Folge 19

Wo ist eigentlich Andrew?

 

In der dunklen Höhle tief unter dem hiesigen Stadtpark verborgen herrschte rege Aufregung. Ethan hetzte seine Lakaien unerbittlich, alles Notwendige für den bevorstehenden Zauber vorzubereiten. Er wollte nun endgültig die Herrschaft über den Höllenschlund an sich reißen und nichts und niemand sollte ihn aufhalten können. Schon gar nicht diese lästige Jägerin und ihre nutzlosen Freunde!

 

Ethan hatte es endlich geschafft an die Macht des Amuletts heranzukommen. Dadurch konnte er sich und seine Höhle vor den magischen Augen ungebetener Gäste beschützen. Auf diese Weise konnte er verhindern, dass Aurelius der Alte oder Willow in der Lage dazu waren sein Versteck ausfindig zu machen.

 

Mit Hilfe dieser Macht wollte er den Höllenschlund öffnen, und dessen Bewohner alle zu seinen gehorsamen Untertanen machen. Damit wäre er unbesiegbar. Keine bestehende Regierungsmacht wäre mehr in der Lage ihn aufzuhalten. Er würde über die ganze Welt herrschen!

 

Hämisch lachend machte er sich an sein Werk. Seine Lakaien schafften allerlei Reliquien herbei und legten diese auf den Altar in der Mitte der Höhle. Es waren hauptsächlich wertvolle ägyptische Artefakte, die vor einiger Zeit aus dem Museum entwendet worden waren. Ferner ein Kelch gefüllt mit frischem Menschenblut, eine einfache Kerze und zu guter letzt noch eine weitere wichtige Zugabe. Ein junges Mädchen.

 

An den Händen gefesselt und geknebelt wurde sie vor den Altar gezerrt. Sie wehrte sich mit aller Kraft gegen ihre Kidnapper, hatte allerdings nicht die geringste Chance zu entkommen. Zwei von Ethans Lakaien hielten sie unerbittlich fest. Tränen übersäht und zitternd vor Angst blieb ihr nichts anderes übrig, als das grausige Geschehen, das Ethan inszenierte, mit anzusehen.

 

****

 

Willow hatte es ein wenig eilig. Verärgert stellte sie fest, dass Andrew ihre noch immer Wäsche nicht gewaschen hat. Sie musste noch dringen zur Universität um einige Dinge zu erledigen, und Giles meinte er würde ihre Hilfe bei einigen Nachforschungen aus dem Internet gebrauchen. Außerdem wollte Aurelius auch noch vorbeikommen, um mit ihr über seine Ziele, seine dunkle Seite zu besiegen, zu sprechen. Sie war daher etwas unter Zeitdruck als sie gegen Mittag ins Badezimmer stürmte, und achtete nicht darauf, dass dort bereits jemand war.

 

Mit Elan riss sie die Türe auf und lief Buffy förmlich in die Arme. Erschrocken stieß Buffy einen kleinen Schrei aus und ließ etwas aus ihrer Hand fallen.

 

„Oh Buffy! Tut mir leid, ich hab nicht gewusst, dass du hier bist! Ich dachte du wärst unterwegs. Spike sagte du wolltest etwas in er Stadt besorgen?“

 

Hastig beugte sich Willow nach den Dingen, die Buffy vor Schreck fallengelassen hatte und hob einen Zettel, eine kleine Kartonpackung und ein weißes Plastikstäbchen auf. Buffy lief feuerrot an, als Willow einen fragenden Blick auf die Utensilien vom Boden warf und langsam erkannte, was das war.

 

„Ein Schwangerschaftstest?“ fragte sie nach.

 

Buffy antwortete nicht, sondern wollte Willow hastig die Gegenstände aus der Hand nehmen. Diese zog ihre Hand rasch zurück und begutachtete die Dinge für einen Moment etwas genauer. Sie las kurz auf dem Zettel nach, als sie dann freudig zu stahlen begann und begeistert meinte: „Buffy, du bist schwanger?!“

 

Buffy seufzte resigniert. Sie wollte eigentlich nicht, dass es jemand erfährt. Noch nicht.

 

„Willow bitte, versprich mir, dass du Niemandem etwas davon erzählst. Vor allem Spike nicht!“

 

„Warum?“ fragte diese verwirrt, hatte aber noch immer ein Lächeln im Gesicht wegen der freudigen Botschaft.

 

„Willow!“ mahnte Buffy streng, da sie spürte wie unbekümmert Willow reagierte das Geheimnis zu bewahren, „Du weißt was Angel über die Prophezeiung gesagt hat. Wenn alles stimmt, werden wir bald einem fürchterlichen Gegner mit einer gewaltigen Armee gegenüberstehen. Wenn Spike erfährt, dass ich schwanger bin, macht er sich nur unnötig sorgen. Oder er stellt irgendetwas Verrücktes an, um zu verhindern dass ich kämpfe. Willow du kennst ihn. Du weißt genau wie er ist. Bitte versprich mir, dass du es Niemandem erzählen wirst.“

 

Mit zusammengekniffenen Brauen dachte Willow angestrengt über Buffys Worte nach.

 

„Aber er hat ein Recht es zu erfahren, Buffy. Du kannst es ihm nicht verheimlichen. Es ist auch sein Baby. Oder etwa nicht?“

 

„Was? Natürlich ist es sein Baby! Und natürlich soll er es auch erfahren. Nur nicht jetzt! Ich werde es ihm erzählen, sobald die Gefahr vorüber ist. Bitte versprich es mir, Willow.“

 

Mit flehenden Augen sah Buffy ihre beste Freundin an. Willow schmolz fast in ihrem Blick und gab sich geschlagen.

 

„Ich verspreche es. Niemand wird etwas erfahren. Ich geb’ dir mein Wort.“

 

„Danke Wills!“ sagte Buffy erleichtert und umarmte Willow innig.

 

****

 

Etwas nervös stand Spike vor der Türe eines der Leersäle im Ratsgebäude. Er wartete auf Giles, der gerade einige der jungen Jägerinnen mit staubtrockener Theorie über verschiedene Dämonen, insbesondere Vampire, versorgte. Ein Blick auf die Wanduhr im Gang verriet ihm, dass die Stunde bald zuende sein müsste, als sich auch schon die Türe öffnete und die ersten Mädchen erleichtert den Saal verließen. Beinahe alle der vorbeigehenden Mädchen schenkten Spike ein schüchternes Lächeln, oder einen sehnsüchtigen Blick.

 

Als Spike endlich den Raum betreten konnte, ging er geradewegs auf Giles zu.

 

„Ähm... Giles, könnte ich Sie kurz mal sprechen?“ fragte Spike etwas nervös und hoffte innerlich, dass Giles nein sagen würde.

 

„Sicher! Womit kann ich Ihnen helfen?“ meinte Giles freundlich und blickte Spike erwartungsvoll an.

 

Spike versuchte sein Anliegen in Worte zu fassen, fand aber keinen geeigneten Ansatz. Giles merkte Spikes Unsicherheit und fragte nach: „Ist etwas mit Buffy? Ich dachte es sei endlich alles in Ordnung zwischen Euch beiden?“

 

„Was?“ fragte Spike nach. Er war so vertieft zu überlegen, was er sagen sollte, dass er beinahe Giles’ Frage überhört hätte. Als er endlich realisierte, was Giles gesagt hatte meinte er gleich darauf: „Nein, nein. Mit Buffy und mir ist alles OK. Ich bin nicht wegen ihr hier.“

 

„Weswegen dann?“ fragte Giles neugierig.

 

„Was äh... tut eigentlich ein Wächter?“

 

„Interessieren Sie sich doch für das Angebot, dass ich Ihnen gemacht habe?“ fragte Giles leicht lächelnd nach.

 

„Kann sein. Kommt darauf an.“

 

„Worauf kommt es an?“

 

„Na was tut ein Wächter denn so? Ich hab keinen blassen Schimmer wozu der Rat überhaupt gut ist. Außer, dass er den Jägerinnen Informationen über Dämonen gibt und ihnen zeigt, wie sie jagen sollen. Was verdient man als Wächter? Ich hab schließlich zwei Mädchen, die ich versorgen muss. Und ich werde ganz sicher keinen Tweed-Anzug tragen!“ meinte Spike leicht aufgeregt.

 

Es schien, als wenn all diese Fragen ihn schon seit längerer Zeit belastet hätten. Giles blickte amüsiert auf den Ex-Vampir und konnte nur den Kopf schütteln.

 

„Spike, Sie müssen ganz sicher keinen Tweed-Anzug tragen. Wenn Sie bei uns als Wächter arbeiten, würden Sie lediglich das tun, was Sie am besten können. Sie würden den Mädchen hier alles erzählen, was Sie über Vampire wissen. Ich schätze kein anderer Wächter wäre dazu prädestinierter als Sie. Außerdem wissen Sie auch sehr viel über andere Dämonen bescheid. Und jetzt wo Sie ihre Kräfte wieder haben, können Sie die Mädchen auch im Kampf viel besser trainieren, als ich es könnte. Was die Bezahlung betrifft, so bin ich sicher, dass wir uns einig werden. Ich denke zwar nicht, dass Buffy und Dawn auf Sie als Unterhaltszahlender angewiesen sind, aber ich kann durchaus ihre Überlegungen dahingehend verstehen und finde dies sehr lobenswert. Seien Sie versichert, dass die Bezahlung gut sein wird.“

 

Spike ließ sich das ganze, was Giles eben gesagt hatte noch einmal durch den Kopf gehen. Er überlegte, ob er das auch wirklich wollte. Ihm wurde plötzlich bewusst, dass er in all den Jahren seiner Existenz noch nie einen richtigen Job hatte. Irgendwie begann er diesen Gedanken zu mögen. Buffy hatte diese Idee sehr begeistert. Sie wäre sicher stolz auf ihn, wenn er den Job annehmen würde. Aber war es auch das, was er wollte? Wenn er nicht Wächter werden würde, was sollte er dann machen? Schließlich musste er jetzt als Mensch irgendwie an Geld herankommen und auf unehrliche Weise wollte er dies auf keinen Fall tun!

 

Hier am Rat könnte er das sein, was er wirklich ist. Ein Mensch, der früher mal ein böser Vampir war. Der durch einen Chip unfähig wurde zu beißen, sich aus Liebe zu einer Jägerin eine Seele erkämpft hatte, sein Leben für die Rettung der Welt geopfert hatte und nun zum Menschen wurde. Hier konnte er über sein vergangenes Leben erzählen und könnte es somit in seinen Erinnerungen verankern. Seit er ein Mensch geworden war, hatte er zunehmend Angst seine Vergangenheit zu vergessen. Er würde den ganzen Tag nur von sich erzählen und ab und zu gegen Jägerinnen kämpfen, was im Grunde schon immer eine seiner Lieblingsbeschäftigungen war. Er würde auf der Seite des Guten kämpfen, und Buffy zur Seite stehen, was er auch so tun würde. Nur, dass er dafür sogar Geld bekommen würde. So gesehen war es wohl der perfekte Job für ihn.

 

Spike grinste schelmisch in sich hinein und sagte dann: „Also gut. Ich nehme den Job an. Aber ich habe ein paar Bedingungen!“

 

Giles hatte so etwas schon befürchtet und seufzte Augen rollend auf.

 

„Was für Bedingen?“

 

„Ich kann meine Arbeitszeiten frei wählen. Ich werde nicht in einem dieser Unterrichtssäle unterrichten, wie irgendein idiotischer Lehrer und ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich den Mädchen zu erzählen habe. Ich meine damit, dass ich kein Blatt vor den Mund nehmen werde nur damit die armen Kinder keine Alpträume bekommen. Vampire sind eiskalte Killer. Sie töten ohne Gewissen und machen keinen Halt vor kleinen Mädchen. Für eine Jägerin ist es wichtig, dass sie das weiß, damit sie darauf vorbereitet ist. Also will ich nichts hören, von wegen: ‚Spike, so etwas können Sie doch nicht erzählen, bla bla bla.’ Wir verstehen uns?“

 

Giles war angenehm überrascht. Nun war er sich absolut sicher, dass er mit Spike als Wächter eine sehr gute Wahl treffen würde. Spike hatte vollkommen Recht, was die Jägerinnen betraf. Mit seiner Hilfe würden die unerfahrenen Mädchen rasch lernen worauf es wirklich ankommt.

 

„Ich bin einverstanden mit Ihren Bedingungen. Willkommen im Rat der Wächter“, erklärte sich Giles freundlich lächelnd einverstanden und reichte Spike seine Hand.

 

Noch immer etwas Unsicher, aber erleichtert und stolz über seine erfolgreichen Verhandlungen nahm er Giles’ Hand zur Begrüßung entgegen. Somit war Spike nun ein offizielles Mitglied des Wächterrates. Hätte ihm dies vor ein paar Jahren jemand erzählt, hätte er dem vermeintlichen Lügner wohl kalt lächelnd das Genick gebrochen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

 

****

 

Starr vor Angst und am ganzen Körper zitternd beobachtete das junge Mädchen, wie der Mann vor ihr, mit über dem Altar ausgestreckten Händen, in einer ihr fremden Sprache sprach und immer mehr in einen trance-ähnlichen Zustand driftete. Die untertänigen Diener von Ethan hielten sie fest im Griff und erlaubten ihr nicht zu entfliehen. Was im Moment ihr sehnlichster Wunsch war.

 

Die ägyptischen Reliquien lagen in einem Kreis vor Ethan auf dem Altar. In der Mitte befand sich wieder die große Schale, die diesmal allerdings leer war. Ethan sprach immer wieder seine Beschwörung und rief die Macht des Amuletts herbei, das er um den Hals trug. Die Lakaien fürchteten sich vor dem Zauber, den Ethan dabei war herbei beschwören. Sie fürchteten die Konsequenzen, die daraus entstehen könnten, doch niemand hätte es gewagt ihn zu unterbrechen. Sie hatten viel zuviel Angst vor ihm.

 

Seit fast einer Stunde stand Ethan nun schon vor dem Altar und redete seinen Sprechgesang. Ein leiser Hoffnungsfunke ging durch die Lakaien, dass der Zauber vielleicht nicht funktionieren würde. Doch dann begann sich die Atmosphäre in der Höhle auf seltsame Weise zu verändern. Es schien noch kälter und unheimlicher zu werden. Die Luft wurde dicker und erschwerte dem Mädchen das Atmen. Die Kerzen flackerten wild umher und verursachten eine allgemeine Unruhe unter den Anwesenden.

 

Ethans Stimme begann sich zu verändern. Die Macht des Amuletts schien ihn zu schwächen. Er begann die Worte stöhnend zu sprechen, hörte aber nicht auf seine Beschwörung fortzuführen. Er wurde zunehmend immer schwächer, sodass er seine Hände am Altar abstützen musste. Nur noch murmelnd sprach er weiter. Alle Anwesenden beobachteten ihn gebannt und jeder von ihnen hoffte insgeheim, dass es ein Ende nehmen würde, und Ethan das Ritual vor Erschöpfung abrechen würde. Besonders natürlich das Mädchen, das noch immer zitternd das Geschehen beobachtete. Niemanden fiel auf, dass sich die Schale vor Ethan mit etwas füllte, was wie grauer Nebel aussah und in fliesender Bewegung hin und her schwappte. Die seltsame Substanz begann sich aus der Schüssel zu heben und wanderte zu Ethans Gesicht, wo sie direkt in dessen Augen verschwand.

 

Plötzlich schien Ethans Körper mit neuer Kraft versorgt zu werden. Er richtete sich wieder auf und streckte die Hände weit nach oben. Seine Stimme wirkte wieder kräftig, aber anders als vorher. Sie wirkte fremd, als wäre es nicht die seine. Ein letztes Mal wiederholte er den Spruch, der ihm die Macht über den Höllenschlund schenken sollte. Dann herrschte eine unheimliche Stille. Das leise Wimmern des Mädchens waren die einzigen Geräusche, die zu hören waren. Ethan lachte auf sein Opfer herab. Sie sollte sein Blutopfer sein. So stand es geschrieben in den alten Schriftrollen. Zur Beschwörung der Macht des Amuletts fordert es einen Körper.

 

Doch Ethan hatte bei der Übersetzung der Schriftrolle einen wichtigen Punkt übersehen. Die Macht ließ sich niemals auf einen Menschen übertragen. Sie war göttlicher Abstammung und kein Mensch sollte es je wagen danach zu streben diese Macht an sich zu reißen. Die Beschwörung, die Ethan durchgeführt hatte weckte den Besitzer dieser Macht. Der Körper, den diese Macht forderte war kein geringerer, als sein eigener.

 

Ethan schrie auf vor Schmerzen, als sich der Besitzer des Amuletts seinen Tribut einholte. Die Lakaien wurden ängstlich und wichen zurück. Der ägyptische Gott Geb entriss Ethan bei lebendigem Leibe seine Seele und sein Bewusstsein. Er machte sich Ethans Körper zu eigen und verbannte Ethan in die gefühlslose Welt, in der Spike vor kurzem noch existierte. Ethan wurde sich seines Fehlers bewusst und schrie verzweifelt auf, doch sein Schreien wurde von niemandem gehört.

 

Geb selbst stand vor dem Altar, im Körper eines Menschen und zog die modrige Höhlenluft tief in seine Lungen ein.

 

„Du!“ sprach er mit einer tiefen rauen Stimme, die kaum noch Ähnlichkeit mit der von Ehtan hatte, und zeigte mit dem Finger auf einen der beiden Lakaien, die das Mädchen festhielten.

 

Dieser zuckte ängstlich zusammen und versteckte sich hilfesuchend hinter dem Rücken des Mädchens. Geb streckte seine Finger nach dem Diener aus und wie aus magischer Kraft wurde dieser in die Luft gehoben und schwebte direkt zu Geb. Geb packte ihn am Hals, hielt dessen Kopf dicht an seinen Mund und begann dann die Lebensenergie des Dieners auszusaugen. Der Lakai war ein Vampir, den Ethan durch einen Zauber zu seinem untertänigen Diener gemacht hatte. Wie auch die anderen Lakaien in der Höhle. Sie besaßen köstlich süße Lebensenergie, die Geb mit einem Genuss aussaugte. Einen nach dem Anderem griff sich Geb die Vampire und saugte sie aus.

 

Unbeachtet von den Lakaien und auch von Geb selbst gelang es dem Mädchen zu fliehen. Die Lakaien waren so damit beschäftigt vor Geb zu fliehen, dass sie sich nicht um sie kümmerten. Geb hatte kein Interesse an ihr, da sie nur ein schwacher Mensch war. Noch nicht. Die Zeit würde noch kommen, wo Menschen sein nächstens Ziel seinen, doch zunächst musste er seine Kräfte mobilisieren. Zulange war er in der Unendlichkeit verdammt gewesen.

 

Geb griff sich einen weiteren der Lakaien und sog die Lebensenergie tief in sich hinein. Ein lauter Schrei hallte durch die dunklen Gänge der Höhlen und weckte die Aufmerksamkeit vieler dunkler Bewohner des Höllenschlundes. Tief unter der Erde wurden die Kreaturen der Nacht unruhig. Eine neue Macht hatte sich aufgetan. Eine Macht so mächtig und stark, dass der Höllenschlund geöffnet werden könnte.

 

****

 

„Hast du das eben auch gespürt?“ meinte Mina an Xander gerichtet.

 

Die beiden saßen sich küssend auf einer Bank im Stadtpark. Sie hatten sich unbemerkt aus dem Ratsgebäude geschlichen, um ein paar ruhige Minuten für sich alleine genießen zu können.

 

„Nein. Was meinst du?“ fragte Xander besorgt, als er den ernsten Gesichtsausdruck von ihr erkannte.

 

„Ich weiß auch nicht. Irgendwas geht hier vor“, erwiderte sie in Gedanken, während sie anfing die Gegend zu inspizieren.

 

„Liebling, es ist helllichter Tag. Was sollte hier vor sich gehen? Ganz gewiss wird jetzt kein Vampir auftauchen, denke ich.“

 

„Das ist es nicht. Es ist kein Vampir. Es ist etwas anders“, sagte sie unsicher, während sie noch immer ein Auge auf die umliegende Gegend warf.

 

„Mina, wovon sprichst du eigentlich?“ fragte Xander nun etwas energischer.

 

Ihr Blick fiel zurück auf Xander und sie antwortete fest: „Nichts Gutes jedenfalls!“

 

Xander wusste nichts rechtes darauf zu antworten. Ungläubig blickte er ihr in die Augen und erschrak innerlich, als er die Furcht in ihren Augen sah.

 

„Beruhige dich, Liebling. Niemand außer uns ist hier. Es ist alles in Ordnung“, versuchte Xander sie wieder zu beruhigen.

 

Mina wünschte seine Worte wären wahr, doch innerlich fühlte sie, dass hier etwas Bedrohliches vor sich ging. Sie kuschelte sich an seine Seite und ließ sich von ihm in Sicherheit wiegen. Eine Weile blieben die Beiden still sitzen.

 

Ein Geräusch erweckte Minas Aufmerksamkeit. Sie blickte sich besorgt um und sah dann ein junges Mädchen halb rennend, halb stolpernd über den Rasen des Parks rennen. Ihre Hände waren auf ihrem Rücken gefesselt, was ihr das Laufen erschwerte. Mina sprang sofort auf und lief dem Mädchen entgegen. Xander blickte sich verwirrt um und erkannte den Grund für Minas plötzliches Aufspringen.

 

Das Mädchen sah Mina entgegen kommen und fiel ihr regelrecht in die Arme. Panisch vor Angst blickte sie sich um, ob auch niemand ihr gefolgt war, dann brach sie verzweifelt in Tranen aus und lehnte sich an Minas Körper. Mina redete beruhigend auf sie ein und hielt sie beschützend ihm Arm, als Xander auf die beiden traf und dem Mädchen die Fesseln abnahm.

 

„Ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung. Niemand wird dir etwas tun. Du bist bei uns in Sicherheit“, erklärte Mina sanft, damit das Mädchen sich beruhigen würde.

 

Sie führten es zurück auf die Parkbank und setzten es dort ab. Langsam wurden die Schluchzer weniger und sie beruhigte sich wieder.

 

„Wie ist dein Name?“ fragte Xander vorsichtig.

 

„Alex“, antwortete sie mit gebrochener Stimme.

 

Mina lächelte sie freundlich an und erklärte: „Ich bin Mina, und das hier ist Xander. Erzählst du uns, was passiert ist?“

 

****

 

Willow war in Gedanken ganz wo anders, als Aurelius ihr erklärte worum es ihm ging. Sie dachte noch immer darüber nach, dass Buffy schwanger war. Aurelius hoffte mit ihrer Hilfe einen Weg zu finden wieder der Mann zu werden, der er vor vielen Jahren einst einmal gewesen war. Er wusste, dass Willow es durch ihre eigene Kraft geschafft hatte jeglicher schwarzer Magie zu entsagen und nun voller weißer Magie erleuchtet war. Dies zu erreichen war nun auch sein Ziel. Zu diesem Zweck war er hierher zu ihr in das Ratsgebäude gekommen. Er hoffte auf ihre Hilfe. Dass sie ihm erklären würde, wie es geht, und wie sie es gemacht hatte.

 

Doch Willow wusste dafür kein Pauschalrezept. Es gab keine Antworten auf seine Fragen. Er fragte ständig, ob sie einen speziellen Zauber angewandt hätte. Oder ob es ein Ritual gewesen sei. Ob er etwas Bestimmtes tun oder opfern müsse. Es war ihm nicht begreiflich, dass der einzige Weg dies zu Erreichen der war, dass er die Mächte der schwarzen Magie einfach nicht mehr anwendet. Denn dies würde ihn noch längst nicht zu dem machen, was er erreichen wollte.

 

„Aber du musst doch wissen, wie es bei dir war? Du musst mir sagen können, was ich tun muss, um so zu werden wie du“, meinte er zum wiederholten Male.

 

„Aurelius bitte. Ich kann dir nicht helfen. Du musst deinen Weg selbst finden. Es gibt Dinge, die lassen sich nicht durch einen Zauber regeln. Das war eine der härtesten Lektionen, die ich lernen musste. Entsage der Magie so weit wie möglich. Versuche ein Leben ohne sie zu führen. Wende sie nur an, wenn es unbedingt sein muss, und du damit etwas Gutes tun kannst. Das ist alles, was ich dir sagen kann. Ich weiß, dass es hart ist. Für dich gewiss härter als für mich, da du viel länger als ich unter dem Einfluss der schwarzen Magie stehst. Aber du bist stark genug es zu schaffen. Glaube mir, das ist der einzige Weg.“

 

Enttäuscht seufzte Aurelius auf. Wut keimte in ihm auf. Wut darüber, dass er nun so lange Zeit damit verbracht hatte Willow und ihre Freunde zu studieren, um nun zu erfahren, dass sie ihm nicht helfen konnte. Er sollte zu seinem alten Leben zurückkehren, und wieder Aurelius der Alte sein. Er sollte wieder der am meisten gefürchtete Magier am Höllenschlund sein. Der, vor dem alle tiefen Respekt und Erfurcht haben. Er wollte das alles nicht aufgeben. Er wollte nicht so, wie Willow meinte das Zaubern vollkommen sein lassen. Denn außer der Magie hatte er nichts in seinem Leben.

 

Doch er hatte kein Zuhause mehr, in das er zurückkommen könnte. Er hatte sein magisches Reich zerstört. Genauso wie auch den Diener, der niemals wirklich existiert hatte. Er hatte alles rückgängig gemacht, um mit Willows Hilfe ein neues Leben zu führen. Und nun sagte sie ihm, dass sie ihm nicht helfen könne.

 

Aurelius sagte lange nichts und sah Willow nur ausdruckslos an. Innerlich tobte er. Er wollte sie am liebsten töten. Sie und all ihre Freunde. Wollte am liebsten das ganze große Ratsgebäude dem Erboden gleich machen. Zusammen mit den beiden steinernen Gargoyles, die hoch oben auf dem Gebäude platziert waren, und deren Ei Giles ihm gerade eben voller Stolz gezeigt hatte. Er wollte am liebsten alles um sich zerstören.

 

Doch er konnte es nicht tun.

 

In ihm war längst ein kleiner heller Lichtfunke entstanden gewesen. Ein kleines Strahlen, das kein menschliches Wesen zu sehen vermochte. Dieses Licht war der Grund, weshalb er hier bei Willow war. Weshalb er so verzweifelt versuchte ein neues Leben zu führen. Und weshalb er ihr und ihren Freunden kein Haar krümmen könnte.

 

Es war ein Gefühl tief in seinem kalten schwarzen Herzen. Es war keine Liebe, denn zu solch großen Gefühlen wäre er gar nicht fähig gewesen, doch es war so etwas wie Zuneigung. Zuneigung zu Willow und den ungewöhnlichen Menschen, mit denen sie lebte. Seit vielen Jahren war dies das erste menschliche Gefühl, das er für jemanden anderen empfand. Deshalb konnte er nichts anders tun, als zustimmend zu nicken.

 

„Willow! Wo ist Giles? Wir haben Neuigkeiten“, hallte Xanders Stimme durch den Raum.

 

Willow und Aurelius blickten herüber und sahen, wie Xander und Mina in Begleitung eines jungen Mädchens zu ihnen kamen.

 

„Was ist los? Was ist passiert? Giles ist unten im Trainingsraum. Er und Faith führen gerade eine Trainingsstunde für die Jägerinnen durch“, erwiderte Willow sofort.

 

„Ich geh und hole ihn. Verständigt ihr am besten die Anderen. Das was wir zu berichten haben sollten am besten alle erfahren“, erklärte Mina entschlossen, während sie nach unten ging um Giles zu holen.

 

****

 

Nur etwa eine halbe Stunde später waren alle außer Andrew versammelt im Ratsgebäude. Mina und Xander saßen auf der Couch in dem Aufenthaltsraum neben dem noch immer ängstlichen Mädchen und hielten ihr unterstützend die Hand. Der Rest der Bande war um die drei verteilt und lauschte deren Bericht. Die Neuigkeiten waren äußerst besorgniserregend.

 

Mina fügte dann noch hinzu: „Das war noch nicht alles. Kurz bevor ich Alex sah, spürte ich etwas. Ich weiß nicht was es war, aber ich fühlte es ganz deutlich. Und es jagte mir eine Heidenangst ein.“

 

Faith war hellhörig geworden und fragte nach: „Wann war das genau? Vor etwa einer Stunde vielleicht?“

 

„Ja, das kommt in etwa hin.“

 

„Dann hab ich es auch gefühlt“, stellte Faith fest.

 

„Ja ich auch“, erklärte Kennedy daraufhin.

 

Alle richteten einen fragenden Blick auf Buffy, bis Giles schließlich fragte: „Buffy, hast du auch etwas gespürt?“

 

Buffy hatte dem Gespräch kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Sie war in Gedanken so sehr mit der Tatsache, dass sie schwanger war beschäftigt, dass sie gar nicht aufgepasst hatte und nicht bemerkte, wie einige fragende Augenpaare nun auf sie gerichtet waren.

 

Spike, der sie liebevoll ihm Arm hielt, schubste sie leicht an und fragte sanft: „Buffy, hörst du nicht? Giles hat dich was gefragt.“

 

„Was?“ schreckte Buffy plötzlich hoch und bemerkte mit hochrotem Kopf, dass alle auf sie starrten. „Tut mir Leid, ich war grad in Gedanken. Was haben Sie mich gerade gefragt, Giles?“

 

„Ich fragte, ob du vor etwa einer Stunde auch etwas Ungewöhnliches gespürt hattest. So wie Mina, Fait und Kennedy.“

 

Buffy dachte angestrengt darüber nach. Sie hatte in den letzten Stunden so einiges Ungewöhnliches gespürt. Ihr war Übel gewesen, als sie den Geruch von der verdorbenen Milch im Kühlschrank gerochen hatte, weswegen sie sich übergeben musste. Wobei ihr auffiel, dass Andrew schon lange keinen Einkauf erledigt hat. Sie hatte erfahren, dass sie schwanger war, und dass dies wohl auch der Grund für viele ungewöhnliche Ereignisse in ihrem Leben war. Sie hatte einen ungewöhnlichen Appetit auf saure Essiggurken gehabt und hätte diese am liebsten zusammen mit einer Tafel Schokolade vernichtet, aber sie hatte keine Ahnung was Giles meinte, weswegen sie unsicher antwortete: „Ich bin mir nicht sicher.“

 

Für einen Augenblick dachte sie darüber nach, ob sie es nicht gleich allen erzählen sollte. Dann wäre es raus, und sie müsste es nicht vor Spike und den anderen verbergen. Sie hatte Angst ihn zu verletzen. Jetzt, da sie beide endlich glücklich vereint waren und wo der letzte Streit gerade mal beseitigt war. Sie steckte in der Zwickmühle und hätte sich selbst verfluchen können, dass sie den Test ausgerechnet jetzt gemacht hatte. Sie hätte ja auch warten können. Dann hätte sie es selbst noch nicht sicher gewusst, und hätte auch keinen Grund gehabt etwas zu verbergen, doch sie konnte nicht warten. Sie musste es einfach wissen.

 

Die ganze Zeit über musste sie daran denken. Ihr war noch immer nicht klar, ob sie sich freuen oder sich fürchten sollte. In ihrem Körper wuchs gerade ein neues Leben heran. Ein Kind gezeugt von dem Mann, den sie am meisten auf der ganzen Welt liebte und der gerade sanft ihre Hand drückte. Sie wollte es ihm so sehr sagen. Sie wollte diese Last nicht allein tragen. Nicht die Tatsache schwanger zu sein war ihr eine Last, sondern die Ängste, die sich daraus für sie ergaben. Würde sie lange genug leben, um es groß zu ziehen? Die Lebensspanne einer Jägerin war seit jeher sehr kurz. Ihr Blick fiel dabei auf Robin Wood, dessen Mutter auch eine Jägerin war und starb, als er noch sehr klein war.

 

Würde sie es jemals beobachten dürfen, wie ihr Kind heranwächst? Würde es überhaupt auf die Welt kommen? Wenn es wahr war, was Angel gesagt hatte, stand ein schwieriger Kampf bevor. Ein Kampf, der, wenn er so gefährlich wie ihr letzter größerer Kampf um die Rettung der Erde war, gewiss einige schwere Opfer nach sich ziehen würde. Damals starben viele der jungen Jägerinnen. Damals musste Anya ihr Leben lassen. Und Spike opferte sich um die Welt zu retten. Was, wenn der hervorstehende Kampf wieder solch schwere Opfer fordern würde? Was wäre, wenn sie Spike oder jemanden ihrer besten Freunde verlieren würde. Was, wenn sie das ungeborene Leben in ihrem Körper verlieren würde. Noch niemals hatte sie solch große Angst etwas zu verlieren. Noch niemals trug sie ein neues Leben in sich. Ein Leben, dass sie bereits liebte noch bevor sie sicher wusste, dass es da war, denn tief im Herzen wusste sie schon längst, dass sie schwanger war.

 

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Spike sie erneut drückt und besorgt fragte: „Liebes, ist alles in Ordnung mit dir?“

 

„Ja, ja, es alles OK. Ich fühl mich nur nicht besonders gut.“

 

Buffy bemühte sich weiter dem Gespräch zu folgen. Es lenkte sie wenigstens etwas ab.

 

Nachdem Xander und Mina das Mädchen aus dem Raum geführt hatten, um sie nachhause zu bringen, fasste Giles die bisherigen Erkenntnisse noch mal zusammen: „Also wie es scheint, hat Ethan einen Weg gefunden an die Macht des Amuletts heranzukommen. Nach Alex Beschreibung hat er versucht diese Macht auf sich selbst zu übertragen. Ich vermute, dass diese Beschwörung ein Menschenopfer erforderte, wofür Ethan das Mädchen vorgesehen hatte. Doch anscheinend hat sich diese Macht sein Opfer selbst gesucht und Ethans Körper in Besitz genommen. Dies bedeutet wohl, dass der befürchtete Gegner, von dem Angel uns berichtet hat, bereits hier ist. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis wir der Armee der Toten gegenüberstehen.“

 

„Die Armee der Toten? Sind Sie sicher, dass dieser Angel es so nannte?“ fragte Aurelius ungläubig nach.

 

„Ja absolut sicher. Wissen Sie etwas darüber?“

 

„Nicht viel. Sie ist eine gefürchtete Waffe und mit irdischen Mitteln unbesiegbar.“

 

„Was soll das heißen? Mit irdischen Mitteln?“ fragte Buffy genauer nach. Aurelius Erwähnung hatte ihre Aufmerksamkeit erreicht und sie blickte ihn neugierig an.

 

„Genau weiß ich es leider nicht. Jeder dunkle Herrscher würde die Armee der Toten gerne beherrschen. Mit ihr könnte man die ganze Welt an sich reißen.“

 

„Warum nur wollen alle immer die Welt an sich reißen?“ fragte Buffy verständnislos.

 

„Wie auch immer. Das bringt uns auch nicht weiter. Wir müssen einen Weg finden diese Arme aufzuhalten, das ist im Moment vorrangig“, erklärte Giles.

 

„Ich kenne einen Weg“, meinte Aurelius darauf.

 

Sofort waren alle Augen auf ihn gerichtet.

 

„Sie kennen einen Weg die Armee zu vernichten? Woher? Und wie?“ fragte Giles sofort.

 

„Ich sagte doch, dass jeder dunkle Herrscher diese Gewalt in seinen Händen halten möchte. Ich war da nicht anders. Ich habe mich sehr lange damit beschäftigt. Hätte ich gewusst, dass es sich bei dem Amulett um das Auge des Geb handelt, hätte ich es an mich gerissen und die Armee selbst herbeigerufen. Doch ich bin froh, dass ich es nicht gewusst habe, denn sonst wäre ich für immer verloren gewesen. Hätte ich gewusst, das dieser nichtsnutzige Taugenichts eines elendigen Zauberers das Auge des Geb beschwören würde, hätte ich ihn getötet. Das wäre besser gewesen. Es gibt einen Weg die Armee aufzuhalten. Doch nicht in dieser Dimension. Ich kenne einen Ort, wo sich eine Waffe befindet. Mit dieser Waffe kann die Armee angegriffen werden. Doch niemand weiß was das für eine Waffe ist, und wie man sie einsetzt. Es ist mehr eine Sage, von der ich vor vielen Jahren gehört habe.“

 

Giles war fasziniert von Aurelius’ Bericht. In nur wenigen Augenblicken hatte sie mehr über das Amulett erfahren, als in den vergangen Wochen der Recherchen.

 

„Das Auge des Gebs? So wird es also genannt? Wo befindet sich diese Waffe? Und wie können wir sie finden?“ fragte Giles weiter nach.

 

„Sie befindet sich ein einer anderen Dimension. Man kann dort hingelangen. Dazu muss nur ein Portal geöffnet werden. Ich könnte es mit Willows Hilfe tun. Was Euch dort jedoch erwarten wird, kann ich nicht sagen. Niemand, der diese Reise je gewagt hatte ist jemals wieder zurückgekehrt.“

 

„Was bringt uns dann eine solche Reise, wenn es keinen Rückweg gibt?“ fragte Faith skeptisch nach.

 

„Ich sagte nicht, dass es keinen Rückweg gibt. Es gibt einen Weg zurück, nur hat ihn bisher niemand geschafft.“

 

„Und warum nicht?“ fragte Buffy.

 

„Woher soll ich das wissen? Es gibt keinen, der jemals von diesem Ort zurückkehrte“, erklärte Aurelius.

 

„Das ist zu gefährlich!“ stellte Giles fest.

 

„Es ist unsere einzige Chance!“ gab Buffy entschlossen zurück.

 

„Was willst du damit sagen?“ fragte Giles.

 

„Ich werde diese Reise machen. Wenn es dort eine Waffe gibt, mit der wir die Armee aufhalten können, dann werde ich sie finden und hier her bringen.“

 

„Ich gehe mit dir“, erklärte Spike in einfachen klaren Worten. Und zum ersten Mal hatte Buffy keine Einwende dagegen. Sie war sogar froh darüber ihn auf dieser Reise an ihrer Seite zu haben. Sie lächelte ihn dankbar an und nickte ihm bestätigend zu. Somit war es für die Beiden eine beschlossene Sache.

 

„Buffy, das kannst du nicht tun. Das ist viel zu gefährlich! Was wenn ihr nicht mehr zurückkommt?“ lenkte Willow besorgt ein.

 

„Wenn wir nicht mehr zurückkommen, sind noch immer mehr als genug fähige Jägerinnen da, die diese Arme aufhalten können. Wir müssen es zumindest versuchen.“

 

„Aber Buffy, du bist…“ wollte Willow erneut einlenken, wurde jedoch von Buffy unterbrochen, noch ehe sie den Satz zu Ende führen konnte: „Die Jägerin! Und ich werde diese Waffe finden!“

 

„Jemand von uns könnte doch auch gehen?“ meinte Kennedy daraufhin, „Wir sind schließlich auch Jägerinnen.“

 

„Verzeih mir, wenn ich das jetzt sage, aber ich bin von uns allem am längsten eine Jägerin. Ich werde nicht zulassen, dass eine von Euch diese Reise unternimmt. Ich könnte nicht damit leben, falls dabei etwas schief geht. Es ist meine Pflicht und ich werde sie erfüllen. Ihr werdet hier gebraucht. Niemand weiß, was hier bald geschehen wird. Falls Spike und ich nicht zurückkommen, müsst ihr die Stellung halten.“

 

„Und was ist mit mir?“ hörte Buffy eine verbitterte Stimme sprechen, „Was soll aus mir werden, wenn ihr nicht zurückkehrt? Ihr könnt mich doch hier nicht allein lassen!“

 

Buffy wandte sich herum und blickte in das schmerzerfüllte Gesicht ihrer Schwester.

 

„Dawnie, es tut mir leid, bitte versteh doch, ich muss das tun. Du wirst nicht allein sein. Wir werden…“ Buffy brach ab, da sie nicht wusste was sie sagen sollte. Sie wollte ihrer Schwester so gerne versprechen, dass sie zurückkommen würden, doch das konnte sie nicht, da sie es selbst nicht sicher wusste.

 

Dawn drängte ihre Tränen zurück und stürmte aus dem Aufenthaltsraum. Sie hatte genug gehört und wollte allein sein.

 

„Dawn!“ wollte Buffy ihr nacheilen, doch Spike hielt sie sanft am Arm fest und meinte: „Gib ihr ein bisschen Zeit. Lass uns später gemeinsam mit ihr reden.“

 

Buffy nickte, als sie einsah, dass er Recht hatte. In diesem Moment hätte es nichts gebracht mit ihr zu reden. Statt sich wieder zu setzen drehte sie sich zu Aurelius hin um, blickte ihn fest an und meinte: „Wie schnell können wir diese Reise antreten?“

 

„Noch heute, wenn es sein muss.“

 

****

 

Dawn flüchtete durch die Gänge an einigen verwundert dreinschauenden Mädchen nach draußen auf den großen Balkon, von wo aus man eine gute Sicht auf die Stadt hatte. Die Sonne verschwand gerade am Horizont und tauchte den Himmel in herrlich bunte Farben. Dawn zog ihre Jacke enger um sich und blickte in den dunklen Nachthimmel. Tränen liefen ihr heiß über die Wange. Sie machte sich nicht die Mühe sie wegzuwischen, sondert starrte nur vor sich hin.

 

„Eine schöne Nacht, nicht wahr?“ fragte eine dunkle Stimme und Dawn fuhr erschrocken herum.

 

Desiderius schwebte graziös mit seinen großen Schwingen herab und ließ sich neben sie auf dem Balkon nieder. Gerade als die Nacht herein brach und er damit zum Leben erwacht war, hatte er sie gehört und sich gefragt, weshalb ein so junges Mädchen in einer so schönen Nacht weinen musste.

 

Dawn antwortete nicht. Sie wischte sich rasch ihre Tränen aus dem Gesicht und wandte ihren Blick auf die andere Seite, sodass Desiderius ihr Gesicht nicht sehen konnte.

 

„Was bekümmert dich so sehr?“

 

„Nichts“, wich Dawn aus.

 

„Wegen Nichts stehst du hier draußen alleine und weinst?“

 

„Es ist wegen Buffy und Spike! Sie lassen mich im Stich. Sie denken immer nur an sich. Niemals an mich, das ist nicht fair!“

 

„Sie lassen dich im Stich? Weshalb?“

 

„Sie wollen zu dieser Dimension reisen, um eine Waffe zu finden gegen die Armee der Toten. Obwohl niemand weiß, ob es eine solche Waffe überhaupt gibt und ob sie jemals wieder zurückkommen werden. Sie dürfen nicht gehen. Sie können mich doch nicht einfach hier allein zurücklassen.“

 

„Die Armee der Toten?“ erwiderte Desiderius erschrocken und wich etwas von Dawn zurück.

 

„Du kennst sie also auch?“ fragte Dawn trocken.

 

„Arendje!“ rief Desiderius seine Gefährtin.

 

„Was ist?“ fragte diese, als sie sich auf sein Rufen hin ebenfalls auf dem Balkon niederließ.

 

„Wir müssen sofort gehen. Ich erkläre es dir später“, erklärte er knapp und richtete sich dann wieder zu Dawn: „Glaub mir mein Kind, wenn deine Schwester versucht einen Weg zu finden, um die Armee aufzuhalten, dann ist es in jedem Fall besser als es nicht zu versuchen. Tu allen einen Gefallen und versuche nicht an dich zu denken. Das Leben aller Menschen steht auf dem Spiel!“

 

Mit diesen Worten stieß er sich von dem Balkon ab und schwang sich durch die Lüfte. Arendje nickte Dawn zum Abschied zu und folgte dann ihrem Gefährten. Dawn blickte den Beiden nachdenklich hinterher. Eigentlich hätte sie sauer sein sollen, dass sich die Beiden so einfach aus dem Staub machten, doch irgendwie wurde ihr dadurch der Ernst der Lage bewusst. Desiderius hatte Recht. Das Leben vieler Menschen und all ihrer Freunde stand auf dem Spiel. Es war selbstsüchtig von ihr nur an sich zu denken.

 

„Dawn?“ hörte sie Buffy hinter sich sprechen, „Kann ich mit dir reden?“

 

Buffy und Spike hatten von den anderen Mädchen erfahren, dass Dawn hier war, weshalb sie nach ihr sehen wollten.

 

Dawn lief ihrer Schwester sofort entgegen und flüchtete sich in ihre Arme. Buffy drückte sie fest an sich, während Spike neben ihnen stand, und Dawn eine Hand auf die Schulter legte. Dawn blickte auf und wechselte zu Spike, um ebenfalls in seine Umarmung zu fallen.

 

„Es tut mir leid, dass ich so egoistisch war. Ich sehe ein, dass es wichtig ist. Versprecht mir nur, dass ihr alles versuchen werdet um wieder zurückzukommen.“

 

Buffy und Spike waren beide überrascht über den plötzlichen Sinneswechsel und tauschten überraschte Blicke aus.

 

„Natürlich werden wir das! Ich würde doch nie meinen Krümel allein lassen. Schon vergessen? Ich hab geschworen dich zu beschützen, und das gilt für mich noch immer!“ erklärte Spike und versuchte damit die Stimmung etwas aufzulockern.

 

„Dawnie ich verspreche dir, wir werden alles tun was in unserer Macht steht, um zu dir zurückzukommen. Aber könnte ich erfahren, was deine Meinung plötzlich geändert hat?“

 

„Desiderius war hier. Ich hab ihm von der Armee der Toten erzählt. Er bekam es mit der Angst zu tun und ist mit Arendje abgehauen. Er sagte ich solle nicht nur an mich denken und ich denke er hat damit Recht. Wenn schon so starke Wesen wie er fluchtartig das Weite suchen, muss es wirklich eine gefährliche Sache sein.“

 

„Die Beiden sind ohne ihr Ei geflüchtet? Das hätte ich mir nicht von ihnen gedacht“, meinte Buffy ein wenig enttäuscht von den Gargoyles.

 

„Ich schätze das bedeutet nichts gutes?“ fragte Dawn nur beiläufig, während die Drei sich wieder auf den Weg ins Gebäude machten.

 

„Wann werdet ihr die Reise antreten?“ wollte Dawn schließlich noch wissen.

 

„Noch heute. Willow und Aurelius bereiten gerade alles vor“, antwortete Buffy.

 

„Denkst du wir können diesem Aurelius trauen?“ gab Spike zu bedenken.

 

„Willow vertraut ihm, also tu ich es auch. Wenn es eine Chance gibt diese Armee aufzuhalten, dann müssen wir sie ergreifen. Uns bleibt nichts anderes übrig.“

 

„Du hast Recht. Es wird schon schief gehen“, meinte Spike mit seinem unwiderstehlichen Grinsen und umarmte seine beiden liebsten Frauen, „Lasst uns nachsehen, wie weit unsere beiden Meistermagier sind. Auf einen kleiner Urlaub in einer anderen Dimension hab ich jetzt so richtig Lust.“

 

„Ich wüsste da einiges anderes, worauf ich jetzt Lust hätte“, erwidert Buffy daraufhin.

 

„So?“ fragte er mit einem anzüglichen Grinsen, „Was denn zum Beispiel?“

 

„Ich werde es dir zeigen, wenn wir wieder zurück sind“, neckte Buffy und zwinkerte ihm verspielt zu.

 

Dawn rollte mit ihren Augen. Seit die beiden sich wieder vertrugen, waren sie ständig am Flirten und kaum noch aus den Federn zu bringen. Doch sie freute sich auch sehr über ihre kleine glückliche Familie. Sie hoffte nur, dass dieses kleine Glück nicht sehr bald zerstört werden würde.

 

****

 

„Seid ihr soweit?“ fragte Willow ein letztes Mal nach.

 

Spike richtete einen fragenden Blick zu Buffy. Gemeinsam überprüften sie noch einmal alle Gegenstände, die sie dabei hatten. Spike trug einen kleinen Beutel, in dem sich eine kleine Auswahl von Waffen befand. Zwei Messer, eine kleine Armbrust und ein paar Holzpflöcke. Sie wussten zwar nicht, ob sie dort wo sie hinreisen würden auf Vampire treffen würden, doch sicher ist sicher. Eigentlich wussten sie überhaupt nicht, was sie erwarten würde, weshalb sie jeweils noch ein Schwert und eine Streitaxt bei sich trugen. Im Beutel befanden sich außerdem noch etwas Trinkwasser und ein paar belegte Brote. Auch wenn sie es nicht vorhatten, so mussten sie damit rechnen, dass ihre Reise vielleicht länger als erwartet dauern würde. Nachdem noch einmal alle Dinge überprüft wurden, nickten Buffy und Spike Willow bestätigend zu.

 

Aurelius überreichte den Beiden noch ein Stück Papier, auf dem ein seltsames Zeichen gezeichnet war.

 

„Ich kann euch leider nicht sagen, wonach ihr genau suchen müsst, aber wenn ihr dieses Zeichen seht, wisst ihr, dass ihr die Waffe gefunden habt.“

 

Spike nah den Zettel entgegen, zeigte ihn Buffy noch kurz, bevor er ihn sorgsam in seinem schwarzen Ledermantel verstaute. Das gute alte Stück begleitete ihn noch immer auf seinen Streifzügen. Auch wenn es nun keine Menschen mehr waren, die zu seinem Jagdgut zählten.

 

„Also gut, ihr wisst, wie ihr wieder zurückkommt?“ fragte Willow zum x-ten Mal nach.

 

„Ja, ja wir wissen bescheid. Wir müssen die Waffe finden, was auch immer es ist, dann müssen wir sie genau an den Ort bringen, wo wir in der andere Dimension ankommen, und dann müssen wir diesen blöden Zauberspruch aufsagen“, erklärte Buffy ein wenig genervt, da sie dies schon Dutzende Male wiederholt durchgekaut hatten.

 

„Das ist kein blöder Zauberspruch! Buffy nimmt das bitte nicht auf die leichte Schulter! Wenn ihr einen Fehler macht, dann kommt ihr nie wieder zurück!“ fuhr es verärgert aus Willow heraus.

 

„Tut mir leid Willow! Ich bin mir der Konsequenzen bewusst. Glaub mir. Wir wissen, was zu tun ist, du hast uns auf alles perfekt vorbereitet. Wir schaffen das schon“, versuchte Buffy ihre Freundin wieder zu beruhigen.

 

Willow atmete tief durch und versuchte die Nerven zu bewahren. Sie hatte Angst um ihre beiden Freunde. Sie fürchtete, dass sie vielleicht nie wieder zurückkommen würden und es dann ihre Schuld sei, wenn sie einen Fehler bei den Vorbereitungen zu dieser Dimensionsreise machen würde.

 

Aurelius ergriff schließlich die Initiative und erklärte allen: „Also gut Leute. Schnallt euch an, es kann losgehen“, seine Hand zu Willow reichend fragte er: „Bist du soweit?“

 

Willow nickte und richtete einen letzten Blick auf ihre beiden Freunde. Buffy und Spike nickten ihr beide zuversichtlich zu. Spike hielt in einer Hand eine Axt und legte die andere über Buffys Schulter, worauf sie sich dankbar an ihn lehnte.

 

Der Rest der Truppe stand etwas entfernt von den Vieren und beobachtete unsicher das Geschehen. Mina sehnte sich nach moralischer Unterstützung und lehnte sich gegen Xander. Giles und Robin standen skeptisch neben ihnen und richteten ihre Aufmerksamkeit auf Willow und Aurelius, die nun begannen einen Zauberspruch auf Lateinisch zu sprechen.

 

Faith beobachtete das ganze scheinbar gelangweilt von der Couch aus. Doch der äußere Schein trug. Auch sie machte sich Sorgen um die beiden Reisenden. Kennedy machte sich auch Sorgen. Doch nicht nur um die Reisenden, sondern auch um ihre Freundin Willow. Sie traute diesem Aurelius nicht so ganz. Es lag vielleicht auch an der Art, wie dieser ihre Geliebte immer ansah. Dawn hatte längst das Weite gesucht. Sie wollte das Ganze nicht mit ansehen. Sie bezog vor der Türe zum Aufenthaltsraum Stellung, um zu verhindern, dass welche der Jungjägerinnen die Zauberaktivitäten stören würden.

 

Eine grelle kreisförmige Lichtwand bildete sich plötzlich um die beiden Reisenden. Aurelius und Willow hatten zu kämpfen der Zauberspruch weiterzusprechen. Als wenn eine unsichtbare Macht es zu verhindern versuchte. Sie hielten sich fest bei der Hand und vereinten ihre Kräfte, womit es ihnen schließlich gelang das Portal zu öffnen.

 

Das grelle Licht verschwand spurlos, und mit ihnen auch Buffy und Spike. Nichts ließ mehr vermuten, dass sie eben noch dagestanden hatten. Aurelius und Willow waren beide erschöpft.

 

****

 

„Kannst du mir sagen, was du da eigentlich machst?“

 

„Ich räume auf.“

 

„Ja, das sehe ich, aber warum?“

 

„Weil es unordentlich ist.“

 

„Das ist doch egal! Komm lieber wieder zu mir ins Bett.“

 

„Gleich. Ich bin eh gleich fertig.“

 

„Hast deinen Freunden eigentlich gesagt, wo du bist? Werden sie dich nicht vermissen?“

 

„Ich glaube kaum, dass sie mich vermissen. Erst wenn sie merken, dass ihnen keiner mehr die Wäsche wäscht und niemand mehr einkaufen geht.“

 

„Tolle Freunde hast du, dass muss ich schon sagen.“

 

„Ach nein. Das ist schon OK so. Ich habe es nicht anderes verdient.“

 

„Wer das behauptet, kriegt es mit mir zu tun!“

 

„Bist du anderer Meinung?“

 

„Ja das bin ich! Ganz anderer Meinung sogar. Und jetzt lass verdammt noch mal meine Wäsche liegen und komm hier her zu mir!“

 

„Was bekomm ich dafür?“

 

„Komm her, und du wirst es sehen.“

 

„Bertolin! Mach, dass du aus dem Schlafzimmer verschwindest!“

 

„Wer ist Bertolin?“

 

 

Folge 20