Folge 15

UFO

 

Voller Vorfreude stand Xander vor Minas Wohnungstüre und betätigte die Türklocke. Die beiden hatten sich für den heutigen Abend verabredet um gemeinsam ihr erstes offizielles Date zu haben. Es hatte Xander zwar einige Überwindung gekostet, dieses Schritt zu wagen, doch bei ihr hatte er ein wirklich gutes Gefühl. Dennoch war ihm etwas mulmig im Bauch und er wartete nervös, dass Mina ihm öffnen würde.

 

Gleich darauf öffnete sich die Türe und Xander stockte nahezu der Atem, als eine atemberaubende Schönheit vor ihm in der Türe stand. Mina hatte ihre langen blonden Haare zum ersten Mal offen und in großen geschwungenen Locken hingen sie ihr über die Schulter. Sie trug ein langes dunkelblaues figurbetontes Abendkleid, das perfekt zu ihren leuchtend blauen Augen passte. Xander kam sich beinahe etwas schäbig vor mit seiner dunklen Jeans, dem weißen Hemd und dem schwarzen Frack. Sie hatten vereinbart hübsch Essen zu gehen in einem netten kleinen Restaurant, aber mit so einem Anblick hätte Xander nicht gerechnet.

 

Sein Herz begann aufgeregt zu pochen und als er etwas sagen wollte, schnappte er nur nach Luft, wie ein Karpfen auf dem Trockenen. Mina lächelte ihn liebevoll an und begrüßte ihn mit einem Küsschen auf die Wange.

 

„Hallo Xan, komm rein, ich bin gleich soweit.“

 

„Wow!“ war das einzige, was er herausbrachte und ließ sich schließlich von der lachenden Mina in die Wohnung ziehen.

 

„Warte hier einen Moment. Ich bin gleich wieder da“, erklärte sie kurz, bevor sie in der Wohnung in einem der Zimmer verschwand.

 

Die Wohnungstür führte direkt ins Wohnzimmer, in dem Xander nun stand. Es war eher spärlich eingerichtet. Sein Blick fiel sofort auf einen großen Ohrensessel, in dem ein älterer Mann saß. Dieser schenkte ihm nicht die geringste Beachtung sonder starrten nur auf das Fernsehbild. Xander kam etwas unsicher einen Schritt näher und streckte dem Herrn die grüßende Hand hin.

 

„Guten Abend Sir, mein Name ist Xander Harris“, grüßte er den Mann freundlich, doch dieser gab ihm als Antwort nur einen kurzen finsteren Blick und starrte dann weiter auf den Fernseher. Irritiert zog Xander seine Hand zurück. Dann bemerkte er ein kleines Tischchen direkt neben dem Sessel, auf dem mehrere Flaschen Bier und eine Flasche Whiskey standen. Die meisten der Bierflaschen waren bereits leer. Ein feiner Alkoholdunst lag in der Luft und weckte viele Erinnerungen in Xander.

 

So stand Xander ein wenig hilflos da und wartete auf Mina. Der Mann im Sessel wechselte den Fernsehkanal und Xanders Aufmerksamkeit wurde sofort auf das Fernseherbild gelenkt. Dort wurde gerade eine junge Frau in den Nachrichten interviewt. Sie berichtete völlig aufgelöst von einem fliegenden Monster, dass sie soeben beobachtet hätte. Der Nachrichtensprecher berichtete von weiteren Augenzeugen, die ebenfalls ein UFO, ein unbekanntes Flugobjekt, gesehen haben wollen. Experten zufolge hätte es sich dabei angeblich um eine optische Täuschung gehandelt. Denn nach den Beschreibungen der Zeugen müsste es sich um ein echsenähnliches Wesen mit großen Flügeln mit einer Spannweite von fast zwei Metern gehandelt haben.

 

Xander ahnte schlimmstes und glaubte nicht an eine optische Täuschung. Er musste sofort Buffy und die anderen informieren.

 

„Xander? Was ist mit dir? Hat mein Vater etwas zu dir gesagt?“

 

Xander schreckte herum und erkannte Mina neben sich stehen. Er hatte gar nicht bemerkt, wie sie sich ihm genähert hatte.

 

„Äh was? Nein, er hat nichts gesagt, aber in den Nachrichten war grade ein Bericht über ein seltsames fliegendes Monster. Ich finde wir sollten die anderen informieren, bevor sich herausstellt, dass Dämonen jetzt auch fliegen können.“

 

„Dann kann ich mich wohl wieder umziehen?“ fragte Mina ein klein wenig enttäuscht.

 

„Unsinn! Wir sagen nur den Anderen bescheid und gehen dann hübsch essen. Versprochen ist versprochen. Ich lass mir doch von so einer kleinen Nachricht nicht den Abend verderben. Wer weiß, vielleicht ist es ja nur etwas ganz harmloses.“

 

Erleichtert lächelte Mina auf, griff sich ihren schwarzen Mantel und hing sich freudestrahlend an Xanders Arm ein. Mit stolzgeprellter Brust führte Xander seine Angebetete hinaus.

 

****

 

Spike lümmelte unten im Trainingsraum in einer kleinen Couch in der Ecke und beobachtete Buffy dabei, wie sie einige junge Jägerinnen im Kampf trainierte. Drei weitere Mädchen betragen den Trainingsraum. Sie waren gerade erst angekommen und erkannten sofort den blonden sitzenden Mann.

 

„Spike? Du lebst? Wir dachten du wärst tot?“ fragte die dunkelhäutige Rona. Spike erkannte die drei Mädchen ebenfalls. Es waren Rona, Molly und Amanda, die lange Zeit im Summers-Haus gewohnt hatten und mit gegen das Urböse gekämpft hatten.

 

„Ist ne lange Geschichte. Lasst es Euch vom Rotschopf erzählen“, meinte Spike nur knapp und winkte betont lässig mit der Hand ab.

 

„Kannst du uns sagen, was uns jetzt hier erwarten wird?“ fragte Amanda nach.

 

Und Molly meinte gleich darauf: „Werden wir wieder mit dir trainieren?“

 

Spike lächelte, als er Buffys Blick bemerkte. Sie hatte bemerkt, dass er von drei jungen Mädchen umringt wurde und war sofort ein wenig eifersüchtig. Sie unterbrach das Training, um zu sehen wer da bei Spike stand.

 

Spike antwortete indessen: „Nein. Buffy wird Euch ohne meine Unterstützung trainieren. Für mich wäre es nicht mehr sehr empfehlenswert mich mit Jägerinnen anzulegen.“

 

„Kann ich euch helfen? Habt ihr euch bereits angemeldet?“ fragte Buffy von hinten und musterte dabei ihren Liebling, der sie nur schelmisch angrinste. Sie wusste, dass er sie schon längst durchschaut hatte und sie hasste es, dass sie nichts vor ihm verbergen konnte. Die Mädchen drehten sich um, als sie Buffys Stimme hinter ihnen hörten und begrüßten sie überschwänglich. Als Buffy bemerkt hatte, wer die Drei waren, war auch ihre Eifersucht vollkommen verflogen.

 

Buffy beendete das Training der anderen Jägerinnen etwas vorzeitig und unterhielt sich weiter mit Rona, Molly und Amanda. Nachdem sich alle begrüßt hatten berichtete jedes der Mädchen über ihre Erlebnisse der vergangenen Monate. Buffy zeigte ihnen das Gebäude und ihre Zimmer. Sie erzählte ihnen wer von den anderen Jägerinnen, die auch damals im Summers-Haus gewohnt hatten, ebenfalls hier war.

 

Spike war den vier Frauen die ganze Zeit über mit rollenden Augen gefolgt. Es gab wohl nichts Schlimmeres als aufgeregte Frauen, die von sich und von Neuigkeiten berichten mussten. Sie setzten sich schließlich alle in eine Art Aufenthaltsraum, in dem sich mehrere Sitzgruppen und eine gemütliche Couchecke befanden. Dort auf der Couch gesellten sie sich, und ein paar weitere Mädchen, zusammen und erzählten einander was alles in den letzten Wochen geschehen war.

 

Spike setzte sich dabei extra ans äußere Ende der Couch direkt neben Buffy hin und legte ihr zärtlich seinen Arm um die Schulter. Eigentlich nervten ihn all diese jungen Dinger, die aufgeregt durcheinander plapperten, aber er wollte an keinem Ort der Welt sonst sein als an ihrer Seite. Ohne darauf zu achten, worüber die Mädchen sich unterhielten, spielte er mit Buffys Haaren und streichelte sie unauffällig ganz leicht an ihrem Hals, sodass Buffy ein eiskalter Schauer über den Rücken lief, und sie leise aufstöhnte. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihm tief in die Augen. Er erwiderte ihren Blick und lächelte sanft. Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn sanft und lange auf den Mund.

 

Ein leises Raunen ging durch die umliegenden Mädchen, die dies beobachteten. Buffy und Spike trennten ihren Kuss und lächelten einander nur wissend an. Buffy störte sich nicht mehr daran Spike in der Öffentlichkeit zu küssen. Am liebsten wollte sie dies den ganzen Tag über machen. Und die ganze Nacht noch dazu. Wogegen Spike ganz gewiss nicht einzuwenden hätte. Doch leider gab es Pflichten, die sie zu erfüllen hatte. Dabei war es ihr ein Trost, dass Spike immer in ihrer Nähe blieb und sie kaum aus den Augen ließ.

 

Xander und Mina kamen plötzlich herein. Spike und Buffy staunten nicht schlecht, über die feine Aufmachung, in die die beiden gekleidet waren. Spike machte sich dabei eine gedankliche Notiz, Buffy bald auch auf so elegante Weise auszuführen.

 

Xander grüßte alle nur kurz und kam gleich zur Sache.

 

„Im Fernsehen war eben ein Bericht, dass hier in der Stadt ein fliegendes Objekt gesichtet wurde.“

 

„Na und? Für Ufos sind wir nicht zuständig, oder?“ fragte Buffy verwirrt nach.

 

„Augenzeugen berichteten von einem großen fliegenden Monster“, erklärte Xander genauer.

 

„Spike, kennst du Dämonen, die fliegen können?“ fragte Buffy.

 

„Nein. Es gibt zwar Vampire, die sich in Fledermäuse verwandeln, so wie Dracula, aber von fliegenden Dämonen hab ich noch nichts gehört. Zumindest nicht in dieser Dimension.“

 

„Du denkst es ist vielleicht ein Dämon aus einer anderen Dimension?“

 

„Erinnerst du dich an damals, als durch Dawns Blut die Tore zu den anderen Dimensionen geöffnet wurden? Damals flog ein solcher Dämon direkt über unsere Köpfe hinweg“, erklärte Spike mit warmen Ton. Ein paar schmerzliche Erinnerungen an Buffys Tod kamen ihm ins Bewusstsein und er griff nach Buffys Hand, nur um deutlich fühlen zu können, dass sie lebte und bei ihm war.

 

„Denkst du, dass es vielleicht ein solcher ist?“

 

„Kann sein.“

 

„Hey Leute, wir müssen los. Wir wollten euch das nur vorher erzählen. Wenn ihr nichts dagegen habt, dann werden wir uns jetzt wieder verdrücken. Wir beiden haben heute nämlich ein Date“, erzählte Xander stolz lächelnd.

 

„Nur zu. Amüsiert Euch. Wir kümmern uns um das fliegende Ding“, antwortete Buffy.

 

****

 

Buffy und Spike gingen gemeinsam durch die Stadt auf Patrouille.

 

„Darf ich fragen, womit ich die Ehre verdient habe, dich auf deiner Suche nach dem fliegenden Dämon zu begleiten?“ fragte Spike schließlich nach einer Weile nach.

 

„Du beschwerst dich doch sonst immer, dass ich dich ausschließe. Und dass du nicht hilflos bist. Also nehme ich dich heute mit. Außerdem kann ich dich dann besser im Auge behalten.“

 

„Du traust mir wohl nicht?“

 

„Dir schon! Aber all dieses Hormonmonstern nicht.“

 

„Hormonmonstern? Du meinst wohl die Mädchen?“

 

„Ja ganz recht. Ist dir noch nicht aufgefallen, wie sehr dich die Mädels mit ihren Augen förmlich ausziehen?“

 

„Ich kann nichts dafür, dass ich so gut aussehe“, erwiderte Spike schelmisch grinsend.

 

„Nein, aber ich kann verhindern, dass sie dir zu nahe kommen.“

 

„Bist du etwa eifersüchtig?“

 

 „Ich? Nein!“ stritt sie vehement ab, „ich und eifersüchtig! Pff!“

 

„Dann macht es dir also nichts aus, wenn ich eine bestimmte Jägerin zum Essen einladen werde?“

 

„WAS? Kommt gar nicht in Frage!“ meinte Buffy entsetzt, fuhr herum und sah ihn streng an.

 

Spike setzte einen unschuldigen Blick auf und sagte: „Schade. Ich bin sicher sie hätte sich sehr gefreut.“

 

„Wer?“ fragte Buffy, wobei ihre Wut anstieg.

 

Spike grinste breit und fragte: „Doch ein wenig eifersüchtig?“

 

„Wer ist sie?“ wiederholte Buffy die Frage und blickte ihn traurig an.

 

„Du bist es! Du bist die einzige Frau, die für mich existiert! Keines der Mädchen und auch keine andere Frau auf dieser Welt könnten mit dir konkurrieren. Ich wollte dich fragen, ob wir beide zur Abwechslung mal gemeinsam in ein nettes Restaurant gehen könnten. Ohne, dass ein anderer Mann am anderen Ende deines Tisches sitzt.“

 

Buffys Blick wurde sofort sanft und sie hätte sich selbst ohrfeigen können, dass sie wieder einmal auf ihn hereingefallen war.

 

„Oh Spike! Ich hasse dich!“ erwiderte sie leicht grummelnd.

 

„Ja Schatz, ich dich auch,“ erwiderte er lächelnd und schloss sie fest in ihre Arme. Innig küssten sie einander, bis sie durch ein Geräusch gestört wurden.

 

„Was war das?“ fragte Buffy.

 

„Ich weiß nicht, aber es hörte sich ganz nach unserem fliegenden Monster an.“

 

„Das kann nicht sein. Es wurde gestern Nacht ganz am anderen Ende der Stadt gesichtet.“

 

„Buffy was suchen wir dann eigentlich hier?“

 

„Wir beide gar nichts. Kennedy und Faith sind unterwegs und suchen nach dem Monster. Wir beide sind hier nur am … spazieren“, gestand Buffy kleinlaut.

 

„Soll das heißen, du bist mit mir hier extra einen Weg gegangen, den du für ungefährlich hältst?“

 

„Nun ja, so würde ich es nun auch wieder nicht ausdrücken. Es hätte uns ja auch ein Vampir begegnen können. Hier am Höllenschlund weiß man das ja nie!“ versuchte sie sich herauszureden.

 

„Schon klar. Mich auf die richtige Monsterjagd mitzunehmen wäre ja viel zu gefährlich“, erläuterte Spike ein klein wenig beleidigt.

 

„Spike! Bitte! Es tut mir leid. Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn dir was passiert. Versteh mich doch.“

 

„Ist ja gut. Ich versteh dich ja. Lass uns nachsehen, woher dieses Geräusch gekommen ist. Ich werde mich auch ganz sicher hinter deinem Rücken verstecken“, erwiderte er mit einem sarkastischem Unterton.

 

Buffy seufzte auf. Sie konnte sehen, wie sehr ihn das nervte als Mensch hilflos und unnütz zu sein. Sie hätte ihn ja gerne immer bei sich, aber ihre Angst ihn zu verlieren war zu groß. Die beiden schritten weiter in die Richtung aus der sie das Geräusch vermuteten und wurden durch einen Schrei aufgeschreckt. Sofort rannten sie los, um zu sehen was dort vor sich ging.

 

Als sie um die Ecke der Straße eilten, schwang sich ein großes geflügeltes Etwas über ihren Köpfen hinweg. Vor ihnen in der Gasse stand eine verängstigte Frau und zitterte am ganzen Körper. Das geflügelte Ding sah aus wie ein mannsgroßer Drache. Er hatte einen hundeähnlichen Kopf, zwei Arme und zwei Beine, an dessen Enden jeweils große Klauen statt Fingern und Zehen waren. Er hatte eine glatte dunkelgraue Haut und zwei fledermausähnliche Flügel, die eine Spannweite von fast drei Metern hatten. Am Ende seines Körpers ragte ein langer kräftiger Schwanz, mit dem er die Flugrichtung lenkte.

 

Nachdem das fliegende Ding außer Sichtweite war, bemühte sich Buffy die Frau zu beruhigen. Sie versuchte Informationen aus ihr herauszubekommen, doch diese stand sichtlich unter Schock und war nicht fähig zu antworten.

 

****

Xander saß Mina gegenüber am Tisch und konnte sein Glück kaum fassen. Sie war mit Abstand die schönste Frau in dem ganzen Restaurant. Und für ihn wohl auch die schönste in der ganzen Stadt. Sie tranken Wein, aßen ein köstliches Gericht und unterhielten sich über Gott und die Welt. Xander erwartete immer noch, dass sich Mina plötzlich in ein Monster verwandeln würde, oder dass irgendetwas Schlimmes passieren würde, so wie es ihm bei seinen letzten Verabredungen immer ergangen war. Doch bisher verlief der Abend ruhig und ohne besondere Begebenheiten.

 

Xander erinnerte sich an Minas Vater und fragte vorsichtig:

 

„Dein Vater trinkt wohl gelegentlich einen über den Durst?“

 

Mina senkte beschämt ihren Kopf und antwortete:

 

„Es tut mir Leid, dass du das gesehen hattest. Mein Vater hat den Tod meiner Mutter nie ganz verkraftet. Seitdem trinkt er.“

 

Liebevoll streckte Xander seine Hand zu Minas Wange, streichelte sie sanft und hob ihren Kopf hoch.

 

„Glaub mir, ich weiß genau wie das ist. Mein Vater war ständig betrunken. Er und meine Mutter stritten sich fast täglich. Als kleiner Junge hab ich mir oft selbst die Schuld an ihrem Streit gegeben, doch heute weiß ich, dass ich keine Schuld daran hatte. Ich weiß wie es ist einen Vater zu haben, der viel trinkt.“

 

Minas Augen wurden feucht. Sie lächelte ihn dankbar an und fing an ihm alles über ihren Vater und sich zu erzählen. Xander war der erste Mensch, dem sie all dies offen anvertraute. Noch nie hatte sie zu einem anderen Mann soviel Vertrauen empfunden.

 

****

 

„Dawn! Kann ich dich sprechen?“

 

Dawn fuhr auf dem Schulhof herum und sah sich nach dem Rufenden um. Es war Pitt Brady, der ihr nachgeeilt war und nun atemlos vor ihr stand. Dawn bekam sofort weiche Knie. Sie fürchtete jetzt einen blöden Spruch zu ernten, dafür, dass sie ihn versetzt hatte. Sie antwortete nicht, sondern blickte ihn nur möglichst gleichgültig an.

 

Pitt wechselte nervös von einem auf den anderen Fuß und fragte dann: „Ich hoffe du hattest meinetwegen keinen Ärger bekommen. Dieser blonde Kerl schien ziemlich sauer gewesen zu sein. Wer war das eigentlich?“

 

Dawn verkniff sich ein Lächeln. Offensichtlich hatte Spike ihn wirklich mächtig eingeschüchtert gehabt.

 

„Das war Spike. Er ist der Freund meiner Schwester. Er kann schon ziemlich aufbrausend sein. Hast du lange im Café auf mich gewartet?“

 

„Ich wartete solange, bis mich der Besitzer hinauswarf“, antwortet Pitt etwas beschämt.

 

„Tut mir Leid, dass es so gelaufen ist. Ich wollte wirklich kommen aber Buffy, meine Schwester, hatte es mir nicht erlaubt auszugehen und Spike sollte dafür sorgen, dass ich mich auch daran halte. Ich hab mich davon geschlichen, aber leider kam ich nicht sehr weit.“

 

„Du hast dich meinetwegen davongeschlichen? Ziemlich mutig, wenn man bedenkt wer dein Aufpasser war“, meinte Pitt anerkennend.

 

„Du bist also nicht sauer auf mich?“ fragte Dawn erleichtert nach.

 

„Nein. Ich würde mich gerne noch mal mit dir verabreden. Natürlich nur, wenn deine Eltern es erlauben.“

 

„Ich habe keine richtigen Eltern. Buffy sorgt für mich. Sie ist noch ziemlich sauer, weil ich mich wegen dir davon geschlichen habe. Es kann noch ein wenig dauern, bis sie mir erlaubt wieder auszugehen. Tut mir leid.“

 

„Das macht nichts. Ich werde solange warten. Ich will nicht, dass der Freund deiner Schwester noch mal böse auf mich ist, also werde ich warten bis es dir deine Schwester erlaubt. Und wenn du nichts dagegen hast, dann treffen wir uns bis dahin hier in den Pausen.“

 

Dawns Lächeln wurde immer breiter und sie antwortete aufgeregt: „Gerne.“

 

****

 

Buffy, Spike, Xander, Mina, Willow, Kennedy, Giles, Faith und Robin Wood hatten sich in der kleinen Bibliothek des neuen Ratsgebäudes versammelt und besprachen gemeinsam die bekannten Fakten über den fliegenden Dämon. Buffy und Spike berichteten noch mal genau wie er ausgesehen hatte und Giles begann ein paar Bücher an die Anwesenden zu verteilen, damit sie dort nach einem solchen Dämon forschen konnten.

 

Xander meinte belustigt: „Das hört sich ganz so an, als wäre es ein Gargoyle.“

 

„Gargoyle?“ fragte Giles unwissend nach.

 

„Klar! Kennen Sie die nicht? Steinerne Wasserspeier, die bei Dunkelheit zum Leben erwachen. Es gab da früher mal ’ne Zeichentrickserie von denen.“

 

„Xander bitte! Wie soll uns so was weiterhelfen? Wir suchen hier nach echten Dämonen, und nicht nach Zeichentrickfiguren!“ erwiderte Giles leicht erzürnt.

 

Alle begangen nun schließlich ihre Köpfe hinter den Büchern zu verstecken und nach dem Monster zu suchen. Bis auf Willow, sie richtete ihre Aufmerksamkeit in den nagelneuen Laptop, den Giles ihr für sie zur Verfügung gestellt hatte.

 

****

 

Die Suche blieb erfolglos. Abends gingen die Jägerinnen auf Patrouille und hielten nach etwas Geflügeltem Ausschau. Spike blieb daheim und lungerte mit Andrew und Bertolin vor dem Fernseher. Die Nacht verlief ruhig. Nirgends wurde der fliegende Dämon gesichtet. Faith und Kennedy erledigten ein paar Vampire, aber sonst war nichts Ungewöhnliches vorgefallen.

 

Als Buffy nachhause kam lag Spike bereits in ihrem Bett und schlief ruhig und fest. Sie blieb eine Weile vor ihm stehen und betrachtete ihn. Er sah so friedlich aus. Sie wunderte sich ein wenig, wie viel sich zwischen ihnen geändert hatte. Sie erinnerte sich an die Zeit, als er noch böse war. Und nun lag er hier in ihrem Bett. Sie schlüpfte vorsichtig zu ihm unter die Decke und kuschelte sich an ihn. Spike bemerkte im Halbschlaf, dass seine Buffy da war und schloss sie in seine Arme. So eng aneinandergekuschelt schliefen sie bis zum nächsten Morgen.

 

****

 

Buffy, Dawn und Spike waren in der Stadt unterwegs, um einige dringende Einkäufe zu erledigen. Es hatte sie viel Überredungskunst gekostet Giles davon zu überzeugen, dass die Recherchen auch ohne sie stattfinden könnten. Schließlich waren ja noch genug andere da, die sich auf die Suche nach dem geflügelten Dämon machen konnten. Sie hatten sich schon lange vorgenommen endlich ein paar neue schicke Anziehsachen zu kaufen. Als der Höllenschlund in Sunnydale eingestürzt war, hatte er all ihr Hab und Gut ebenfalls unter sich begraben. Buffy und Dawn hatten sich anfangs nur das nötigste leisten können und Spike besaß außer ein paar wenigen Kleidungsstücken und seinem Mantel auch nicht gerade viel Auswahl.

 

Durch den Job im Museum und ihrer jetzigen Stellung im Rat hatte Buffy genug zusammengespart, um endlich eine ausgiebige Shoppingtour machen zu können. Also zogen sie von einem Geschäft zum anderen und kauften ein wie die Wilden. Die Drei hatten viel Spaß und es war beinahe so, als wenn sie eine richtige Familie wären.

 

„Buffy? Darf ich bitte, bitte mit Pitt Brady ausgehen?“

 

„Pitt Brady? Wer ist das?“ fragte Buffy nach, während sie Spike ein schwarzes T-Shirt vor die Brust hielt, um zu sehen ob es ihm stehen würde. Aus irgendeinem ihr nicht erklärlichen Grund griff sie immer zu schwarz. Irgendwie stand ihm das einfach am besten.

 

Spike meinte daraufhin: „Das ist der Junge aus dem Café“, und sah lächelnd auf Buffys T-Shirt-Wahl herab. „Wie lange ist er sitzen geblieben?“ fragte er noch nach.

 

„Bis das Café geschlossen hatte. Du hast einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen“, grinste Dawn Spike an.

 

Buffy griff sich ein olivgrünes T-Shirt, hob es an Spikes Brust und besah ihn sich kritisch.

 

Spike sagte dann: „Der Junge machte mir einen recht anständigen Eindruck. Aber gib nicht zu schnell nach. Jungs brauchen es, wenn man sie ein wenig zappeln lässt. Wenn du zu leicht zu haben bist, dann verlieren sie das Interesse an dir.“

 

Buffy blickte kurz auf und sah Spike fragend an. Dieser grinste sie nur schelmisch an und gab ihr einen kurzen Kuss.

 

„Ich weiß wovon ich spreche“, erklärte er ihr daraufhin.

 

„Was ist nun? Darf ich mit ihm ausgehen? Bitte.“

 

Buffy drehte sich herum, sah auf Dawn und seufzte. Dann wandte sie sich wieder zu Spike und fragte:

 

„Du hast den Jungen schon gesehen. Was hältst du von ihm? Soll ich Dawn erlauben mit ihm auszugehen?“

 

Flehend bettelte Dawn ihn hinter Buffys Rücken an, damit er ihr helfen würde.

 

Spike fühlte sich ein wenig in der Zwickmühle. Er wollte Dawn helfen. Allerdings wollte er nicht Schuld daran sein, falls es eine falsche Entscheidung wäre, da Buffy sonst ihm die Schuld dafür geben würde. Er meinte schließlich:

 

„Na ja, er scheint ein netter Kerl zu sein.“

 

Buffy drehte sich wieder zurück zu Dawn und überlegte, wie sie sich entscheiden sollte, bis ihr Blick durch das Fenster zu einem neben gelegenem Gebäude fiel. Sie stutze für einen Moment und schritt dann näher an das Fenster. Sie befanden sich weit oben in einem der höheren Stockwerke, sodass sich ihnen ein weiter Ausblick über die Dächer der Stadt eröffnete.

 

„Buffy? Was ist denn nun? Darf ich?“ fragte Dawn ungeduldig nach. Spike bemerkte Buffys Abwesenheit, und folgte ihr besorgt ans Fenster.

 

„Siehst du was ich sehe?“ fragte Buffy ihn, als er neben ihr stand.

 

Spike blickte hinaus um zu nachzusehen, wovon Buffy sprach, als er in der Ferne ein Gebäude in einem älteren Baustil erblickte. Dort hoch oben auf einem Sims befand sich eine steinerne Figur, die genau dem fliegenden Dämon glich.

 

****

 

„Das ist vollkommener Unsinn! Ich habe noch nie von steinernen Wesen gehört, die bei Nachteinbruch zum Leben erwachen. Das kann nur ein Zufall sein“, stritt Giles vehement ab.

 

Willow war bereits fleißig am Suchen im Internet und suchte nach Hinweisen auf solche Wesen. Spike und Buffy standen vor dem Rechercheteam und warteten auf Willows Ergebnisse.

 

„Es könnte doch sein, dass er aus irgendeinem Grund erst jetzt zum Leben erwacht ist. Vielleicht durch einen Zauber?“ wandte Buffy erneut ein. Seit sie den riesigen Wasserspeier auf dem Gebäude erblickt hatte, war sie der festen Überzeugung, dass dies das Monster war, das sie gesehen hatte.

 

„Leute, ich glaub ich hab da was!“ unterbrach Willow die Diskussion zwischen Buffy und Giles und las aus der Seite vor, die sie gefunden hatte:

 

„....eine Spezies von echsenartigen Humanoiden, die mit Hilfe von meist fledermausartigen Schwingen durch die Luft gleiten können. Im frühen Mittelalter relativ stark verbreitet, wurde diese Spezies von den Menschen jedoch fast komplett ausgerottet.

 

Sobald die Sonne aufgeht versteinern sie, wobei es nicht von Bedeutung ist, ob sie dem Sonnenlicht ausgesetzt sind oder nicht. In diesem Zustand verbringen sie den gesamten Tag bis zum Sonnenuntergang.

 

Sie besitzen stark ausgeprägte Sinne, sie können besser sehen, hören und riechen als Menschen. Ihr Gehör übertrifft das eines Wolfes, ihre Augen die eines Luchses. Sie sehen bei Nacht fast schwarz-weiß, dafür aber erhöhte Kontraste. Bei normalem Licht sind sie in der Lage, Farben zu erkennen. Sie scheinen rein äußerlich viel von Echsen zu haben, doch das täuscht. In zweiter Linie scheint man den Vergleich mit Drachen zu versuchen oder gar mit Dinosauriern, doch weit gefehlt: Sie haben mehr von Raubkatzen als man vermuten möchte, auch der menschliche Teil in ihnen ist sehr gering gehalten. Sie fauchen und brüllen wie Raubtiere, auch ihre Sinne gleichen denen von Katzen, und wenn sie sich besonders wohl fühlen können sie auch schnurren. Jedoch ist jeder Vergleich sinnfrei, da sie eine eigenständige Spezies darstellen.“

 

„Giles war neugierig geworden und fragte nach: „Was ist das für eine Spezies?“

 

Willow blickte kurz zu Xander und erklärte dann grinsend: „Gargoyles.“

 

„Das kann nicht sein! Wollt ihr mich jetzt für dumm verkaufen?“ erwidert Giles erbost.

 

Willow fuhr fort und meinte:

 

„Ich habe hier einige Berichte entdeckt, in denen solche Wesen gesichtet wurden. Hier, sehen Sie! Am 18. September 1877 wurde in Brooklyn (New York) ein schwarzer Mann mit Flügeln gesehen, welcher in der Luft akrobatische Kunststücke vollführte. Ein ähnliches Wesen wurde am 12. September 1880 auf Coney Island gesichtet.

 

Weitere solche oder ähnliche Sichtungen waren:

-Am 11. Juli 1908 in Wladiwostok im Osten der ehem. Sowjetunion.

-In den frühen fünfziger Jahren nachts in einem Wald in Meeresnähe bei Pelotals, Rio Grande do Sul

-In der Nacht des 18. Juni 1953 Houston, Texas.

-Im Juli oder August des Jahres 1968 oder 1969 in Da Nang, Südvietnam

-1966 in West-Virginia

-1966 in der Gegend von Pount Pleasant, West Virginia

-In der Zeit von 1966 bis 1967 im Raum Point Pleasant in Virginia wurden als 100 Sichtungen gemeldet

-Am 24. April 1994 im US-Bundesstaat Washington.

-1976 und 1978 im südenglischen Cornwall.

 

Und da sind noch viele weitere solcher Meldungen. Ich denke dass es sich dabei nicht nur um eine reine Zeichentrickfigur handelt“, beendete Willow schließlich ihren langen Bericht.

 

Giles griff sich seine Brille und putzte sie eifrig. Dann setzte er sie wieder auf und meinte schließlich.

 

„Also gut. Wir werden heute Abend vor Sonnenuntergang zu dieser Steinfigur gehen und dann werdet ihr alle sehen, was für einen Unsinn ihr da redet. Hoffentlich taucht dieser Dämon währenddessen nicht irgendwo anders auf und verletzt unschuldige Menschen“, meinte Giles abschließend und verließ mit ein paar Büchern unterm Arm die Bibliothek.

 

Nachdenklich sahen die anderen ihm hinterher.

 

„Buffy, was denkst du? Glaubst du wirklich, dass es ein Gargoyle ist?“ fragte Willow nach.

 

„Keine Ahnung was es ist, aber ich weiß, dass diese Steinfigur etwas damit zutun hat. Egal wer oder was es ist. Heute Nacht wird es Geschichte sein!“ meinte Buffy entschlossen und verließ ebenfalls die Bibliothek.

 

****

 

Giles, die vier Jägerinnen und Spike befanden sich hoch oben auf dem Dach dieses Gebäudes, wo sich die Steinfigur befand. Buffy war ein wenig verärgert, dass Spike ihnen gefolgt war. Er wusste wo sich das Gebäude befand und ließ es sich nicht nehmen sie zu begleiten. Er hatte es satt allein zuhause herumzusitzen.

 

Buffy und Faith begannen die steinerne Figur in Ketten zu legen, für den Fall, dass wenn es erwachen würde, es nicht entwischen könnte. Faith fand dies ziemlich lustig. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses Ding bald zum Leben erwachen würde. Genauso wenig wie Giles, der das ganze sehr skeptisch beobachtete und dies alles für reine Zeitverschwendung hielt. Willow und Xander hatten sich in der Zwischenzeit an einem geschützten Ort in der Nähe des Gebäudes positioniert, von wo aus sie das Geschehen beobachteten, und Willow eventuelle magische Aktivitäten wahrnehmen konnte.

 

So warteten nun alle gemeinsam auf den Sonnenuntergang. Der Himmel verfärbte sich bereits blutrot und verhieß nichts Gutes. Buffy trat an Spike heran und schlang sich in seine Arme.

 

„Versprich mir, dass du dich im Hintergrund hältst. Auch, und vor allem, wenn es gefährlich für mich wird. Versprich es mir!“ forderte Buffy ihn mit flehenden Augen auf.

 

„Ich verspreche es“, gab sich Spike geschlagen. Ihren flehenden Augen konnte er einfach nichts abschlagen.

 

Eng umschlungen betrachteten sie sich den Abendhimmel und warteten ab, was passieren würde.

Kaum war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, begann sich die steinerne Figur zu regen. Überrascht und erschrocken wichen alle einen Schritt zurück. Buffy trat sofort vor Spike um ihm schützend hinter ihrem Rücken zu verstecken. Spike und die Anderen beobachteten das Schauspiel, was sich ihnen nun bot.

 

Wie durch ein Wunder verwandelte sich das Gestein in ein lebendes und vor Wut schäumendes Wesen. Der Gargoyle stellte wütend fest, dass er in Ketten gelegt war und sich nicht in die Lüfte erheben konnte. Er fauchte auf und blickte sich erzürnt um. Als er die Menschen auf dem Dach sah, stemmte er sich gegen die schweren Ketten, die um seinen ganzen Körper geschlungen waren und versuchte sich zu befreien. Seine großen Flügel ragten weit hervor und schlugen auf und ab. Doch er war gefangen und konnte sich nicht befreien.

 

„Das ist einfach unglaublich!“ stammelte Giles ungläubig vor sich her.

 

Buffy griff sich eine der bereitgelegten Waffen. Mit einer großen Axt bewaffnet kam sie dem Gargoyle langsam näher, um ihm endgültig zu töten. Der Gargoyle drehte sich soweit herum wie es im möglich war und starrte mit funkelnden Augen auf Buffy. Wütend brüllte er ihr entgegen. Als Buffy nur noch einen Schritt außer Reichweite war, ließ der Gargoyle plötzlich kampflos seine Flügel sinken und erwartete mit gesenktem Kopf sein Schicksal. Buffy war etwas irritiert über die passive Haltung des Monsters.

 

Sie entschied nicht weiter darüber nachzudenken, und dem ganzen endlich ein Ende zu setzen, als Spike sie in letzter Sekunde aufhielt, indem er ihr seine Hand auf ihren Rücken legte.

 

„Was ist?“ fragte Buffy ungeduldig.

 

„Sie ihm in die Augen Buffy. Das ist kein Monster“, meinte Spike ruhig.

 

Buffy ließ die Axt sinken und tat, wie Spike gesagt hatte. Sie blickte dem Gargoyle in die Augen und erkannte was Spike gemeint hatte. Er hatte warme und sanfte Augen. Sein Blick war geprägt von Schmerz und Leid, als wäre er sehr unglücklich.

 

„Buffy worauf wartest du noch?“ fragte Faith nach.

 

Buffy warf die Axt zur Seite, was den Gargoyle verwirrt aufblicken ließ. Sie trat noch einen weiteren Schritt näher und blickte ihm tief in die Augen.

 

„Bring es zu Ende! Töte mich endlich!“

 

Überrascht stellten Buffy und die Anderen fest, dass der Gargoyle sprechen konnte.

 

„Du kannst sprechen?“ fragte Buffy unsinniger Weise nach.

 

„Was habt ihr mit meiner Gefährtin gemacht? Reichte es Euch nicht sie mir zu entreißen? Müsst ihr mich jetzt auch noch töten?“ fuhr der Gargoyle verzweifelt fort.

 

„Gefährtin? Wir wissen nichts von deiner Gefährtin? Wer bist du?“ fragte Buffy.

 

Der Gargoyle blickte sie lange an und besah sich auch all die anderen Menschen, soweit es seine Ketten zuließen. Dann meinte er: „Ihr seid nicht diejenigen, die mir meine Gefährtin entrissen haben?“

 

„Nein! Ich bin Buffy. Wir sind Vampirjägerinnen. Wir sind hier, weil wir dachten du wärst böse.“

 

„Dachtet, oder denkt ihr, dass ich böse bin?“ fragte der Gargoyle traurig nach.

 

„Ich weiß nicht was ich denken soll. Sag du es mir, “ erklärte Buffy ehrlich.

 

Der Gargoyle seufzte tief und erklärte schließlich: „Mein Name ist Desiderius. Ich lebe schon seit 90 Jahren hier am Höllenschlund. Ich kenne euch Jägerinnen. Ihr seid gute Menschen. Ihr habt nichts von mir zu befürchten. Wir Gargoyles sind seit Jahrtausenden hier um die Menschheit zu beschützen. Doch niemand von Euch hat uns je wirklich wahrgenommen. Nicht einmal eure Wächter wissen von uns.“

 

„Du weißt von den Jägerinnen und ihren Wächtern?“ fragte Buffy überrascht nach.

 

„Sicher. Ihr achtet immer nur darauf was auf dem Boden um euch herum geschieht. Selten seht ihr nach oben in die Lüfte. Dort sind wir und beobachten euch auf der Jagt nach Vampiren und Dämonen.“

 

„Was geschah mit deiner Gefährtin?“ wollte Buffy wissen.

 

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Desiderius niedergeschlagen „Eines Nachts, als ich erwachte, war sie verschwunden. Ich dachte sie wäre früher erwacht als ich und wäre bereits auf der Suche nach einem sicheren Ort für unser Ei, doch ich konnte sie nirgends entdecken.“

 

„Und deswegen bist du jede Nacht unterwegs um sie zu finden“, erläuterte Spike weiter und konnte nur allzu gut verstehen, was in dem Gargolye vor sich gehen musste.

 

Giles fragte nun interessiert nach: „Deine Gefährtin erwartet ein Ei?“

 

Desiderus musste sich in den Ketten umdrehen, damit er sehen konnte, was hinter ihm vorging und wer ihn angesprochen hatte. Dann antwortete er: „Ja. Es kann jeden Moment soweit sein, dass sie es legt. Ich mach mir große Sorgen um sie. Das ganze ist sehr anstrengend und kräfteraubend für sie. Sie ist auf meine Hilfe angewiesen. Ich muss zu ihr! Doch andererseits weiß ich nicht einmal, ob sie überhaupt noch lebt. Während wir bei Tage zu Stein erstarren, kann man uns ganz leicht töten, in dem man den Stein zertrümmert.“

 

„Falls sie noch lebt, werden wir sie finden“, meinte Buffy entschlossen und begann die Ketten zu lösen.

 

„Buffy, was tust du da?“ fragte Giles entsetzt.

 

„Ich löse die Ketten“, erwiderte sie nur knapp. Spike half ihr schließlich dabei die Ketten zu entfernen.

 

„Du weißt doch gar nicht, ob er die Wahrheit spricht?“ lenkte Giles ein. Verstummte jedoch sofort, als er merkte, dass Desiderius bereits befreit war, sich umdrehte und mit weit erhobenen Flügeln über ihm stand.

 

„Hast du eine Ahnung, wer deine Gefährtin in der Gewalt hat?“ fragte Buffy nach.

 

„Ich bin nicht sicher. Es gibt ein paar Rituale, bei denen man zur Durchführung ein Gargoyle-Ei benötigt. Ich vermute dass das der Grund ihrer Entführung war.“

 

„Also gut, dann lasst uns herausfinden, wer für so etwas in Frage käme“, erklärte Buffy den noch etwas geschockt dreinblickenden Jägerinnen und ihrem verstörten Wächter.

 

Buffy erklärte Desiderius wo sich das neue Ratsgebäude befand und bat ihn dort hinzufliegen. Während sich der Rest über dem Boden auf dem Weg machte.

 

****

 

Traurig kauerte Desiderius auf einer großen Balkonterrasse des Ratsgebäudes. Buffy und Spike leisteten ihm Gesellschaft und warteten mit ihm gemeinsam ab, bis Willow und Giles herausfanden, wer dahinterstecken könnte. Mit ein paar Notizen in der Hand kam Willow schließlich auf die Terrasse hoch. Gefolgt von Giles und den Anderen.

 

Willow berichtete über ihre Nachforschungen: „Es gibt mehrere Rituale, bei denen man ein so genanntes Ei des Steines braucht. Dabei könnte es sich um ein Gargoyle-Ei handeln. Diese Rituale bewirken in der Regel alle dasselbe. Große Macht, Unverwundbarkeit und große Stärke. Ich denke wir alle tippen dabei sofort auf Ethan Rayne. Leider wissen wir nicht, wo er sich im Moment aufhält, aber...... ich habe ein wenig recherchiert und herausgefunden, dass ein gewisser Rodan E. vor kurzem einige Dinge anfertigen ließ, die eventuell zur Haltung eines Gargoyles dienen könnten.“

 

„Was für Dinge?“ fragte Spike nach.

 

„Er ließ einen großen stählernen Käfig bauen.“

 

„Oh nein! Was tut er ihr an? Meine geliebte Arendje. Bitte helft ihr!“ flehte Desiderus.

 

„Willow, hast du auch herausgefunden, wo dieser Rodan E. wohnt?“

 

Stolz wedelte Willow mit einem kleinen Zettel und meinte: „Was glaubt ihr, wohl was ich hier habe?“

 

****

 

Die vier Jägerinnen und Spike kamen bei der Adresse an, die Willow ihnen gegeben hatte. Buffy meinte leise zu Spike: „Mir wäre wohler, du wärst nicht mitgekommen.“

 

„Buffy, unser Gegner ist ein Mensch und kein Dämon. Du weißt genau, dass du keine Menschen verletzen kannst, aber ich kann es, wenn ich merke, dass du in Gefahr bist.“

 

„Versprich mir, dass du vorsichtig bist“, bat sie erneut.

 

„Ich verspreche es“, erwiderte Spike und küsste sie zur Beruhigung liebevoll auf die Stirn.

 

Kurz darauf erschienen auch Xander, Willow und Giles, um an der Befreiungsaktion teilzunehmen.

 

Sie befanden sich nun alle vor einem alten leer stehenden Fabrikgebäude. Willow konzentrierte sich und überprüfte die Umgebung nach möglichen magischen Barrieren. Doch nichts dergleichen war festzustellen, also gingen sie gemeinsam in das Gebäude.

 

Desiderius saß hoch oben auf dem Dach eines neben stehendem Gebäudes und beobachtete besorgt das Geschehen am Boden. Er wollte am liebsten mit eingreifen, doch er musste Buffy und den anderen versprechen sich vorerst herauszuhalten.

 

Die Rettungsmannschaft betrat eine große leere Halle, an dessen Ende sich nur ein paar Kisten und von der Entfernung nicht sofort erkennbare Gegenstände befanden. Als sie näher traten erkannte sie einen Metalltisch, auf dem mehrere Gerätschaften lagen, die schwer an Folterinstrumente erinnerten. An der Wand standen ein paar Metallschränke und große hölzerne Kisten. In der Mitte direkt vor ihnen befand sich ebenfalls ein großer viereckiger Gegenstand, der mit einem großen schwarzen Tuch bedeckt war. Buffy schritt zielsicher an dieses Ding heran und zog das schwarze Tuch mit einem Ruck herunter.

 

Angsterfüllte leuchtende Augen starrten Buffy durch stählerne Gitterstäbe an. Das Wesen, das sich in diesem großen stählernen Käfig befand, sah ähnlich aus wie Desiderius. Nur ein wenig kleiner und zierlicher. Der Gargoyle wich sofort erschrocken zurück und lehnte sich in Panik an die hintere Gitterwand.

 

„Sch.. Schon gut. Wir sind hier um dir zu helfen. Desiderius hat uns geschickt“, redete Buffy beruhigend auf den Gargoyle ein, während die anderen Jägerinnen die Umgebung im Auge behielten.

 

„Desiderius? Geht es ihm gut? Wo ist er?“ fragte Arendje sofort aufgeregt nach und trat nahe an die Gitterstäbe heran.

 

Buffy hielt nach dem Schlüssel für das massive Vorhängeschloss Ausschau, während sie freundlich erwiderte: „Es geht ihm gut. Er ist draußen und wartet auf uns.“

 

 „Buffy beeil dich! Die Sache gefällt mir nicht!“ trieb Faith Buffy an.

 

„Wer seid ihr?“ fragte der Gargoyle.

 

„Wir sind Jägerinnen, wir werden dir helfen“, meinte Buffy nur knapp, griff sich eine Eisenstange, die an der Wand gelehnt hatte und versuchte das Schloss aufzubrechen.

 

In diesem Moment betraten plötzlich mehrere Vampire die Halle von allen Seiten gleichzeitig und kamen bedrohlich näher.

 

„Buffy! Beeil dich!“ meinte nun auch Spike.

 

„Ja! Bin ja schon dabei. Wie soll ich das machen, wenn ihr mich dauernd.....“ Buffy stockte, als sie bemerkte weshalb Spike sie antreiben wollte. Um sie waren mindestens fünfzehn Vampire versammelt.

 

„Nicht auch das noch!“ meinte Buffy und drückte Spike die Stange in die Hand. „Hier, mach du das Schloss auf. Ich kümmere mich um unseren Besuch.

 

Xander, Giles und Willow traten zu Spike an den Käfig, während Kennedy, Faith, Mina und Buffy sich im Halbkreis vor dem Käfig verteilten und sich auf den Kampf vorbereiteten. Spike stemmte die Eisenstange in das Schloss und versuchte es zu sprengen. Die sich eindeutig in der Überzahl befindlichen Vampire blickten siegessicher auf die Jägerinnen und kamen langsam und bedrohlich immer näher.

 

Ein lautes Klirren erweckte plötzlich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Desiderius war geradewegs durch eines der hoch oben befindlichen großen Fenster geflogen und landete nun mit weit ausgebreiteten Flügeln in der Halle direkt hinter den Vampiren. Wütend brüllte er ihnen entgegen und stellte sich furchtlos dem Kampf entgegen. Bereit für seine Gefährtin zu sterben. Nervös blickten sich die Vampire um. Sie befanden sich nun in der Falle. Vor ihnen waren die Jägerinnen und hinter ihnen ein sehr wütender Gargoyle. Wie auf ein Zeichen stürmten alle aufeinander los. Die Jägerinnen griffen von vorne und der Gargoyle von hinten an. Giles, Xander und Willow deckten Spike und kämpften ebenfalls gegen einen der Vampire. Spike stemmte sich weiter mit aller Kraft in das schwere Eisen, bis sich dieses endlich allmählich zu brechen begann.

 

Desiderius griff sich einen Vampir nach dem anderen und tötete unerbittlich. Mit seinem kräftigen Schwanz schlug er geschickt um sich, während er mit seinen tödlichen Krallen einen der Vampire schmerzhaft verletzte. Buffy und die anderen Jägerinnen erledigten ihrerseits ebenfalls geschickt ihre Gegner. Doch noch immer waren die Vampire in der Überzahl. Mina wurde von einem Messer, das einer der Vampire nach ihr warf, am linken Oberarm verletzt. Xander schrie sofort nach ihr und eilte ihr zu Hilfe. Dabei ließ er Willow und Giles mit einem sehr kräftigen Vampir allein zurück. Dieser drohte bereits die Überhand über Willow und Giles zu gewinnen, als endlich das schwere Vorhängeschloss nachgab und Spike den Gargoyle aus dem Käfig befreien konnte. Arendje verließ sofort ihr Gefängnis und mit ebenso vernichtender Stärke und Geschick wie ihr Gefährte Desiderius, erledigte sie den Vampir, der Willow und Giles bedrohte.

 

Die Gargoyle-Dame griff sich einen weiteren Vampir und nahm an dem regen Kampfgeschehen teil. Willow und Giles eilten zu Xander und Mina und halfen der verletzten Mina. Spike folgte ebenfalls und stellte sich gegen den Vampir, welcher Mina verletzt hatte. Mit ein paar geschickten Schlägen und Ausweichmanövern hielt er ihn in Schach und verwandelte ihn mit einem letzten gekonnten Hieb in Staub.

 

Die Zahl der Vampire minimierte sich rasend schnell, sodass innerhalb von wenigen Minuten alle Vampire erledigt waren und nur noch die beiden Gargoyles und ein paar Menschen in der Halle standen.

 

Desiderius eilte nun zu seiner Gefährtin und umarmte sie mit seinen Armen und seinen Flügeln.

 

„Arendje! Ich hatte so große Angst um dich!“ meinte er noch, bevor er sie fest an sich drückte.

 

„Oh Desiderius! Ich liebe dich!“

 

„Ich dich auch.“

 

****

 

So geschah es, dass das neue Ratsgebäude zwei wunderschöne steinerne Wasserspeier bekam, die hoch oben über dem Eingang auf dem Dach thronten, um alles Unheil abzuwenden.

 

Buffy lehnte sich an Spike, der seinen Arm um sie geschlungen hatte und gemeinsam blickten sie nach oben auf die beiden Steinfiguren. Neben ihnen standen Giles, Willow und die anderen Jägerinnen. Mina wurde liebevoll von Xander im Arm gehalten.

 

„Sind sie nicht süß sie die beiden?“ fragte Willow gerührt.

 

„Ich wüsste zu gern, wer Arendje gekidnappt hatte“, meinte Buffy.

 

„Wir konnten keinen Hinweis auf Ethan finden, aber ich bin sicher, dass er was damit zutun hat“, erläuterte Giles.

 

„Hat Arendje ihr Ei schon bekommen?“ fragte Kennedy.

 

„Nein zum Glück noch nicht. Wer weiß was geschehen wäre, wenn sie es schon bekommen hätte. Gut, dass ich jetzt einen Schutzzauber über die beiden gelegt habe, somit kann ihnen während des Tages nichts mehr passieren“, antwortete Willow.

 

„Hey Leute, was gibt’s denn da oben zusehen? Buffy, darf ich jetzt mit Pitt Brady ausgehen? Bitte!“

 

Spike und Buffy blickten auf die kleine Dawn, die gerade zu ihnen aus dem Gebäude gekommen war. Buffy lächelte schwach und antwortete.

 

„Meinetwegen. Aber pass auf dich auf! Und nimm dein Handy mit. Wenn er dir zu nahe kommt, jage ich Spike auf ihn!“

 

****

 

 

Folge 16