige Minuten Später war eine ganze Truppe Vampire am Eingang versammelt und machte sich auf dem Weg zu dem Gebäude, das William erwähnt hatte. Darla und der Meister waren ebenfalls dabei. Damit waren die Stärksten Kämpfer versammelt, um die Boras zu schlagen.

Angelus hoffte inständig, dass William sich nicht getäuscht hatte. Er bereute es fast, dass er sich vorher nicht selbst überzeugt hatte. Wenn sich herausstellen würde, dass alles nur ein Irrtum war, dann war William des Todes.

*****

Das Haus war leer. Keine Spur deutete darauf hin, dass hier je ein Bora-Quhai-Dämon gewesen war. William verstand dies nicht. Gerade noch hatte er ganz sicher welche hier gesehen. Darla war sehr wütend auf William. Angelus verfluchte sich selbst, dass er William geglaubt hatte. Warum hatte er sich nicht selbst überzeugt? Er fürchtete nun um das Leben seines Childes. Er wusste, dass der Meister dies nicht sehr lustig finden würde.

Der Meister selbst trat an Angelus heran. Auf William deutend fragte er „Ist dies dein Childe? Hat er die Boras gesehen?"

„Ja Sire", antwortete Angelus respektvoll.

Der Meister näherte sich William, dem nun sehr unwohl war. Er erinnerte sich an Angelus’ Lektion, wo er ihm erklärte, was der Meister mit ihm tun konnte, wenn er es wollte. Er wagte nicht etwas zu sagen und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Der Meister strecke die Hand nach Williams Gesicht aus und hob ihm das Kinn hoch, um sich sein Gesicht genauer ansehen zu können. William schluckte hart. Verunsichert suchte er den Blick seines Sires, der alles besorgt mit ansah.

Plötzlich sprang Angelus schützend an Williams Seite und ging dort vor dem Meister auf die Knie, was Darla mit Entsetzen beobachtete. Flehend trat Angelus seine Bitte vor: „Sire, bitte. Verschont sein Leben. Er hat nur aus gutem Gewissen gehandelt."

William glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er sah, wie Angelus um sein Leben bat. Selbst wenn der Meister ihn nun töten würde, war er glücklich, da er nun sicher wusste, dass er seinem Sire etwas bedeutete. Sonst hätte Angelus sich niemals so tief herabgelassen, um vor seinem Grandsire zu bitten.

„Steh auf, Angelus. Es ist deiner nicht würdig auf die Knie zu gehen. Auch nicht vor mir", ordnete der Meister an, worauf sich Angelus erhob und unsicher darauf wartete, was geschehen würde. Zufrieden, dass Angelus wieder auf seinen Beinen stand fragte er: „So, und nun sag mir, warum ich ein so hübsches Childe töten sollte? Ich verstehe nun, warum du ihn mir solange vorenthalten hast."

Verwundert starrte Angelus seinen Grandsire an. Er hatte geglaubt er wäre wütend oder verärgert, dass William seine Feierlichkeiten unterbrochen hat.

„Meister?" unterbrach einer der Clanmitglieder.

„Was ist?" fragte der Meister.

„Wir haben etwas entdeckt. Unter dem Gebäude führt ein Tunnel entlang, der direkt zu unserem Quartier führt. Wir haben Schleimspuren von Boras dort gefunden."

„Verteilt euch. Sucht die Boras. Sie können nicht sehr weit sein", orderte der Meister an. „Angelus, du und dein Childe ihr geht mit mir."

Und so strömten die Vampire in kleineren Gruppen aus, um die Boras zu suchen. Sie erwischten sie schließlich, als sie gerade dabei waren den Haupttunnel zur Residenz des Meisters in Brand zu stecken. Gerade noch rechtzeitig, um die Flammen im Keim zu ersticken, und um die Boras niederstrecken zu können. Es war ein kurzer Kampf, in dem die Vampire die eindeutige Oberhand hatten.

William genoss es, an der Seite seines Sires und der des Meisters persönlich zu kämpfen. Das Kämpfen waren schließlich die einzigen von Angelus’ Lektionen, denen William immer vollste Aufmerksamkeit schenkte. Er war ein sehr guter Kämpfer und erfüllte Angelus mit Stolz.

*****

Nachdem nun alle Feinde besiegt waren konnten die Feierlichkeiten endlich weitergeführt werden. Neben den neuen Verbündeten gab es nun noch einen weiteren besonderen Tagespunkt. Nämlich die offizielle Vorstellung eines neuen Familienmitgliedes.

Kurz bevor es nun soweit war, dass William von Angelus vorgeführt werden sollte, flüsterte Angelus seinem Childe letzte Anweisungen ins Ohr. „Achte auf deine Aussprache. Sprich ihn mit Sire an. Als Childe der Familie hast du das Recht dazu. Vermeide irgendwelche dummen Sprüche und versuch um Himmels Willen ihn nicht zu beleidigen." Angelus war sehr nervös wegen der Vorführung. Er befürchtete noch immer, dass noch irgend etwas schreckliches Geschehen würde, oder dass William einen groben Fehler machen würde, und damit den Meister verärgern würde. Schließlich kannte Angelus sein Childe nur von seinen schlechten Seiten.

William grinste über das besorgte Verhalten seines Sires. Er genoss es dessen Führsorge wieder zu spüren. Es bestand kein Zweifel mehr. Angelus sorgte sich um ihn und dies war eines der schönsten Gefühle für William. „Keine Sorge. Ich werde ihn nicht Rattengesicht nennen", erwiderte er leise flüsternd und zwinkerte Angelus frech zu.

Dieser begann leicht wütend zu werden. Anscheinend nahm William das ganze hier nicht besonders ernst. Er rechnete schließlich mit dem Schlimmsten, als der Meister ihn bat sein Childe vorzuführen.

Mit einem heimlichen Stoßgebet, das er an den Höllenfürst persönlich sandte, trat Angelus mit William an seiner Seite vor den Meister und erklärte feierlich: „Sire, dies ist William, Childe von Angelus aus der Blutlinie des Aureliusclans. Ich bitte darum, dass du ihn in unserem Kreis Willkommen heißt."

Mit einer leichten Verbeugung zog sich Angelus zurück und ließ William alleine vor dem Thron stehen, auf dem der Meister saß. Angelus gesellte sich neben Darla, die das ganze aufmerksam beobachtete.

„Komm näher, mein Junge. Lass dich ansehen", meinte der Meister, worauf William einen Schritt näher trat. „Die Familie hat dir viel zu verdanken. Du hast uns vor den Boras gewarnt, das war sehr tapfer."

„Das war nur meine Pflicht, Sire", antwortete William respektvoll, wobei sowohl Angelus als auch Darla erleichtert aufatmeten, da William sich anständig aufführte.

„Eine Pflicht, der du nachgegangen bist, obwohl es dir mehr gebracht hätte, wenn du es nicht getan hättest. Also, warum hast du es getan?"

Etwas verunsichert darüber, dass der Meister danach fragte, fuhr sein Blick zu Angelus, der ihm besorgt entgegen blickte.

William entschied, dass es das Beste ist, die Wahrheit zu sagen. „Ich habe darüber nachgedacht nicht zu gehen. Dann wäre ich frei gewesen. Doch ich konnte es nicht tun. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass mein Sire sterben würde. Das war der alleinige Grund, warum ich gekommen bin."

Der Meister lächelte über den Mut, den William damit bewies. Ihm gefiel auch das furchtlose Verhalten, dass dieser junge Vampir hatte. Und er erkannte deutlich die enge Verbindung zwischen Angelus und William. Damit war er sich sicher, dass William würdig war, die Blutlinie des Aureliusclans fortzusetzen. Feierlich verkündete er: „Ich grüße dich, William vom Clan des Aurelius’. Du hast dich würdig erwiesen einer meiner Childer zu sein. Ich darf wieder einmal mit Stolz erkennen, dass meine liebe Darla mein Erbe gut weiterzugeben weiß."

Damit richtete der Meister einen lobenden Blick an Darla und Angelus, die beide mehr als erleichtert über den Verlauf dieses Abends waren. Williams war ebenfalls sehr stolz, dass er nun ein offizielles Familienmitglied war.

Anschließend feierte die Gesellschaft in ausgelassener Runde. Ein paar weitere geladene Gäste erschienen noch, die allerdings kein dämonisches Blut in sich trugen, sondern reinstes menschliches Blut. Sie wussten nicht auf welche Art von Feierlichkeit sie eingeladen waren und feierten ausgelassen mit. Nun, bis zu einem gewissen Punkt, wo ihnen bewusst wurde, dass dies ihre letzte Feier sein würde.

Das neue Childe des Clans wurde von allen Familienmitgliedern und einigen Oberhäuptern verbündeter Vampirfamilien begrüßt. Es dauerte die ganze restliche Nacht, bis in den Vormittag hinein, bis William durch alle Gäste hindurch kam. Angelus hatte dies misstrauisch beobachtet. Er war mehr als überrascht, dass William ganz offensichtlich alle anwesenden Clanführer mit Namen kannte. Und noch immer wunderte er sich, woher sein Childe gewusst hatte, wie Bora-Quhai-Dämonen aussehen.

Als sich die Feierlichkeiten endlich dem Ende neigten, und Angelus eine Gelegenheit fand mit William ungestört zu sprechen, fragte er ihn: „Woher wusstest du, wie ein Bora aussieht. Und wie kommt es, dass du unsere Verbündeten alle mit Namen kennst?"

„Das hast du mir doch alles beigebracht", erwiderte William mit einem frechen Grinsen.

„Ich hatte es versucht, aber du hast mir nie zugehört. Egal was ich versucht hatte dir beizubringen, kaum fünf Minuten später konntest du dich nicht mehr erinnern."

„Mag sein. Aber ich konnte mich noch sehr gut an die Bücher erinnern, aus denen du mir all die Dinge gelehrt hast."

„Soll das heißen, du hast das alles aus meinen Büchern gelernt?"

„Ja, Sire."

„Es gefällt mir besser, wenn du mich Angelus nennst", erwiderte Angelus, worauf sich ein erfreutes Strahlen auf Williams Antlitz zauberte. „Wann hast du all die Dinge gelernt? Warum habe ich das nicht bemerkt?"

„Ich habe gelernt, wenn du und der Rest der Familie schlafen wart. Und ich habe gelauscht, wenn du Sirius unterwiesen hast."

„Warum hast du mir das nicht erzählt?"

„Weil immer, wenn ich was sagte, du gleich wütend wurdest."

„Das tut mir Leid. Von jetzt an wird sich das ändern. Du wirst mir zeigen, was du schon alles gelernt hat, und ich werde dir den Rest beibringen, den du noch wissen musst."

„Das hört sich verdammt gut an. Aus Büchern zu lernen ist ziemlich langweilig."

„Ich bin sicher, wir finden einen Weg das Lernen interessanter zu gestalten."

„Krieg ich Belohnungen für gutes Lernen?"

„Darüber ließe sich reden. Wir werden sehen, wie gut du lernst."

„Oh, wenn ich weiß, dass ich mir damit vielleicht eine Nacht bei meinem Sire verdienen kann, werde ich bestimmt sehr gut lernen!"

„Das will ich dir raten, denn es wird einige Nächte geben, in denen ich sehr viel Wert auf deine Gesellschaft legen werde."

William konnte sein Glück kaum fassen. Er sah einer wesentlich besseren Zukunft entgegen. Einer Zukunft an der Seite seines Sires. Im Kreise seiner geliebten Familie. Nach all den Missverständnissen wurde alles wieder gut.

Angelus griff mit seiner Hand an Williams Wange und führte ihn zu sich. Langsam bewegten sich seine Lippen auf Williams. Zärtlich berührten sich ihre Lippen. Zärtlich und doch mit soviel Verlangen nacheinander.

Dann erinnerte sich William an einen Irrtum, den es noch zu lüften galt. Er trennte sich von den Lippen seines Erschaffers und sagte: „Angelus, es gibt da noch etwas, das ich dir sagen möchte. Ich wollte heimkommen. Als ich erfahren hatte, was Helena für ein falsches Spiel trieb und als mir Sirius die Augen geöffnet hatte, wollte ich heimkommen. Mir war klar geworden, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich wollte es wieder gut machen und ich hatte mir vorgenommen all das schätzen zu lernen, was du mir gegeben hast. Ich hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen deswegen. Und ich war mehr als froh, als du mich gerettet hast. Ich war froh, dich zu sehen. Danke, mein Sire."

Angelus traute seinen Ohren kaum. Ihm wurde klar, dass all der Kummer und all die Sorgen vollkommen unbegründet waren. Sein William wollte zu ihm zurückkommen. Das machte ihn überglücklich.

„Ach und noch etwas! Es hat sich absolut nichts daran geändert, dass ich deinen steifen Schwanz geil finde! Es ist der absolut geilste Schwanz, den es gibt!"

„Warte, bis du den des Meisters gesehen hast", erwiderte Angelus mit einem viel sagendem Blick

„Wieso? Ist seiner besser, als deiner? Wolltest du deswegen verhindern, dass der Meister mich nimmt?"

„Keiner ist besser als meiner. Und Niemand soll es je wagen Hand an dich zu legen. Und wenn du es je wagst, deinen kleinen Hintern einem anderen Vampir hinzustrecken, werde ich den Kerl umbringen! Und dich werde ich bestrafen, bis dir das Hören und Sehen vergeht. Hast du mich verstanden?"

„Jawohl, Sire!" antwortete William gespielt unterwürfig.

„So ist es gut, mein Junge. Und nun sieh zu, dass du in dein Zimmer kommst. Ich muss Darla nur noch schonend beibringen, dass sie ihr Zimmer mit Michael teilen muss, dann komme ich nach. Dieser Tag ist etwas Besonderes für dich, und du hast dir eine Belohnung mehr als verdient."

„Das wird Darla nicht sehr gefallen."

„Das fürchte ich auch. Und es wird mich einiges kosten, dass sie mir das verzeiht, aber sie wird verstehen, dass ich mich heute um dich kümmern möchte. Doch trotzdem schlage ich vor, dass du ihr die nächsten Tage weiterhin mit dem größtmöglichen Respekt begegnest."

„Klar, kein Problem. Ich werde ihr die Füße küssen, wenn es sein muss. Hauptsächlich du kommst endlich zu mir und unternimmst etwas gegen den drängenden Ständer, den ich seit ner Ewigkeit mit mir rum trage!"

Angelus lachte über Williams freche Art. So liebte er sein Childe. Er küsste ihn noch einmal. Diesmal jedoch fordernd und mit großem Verlangen. Bis er sich abrupt trennte und William mit glasigen Augen stehen ließ. Er ging zu Darla, seinem Sire, um ihr mitzuteilen, dass er den Tag bei William verbringen würde. Und um ihr zu erklären, dass es nicht länger nötig sein würde, William auf so strenge Art und Weise zu behandeln, wie er es die letzten Tage getan hatte. Zumindest vorläufig, solange William weiterhin beweisen würde, dass er lernen will.

The End

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