Folge 18

Begegnungen

 

Schon seit einer ganzen Weile saß Spike alleine auf der Veranda und genoss die Stille der Nacht. Drinnen im Haus saßen Andrew und Dawn vor dem Fernseher und zogen sich das Abendprogramm rein. Buffy war allein unterwegs auf Streife, so wie jede Nacht, seit dem Vorfall mit dem Zubringer. Seit dem war Buffy zunehmend ängstlicher wegen seiner Gesundheit geworden. Sie war schon beinahe fanatisch und versuchte ihn mit Gewallt vor allen lebensbedrohlichen Situationen zu bewahren. Spike gab es schließlich auf sie auf Streife zu begleiten wollen, und blieb nur noch zuhause. 

 

Auch tagsüber vermied er es zum Ratsgebäude zu gehen. Ihn nervten die vielen jungen Jägerinnen, die ihn ständig über sein Dasein als Vampir ausfragten. Die Erinnerungen daran schmerzten ihn zunehmend, da er nicht mehr die vielen Vorteile und Kräfte eines Vampirs besaß. Er war nur noch ein Mensch und Buffys übertriebene Führsorge machten es ihm nicht leichter.

 

Die Haustüre ging plötzlich auf und Spike staunte nicht schlecht, als der schwarze Haustiger daraufhin erschien. Für Aurelius stellten Türen kein Hindernis da. Er hatte das Chaos mit dem Zubringer zu seiner Enttäuschung leider verpasst. Er hätte zu gerne gesehen, wie Willow den Dämon getötet hatte. Er hatte die letzten Wochen viele Gelegenheiten Willows Freunde zu beobachten und unlängst festgestellt, dass das Verhältnis von Buffy und Spike zu brechen drohte. Zwar hatte er selten soviel Liebe zwischen zwei Menschen gesehen, doch die Probleme und Sorgen, die die Beiden zu tragen hatten, würden über kurz oder lang die Beziehung zerstören.

 

Aurelius machte sich sorgen um Spike. Ihm gefiel nicht, wie er die letzten Tage lustlos im Haus herumlungerte und kaum Lebensgeist gezeigt hatte. Die Haustüre schloss sich wie von Geisterhand und auf geschmeidigen Katzenpfoten näherte Aurelius sich ihm und hüpfte mit einem Satz auf Spikes Schoß. Erneut wunderte sich Spike über den schwarzen Hausgast. Doch dann begann die Katze sanft zu streichen und verlor sich selbst wieder in seinen Gedanken.

 

Leise schnurrend bekundete Aurelius seinen Dank für die Streicheleinheiten. Dies war einer der größten Vorteile in der Gestalt einer Katze zu leben. Man erhielt stets von allen zärtliche Streicheleinheiten ohne jemand darum bitten zu müssen.

 

Ein Geräusch weckte die Aufmerksamkeit der Beiden. Spike vermutete im ersten Moment, dass Buffy vielleicht von der Streife zurückkommen würde, als er ums Haus eine weibliche Gestalt hervorkommen sah. Doch überrascht stellte er fest, dass es sich dabei zwar um eine weibliche Person handelte, die er kannte, es jedoch nicht Buffy war, die ihn nun freudig anstrahlte.

 

„Hallo Spikey!“

 

„Harm! Was tust du hier? Verschwinde, bevor Buffy dich erwischt. Du weißt genau was sie dann mit dir machen wird.“

 

Aurelius merkte wie Spikes Körper sich anspannte. Er besah sich die Frau, die gerade gekommen war, genauer und stellte fest, dass sie ein Vampir war. Dies erklärte auch die Anspannung in Spike.

 

Spike überlegte was er tun sollte. Harmony war zwar strohdumm, aber rein körperlich war sie ihm eindeutig überlegen. Er fragte sich, ob Harmony wusste, dass er nun ein Mensch war.

 

„Och, begrüßt man so eine alte Freundin? Ich dachte du freust dich mich zu sehen? Aber ich hab schon gehört, dass du jetzt gemeinsame Sache mit der Jägerin machst. Frage mich nur was du an ihr findest“, meinte sie verachtend.

 

Sie hatte viele Gerüchte gehört, dass hier in diesem Haus oft mehrere Jägerinnen zugegen waren. Deswegen war sie hierher gekommen, um das Haus zu beobachten. Doch als sie Spike hier sitzen gesehen hatte, vergaß sie ihre Vorsicht und kam näher, um mit ihm zu sprechen.

 

Spike antwortete nichts darauf, sondern behielt Harmony weiterhin im Auge und achtete darauf, dass sie ihm nicht zu nahe kommen würde.

 

„Was ist los mit dir Blondybär? Du wirkst so verkrampft? Lässt dich die Jägerin nicht ran?“

 

„Das geht dich einen feuchten Dreck an! Und jetzt verschwinde Harm!“ fauchte er sie an.

 

Harmony ließ sich nicht beeindrucken und kam ein paar Schritte näher. Sie stand nun auf der Treppe und ließ ihre Hand spielerisch über das Geländer streifen. Mit einem Satz hätte sie bei ihm sein können. Das wusste sowohl er als auch sie. Spike versuchte sich zu entspannen und fuhr fort Aurelius zu streicheln. Er überlegte, wie er einem eventuellen Angriff von ihr ausweichen könnte.

 

Sie lächelte ihn immer noch übertrieben freundlich an, als sich ihre Gesichtzüge schlagartig änderten. Ihre Brauen verengten sich, und sie blickte ungläubig auf ihren Exgeliebten.

 

„Spike! Oh mein Gott! Wie hast du das gemacht?“

 

Spike wusste sofort, was sie damit meinte und wurde erneut nervös. Sie hatte bemerkt, dass er ein Mensch war. Vermutlich hatte sie seinen aufgeregten Herzschlag vernommen oder sein lebendiges Blut gewittert.

 

Fasziniert von dieser Neuigkeit kam Harmony noch näher, worauf Spike nervös von seinem Platz aufsprang und zurückwich. Dadurch warf er Aurelius von seinem Schoß, der mit einem verärgerten Knurren auf den Boden sprang. Doch statt davon zu laufen, blieb er in der Nähe, um zu sehen, was weiter passieren würde.

 

Spike wich weiter zurück, als Harmony noch weiter auf ihn zukam, bis er das Geländer der Veranda an seiner Hüfte spürte und nicht weiter zurückweichen konnte. Harmony grinste ihn erfreut an und streckte eine Hand nach seinem Gesicht aus um seine warme Haut zu fühlen.

 

„Verschwinde Harm! Buffy kommt jeden Augenblick zurück. Sie wird dich töten, wenn sie dich hier sieht!“

 

„Was ist mit dir? Hast du Angst, dass ich dich töte? Oder fürchtest du dich davor, dass ich dich wieder in einen Vampir verwandeln könnte?“

 

Ein verbittertes Lachen kam aus ihm hervor. War dies doch das wenigste, was er im Moment befürchten würde. Wieder ein Vampir zu werden wäre beinahe schon ein Segen für ihn.

 

Harmony war ein wenig verwirrt über sein Lachen, zog ihre Hand zurück und sah ihn fragend an.

 

„Das ist es nicht, nicht wahr? Du vermisst es ein Vampir zu sein, gib’s zu!“

 

Spike wunderte sich ernsthaft wie hellsichtig Harmony scheinbar geworden war. Oder war es ihm so deutlich anzusehen, dass sogar Harmony es bemerkte? Da sie wieder einen Schritt zurück gewichen war, und somit der Abstand zwischen ihnen wieder größer geworden war, entspannte er sich ein wenig. Selbst als Vampir war Harmony nicht wirklich furchteinflößend. Er legte seinen Kopf schräg und musterte sie eine Weile, bevor er dann wirklich interessiert meinte: „Wie kommst du darauf?“

 

„Na ja, wenn ich mir jetzt vorstelle wieder ein Mensch sein zu müssen...“ sie schüttelte sich angewidert und gab einen würgenden Laut, „…Das wär einfach ätzend!“

 

„Ja, ätzend“, gestand Spike ehrlich. Und musste dabei bitter lächeln.

 

„Armer Blondybär! Soll ich dir helfen?“ fragte sie mit einem süßen Lächeln und spielte dabei ein wenig mit ihren weiblichen Reizen, in dem sie ihren Finger über ihren Oberkörper entlang ihrer Brust zum Bauch hinab wandern ließ.

 

„Wie willst du mir helfen?“ fragte Spike abwertend, obwohl er genau wusste, worauf sie hinauswollte und er bereits innerlich mit sich kämpfte ihr Angebot abzulehnen.

 

Harmony kam erneut näher und lehnte sich ihm entgegen. Spike lehnte sich mit dem Oberkörper zurück und blickte mit verengten Augen auf sie herab. Er spürte ihren kalten Körper und sehnte sich innerlich danach wieder so zu sein wie sie. Mit demselben Finger, mit dem sie zuvor über ihren Körper gefahren war, strich sie nun über seinen Hals und leckte sich dabei die Lippen.

 

„Ich beiße dich ganz einfach und mach dich wieder zu einem Vampir“, flüsterte sie ihm verführerisch ins Ohr.

 

Spike schluckte hart und versuchte gegen seinen innerlichen Drang ihr nachzugeben anzukämpfen. Er atmete tief durch und wollte gerade etwas erwidert, als Aurelius plötzlich aus heiterem Himmel zu fauchen begann und in die Dunkelheit starrte. Beide, sowohl Harmony und Spike blickten daraufhin in die Richtung, in die Aurelius mit erhobenen Schwanz, stehenden Nackenhaaren und gefletschten Zähnen starrte.

 

Harmony lauschte in die Dunkelheit und konnte mit ihren scharfen Vampirsinnen hören, wie sich jemand näherte. Sie fürchtete, dass es eine von den Jägerinnen sein könnte, von denen sie erfahren hatte. Deshalb machte sie einen Satz über das Geländer der Veranda und verschwand in der Dunkelheit.

 

Erst als Spike kurz darauf Kennedy nachhause kommen sah, verstand er weshalb Harmony so plötzlich verschwunden war. Sie hatte die Jägerin schon viel früher als er vernommen. Allerdings nur, nachdem sie durch Aurelius darauf aufmerksam gemacht worden war. Ein Teil von ihm war enttäuscht, dass sie wieder verschwunden war. Wäre sie doch in der Lage ihm das alles zurückzugeben, was er viele Jahre so sehr genossen hatte. Nachdenklich blickte er auf den schwarzen Kater herab und fragte sich was es mit diesem Tier wohl auf sich hatte.

 

Kennedy kam schließlich auf die Veranda und grüßte ihn freundlich. Er wirkte abwesend, weshalb sie fragte:

 

„Spike? Ist alles in Ordnung? Wo ist Buffy?“

 

****

 

„Sie ist nicht hier“, antwortete Giles auf die Frage des überraschenden Besuches. Er hatte nicht schlecht gestaunt, als urplötzlich Angel vor der Tür des Ratsgebäudes gestanden war und um Einlass gebeten hatte. Er hatte Neuigkeiten und wollte dazu mit Buffy sprechen.

 

„Wo kann ich sie finden?“

 

„Nun ja, vermutlich ist sie gerade unterwegs, aber sie wollte noch mal hierher kommen, bevor sie nachhause geht. Ich denke das Beste wird sein, wenn Sie hier auf sie warten“, stellte Giles fest. Er wollte Angel bereits die Adresse von Buffys Haus geben, als ihm einfiel, dass Angel noch nichts von Spikes Rückkehr wusste und es wohl nicht klug währe wenn Angel es unvorbereitet erfahren würde.

 

Mit dieser Antwort war Angel zwar nicht sehr zufrieden, fügte sich aber, da er bereits einen weiten Weg hierher zurücklegen musste und etwas Müde von der langen Reise war. Er hatte schon vermutet, dass Buffy hierher an den Höllenschlund kommen würde. Genauso anziehend die Wirkung des Höllenschlundes für Dämonen und Vampire war, war diese auch für Jägerinnen. Von Wesley hatte er von dem neuen Rat erfahren, und dass sie hier ein neues Zentrum errichtet hatten. Er hatte schon lange überlegt anzurufen, oder herzukommen, doch bisher hatte er es immer wieder hinausgezögert und andere Dinge vorgeschoben.

 

Doch von einer sicheren Quelle hatte er von einer Vorhersehung über den hiesigen Höllenschlund erfahren. Die Vorhersehung kündigte einige böse Dinge an, die Buffy und ihre Freunde dringend erfahren sollten. Anstatt anzurufen ergriff er die Gelegenheit Buffy endlich wiederzusehen, um zu sehen, wie es ihr in den letzten Monaten ergangen war. Noch immer schlug ein Teil seines Herzens für sie.

 

Er ließ sich von Giles ins Gebäude führen. Dieser ließ es sich dann nicht nehmen ihm die wichtigsten Räumlichkeiten vorzuführen und ihm natürlich auch voller Stolz das wertvolle Gargoyle-Ei zu präsentieren. Aus Anstand bemühte sich Angel interessiert zu wirken und lauschte den Erzählungen von Giles. Innerlich wartete er jedoch ungeduldig auf Buffy.

 

****

 

Buffy kämpfte gerade mit einem Vampir, dem sie auf dem Clevelander Westfriedhof begegnet war. Er war keine große Herausforderung, weshalb sie eher mit ihm spielte. Ihr gefiel der Kampf mit ihm. Sie mochte die geschmeidigen Bewegungen und die Kraft, die er hatte. Immer wieder ließ sie zu, dass sich ihre beiden Körper leicht berührten. Jedes leichte Streifen seiner Haut sendete einen Schauer durch ihre Sinne. Seine Haut war so kühl und glatt. Wie die Haut jedes Vampirs.

 

Dies war nicht der erste Abend, an dem sie auf diese Weise mit ihrem Gegner kämpfte. Die letzten Tage arrangierte sie es immer so, dass sie allein auf der Streife unterwegs war, während die anderen Jägerinnen immer zu zweit ihre Runden drehten. Es gab so viele Dinge, über die sie nachdenken wollte. Das Erlebnis Spike leblos in ihren Händen zu halten hatte sie sehr erschreckt. Einiges hatte sich daraufhin zwischen den beiden geändert.

 

Er begleitete sie nicht mehr auf Streife. Zwar war sie einerseits froh darüber, da sie immer schreckliche Angst um ihn hatte, doch andererseits fehlte er ihr sehr. Er kam auch nicht mehr tagsüber zum Ratsgebäude, sondern blieb nur noch zuhause. Die wenigen Minuten, die sie zusammen waren, sprachen sie kaum noch miteinander. Und wenn sie abends nach der Streife zurückkam, schlief er meistens bereits. Sie vermisste ihn so sehr, wusste jedoch nicht, wie sie daran etwas ändern sollte.

 

Doch sie vermisste auch noch etwas anderes, dass ihr erst seit wenigen Nächten langsam bewusst geworden war. Seitdem sie mit einem Vampir gekämpft hatte, und dieser aus Versehen auf sie drauf gefallen war. Ihre beiden Körper hatten sich eng zusammengepresst und sie konnte seinen kühlen Körper auf sich spüren. Sie war so überrumpelt gewesen und hatte nicht sofort reagiert. Der Vampir hatte ihre Hände gepackt, und sie über ihrem Kopf festgehalten, sodass sie unter seiner Last gefangen gehalten wurde.

 

Zu fühlen wie ein so starker Mann sie in seinen Händen hielt löste einen köstlichen Schauer in ihr aus. Sie erinnerte sich an die vielen Nächte, die sie mit Spike verbracht hatte, als er noch ein Vampir gewesen war. An seine starken Hände. Seine kühlen Lippen. Die Kraft und Energie, mit der er sie beglückt und auf Händen getragen hatte. Wie lebendig sie sich dabei immer gefühlt hatte. Dieser kurze Augenblick hatte all die Erinnerungen an diese Zeit zurück gebracht, bis sich der Körper über ihr in Staub aufgelöst hatte und Faith ihr die Hand zum aufstehen gereicht hatte.

 

Seit dieser Nacht war sie allein auf Streife unterwegs und ließ immer öfter zu, dass der Körper eines Vampirs ihr zu nahe kommen konnte. Wie auch in dieser Nacht.

 

****

 

Spike saß noch immer auf der Hollywoodschaukel auf der Veranda. Er wartet auf Buffys Rückkehr. Er hatte gemerkt, dass sie sich immer mehr auseinanderlebten und wollte mit ihr darüber sprechen. Er wollte sie nicht verlieren, war sie doch das einzige auf diese Welt, das ihm wirklich etwas bedeutete. Wenn es auch bedeuten würde, dass er für den Rest seines nun verhältnismäßig kurzen Lebens als schwacher Menschen leben müsste, so wollte er nichts dagegen eintauschen, solange er an der Seite seiner Geliebten leben konnte. Er schämte sich selbst dafür, dass er Harmonys Vorschlag für einen kurzen Moment beinahe nachgeben wollte.

 

Ein sehnsüchtiger Blick huschte ihm übers Gesicht, als er die Liebe seines Lebens auf ihn zugehen sah. Buffy war von ihrer Streife zurückgekommen, nachdem sie den Vampir nach einem sehr langen Kampf endlich erledigt hatte. Bei seinem Anblick auf der Terrasse verspürte sie ein schlechtes Gewissen in ihr hochsteigen. Mit einem gezwungenen Lächeln kam sie näher, gab ihm einen kleinen Kuss und setzte sich neben ihn.

 

Spike bemerkte ihr Verhalten und schob es auf die letzten Ereignisse. Sie schien noch immer wütend auf ihn zu sein, was ihm sein Vorhaben nicht erleichterte. Nach einer Weile Schweigen, wollte Buffy schon fast aufstehen um sich den Vampirstaub vom Körper zu waschen, als Spike sie aufhielt und endlich den Mut fand mit ihr zu sprechen.

 

„Buffy, ich… wir müssen reden.“

 

Buffy seufzte. Sie wollte zwar reden, doch nicht jetzt. Sie war noch viel zu durcheinander von dem Kampf und den vielen Erinnerungen, die dieser in ihr ausgelöst hatte. Sie setzte sich zurück auf die Schaukel und blickte angestrengt auf den Boden vor ihren Füßen.

 

„Ich weiß“, erwiderte sie schließlich.

 

„Es tut mir leid, was passiert ist. Ich weiß, dass du dich um mich sorgst, doch so kann es nicht weiter gehen. Ich will dich nicht verlieren, Buffy!“

 

„Ich weiß“, erwiderte sie erneut.

 

„Hast du nicht mehr dazu zu sagen?“ fragte Spike schließlich besorgt. Er hätte nicht gedacht, dass es so schwierig werden würde, mit ihr zu reden. Er hatte gehofft, dass sie ähnlich empfinden würde und auch ihrerseits dazu etwas zu sagen hätte.

 

„Doch, aber ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“

 

Enttäuscht sah er ihr ins Gesicht.

 

„OK, wie soll es dann weitergehen?“ fragte er ratlos.

 

„Ich weiß es nicht. Können wir nicht morgen darüber reden? Ich fühl mich nicht so besonders“, meinte Buffy kurz und wich seinem Blick aus.

 

„Was ist los mit dir? Du fühlst dich in letzter Zeit ziemlich oft unwohl. Diese allmorgendlichen Ausflüchte ins Badezimmer“, fragte Spike besorgt, als er merkte, dass etwas nicht mit ihr stimmte.

 

„Nichts ist los mit mir! Ich fühl mich gut!“ bestritt Buffy vehement. Schaffte es jedoch nicht seinem besorgten Blick standzuhalten.

 

 „Ist etwas passiert auf deinem Streifzug? Bist du jemanden begeg…?“

 

„Nein!“ stritt sie sofort ab, wobei sie ihm förmlich das Wort abschnitt und dann hastig aufstand um zu gehen.

 

Spike hielt sie am Arm auf und fragte sofort: „Wer war es?“ Ihre etwas zu eifrige Antwort hatte ihn misstrauisch gemacht.

 

„Niemand!“ stritt Buffy wenig überzeugend ab und entzog ihm ihre Hand. Sie hätte sich selbst dafür ohrfeigen können, dass sie ihn nie anlügen konnte.

 

„Buffy, wer war es?“ fragte er verletzt und stellte sich vor sie.

 

Sie wich seinem Blick aus und antwortete wahrheitsgemäß: „Ein Vampir! Der einzige, dem ich diese Nacht begegnet bin, war ein Vampir.“

 

„Was war mit ihm?“ bohrte Spike weiter, da er bemerkt hatte, dass dieser Vampir etwas mit ihrem Verhalten zu tun haben musste.

 

„Nichts war mit ihm. Ich hab gegen ihn gekämpft, und jetzt ist er Staub“, erklärte sie rasch, wobei sie nicht sehr überzeugend wirkte.

 

„Buffy, was verheimlichst du mir? Bitte sag es mir!“ flehte er sie schon beinahe an. Er ertrug den Gedanken nicht, dass ein andere Mann, und womöglich sogar ein Vampir, zwischen ihnen stehen könnte.

 

Buffy erkannte seine Angst und den Schmerz, den sie ihm unbeabsichtigter Weise verursacht hatte. Wie konnte sie auch nur eine Sekunde lang glauben ihm etwas verheimlichen zu können? Er konnte schon immer in sie blicken. Besser als jeder andere auf dieser Welt.

 

„Es tut mir so leid!“ murmelte sie, während sie sich in seine Arme warf und sich an ihm festhielt. Diese Geste beruhigte ihn seltsamer Weise, wobei ihre Worte jedoch eher beunruhigend waren.

 

„Was tut dir leid?“ fragte er schließlich, während er sie liebevoll in den Arm nahm.

 

„Ich… Ich weiß auch nicht wieso, aber… Ich habe diese Gefühle… Es sind nur Erinnerungen… nichts weiter! Ich verspreche es! Bitte frag mich nicht genauer danach! Ich kann es dir nicht erklären! Bitte glaube mir, ich liebe nur dich! Es gibt keinen anderen für mich auf dieser Welt!“ beteuerte sie eindringlich und hoffte ihn von weitern Fragen abhalten zu können, da sie nicht im Stande gewesen wäre die Wahrheit vor ihm zu verbergen, und er deswegen sicher sehr verletzt gewesen wäre.

 

Spike wusste nicht recht, was er tun sollte. Er bemerkte, dass sie ihm etwas verheimlicht hatte, doch die letzten Worte hatte sie aus vollem Herzen gesprochen und er glaubte ihr. Er drückte sie liebevoll an sich und küsste ihr blondes Haar. Er überlegte noch kurz und meinte dann: „Lass uns reingehen. Es ist schon spät.“

 

Buffy war erleichtert, dass er ihrer Bitte nachgegeben hatte. Sie lächelte ihn beruhigt an und gab ihm einen Kuss auf die Lippen. Spike drückte sie näher an sich und die beiden vertieften ihren Kuss. Ihre Zungen streichelten sich gegenseitig zärtlich und leidenschaftlich als hätten sie sich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.

 

„Buffy?“ hörten die Beiden plötzlich eine bekannte männliche Stimme hinter sich.

 

Es war Angel. Nachdem Buffy eine lange Zeit nicht erschienen war, hatte er solange auf Giles eingeredet, bis er ihm endlich ihre Adresse gegeben hatte. Jetzt als er den Mann sah, der Buffy in den Armen hielt, verstand er warum Giles ihm die Adresse nicht geben wollte und er wünschte sich er hätte nie danach gefragt.

 

Buffy erschrak, als sie Angel vor der Treppe zu ihrer Veranda stehen sah. Keiner der Beiden hatte ihn näher kommen hören. Mehr aus Reaktion und aus Schock ihren ehemaligen Freund zu sehen glitt sie aus Spikes Armen und sagte sprachlos: „Angel.“

 

Spike sah auf seinen verhassten Verwandten und plötzlich kamen ihm Buffys Worte wieder in den Sinn: ‚Ich habe diese Gefühle, es sind nur Erinnerungen.’

 

Erinnerungen woran? Gefühle für wen? Brennende Eifersucht stieg in ihm hoch! Für ihn war klar, dass es Angel gewesen sein musste, den Buffy auf der Streife begegnet war. Und nun tat sie auch noch so, als wäre sie erstaunt. Nein, sie hatte wohl eher ein schlechtes Gewissen! Das musste es sein. Voller Hass blickte er auf Angel.

 

Angel versuchte diese Blicke zu ignorieren. Ihm war nicht ganz klar, wie Spike überleben konnte. Kurz nachdem der Höllenschlund in Sunnydale eingestürzt gewesen war, hatte er mit Willow telefoniert, und sie hatte ihm damals von seinem Tod erzählt.

 

Etwas unsicher und verstört meinte er schließlich: „Buffy bitte, ich muss mit dir sprechen, es gibt da etwas, was du wissen musst.“

 

Ohne Vorwarnung sprang Spike über das Geländer der Veranda und stürmte auf Angel zu. Ohne darüber nachzudenken, was er eigentlich tat, verpasste er ihm einen kräftigen Kinnhacken. Angel reagierte sofort und schlug ihn mit seinen Vampirkräften zurück, worauf Spike sofort zu Boden ging. Erst jetzt realisierte Angel, dass der Schlag, den Spike ihm verpasst hatte bei weitem nicht so kräftig gewesen war, wie er ihn erwartet hätte.

 

„Halt!“ schrie Buffy, als sie Spike auf den Boden fallen sah und eilte sofort zu ihm. Spike ging es soweit gut. Ihm schmerzte sein Gesicht nur sehr, was er sich mit der Hand festhielt. Etwas Blut floss aus seiner Nase heraus. Buffy nahm ihn sofort ihn ihre Arme und sah nach seinem Gesicht. Sie blickte böse auf Angel zurück und fragte erbost: „Warum nur müsst ihr immer alles mit den Fäusten erledigen? Siehst du nicht, dass er ein Mensch ist?“

 

„Buffy tut mir leid, ich wusste nicht…?“ stammelte Angel los, als ihm die Bedeutung ihrer Worte bewusst wurde. „Was? Spike ist ein…?“

 

„Mensch!“ beendete Spike für ihn den Satz und erhob sich vom Boden, wobei er Buffy absichtlich von sich stieß.

 

Provozierend richtete er sich vor Angel auf und meinte: „Na? Was sagst du dazu? Wie ist das für dich? Zu erfahren, dass ausgerechnet ich jetzt ein Mensch bin, obwohl du es doch immer sein wollest? Dass Buffy mich liebt und nicht dich? Wie ist das? Hah?“

 

Angel ballte seine Hände zu Fäusten und musste sich beherrschen ihm nicht erneut zu schlagen. Buffy stellte sich vor Spike und legte Angel beruhigend eine ausgestreckte Hand auf die Brust, was Spike missbilligend mit ansah.

 

Zudem meinte sie dann auch noch: „Spike hör auf damit. Beruhigt euch endlich!“

 

Dies war nun wirklich zu viel für Spike. Vor Wut schnaubend ging er zum Haus zurück, öffnete die Türe, blickte zurück zu Buffy und schrie fast: „Wage es nicht ihn ins Haus zu bitten, sonst siehst du mich nie wieder!“ Und mit einem Knall, der beinahe das ganze Haus weckte schlug er die Türe hoch und verschwand oben in seinem und Buffys gemeinsamen Zimmer.

 

Er musste einfach gehen. Der Schmerz in ihm drohte sein Herz zu zerbrechen. Er wollte nicht im Angesicht seines Erzfeindes, den er seit Jahren mehr als alles hasste, in Tränen ausbrechen. Spike hatte noch immer Buffys Worte im Kopf und war überzeugt, dass Angel damit gemeint war. Dies erklärte ihm auch ihr seltsames Verhalten. Verzweifelt ließ er sich neben dem Bett zu Boden sinken und vergrub sein von Tränen übersätes Gesicht in seinen Armen und Knien.

 

****

 

Angel und Buffy starrten sprachlos auf die Veranda, als Spike die Tür zuknallen ließ. Buffy wollte ihm sofort nacheilen, als eine kräftige kühle Hand sie aufhielt.

 

„Buffy, was war das? Ich meine…. Du …und Spike? Seid ihr…? Wie lange…?!“ stammelte er vor sich hin. Er war noch immer bestürzt die Beiden sich in den Armen halten und küssen gesehen zu haben.

 

Buffy wandte sich zu Angel und meinte mit flehenden Blick: „Angel Bitte! Ich hab jetzt keine Zeit es dir zu erklären. Ich muss zu ihm.“

 

„Ich muss dringend mit dir sprechen. Es ist wichtig!“

 

„Du hättest dir wirklich keinen schlechteren Zeitpunkt für deinen Besuch aussuchen können, Angel. Warum tauchst du hier einfach so plötzlich auf? Warum hast du nicht angerufen?“

 

„Buffy bitte hör zu. Ich habe von einer Vorhersehung erfahren. Es betrifft den Höllenschlund. Ihr seid alle in großer Gefahr. Deshalb bin ich hier, um dir alles davon zu erzählen, und…“ er blickte etwas beschämt zu Boden und meinte kaum hörbar, „weil ich dich wiedersehen wollte.“

 

Buffy seufzte auf. Sie steckte in einer Zwickmühle.

 

„Warte bitte hier. Ich geh schnell rein und seh nach Spike. Ich bin gleich wieder zurück.“

 

Angel nickte und sah ihr nach, als sie im Haus verschwand. Er entdeckte die Hollywoodschaukel auf der Veranda und entschied sich dort zu setzen, bis Buffy wiederkommen würde. Doch als er sich der Schaukel näherte, sprang wie aus dem Nichts eine schwarze Katze auf den Platz und fauchte ihn drohend an. Angel wich zurück und setzte sich stattdessen auf die Stufen zur Veranda.

 

****

 

Buffy brauchte nicht lange zu suchen und fand ihren Geliebten im Schlafzimmer auf dem Boden sitzend. Sie kniete sich sofort zu ihm und wollte ihn trösten. Spike wich ihren zärtlichen Händen aus, erhob seinen Kopf und blickte sie aus roten Augen anklagend an.

 

„Warum er?“ fragte er.

 

„Was meinst du?“ fragte Buffy. Sie wusste wirklich nicht, was Spike damit meinte.

 

„Na er war es doch, dem du auf deiner Streife begegnet bist, nicht wahr? Er ist es, der, wie hast du gesagt? ... Erinnerungen und Gefühle in dir geweckt hast! Liebst du ihn? Wirst du mich wegen ihm verlassen? Wolltest du deshalb nicht mit mir reden?“

 

Endlich verstand Buffy, was in ihm vorging. Und es passte auch alles so perfekt zusammen, dass sie nicht wusste, wie sie ihn vom Gegenteil überzeugen könnte. Zudem hatte sie das Problem, dass Angel draußen vor dem Haus stand und wichtige Dinge mit ihr bereden wollte. Sie überlegte angestrengt, wie sie es Spike begreiflich machen könnte, dass es nicht Angel war, dem sie begegnet war. Allerdings hätte sie ihm dann die Wahrheit erzählen müssen, was sie ebenfalls nicht tun konnte, denn auch damit hätte sie ihn nur noch mehr verletzt.

 

„Spike ich schwör dir! Ich habe Angel nicht vorher getroffen. Ich schwöre es! Ich wusste nichts von seiner Ankunft. Bitte glaube mir.“

 

„Ich wünschte ich könnte es“, erwiderte Spike bitter.

 

„Spike? Was willst du damit sagen? Glaubst du mir nicht?“

 

„Ich weiß nicht mehr was ich glauben soll.“

 

„Spike bitte! Ich flehe dich an. Hör mir zu. Ich liebe nur dich! Niemanden sonst!“

 

Verbittert und ungläubig sah er ihr in die Augen und meinte dann:

 

„Dann schick ihn fort.“

 

Voller Hoffnung wartete er darauf, dass sie seiner Bitte nachkommen würde. Für ihn war es ganz einfach. Wenn sie ihn wirklich lieben würde, dann sollte sie Angel fortschicken.

 

Entrüstet wich Buffy zurück. Sie konnte Angel nicht einfach so fortschicken. Auch wenn sie ihn nicht mehr liebte, wie früher einmal, so war er noch immer ein fester Teil ihres Herzens. Zudem wollte Angel ihr etwas sehr wichtiges über den Höllenschlund sagen. Sie konnte nicht all ihre Freunde und all die Menschen, die hier lebten in Gefahr bringen, indem sie Angel fort schickt.

 

„Das kann ich nicht“, meinte sie daraufhin, was Spike innerlich zerbrechen ließ. „Er ist hier wegen einer Prophezeiung, die sich hier erfüllen soll. Ich muss wissen was das ist. Es ist wichtig,“ erklärte sie weiter, was Spike jedoch nicht mehr wirklich wahrnahm. In seinem Kopf sah er wieder das Bild von dem einen Abend bevor Sunnydale im Erdboden versank. Als Angel plötzlich aufgetaucht war und Buffy und er sich küssend in den Armen hielten.

 

Emotionslos starrte er vor sich hin, ohne wirklich etwas vor sich wahrzunehmen. Buffy wusste nicht, was sie tun sollte. Erneut versuchte sie ihn zu streicheln, doch er wich ihr wieder aus und schlug ihre Hand weg.

 

„Spike, Liebling, bitte!“ flehte sie ihn an, doch er wollte nicht auf sie hören.

 

„Lass mich allein“, meinte er kalt und vergrub sein Gesicht erneut in seinen Händen.

 

„Spike“, flüsterte Buffy und strich im über den Rücken, worauf er wieder auswich, verbittert aufblickte und sie anfauchte: „Hörst du nicht? Du sollst mich in Ruhe lassen!“

 

Erschrocken wich Buffy zurück und stand auf. Sie sah ein, dass es im Moment keinen Zweck hatte mit ihm zu reden. Er war so wütend und verletzt, was ihr innerlich das Herz zerriss. Sie drängte mit aller Kraft ihre eigenen Tränen zurück und verließ das Schlafzimmer. Für einen Moment lehnte sie sich verzweifelt gegen die Schlafzimmertüre und versuchte nicht in Tränen auszubrechen. Warum nur musste alles immer so kompliziert sein?

 

Sie atmete tief durch um sich zu beruhigen und ging dann nach unten zu Angel. Dieser sprang sofort auf, als er sie kommen hörte und näherte sich ihr mit besorgter Miene.

 

„Ist alles in Ordnung bei euch?“ fragte er nach.

 

„Nein. Nichts ist in Ordnung. Es war kein guter Zeitpunkt, den du dir für deinen Besuch gewählt hast“, meinte sie.

 

„Das tut mir leid. Ich wollte nicht…“

 

„Angel, sag mir endlich, weshalb du hier bist“, sagte Buffy knapp und achtete nicht auf die schwarze Katze, die sich verspielt um ihre Beine schmiegte.

 

„Können wir nicht reingehen? Es ist schon sehr spät. Irgendwann wir die Sonne aufgehen, und ich….“

 

„Ich kann dich nicht hereinbitten, Angel. Tut mir leid. Lass uns zum Rat gehen.“

 

„Einverstanden“, erwiderte Angel und ging mit Buffy gemeinsam zum Ratsgebäude.

 

Unterwegs berichtete er ihr dann von der Prophezeiung, von der er erfahren hatte.

 

****

 

Nachdem sich Spike wieder etwas beruhigt hatte, raffte er sich auf und ging ins Badezimmer. Er wusch sich die Tränen aus dem Gesicht und blickte lange Zeit in den Spiegel. Ihm gefiel nicht was er dort sah. So sehr er es genossen hatte sein Spiegelbild endlich sehen zu können, sosehr hasste er es jetzt. Es zeigte einen gebrochenen Mann, der alles in seinem Leben verloren hatte.

 

Er versuchte stark zu sein und seufzte tief auf. Dann verließ er das Bad und ging die Treppe hinunter. Er wollte nach Buffy sehen. Sie war ihm trotz allem das wichtigste auf der Welt.

 

Als er schließlich auf der Veranda ankam, stellte er fest, dass niemand mehr hier war. Auch im Haus war keiner der Beiden zu finden. Aurelius saß anmutig auf der Veranda und blickte ihn an. Spike fragte die Katze: „Wo sind sie?“

 

Aurelius antwortete natürlich nicht, da er im Moment ja nur eine Katze war.

 

Spike meinte niedergeschlagen: „Ich hätte es wissen müssen. Sie liebt ihn noch immer. Wie konnte ich nur denken, dass sie jemals für mich soviel empfindet wie für ihn.“

 

Er ließ sich auf den Stufen nieder und Aurelius kam näher und schmiegte sich an ihn.

 

„Du bist schon ein komisches Vieh“, stellte Spike dabei fest.

 

Als wäre er daraufhin beleidigt, setzte sich Aurelius neben Spike aufrecht hin und strich sich mit der Zunge über die Pfoten.

 

Spike lachte kurz auf und starrte dann in die Dunkelheit hinein. Die Nacht hatte noch immer etwas Beruhigendes für ihn. Früher war es die einzige Tageszeit, in der er unbehelligt umherwandern konnte. Die Nacht war sein Zuhause. Plötzlich drang eine fixe Idee zu ihm hindurch, die etwas mit einer gewissen Vampirin zu tun hatte. Wie von der Tarantel gestochen sprang er von den Stufen auf und eilte davon.

 

Aurelius blickte ihm hinterher und ahnte was Spike vorhatte, denn das letzte was Spike kaum hörbar flüsterte, bevor er aufsprang war: „Harmony.“

 

****

 

Wie die meisten jungen Jägerinnen, so hatte auch Giles im neuen Ratsgebäude seine privaten Gemächer und war deshalb auch noch hier anzutreffen. Buffy war sehr besorgt über die Informationen, die Angel ihr gegeben hatte. Sie und Angel gingen daraufhin zu ihm und erzählten ihm alles von der Vorhersehung.

 

„Also gut, lasst mich noch mal zusammenfassen“, meinte Giles ebenfalls besorgt, während er nervös nach seiner Brille griff, um sie zu putzen. „Ein ziemlich böses und Mächtiges Wesen wird hierher kommen und zusammen mit einer riesigen unbesiegbaren Armee alles zerstören?“

 

„Die Armee der Toten, ja so ist es“, berichtigte Angel.

 

„Das kommt mir bekannt vor, das hab ich schon einmal gehört“, meinte Giles gedankenversunken.

 

„Ja ich auch. Das kam auch in dem einen Film vor. Die Armee der Toten von dem ägyptischen Gott Anubis.“

 

„Buffy bitte, du hörst dich schon genauso an wie Xander! Ihr immer mit euren Fil… Moment mal! Was sagtest du gerade? Anubis? Natürlich, das ist es!!“

 

Buffy grinste Giles triumphierend an und blickte dabei auf Angel, der ebenfalls amüsiert grinste, während Giles aufgeregt in ein paar Bücher nach etwas bestimmtem suchte.

 

„Das ist es! Buffy, das Amulett stammte doch von dem ägyptischen Gott Geb. Ethan hat es wieder in seiner Gewalt. Da wir ihn nicht finden konnten, gehe ich davon aus, dass er eine Möglichkeit gefunden hat an die Macht des Amuletts heranzukommen. Dies könnte bedeuten, dass Geb das böse mächtige Wesen ist, von dem in der Vorhersehung die Rede ist. Laut den alten Schriften besitzt er Macht über die Toten. Wenn das wahr ist und er wirklich mit einer solchen Armee hier her kommt, dann sind wir alle verloren.“

 

„Verloren? Das hört sich nicht gut an Giles“, meinte Buffy

 

„Die Armee der Toten ist unbesiegbar. Man kann sie nicht töten, weil sie schon tot sind.“

 

„Na und? Vampire sind auch tot und trotzdem kann ich sie töten. Es muss also auch einen Weg geben diese Armee vernichten zu können“, erklärte Buffy ungerührt.

 

„Ich fürchte so einfach wird es nicht sein“, wandte Giles ein.

 

****

 

Währenddessen tigerte Aurelius auf der Veranda wie eine gefangene Wildkatze hin und her. Ganz gegen seine Art musste er feststellen, dass ihm das Schicksal dieser Leute in diesem Haus immer mehr am Herzen lag. Er wusste was Spike vorhatte. Er sollte die anderen warnen. Doch wie sollte er das tun, ohne seine Identität preiszugeben? Sollte er es wirklich wagen?

 

Warum nur machte er sich wegen dieser Menschen so viele Gedanken? Früher scherte er sich um nichts, als um sein eigenes Wohl! Was war es, was diese Leute an sich hatten? Dann fiel ihm Willow ein. Und sein Entschluss stand fest.

 

Auf leisen Katzenpfoten ging er wieder ins Haus nach oben in Willow und Kennedys Zimmer. Die beiden schliefen eng aneinander gekuschelt. Mit einem Satz sprang er auf das Bett und versuchte Willow zu wecken. Diese rekelte sich müde und murmelte etwas im Schlaf vor sich hin. Aurelius gab nicht auf, setzte sich mit seinem ganzen Katzengewicht auf Willows Brust und tapste mit seiner Pfote in Willows Gesicht.

 

Endlich wurde sie wach und blickte leicht verärgert auf den Störenfried.

 

„Hey, was willst du hier? Wie bist du hier reingekommen?“ fragte Willow sanft und streichelte den Kater. Kennedy wurde ebenfalls langsam wach und begann sich neben Willow zu bewegen.

 

„Hmmmm. Mit wem sprichst du Schatz?“ fragte sie verschlafen.

 

„Es ist nur unser Kätzchen. Schlaf ruhig weiter“, erwiderte Willow sanft und gab Kennedy einen Kuss auf die Lippen, den Kennedy mit geschlossenen Augen lächelnd erwiderte. Dann hob Willow die Katze hoch und erhob sich aus dem Bett, um ihn hinunter zu tragen.

 

Aurelius wehrte sich dagegen und sprang aus ihren Armen auf den Boden.

 

„Hey, was ist mit dir?“ fragte Willow besorgt. So hatte sie ihn noch nie erlebt.

 

Aurelius stand vor ihr neben dem Bett und zögerte noch einen kurzen Moment, als er sich endlich verwandelte und sich in seiner wahren Gestalt zeigte. Willow schrie erschrocken auf und wich sofort zurück. Rückwärts stolperte sie auf das Bett und rüttelte nervös an Kennedy, damit sie wach werden würde. Diese war bereits durch Willows Schrei hellwach, saß aufrecht im Bett und starrte den Fremden alten Mann in ihrem Schlafzimmer an.

 

„Wer ist das?“ fragte Kennedy sofort.

 

„Ja, wer bist du? Komm uns nicht zu nahe, sonst lernst du meine Zauberkraft kennen! Ich bin eine sehr mächtige Hexe“, meinte Willow nervös.

 

„Ich weiß, dass du das bist, Willow“, antwortete Aurelius ruhig.

 

Nervös tastete Kennedy hinter sich zu ihrem Nachttisch und schaltete eine Lampe ein, wodurch sie nun den unbekannten Eindringling deutlicher sehen konnten. Lange graue und dünne Harre lagen auf seinen schmalen Schultern. Sein Gesicht wirkte als wäre er steinalt. Er trug einen langen schwarzen und wuchtigen Mantel, der seinen knochigen Leib verbarg. Nur die dünnen und knochigen Finger deuteten darauf hin.

 

„Wer bist du?“ fragte Willow erneut. Allerdings etwas ruhiger als vorhin. Aus irgendeinem Grund wusste sie, dass sie vor ihm nichts zu befürchten hätte. Vielleicht wegen der Art, mit der er ihr in die Augen sah.

 

„Bitte verzeiht mir mein plötzliches Auftreten. Ich bin Aurelius der Alte. Ich bin hier um euch zu warnen.“

 

„Warnen? Wovor?“ fragte Kennedy misstrauisch nach.

 

Aurelius achtete nicht besonders auf Kennedy und blickte weiterhin Willow tief in die Augen, als er antwortete: „Euer Freund Spike ist gerade dabei eine Dummheit zu begehen. Ihr müsst ihn aufhalten, bevor es zu spät ist.“

 

„Was hat er vor?“ wollte Willow wissen. Sie zweifelte keine Sekunde an der Wahrheit seiner Worte.

 

„Er traf heute auf eine Vampirin namens Harmony. Sie machte ihm das Angebot ihn wieder zu verwandeln. Ich fürchte er ist gerade dabei dieses Angebot anzunehmen.“

 

„Das würde Spike nie tun! Willow, der Kerl lügt doch!“ stellte Kennedy überzeugt fest und blickte ungläubig auf Willow, die bereits eilig aus dem Bett stieg, um sich anzuziehen.

 

„Willow was tust du da?“ fragte Kennedy.

 

„Frag mich nicht warum, aber ich glaube ihm.“

 

„Willow! Spike weiß genau dass er Buffy verlieren würde, wenn er sich wieder verwandeln lässt. Sie würde ihn töten müssen. So dumm ist er nicht. Aus dem Nichts taucht dieser Kerl hier auf und du glaubst ihm auch noch was er sagt. Willow mach die Augen auf!“

 

Zwar kümmerte es Aurelius nicht so sehr, was Kennedy von ihm dachte, doch er bemerkte wie Willow auf ihre Aussage hin zögerte und meinte daraufhin: „Spike denkt dass Buffy ihn wegen eines anderen Mannes namens Angel verlässt. Sie haben sich vorhin wegen ihm gestritten.“

 

„Angel? Aber wieso? Angel ist doch in LA?“ meinte Willow verwirrt.

 

„Nein. Er ist hier. Er und Buffy sind beim Rat. Wir haben nicht viel Zeit. Begleite mich zum Ratsgebäude und du wirst sehen, dass ich die Wahrheit spreche.“

 

„Also gut. Lass uns gehen“, erklärte sich Willow einverstanden. Sie wusste nicht weshalb, aber sie vertraute dem fremden Mann.

 

Kennedy schlüpfte ebenfalls aus ihrem Bett und zog sich eilig an. Sie wollte Willow auf keinen Fall alleine mit diesem Mann gehen lassen.

 

Willow war dankbar über Kennedys Verständnis und gab ihr einen kurzen Kuss, bevor sie sie an der Hand nahm und zur Türe ging, um das Zimmer zu verlassen.

 

„Wo willst du hin?“ fragte Aurelius überraschender Weise.

 

Verwirrt blickte Willow herum und meinte: „Na zum Rat. Wohin sonst?“

 

„Wir haben nicht genug Zeit um dort hinzugehen.“

 

„Aber du sagtest ich soll dich dort hin begleiten. Du sagtest Angel sei dort. Und Buffy auch. Wir müssen sie informieren“

 

„Ja gewiss! Das werden wir. Aber wir haben keine Zeit um dort hinzugehen“, wiederholte Aurelius erneut und betonte dabei das letzte Wort. Willow verstand noch immer nicht und blickte ihn neugierig an.

 

Er näherte sich mit bedachten Bewegungen um die beiden jungen Frauen nicht zu erschrecken und streckte seine beiden Hände nach ihnen aus.

 

„Nehmt meine Hände. Dann konzentriere dich auf den Ort zu dem du willst. Du besitzt die Macht dazu ich weiß es. Du hast es schon einmal getan. Du musst nur daran denken, dass du noch eine weitere Person bei dir hast. Konzentriere dich auf Kennedy und nimm sie mit dir mit. Lass dich von mir leiten. Ich zeige dir wie du es schaffen kannst.“

 

Zögerlich griffen Willow und Kennedy nach seinen Händen und nahmen sich selbst auch bei der Hand. Willow schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf Kennedy und auf das Ratsgebäude, so wie er ihr es gesagt hatte. Dann spürte sie plötzlich die große Energie, die von dem Mann ausging. Sie konnte deutlich spüren wie mächtig er war. Sie kannte diese Art der Macht. Es war reine schwarze Magie in ihm. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück, öffnete die Augen und sah ihn scharf an. Dann stellte sie verwundert fest, dass sie direkt vor dem Ratsgebäude standen. Kennedy hatte ihre Augen ebenfalls geöffnet und staunte nicht schlecht. Die Reise hatte kaum eine Sekunde gedauert.

 

„Wer bist du?“ fragte Willow erneut und stellte sich schützend vor Kennedy, die verwirrt Willows plötzliche Abwehrhaltung bemerkte.

 

„Ich kann verstehen, was du nun von mir denkst“, fing Aurelius ruhig an zu erklären, „du hast gewiss die dunklen Mächte in mir gespürt. Glaube mir. Ich will euch nichts antun. Ich bitte dich nur um deine Hilfe. Ich bin ein alter Mann. Ohne Freude am Leben. Beherrscht von der dunklen Seite der Macht. Doch seit ich dich kennen gelernt habe hat sich etwas in mir verändert. Ich möchte so sein wie du. Ich möchte so wie du die schwarze Seite meiner Seele bekämpfen und wieder zum Leben erwachen. Ich bitte dich mir zu helfen.“

 

Aus irgendeinem unerklärlichen Grund glaubte Willow ihm. Sie wunderte sich ein wenig, wie er von ihrer dunklen Seite wissen konnte. Doch dann fiel ihr wieder ein, weshalb sie eigentlich hier waren. Sie griff nach Kennedys Hand und zog sie mit sich, während sie zu Aurelius meinte: „Zuerst müssen wir dafür sorgen, dass Spike keinen Blödsinn macht.“

 

Aurelius fasste dies als ein Zugeständnis ihrer Hilfe auf und folgte ihr erleichtert. Sie eilten in das Gebäude und trafen dort in der Bibliothek auf Buffy, Giles und Angel, die sich gerade über die Vorhersehung unterhielten.

 

****

 

Spikes Weg führte ihn zielsicher zu der Dämonenbar, in der er vor einiger Zeit bereits einmal gewesen war. Er hofft inständig Harmony hier anzutreffen, oder zumindest eine Spur von ihr zu entdecken. Er fürchtete sich nicht vor den Dämonen hier, von denen jeder einzelne ihn in Sekunden hätte töten können. Er war so voller Zorn und Hass, dass sogar die Dämonen, denen er begegnete glaubten er sei ein böser Zauberer oder so was in der Art und ihm vorsichtshalber aus dem Weg gingen.

 

Seine Suche blieb nicht vergebens. Er hörte Harmonys helle und nervige Stimme schon von weitem und wusste sofort, dass er hier richtig war.

 

„Blondybär!“ schrie sie sofort erfreut auf und ließ alle anderen Vampire um sich herum stehen. Sie hatte sich wieder eine eigene Gang geschaffen, von denen jeder Dümmer war als der andere, und die ihr bedingungslos gehorchten. Ein verachtendes Knurren ging von einigen dieser Vampire aus, als sie den Kerl sahen, auf den ihre Gebieterin zustürmte.

 

„Hallo Harm“, antwortete Spike kühl.

 

„Hast du es dir überlegt? Willst du, dass ich dich wieder verwandle? Sieh nur, das ist meine Gang. Du darfst dann an meiner Seite regieren“, redete sie verführerisch auf ihn ein.

 

„Nette kleine Gang!“ meinte er anerkennend und betrachtete sich die schrägen Vögel, die sie zusammengesammelt hatte. Er wusste, dass keiner von denen ihm auch nur im Geringsten eine Hilfe für sein Vorhaben war. Doch alles was er im Moment brauchte war der Biss und das Blut von Harmony. Um den Rest würde er sich später kümmern. Er wollte Angel tot sehen.

 

„Können wir es jetzt hinter uns bringen?“ fragte Spike genervt.

 

„Du hast es ja richtig eilig!“ stellte Harmony erfreut fest. „Also gut, lass uns zu mir gehen. Die Sonne geht bald auf.“

 

Und gemeinsam verließen sie die Bar, um zu Harmonys Versteck zu gehen.

 

****

 

Buffy machte sich große Vorwürfe, dass sie Spike allein gelassen hatte. Sie hatte panische Angst, dass Harmony ihn wieder verwandeln würde. Eifersucht stieg in ihr hoch und sie verstand plötzlich was Spike gefühlt haben musste, als sie und Angel verschwunden waren.

 

Sie hatte bereits genug Erklärungen von Willow gehört. Zwar wunderte sie sich ein bisschen, wer dieser Aurelius war, aber das spielte für sie im Moment keine große Rolle. Alles was im Moment zählte war Spike. Sie griff sich ihren Holzpflock, dem sie innerlich das Herz von Harmony versprach und wollte sofort aufbrechen ihn zu suchen.

 

„Du wirst ihn nicht rechtzeitig finden“, lenkte Aurelius ruhig ein.

 

„Ich muss es versuchen!“ meinte Buffy verzweifelt und ließ sich nicht aufhalten.

 

„Ich kann euch helfen“, sagte Aurelius und blickte zu Willow, „vielmehr wir können euch helfen.“

 

Willow verstand was er meinte und lächelte ihn warm an.

 

„Wie?“ fragte Giles neugierig.

 

„Mit wie vielen Personen funktioniert der Zauber?“ fragte Willow schließlich nach.

 

„Wie viele Personen traust du dir zu?“ meinte Aurelius mit ruhiger sanfter Stimme.

 

Willow wurde wieder unsicher und antwortete nicht.

 

„Willow! Du bist mächtiger als alles andere, dem ich je begegnet bin. Du musst nur an dich glauben!“ redete Aurelius auf sie ein.

 

 „OK!“ sagte Willow fest entschlossen, „kommt alle her!“

 

„Willow was soll das?“ fragte Buffy nach.

 

Kennedy trat zu Buffy, legte ihr eine Hand auf ihren Arm und meinte: „Vertrau ihr einfach.“

 

Zögerlich trat Buffy schließlich zu Willow und ergriff ihre ausgestreckte Hand. Kennedy trat neben Buffy und griff nach deren und nach Aurelius Hand. Auf der anderen Seite stellten sich Giles und Angel im Kreis neben Aurelius und Willow auf. Willow und Aurelius schlossen ihre Augen und konzentrierten sich auf Spike und auf die Personen, die sie mit sich nehmen wollten. Sie bildeten einen magischen Kreis. Willow hörte in ihr eine Stimme die leise sprach: „Konzentriere dich, Willow. Spüre die Aura der Menschen, die du mit dir nehmen möchtest. Es ist ganz leicht.“

 

****

 

Harmony und ihre Gang kamen gemeinsam mit Spike in einer der unterirdischen Höhlen an. Die Gang, die aus sechs Vampiren bestand zog sich verärgert zurück, nachdem Harmony sie aus der Haupthöhle verscheuchte, um mit Spike allein zu sein.

 

Spike stand starr vor ihr und kämpfte innerlich gegen die Stimmen, die alle schrieen, dass er es nicht tun sollte. Doch er war so verletzt und geblendet, dass er all seine Zweifel zurückdrängte. Er wollte es so sehr. Er wollte wieder stark sein. Unsterblich und unbesiegbar. Er wollte Angel die Stirn bieten. Auch wenn es sein Leben kosten würde, so wollte er nicht kampflos von dieser Welt gehen. Er glaubte Buffy erneut an ihm verloren zu haben und wollte keinen Tag weiter mit dieser Gewissheit als Mensch bestehen. Voller Ungeduld stand er deshalb da und wartete, dass Harmony ihn beißen würde.

 

Diese schlich langsam wie eine Raubkatze um ihn herum und ließ spielerisch einen ihrer Finger über seinen Körper wandern.

 

„Tu es endlich! Oder willst du mich zu Tode langweilen?“ meinte er verbittert.

 

Harmony lehnte sich gegen seine Brust und näherte sich mit ihren Mund gegen sein Ohr und flüsterte: „Mein süßer Spiky. Du kannst es echt nicht erwarten, dass wir Beide wieder zusammengehören, nicht wahr? Du und ich! So ist es richtig.“

 

Ihr Gesicht veränderte sich und zeigte ihre dämonische Gestalt. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihren Mund, während sie ihn langsam zu seinem Hals sinken ließ.

 

In Spike hallten ihre Worte wider und etwas sträubte sich dagegen. ‚Du und ich. So ist es richtig.’ Nein! Das war nicht richtig! Das war absolut falsch! Für Spike gab es keine andere Frau im Leben als Buffy. Kaum als er ihre Fänge auf seiner zarten Haut spürte wurde ihm brennend bewusst welch großen Fehler er zu begehen drohte.

 

„NEIN!“ schrie er aus und stieß Harmony mit aller Gewallt von sich. Ihre Zähne ritzten sich in seinen Hals und hinterließen zwei blutige Risse, als sie überrascht von seinem Stoß nach hinten stolperte.

 

Harmony funkelte ihn wütend an und fauchte: „Was soll das? Du kannst nicht einfach kommen und sagen verwandle mich, und dann machst du einfach einen Rückzieher! So läuft das nicht mein Lieber! JUNGS! Kommt sofort hier her!“ Gleich darauf erschien ihre komplette Gang und erwatete Harmonys Befehle.

 

Spike rüstet sich für einen Kampf, auch wenn er wusste, dass er gegen so viele Vampire gleichzeitig kaum etwas ausrichten konnte.

 

„Los, haltet ihn fest, damit ich ihn beißen kann!“ befahl sie ihren Leuten.

 

Sogleich stürmten sich alle gleichzeitig auf Spike und ergriffen seine Arme. Spike hatte keine Chance. Er wurde schließlich von zwei Vampiren jeweils rechts und links am Arm gehalten, während ein Dritter seinen Kopf nach hinten festhielt und seinen Nacken für Harmony preisgab. Spike wehrte sich heftig gegen die starken Hände, die ihn festhielten, doch es nützte ihm nichts.

 

Harmony lächelte triumphierend und ging auf Spike zu, lehnte sich erneut an seine Brust und strich genüsslich mit der Zunge über die beiden Blutsspuren an seinem Hals. Sie wollte gerade zubeißen, als sie plötzlich hinter sich eine bedrohliche Stimme hörte: „Nimm deine dreckige Zunge von ihm!“

 

Buffy stand mit geballten den Händen in den Hüften hinter Harmony. Hinter Buffy standen die anderen und sahen auf das Szenario vor ihnen. Gleich darauf stürmten drei der Vampire von Harmonys Gefolge auf die Eindringlinge zu. Angel und Kennedy boten ihnen die Stirn und erledigten sie in sehr kurzer Zeit. Die Vampire waren nicht sehr geschickt und wirklich sehr dumm. Buffy stürmte sofort auf Harmony zu und verpasste ihr einen so heftigen Schlag, dass diese rücklings an die Wand geschleudert wurde. Entsetzt schrie Harmony dabei auf. Die Drei Vampire, die Spike festhielten, ließen ihn los und stürmten auf Buffy zu, um ihre Gebieterin zu rächen.

 

Buffy hatte leichtes Spiel mit ihnen und kämpfte gegen alle drei gleichzeitig. Angel und Kennedy kamen ihr rasch zur Hilfe und beinahe gleichzeitig bohrten sich drei Holzpflöcke in drei tote Herzen und hüllten die Höhle einen Moment lang in grauen Staub.

 

Spike war so erleichtert und glücklich Buffy zu sehen. Er verstand nicht mehr, weshalb er beinahe auf Harmonys Angebot eingegangen wäre. Sie Beide sahen sich einen Moment lang tief in die Augen. Schmerz spiegelte sich in beiden Augenpaaren wieder. Doch auch Erleichterung und Liebe. Buffy sah ihm deutlich an, dass er das nicht gewollt hatte. Sie konnte verstehen, weshalb er so reagiert hatte. Sie fühlte sich schuldig.

 

Die anderen blickten abwartend auf Buffy und Spike. Niemand wagte etwas zu sagen. Die Beiden blickten sich immer noch gegenseitig in die Augen, als Buffy auf ein Geräusch hinter ihr aufmerksam wurde. Harmony versuchte sich klammheimlich davon zu stehlen. Buffy fuhr herum und funkelte sie böse an. Den Pflock fest in ihrer Faust haltend, schritt sie auf die Vampirin zu. Diese hatte noch immer ihr Vampirface auf und setzte zum Sprung an. Harmony war keine gute Kämpferin, aber Buffy nahm darauf keinerlei Rücksicht. Unerbittlich schlug sie auf Harmony ein. Mit einer geschickten Drehung und Beinarbeit, zog sie Harmony die Füße unter dem Boden weg, sodass sie rücklings auf dem harten Stein aufprallte. In der nächsten Sekunde vergrub Buffy den Holzpflock tief in Harmonys Herz und blickte ihn ihr erschrockenes Gesicht, als sie zu Staub zerfiel.

 

Buffy hatte kein Mitleid mit ihr. Um ein Haar hätte Harmony ihr das Liebste auf dieser Welt genommen und sie wollte nicht riskieren, dass es jemals wieder soweit kommen würde. Starr stand Buffy noch immer vor dem Staubhaufen am Boden und zitterte am Körper vor Aufregung und Anspannung, als sich sanfte Hände um ihren Körper schlangen. Sie blickte auf und sah in tief blaue Augen.

 

Sie ließ den Pflock aus ihrer Hand fallen und fiel in seine Umarmung. Sie drückten sich Beide fest an den Körper des anderen. Es war wie eine Erlösung und all die Anspannung wich aus ihnen.

 

„Buffy ich liebe dich so sehr!“ flüsterte er hauchzart in ihr Ohr „Bitte verzeih mir.“

 

„Oh Spike“, meinte Buffy und sah ihm in die Augen, „ich bin es, die um Verzeihung bitten muss. Ich hätte dich nicht allein lassen dürfen. Ich hab alles falsch gemacht. Bitte verzeih mir. Es gibt auf der ganzen Welt keinen Menschen, den ich mehr liebe als dich! Bitte glaube mir!“

 

„Und wie sieht es mit Vampiren aus?“ fragte Spike unsicher nach, da er die Antwort fürchtete und sah dabei auf Angel rüber, der mit traurigem Blick die beiden Liebenden beobachtete.

 

Buffy sah kurz ebenfalls zu Angel und dann zurück auf Spike. Sie lenkte mit ihrer Hand seinen Blick zurück in ihre Augen und meinte dann: „Angel wird immer ein Teil meines Herzens sein. Er ist ein Teil meines Lebens. Ebenso wie du. Aber er wird mir nie wieder soviel bedeuten können, wie du es jetzt tust! Er wird nie der für mich sein, der du für mich bist. Auch wenn er jetzt ein Mensch wie du werden würde, würde ich trotzdem nur noch dich lieben.“

 

Sie sahen sich tief in die Augen und auf einmal schien aller Ärger, Sorgen und Ängste vergessen. Alles was zählte waren nur sie Beide. Sie näherten sich zu einem langen und innigen Kuss, der sie alles um sie herum vergessen ließ.

 

Kennedy und Willow blickten sich glücklich an und hielten sich gegenseitig im Arm. Sie freuten sich sehr für das Paar. Angels Herz schmerzte ein wenig bei dem Anblick. Ihre Worte hatten ihm endgültig gezeigt, dass es für ihn und Buffy nie eine gemeinsame Zukunft geben würde. Er konnte die Beiden nicht länger ansehen und drehte ihnen den Rücken zu. Giles kam näher und legte ihm tröstend den Arm auf die Schulter und sah ihn verständnisvoll an, worauf sich Angel zu einem Lächeln zwang. Er seufzte unnötiger Weise auf. Auch wenn es ihn sehr schmerzte, so freute er sich auch für Buffy, dass sie endlich einen Menschen gefunden hatte, der sie liebte.

 

Buffy und Spike lösten sich von ihren Kuss und Hand in Hand traten sie zu den anderen, die bereits auf sie warteten. Gemeinsam verließen sie die Höhle. Diesmal jedoch zu Fuß.

 

Unterwegs hielt Aurelius die Gruppe auf einmal an und meinte zu Spike: „Es gibt etwas, dass ich dir schenken möchte. Ich glaube es würde euch helfen.“

 

Spike sah den alten Mann verwirrt an. Er kannte ihn nicht einmal und wusste nicht so recht, was er ihm schenken wollte. Er fragte nach: „Was willst du mir schenken?“

 

Willow trat neugierig näher und fragte ebenfalls: „Ja, was willst du ihm schenken?“

 

„Das, wonach er sich sehnt. Das was er bereits einmal besaß und durch den Rückholzauber verloren ging. Ich kann ihm nichts geben, was nicht einst ihm gehörte, denn das wäre reine schwarze Magie und brächte andere böse Folgen mit sich. Aber ich kann ihm das zurückgeben, was er verloren hat. Es würde nichts Schlimmes passieren.“

 

Langsam verstanden alle, wovon Aurelius sprach. Willow, Spike und Buffy sahen sich gegenseitig an und blickten dann auf den alten Mann vor ihnen.

 

„Ich vertraue ihm“, erklärte Willow sicher und nickte Buffy und Spike zu, dass sie es ebenfalls tun sollten.

 

„Also gut“, erklärte sich Spike einverstanden und traf auf Aurelius zu.

 

Aurelius winkte ihn zu sich und legte eine seiner knöchrigen Hände auf Spikes Stirn. Dann schloss er die Augen, konzentrierte sich auf sein Vorhaben und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Buffy beobachte dies ängstlich und hoffte, dass es keine falsche Entscheidung war. Schließlich kannten sie diesen Mann nicht einmal.

 

Plötzlich fiel Spike regungslos in sich zusammen und landete beinahe hart auf den Boden, wenn Buffy ihn nicht in letzter Sekunde auf gehalten hätte. Sie hielt ihn schützend in ihren Armen und redete besorgt auf ihn ein: „Spike! Alles in Ordnung? Sag doch was. Bitte!“

 

Genauso plötzlich, wie er zusammengesackt war, öffnete er seine Augen und grinste sie schelmisch an. Er griff nach oben ihn ihren Nacken und zog sie zu sich runter zu einem harschen Kuss. Buffy erschauderte, als sie den kraftvollen Griff in ihrem Nacken spürte.

 

„Lass uns heimgehen Es gibt etwas, was ich unbedingt noch mit dir tun möchte“, flüsterte Spike ihr ins Ohr, wobei sich ein breites Lächeln auf ihrer beider Lippen spiegelte.

 

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Folge 19