Teil 1

Tosender Donner hallte durch die dunklen Straßen in dieser einen kalten, trostlosen Nacht und übertönte dabei die Kampfgeräusche und Schmerzensschreie, welche sonst zu hören waren. Schwere Tropfen Regen fielen vom Himmel herab und bildeten kleine Flüsse, mit denen das Blut unzähliger Toter davon geschwemmt wurde. Je tiefer man einen Blick in diese eine letzte Gasse warf, umso mehr Leichen säumten den Weg. Dutzende, oder gar hunderte von Dämonen waren hier von den einsamen Helden dieser Nacht zur Strecke gebracht worden.

Unter den Leichen befand sich ein beweinter Freund. Gunn war bereits verletzt, als sie sich der Übermacht stellten, sodass er nur wenige Minuten lang durchhielt. Sein Todesschrei lag noch immer in den Ohren der letzten beiden Kämpfer, als wäre dieses Geräusch in der Gasse gefangen.

Illyria schien als einzige erkannt zu haben, dass der Kampf aussichtslos war, denn nachdem die zahllosen Dämonen nicht weniger wurden, suchte sie das Weite und rettete sich selbst vor dem gleichen Schicksal ihrer Kampfesbrüder.

Unsere beiden Helden nahmen es ihr nicht übel. Spike fragte sich, warum er nicht genauso handelte und das bisschen Leben, das ihm noch blieb, vor dem Zerfall rettete. Es war nicht sein Kampf, den er hier kämpfte. Es war Angels Kampf. Es war immer Angels Kampf gewesen. Und dennoch. Spike fühlte sich jetzt mehr denn je als ein Teil dieser Sache, denn er hatte seinen Teil dazu beigetragen, den Kreis des schwarzen Dorns zu zerstören.

Diesmal fühlte er sich tatsächlich wie ein Bestandteil eines Teams, das sich in einem Endkampf der Übermacht entgegenstellte. Nicht wie damals, als er an der Seite der Jägerinnen kämpfte und doch nur ein Außenseiter war. Doch erneut schien sein Leben in einem solchen Kampf zu ende zu gehen. Genau so, wie er es schon einmal erlebte. Und Teufel auch, es fühlte sich gut an, ein Teil dieses Teams zu sein! Also kämpfte er, als hinge die Existenz der ganzen Welt am Erfolg dieses Kampfes, was vermutlich sogar stimmte.

Angel versuchte den Gedanken an seine verstorbenen Freunde so gut es ging zu verdrängen und steckte all seine letzten Energiereserven in den Kampf gegen die Dämonen, die scheinbar nicht weniger werden wollten. Es tat ihm gut, sich allein darauf zu konzentrieren. Er brauchte diese Ablenkung, damit die Verzweiflung ihn nicht einholen würde.

Doch selbst die stärksten Kämpfer verlieren irgendwann an Kraft, und so gelang es den Dämonen die beiden Vampirkämpfer zu überwältigen. Angel und Spike leisteten bis zum bitteren Ende energischen Widerstand. Sie wollten lieber im Kampf sterben, als sich freiwillig geschlagen zu geben. Den Dämonen allerdings, war ihr edles Vorhaben egal. Sie hatten ihre Befehle, weshalb man die beiden Vampire schließlich fesselte und mitzerrte.

Sie wurden in ein Gebäude gebracht, das Angel bereits kannte. Hier hatte er die Shansu-Prophezeiung mit seinem Blut unterzeichnet, um seiner Bestimmung abzuschwören. Hier war sein letzter Traum zerbrochen, bevor er den Kampf gegen das Böse angetreten war.

Er hatte dieses Opfer gegeben, damit er den Kreis des schwarzen Dorns zerstören konnte, weshalb er nun, nachdem all die großen Drahtzieher erfolgreich vernichtet waren, mit einem lachendem und einem weinenden Auge zu dem Tisch blickte, wo all die mächtigen Köpfe gesessen waren, die durch ihn und seine Freunde den Tod fanden. Weinend, weil auch seine Freunde nun unter den Toten weilten.

Die Hände fest hinter dem Rücken gefesselt und mit Knebeln zum Schweigen gebracht, zwang man die beiden Vampire auf die Knie, um sie dem neuen Herrscher dieser Stadt vorzustellen. Und als Angel schließlich sah, wer den Raum betrat, brach etwas in ihm endgültig zusammen. Ein Mitglied des Kreises hatte überlebt und es war ausgerechnet derjenige, den Angel selbst erledigen wollte.

Der Erzherzog Sebassis lächelte mit einem kalten triumphierenden Blick auf die beiden Vampire herab. Als dieser von dem vergifteten Blut seines Leibeigenen getrunken hatte, war er dem Tode wahrlich nah gewesen, doch seine getreuen Diener konnten ihn in letzter Sekunde retten.

Angel wurde bewusst, dass alles umsonst gewesen war, und das nur, weil er versagt hatte. Schlimmer noch; durch sein Versagen hatte er nun alle Macht in die alleinigen Hände des Erzherzogs gespielt. Weil er versagte, war der Kampf tatsächlich verloren.

Der Sieg über die beiden Vampire mit Seele schien sich erstaunlich schnell herumgesprochen zu haben, denn überall feierten die Dämonen ausgelassen, indem sie die Bewohner der Stadt terrorisierten. So gelang diese Nachricht auch an die letzten Überlebenden der Fellbruderschaft, denen Spike das Baby geraubt hatte.

Als nun Sebassis überlegte, welchem Schicksal seine Feinde zum Opfer fallen sollten, stürmte einer der Bruderschaft herein und forderte Spike heraus.

Angel und Spike blieben nichts weiter übrig, als den Verhandlungen zwischen dem Ordensbruder und Sebassis zu lauschen.

Spike wurde an die Bruderschaft versprochen, während Angel bei Sebassis bleiben sollte. Sie beide sollten für ihre Taten bestraft werden. Und so wurde Spike hoch gezerrt. Er wehrte sich mit aller Kraft und versuchte zu Angel zu gelangen, welcher sich ebenfalls gegen ein paar Dämonen heftig wehrte, die ihn weiter auf die Knie zwangen. Sie blickten einander ein letztes Mal fest in die Augen und gaben sich ein stilles, gegenseitiges Versprechen einander zu helfen, sobald es einem von ihnen möglich wäre.

Schließlich verloren sie den Blickkontakt, als man Spike fort schaffte. Angel starrte niedergeschlagen auf die Türe, durch die Spike verschwunden war, und erst da wurde ihm bewusst, dass er in Spike nicht nur einen Kampfgefährten verloren hatte.

*****

Ein Vierteljahrhundert später

Spike erwachte wie fast jeden Morgen durch einen unliebsamen Tritt mit dem Fuß seines Peinigers. Und wie immer reagierte er mit einem hasserfüllten Knurren, womit er seinen Unmut über sein neues Dasein offen kundgab. Und wie jedes Mal, erntete er für sein widerspenstiges Verhalten einen weiteren Tritt, damit er sich endlich von seinem kargen Schlafplatz erheben und seine täglichen Arbeiten beginnen würde.

Der täglichen Schläge und Tritte mittlerweile müde geworden, erhob sich Spike schließlich ohne Murren und begann einen weiteren Tag in seinem neuen Dasein, als Nutz- und Lasttier für allerlei mögliche Arbeiten.

Zu seinen allmorgendlichen Pflichten gehörte es, die Hinterlassenschaften seiner Herrschaft zu beseitigen. Man sollte meinen, dass Mitglieder einer Bruderschaft eine gewisse Disziplin in ihrem Lebensstil pflegten, doch bei dieser Art von Bruderschaft schien dies nicht der Fall zu sein. Angefangen von diversen schmutzigen Kleidungsstücken, über achtlos herumliegenden Gerätschaften, bis hin zu diversen Essensresten, war das gesamte Gebäude jeden Tag ein einziger Saustall, den Spike zu reinigen hatte.

Während seine Herrschaft bereits dabei war für neue Unordnung zu sorgen, musste er Feuerholz heranschaffen und für das tägliche Essen sorgen. Er hasste seine Pflichten und wenn er nicht durch ein magisches Halsband gezwungen wäre, all diese Dinge zu tun, hätte er diesmal endgültig dafür gesorgt, dass keiner der Fellbrüder überlebt. Noch einmal würde er den Fehler nicht begehen, ein Mitglied der Bruderschaft am Leben zu lassen.

Das Halsband, das er trug, band ihn auf magische Weise an diesen Ort, sodass eine Flucht unmöglich war. Außerdem löste es grausame Schmerzstöße aus, sobald er es wagte, sich gegen seine Peiniger aufzulehnen. Es verging kaum ein Tag, an dem er nicht mindestens einmal in den Genuss dieser Schmerzen kam, denn trotz seiner auswegslosen Situation, gab es keine Sekunde, in der er sich nicht gegen seine Herrschaft auflehnte.

Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er schon versucht hatte zu flüchten, oder das lästige Ding um seinen Hals loszuwerden. Mindestens ebenso oft strafte man ihn für seinen Ungehorsam und ließ ihn noch härter und noch länger arbeiten.

Manchmal fragte er sich, wie es Angel wohl in den letzten Jahren ergangen war und nicht selten verfluchte er seinen alten Sire, dass er ihn nicht aus seinem Elend befreite. Zwar wusste er nicht, welches Schicksal Angel erleiden musste, doch er hoffte, dass es mindestens ebenso schlimm war, wie seines.

Er hatte auch oft mit dem Gedanken gespielt Buffy um Hilfe zu bitten, doch er wusste weder wo sie sich aufhielt, noch ob sie überhaupt noch lebte. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als täglich auf eine Chance zur Flucht zu warten.

Spike trug noch immer seine alte Jeans und sein T-Shirt, doch im Laufe der vielen Jahre waren seine Sachen alt und zerschlissen. Zahlreiche Löcher zierten den dünnen schwarzen Baumwollstoff. Seinen geliebten Ledermantel hatte er seit dem Tag ihrer Niederlage nicht mehr gesehen. Man hatte ihm das alte Lederteil abgenommen, als man ihm das Halsband angelegt hatte und ihm damit seine Freiheit geraubt wurde.

Kein Tag verging seitdem, wo er sich nicht nach seinem Mantel und seiner Freiheit sehnte.

*****

„Du elender Bastard, scher dich gefälligst hierher!" hallte eine ihm bekannte Stimme durch das Gebäude. Spike wusste, dass er damit gemeint war, doch er scherte sich einen Dreck darum, was seine Peiniger von ihm wollten. Er tat so, als hätte er den Ruf nicht gehört und fuhr weiter fort Kartoffeln zu schälen.

Schließlich stürmte einer der Gebrüder in die Küche und begann zu schimpfen: „Warum hörst du nicht, wenn ich dich rufe? Ist es wieder Zeit für eine ordentliche Tracht Prügel? Steh gefälligst auf und folge mir!"

Beinahe amüsiert fragte sich Spike, wann es deren Meinung nach keine Zeit für Prügel war? Er ahnte, weshalb man seine Anwesenheit wünschte, weshalb er sich mit einem heimlichen Grinsen auf den Lippen erhob, um dem Kerl zu folgen.

Ihm war am Nachmittag befohlen worden Feuerholz für den Kaminofen zu hacken und ins Haus zu schaffen. Strom war mittlerweile ein seltener Luxus geworden, da es keine funktionierenden Elektrizitätswerke mehr gab, weil keiner der wenigen Menschen, die noch lebten, sie instand hielt.

Nachdem langsam die Holzvorräte zur Neige gegangen waren, hatte Spike begonnen diverse Möbel zu Kleinholz zu verarbeiten. Da er selbst kein Bett zum Schlafen besaß, fand er, dass seine Herrschaft ebenso wenig Betten benötigte. Also hackte er alles klein, was nicht Niet- und Nagelfest war. Außerdem sorgte er dafür, dass alle Schuhe ein schnelles Ende im Feuerholz fanden. Schließlich trug er selbst auch keine Schuhe mehr und seine Befehle lauteten eindeutig, dass er sämtliche Öfen im Haus zu beheizen hatte, da es ziemlich kalt war.

Ganz offensichtlich waren die sieben Mitglieder der Bruderschaft nicht sonderlich erfreut, über den extra Arbeitseifer, den er an diesem Nachmittag gezeigt hatte. Als Spike in einem zentralen Raum des Hauses ankam, begegneten ihm bereits einige wütende Blicke, doch er fürchtete sich nicht davor.

Sie konnten ihn nichts antun, was er nicht schon erlebt hatte. Schmerzen war er schon sein ganzes Leben lang gewohnt, also taten ihm auch die Peitschenhiebe nichts, von denen er sicher war, dass er sie bald bekommen würde. Es gab nichts mehr in seinem Leben, dass er zu verlieren hatte, also gab es auch nichts mehr, wovor er sich zu fürchten brauchte. Selbst die schlimmste Folter würde nicht erreichen, dass er sich seinen Peinigern freiwillig beugte. Solange er auch nur einen Funken Leben in sich trug, würde er sich wehren und gegen sie ankämpfen.

„Wie kannst du es wagen all unsere Möbel zu zerstören?" keifte das Oberhaupt des Ordens ihm entgegen.

Spike wusste, dass eine schnippische Erwiderung nur zu einer härteren Strafe führte, aber dennoch konnte er es sich nicht verkneifen: „Ich sollte Brennholz machen, also machte ich Brennholz. Ich muss doch dafür sorgen, dass ihr es schön warm habt."

Er sah die Hand deutlich kommen. Beinah wie in Zeitlupe konnte er deren Bewegung verfolgen und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er zurückschlagen könne. Doch er konnte es nicht. Das Halsband verhinderte es auf ziemlich effektive Weise. Also blieb er unberührt stehen und ließ sich ins Gesicht schlagen. Mit einem feinen Lächeln auf dem Lippen und dem leisen Versprechen sich eines Tages dafür zu rächen.

Verächtlich äußerte der Ordensführer: „Ich habe genug von dir. Ich habe genug von deinen arroganten Blicken. Du glaubst du bist ein großer Held, dabei bist du nicht mehr wert, als der Dreck unter meinen Fingernägeln. Ich bin es endgültig Leid, mich mit dir herumzuschlagen. Soll sich jemand anders mit dir herumärgern."

Dies erweckte Spikes Aufmerksamkeit, weshalb er überrascht aufblickte. Schön öfter hatte man ihm angedroht, man würde ihn auf einem Sklavenmarkt verkaufen, doch bisher waren es nur leere Versprechungen, weshalb er mit allen Mitteln versuchte der Herrschaft weiter auf die Nerven zu gehen, damit man diese Drohung wahr machen würde. Dies könnte die eine Chance zur Flucht bedeuten, auf die er schon so lange gewartet hatte. Denn um ihn auf dem Markt verkaufen zu können, würde man ihm sein Halsband abnehmen müssen, sonst würde er diesen Ort nicht verlassen können.

Die schmerzhaften Peitschenhiebe, die er anschließend zur Strafe bekam, nahm er schon beinahe mit Freuden entgegen. Und diesmal fiel es ihm überhaupt nicht schwer, jegliche Schmerzenslaute zu unterdrücken, um seinen Peinigern nicht noch mehr Genugtuung zu schenken. Denn sehr bald würde man ihn von hier fortbringen und dies bedeutete eine kleine Chance zur Flucht.

*****

Als mitten in der Nacht einer der Brüder mit einer Öllampe in seine Zelle trat, in der außer einer alten ausrangierten Matratze und einer dünnen Decke keinerlei Luxus zu finden war, stellte sich Spike zunächst erst einmal schlafend. Als er seinen obligatorischen Weck-Tritt erhielt, knurrte er wie üblich verärgert auf, erhob sich diesmal aber sofort, bevor er einen weiteren Tritt bekommen würde.

Er wartete gespannt auf einen Befehl, oder eine Anweisung, doch nichts dergleichen kam. Stattdessen betrat ein älteres Mitglied der Brüderschaft seine Zelle. Dieser wirkte ziemlich missgestimmt und übermüdet. Ganz offensichtlich hatten die Ordensbrüder in dieser Nacht nicht viel Schlaf bekommen, was angesichts der mangelnden Betten durchaus verständlich, und für Spike besonders amüsant war.

Ohne irgendeinen Kommentar packte der ältere Ordensbruder Spike am Halsband und befestigte daran eine Leine. Spike hasste es, wie ein Hund an einer Leine angebunden zu werden. Voller Abneigung beobachtete er den Kerl, wie dieser kurz probehalber an der Leine zog, während er Spikes Halsband noch mit der anderen Hand festhielt. Mit dem Ergebnis anscheinend zufrieden, ließ er das Halsband los und zog erneut an der Leine. Diesmal jedoch fester, damit Spike ihm folgen würde.

Spike sträubte sich dagegen und blieb stur stehen. Der Ordensbruder funkelte ihm verärgert entgegen und drohte: „Entweder du gehst freiwillig mit, oder wir werden dich vorher bewusstlos prügeln und dich zum Sklavenmarkt schleifen. Mir ist vollkommen egal, wie hoch der Preis für dich sein wird, also werden wir nicht auf dein Äußeres aufpassen."

Spike war erfreut zu hören, dass man ihn tatsächlich verkaufen würde, doch ihn irritierte es, dass man ihm das Halsband nicht abnahm, sondern ihm stattdessen eine Leine anlegte. Mit dem Halsband war es ihm nie möglich, sich auch nur zwei Meter vom Gründstück zu entfernen, ohne dass es schreckliche Schmerzensstöße auslöste. Wie wollten sie ihn also zum Markt bringen?

Er beschloss sich erstmal ein wenig kooperativer zu zeigen. Schließlich wollte er nicht bewusstlos geschlagen werden. Also folgte er dem Ordensbruder, als dieser sich umwandte und erneut an der Leine zog.

Man führte ihn quer durchs Haus bis direkt vor die Haustüre. Hier warteten zwei weitere Ordensbrüder bereits auf ihn. Spike wurde immer nervöser und erwartete gespannt, was passieren würde. Man befahl ihm, sich umzudrehen und nachdem er gehorchte, legte man ihm schwere Eisenketten um die Handgelenke und band damit seine Hände auf dem Rücken zusammen. Dies war zu erwarten, aber es machte ihm keine allzu großen Sorgen. Gegen Eisenketten gab es gewiss eine leichtere Lösung, als gegen magische Halsbänder.

Jetzt müsste der Zeitpunkt bald kommen, an dem man ihm dieses verfluchte Halsband abnehmen würde. Er konnte es kaum erwarten. Er behielt jede Bewegung der anwesenden Ordensbrüder genau im Auge. Die Haustüre wurde geöffnet, doch anstatt ihm endlich das Halsband zu entfernen, zog der ältere Ordensbruder nur an der Leine und zerrte ihn damit aus dem Haus.

Spike wehrte sich etwas dagegen, da er fest damit rechnete, dass das Halsband wieder Schmerzstöße aussenden würde, doch es geschah nichts. Sie waren bereits mehr als zwei Meter vom Haus entfernt, doch er fühlte keine Schmerzen. Verwundert blickte er zurück und kam dabei aus dem Schritt, was der Ordensbruder bemerkte. Er zog ruckartig an der Leine und zwang Spike damit wieder nach vorne zu blicken. Erst da wurde ihm klar, dass es mit der Leine zusammenhängen musste, weshalb das Halsband keine Schmerzstöße von sich gab.

Vor dem Haus wartete ein weiteres Mitglied der Bruderschaft, welcher drei gesattelte Pferde bereithielt. Der älteste und seine beiden Begleiter stiegen auf die Pferde auf und lenkten sie schließlich auf die Straße, während Spike gezwungen war barfuss nebenher zu laufen. Der Ordensbruder stelle sicher, dass Spike nicht zu weit vom Pferd entfernt blieb, indem er immer wieder kräftig an der Leine zog, wodurch Spike immer wieder ins Schwanken geriet und er Mühe hatte auf den Beinen zu bleiben.

Nach ein Paar Metern schien der Ordensbruder dem Triezen müde zu werden und hörte endlich auf an der Leine zu ziehen. Dadurch hatte Spike die Möglichkeit sich ein wenig umzusehen, doch was er sah schockierte ihn zutiefst.

Wo einst einmal stattliche Gebäude standen und vernünftige Straßen waren, befanden sich jetzt nur noch Ruinen und unbefahrbare Wege. Überall konnte man zerstörte Reste einer untergegangenen Zivilisation erkennen. Alte verrostete Autowracks säumten den Weg. Bei wenigen Gebäuden konnte man noch erahnen, welchem Zweck sie früher dienten. Gelegentlich konnte man noch ein Schaufenster erkennen oder auf halbzerstörten Schildern ein paar Buchstaben erkennen.

Sie waren nicht allein auf dem, was einst einmal eine zentrale Straße von Los Angeles war. Mehrere verschiedene Dämonenarten waren hier zu sehen, doch nicht eine einzige Menschenseele. Spike erschauderte bei dem Gedanken, dass vielleicht die ganze Welt nun so aussehen könnte. Er konnte nur hoffen, dass es an andern Orten erfolgreichere Kämpfer als ihn gegeben hatte.

Spike trottete weiter neben dem Pferd her, während er sich überall genau umsah, in der Hoffnung irgendwo etwas zu sehen, das ihm den Glauben gab, dass nicht die ganze Stadt verloren war. Ihr Weg führte sie durch bessere Gegenden, in denen viele Gebäude noch erhalten waren, doch auch hier wirkte die Stadt von jeglicher menschlicher Zivilisation wie ausgestorben. Sie kamen auch durch Viertel, die vollkommen zerstört waren und wo der Weg über Hügel aus Trümmern und Schutt führte.

Spike spürte das leichte Kribbeln, das ihm sagte, dass sehr bald die Sonne am Horizont erscheinen würde. Er konnte nur hoffen, dass dieser Sklavenmarkt nicht mehr sehr weit entfernt wäre, sonst würde er dort als Staubhaufen ankommen. Gerade, als er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, lenkten die Ordensbrüder ihre Pferde in eine Seitengasse und stiegen dort ab. Einer der Drei blieb bei den Pferden zurück, während die beiden anderen tiefer in die Gasse gingen, Spike an der Leine mitziehend.

Sie verließen die Seitengasse und überquerten einen großen Platz, der erstaunlich sauber wirkte. Sie hielten direkt auf eine große Eingangspforte zu, was früher scheinbar der Eingang zu einem bedeutenden Gebäude war, welches noch recht gut erhalten wirkte. Die Ordensbrüder wurden von Wachposten aufgehalten und nachdem sie erklärten, dass sie ein Objekt zum Verkauf anbieten wollten, wurde ihnen Einlass gewährt.

Ein geschäftig aussehender Kerl kam ihnen entgegen und fragte den älteren Ordensbruder genau über das Kaufobjekt aus. Spike musste sich mit aller Gewalt zusammenreißen, um diesem Kerl, welcher nach seinem Äußeren zu urteilen irgendein Halbdämon war, nicht ordentlich seine Meinung über „Verkaufsobjekte" mitzuteilen.

Der Ordensbruder erklärte, dass Spike ein ziemlich störrischer und schwer zu bändigender Vampir sei, und dass es ihm egal wäre, welchen Preis man für ihn erzielen würde, Hauptsache er würde recht schnell verkauft werden.

Der Halbdämon, der hier scheinbar etwas zu sagen hatte, musterte Spike interessiert. Er trat zu ihm und riss das zerschlissene T-Shirt von seinem Leib, wobei Spike protestierend aufknurrte und den Halbdämon aus goldenen Augen anfunkelte.

Von Spikes Verhalten unbeeindruckt, wandte sich der Halbdämon wieder an den Ordensbruder und erklärte ihm, in welchen Käfig er Spike stecken könne. Und so erhielt Spike wieder einen kräftigen Ruck mit der Leine und man brachte ihn in eine große Halle, in der unzählige Käfige aufgereiht waren, in denen sich gewiss hunderte von Menschen befanden.

Spike erstarrte, als er all die leeren Gesichter dieser Menschen erblickte. Er sah junge Mädchen, die kaum Kleidung trugen und sich in den Ecken ihrer Käfige verkrochen, kräftige junge Männer, deren nackte Körper in Öl eingerieben waren, damit sie besser aussahen, erwachsene Frauen, die zum Teil kleine Babys bei sich hatten und diese schützend an sich drückten, und Kinder, die getrennt von ihren Eltern in extra Käfige gesperrt wurden.

Der Markt schien noch nicht eröffnet zu sein, da es noch früh am Morgen war. Demzufolge waren noch keine Käufer anwesend. Überall in der Halle hörte man wimmernde Geräusche. Die Atmosphäre war bedrückend und Furcht erregend zugleich und zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass als Sklave verkauft werden vielleicht doch keine so gute Sache war.

Man schob ihn schließlich in einen Käfig etwas abseits von den anderen. Die Leine hing nun lose an ihm herab. Der Käfig war gerade mal groß genug, dass er aufrecht stehen und jeweils nicht mehr als zwei Schritte hin und her gehen konnte. Neben ihm waren weitere Käfige, in denen andere Dämonen eingesperrt waren. Offensichtlich war dies hier die Dämonenabteilung.

Irgendwie gefiel ihm diese ganze Sklavenmarkt-Sache überhaupt nicht. Er trug noch immer dieses verfluchte Halsband und so wie es aussah konnte er nur darauf hoffen, dass er bei seinem zukünftigen Käufer eine Fluchtmöglichkeit fand. Blieb nur noch die Frage wer sein zukünftiger Käufer sein würde?

*****

Teil 2

Mittlerweile war es später Nachmittag geworden. Der Markt war gut besucht. Hunderte von interessierten Käufern liefen die Käfige entlang und musterten die Waren. Auch vor Spikes Käfig blieben des Öfteren Interessierte stehen, wobei sich bei Spike nicht selten der Magen umdrehte, wenn er daran dachte, dass eines dieser ekligen Monster ihn als Sklave kaufen könnte.

Neben dem Sklavenmarkt waren hier noch mehrere Attraktionen geboten. Dämonen konnten sich hier alle möglichen Dinge besorgen, die ein Dämon so brauchte. Angefangen von Waffen, bis hin zu allen möglichen Nahrungsmitteln. Außerdem war hier ein gemütlicher Basar, in dem scheinbar angesehene Mitglieder der Stadt ihre Geschäfte abwickelten oder einfach nur Präsenz zeigten.

Die Käfige der Menschen wurden im Laufe des Tages langsam leerer. Oftmals hallten verzweifelte Schreie und lautes Weinen durch die Halle, als, sich liebende Menschen voneinander getrennt wurden. Bei jedem dieser Laute wäre Spike am liebsten aus seinem Käfig gesprungen und hätte sämtlichen Dämonen eine Lektion verpasst. Nur leider konnte er nichts dergleichen tun, also versuchte er alles um sich herum so gut es ging zu ignorieren.

****

Langsam neigte sich der Tag dem Ende zu. Noch immer fand sich kein interessierter Käufer für Spike, weshalb die Ordensbrüder langsam ungeduldig wurden. Sie wollten ihn auf keinen Fall wieder mit nach Hause nehmen, weshalb sie ihre Möglichkeiten besprachen.

Spike saß währenddessen in seinem Käfig und beobachtete ein paar der Dämonenfürsten, die sich im Basar die Bäuche voll schlugen, oder scheinbar wichtige Geschäfte abwickelten. Gelegentlich wurde ein Sklave vor deren Füße gezerrt, damit sich die Herrschaften ihre neu erworbenen Güter betrachten konnten. Die meisten Menschen waren voller Angst und wagten kaum ihre Blicke vom Boden zu nehmen. Manche schienen jedoch mit Situationen wie diesen vertraut zu sein und verhielten sich wie perfekt trainierte Sklaven. Spike konnte es nicht glauben, wie sehr sich die Welt in den letzten Jahren verändert hatte.

Scheinbar schien der Markt zu Ende zu gehen, da nebenan, bei den Käfigen der Menschen, eine rege Aufbruchsstimmung herrschte. Käufer holten ihre Sklaven ab und nicht verkaufte Menschen wurden von ihren Besitzern wieder mitgenommen. Innerhalb einer halben Stunde waren alle Käfige leer. Nur Spike saß als einziger noch gefangen in seiner Zelle.

Irgendwie war er froh, dass sich kein Käufer für ihn gefunden hatte, denn die wenigen dämonischen Interessierten, die vor seinem Käfig stehen geblieben waren, sahen nicht sehr freundlich aus. Andererseits aber wollte er genauso wenig wieder zurück zu den Ordensbrüdern gebracht werden.

Der geschäftig aussehende Halbdämon kam wieder angedackelt und fragte den älteren der Ordensbrüder: „Warum ist euer Sklave noch im Käfig? Der Markt ist geschlossen. Nehmt ihn wieder mit."

„Wir wollen ihn nicht. Können wir ihn nicht hier lassen?" bat der Ordensbruder schon beinahe. Spike kam sich vor wie ein Parasit, den niemand haben wollte. Nicht mal als Sklave ließ er sich verkaufen.

„Hier? Unmöglich. Der nächste Markt findet erst in einem Monat statt", äußerte der Aufseher genervt.

„Na und? Kann er nicht solange hier bleiben? Er ist ein Vampir, er stirbt schon nicht, wenn er mal eine Weile nichts zu fressen bekommt", argumentierte der Ordensbruder.

Spike glaubte sich verhört zu haben. Protestierend rief er seinem Peiniger zu: „Hey du Idiot! Selbst ein Vampir braucht Nahrung zum Überleben. Wie wär’s, wenn ich dich mal einen Monat in einen Käfig einsperre? Du verfluchter Mistkerl!"

Der Ordensbruder brodelte bereits vor Wut. Dieser ganze Tag war der reinste Stress für ihn. Er wollte nichts sehnlicher, als endlich nach Hause reiten und in sein Bett fallen. Nur, dass er leider kein Bett mehr hatte.

Spike ignorierend, redete er bittend auf den Aufseher ein: „Wollen Sie ihn nicht haben? Wir schenken Ihnen den Vampir. Er ist sehr stark. Er wäre gut als Lastentier zu gebrauchen. Oder vielleicht haben Sie Lust ihn als Folterobjekt zu verwenden? Seine Wunden heilen sehr schnell, sodass man ihn auf vielerlei Arten quälen kann. Was sagen Sie? Wollen Sie ihn nicht nehmen?"

Als Spike dies hörte, starte er ungläubig auf die verhandelnden Dämonen vor seiner Zellentüre. Er wollte auf gar keinen Fall als Folterobjekt enden! Er war schon kurz davor dem Ordensbruder seine Meinung mitzuteilen, als der Aufseher meinte: „So was widerspenstiges wie den kann ich nicht brauchen. Heutzutage gibt es viel bessere Sklaven, als den hier. Aber wenn Sie ihn unbedingt loswerden wollen, kann ich versuchen ihn auf dem Basar zu versteigern. Vielleicht haben Sie Glück und es findet sich dort ein Käufer. So spät am Abend sind viele Besucher in Spiellaune. Nehmen Sie ihn mit und folgen Sie mir."

Von dieser Aussage begeistert, öffnete der Ordensbruder den Käfig und packte sich Spikes Leine. Spike wollte gar nicht wissen, was der Aufseher mit Spiellaune gemeint hatte. Und er wollte ganz bestimmt nicht vor den Augen zahlreicher Dämonen wie ein Stück Vieh vorgeführt und versteigert werden.

Er versuchte seinem Schicksal zu entrinnen und tat etwas, das er gegenüber den Ordensbrüdern noch nie getan hatte. Er versprach Besserung: „Hey, warum vergessen wir nicht einfach die ganze Sache mit den Möbeln? Ich werd’s auch nie wieder tun. Also warum gehen wir nicht einfach wieder nach Hause?"

Der ältere Ordensbruder ignorierte ihn vollkommen und zog ihn weiter in Richtung Basar. Spike wehrte sich dagegen und sträubte sich gegen die Leine. Er wollte sich nicht wehrlos zur Schau stellen lassen.

Der Ordensbruder funkelte ihm streng entgegen und zog ruckartig an der Leine, sodass Spike das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Fluchend versuchte Spike sich wieder zu erheben, was ohne Hände so gut wie unmöglich war. Der Ordensbruder packte ihn grob am Halsband und schleifte ihn schließlich regelrecht in den Basar. Spike strampelte vergeblich mit den Beinen, um sich aufzurichten, doch er schaffte es nicht. Schließlich ließ der Ordensbruder ihn in der Mitte des Basars auf dem Boden fallen.

Aus seiner liegenden Position konnte Spike die Gesichter zahlreicher Dämonen sehen, die ihn amüsiert musterten. Scheinbar hatte hier jeder einen Mordspaß ihn am Boden liegend zu betrachten.

„Meine verehrten Herrschaften, ich bitte um Aufmerksamkeit", begann der Aufseher des Sklavenmarktes die Dämonen auf sich zu lenken. „Hier bieten wir Ihnen ein wirklich besonderes Exemplar zum Verkauf an. Es ist ein Vampir und ein äußerst widerspenstiger noch dazu. Er taugt allenfalls für schwer körperliche Arbeiten oder als einfaches Spielobjekt. Gewiss findet jemand der Herrschaften eine Verwendung für dieses wertlose Stück Fleisch. Wer möchte ein Gebot abgeben?"

Allgemeine Stille herrschte in dem Basar. Selbst hier schien niemand an Spike interessiert zu sein, was langsam an seinem Ego nagte. Mühevoll schaffte er es schließlich, sich aufzurichten und sah sich in dem Kreis der Dämonen ein bisschen genauer um. Keiner der hier Anwesenden könnte es in einem fairen Kampf wirklich mit ihm aufnehmen. Und erneut wünschte er sich, er wäre nicht durch dieses verfluchte Halsband gezwungen alles mit sich geschehen zu lassen. Voller Abscheu und ohne den geringsten Respekt, blickte er in die Gesichter der Dämonen und wartete darauf, welcher von ihnen als erster ein Gebot abgeben würde.

„Ich biete zehn Dollar", kam schließlich das erste Gebot. Nur zehn lumpige Dollar? Spike fuhr entrüstet herum und suchte nach dem Mistkerl, der es wagte nur zehn lumpige Dollar zu bieten. Es war ein kleiner unscheinbarer Dämon, mit einem grünen Gesicht, was Spike unweigerlich an Lorne erinnerte. Nur leider war es nicht Lorne.

Der Aufseher schien mit diesem Gebot auch nicht sehr zufrieden zu sein und fragte brüskiert in die Runde: „Was? Nur zehn Dollar? Ich erinnere mich noch an Zeiten, wo Vampire mehrere tausend Dollar einbrachten. Ist denn niemand hier, der die Vorzüge eines Vampirsklaven zu schätzen weiß? Ist niemand hier, der mehr als zehn Dollar bietet?"

Spike fragte sich welche Art von Vampire früher als Sklaven verkauft worden waren? Ob Angel vielleicht dieses Schicksal ereilte? Vielleicht hatte man ihn auch als Sklave verkauft? Gewiss haben sich bei Angel die Bieter regelrecht überschlagen. Obwohl es absolut absurd war, fühlte er eine gewisse Eifersucht auf seinen alten Erzeuger. Schließlich war er mindestens genauso viel Wert, wie Angel.

Eine weitere Stimme ertönte: „Meine Herrin bietet eintausend Dollar!"

Ein erstauntes Raunen fuhr durch den Basar. Spike blickte sich nach dem Bieter um und erkannte einen stramm stehenden jungen Mann, der eindeutlich menschlich war. Mit stolz erhobenem Haupt blickte er entschlossen zum Aufseher, ohne die geringste Furcht, von der man meinen sollte, dass ein Mensch allein unter dutzenden Dämonen sie haben müsste. Doch scheinbar war dessen Herrin eine sehr angesehene Persönlichkeit, denn niemand wagte sich zu nah an den Mann heran. Spike versuchte zu erahnen, wer diese ominöse Herrin wäre, doch nichts deutete auf deren Identität hin.

Der Aufseher schien mindestens so überrascht wie alle anderen Dämonen und erwiderte rasch: „Ich wusste doch, dass hier jemand mit Geschmack anwesend ist. Verkauft an die göttliche Herrin Illyria."

Spike erstarrte, als er den Namen hörte. Illyria war hier? Sie hatte ihn gekauft? Was hatte dies zu bedeuten?

Der Mann, der für seine Herrin das Gebot abgegeben hatte, trat näher und überreichte dem Aufseher die eintausend Dollar. Dann trat er direkt vor Spike. Dieser funkelte ihm argwöhnisch entgegen. Spike schätze den Mann auf keine dreißig Jahre. Er war einfach, aber ordentlich gekleidet. Und er zeigte nicht die geringste Furcht.

Der Mann griff in seine Hosetasche und kramte ein Tuch hervor, dass er Spike wie einen Knebel um den Kopf band. Spike wehrte sich gegen diese Behandlung, doch eine starke Hand legte sich von hinten um sein Halsband und zwang ihn, still zu halten. Wütend fluchte er auf, doch wegen des Knebels kam nur ein undeutliches Gemurmel aus seinem Mund.

Der Mann nahm schließlich die Leine entgegen und zog Spike mit sich. Spike wehrte sich erneut und sträubte sich gegen die Leine. Der Mann blickte ihn daraufhin mit einem unlesbaren Blick direkt ins Gesicht, worauf Spike sofort inne hielt. Ihm war nicht gänzlich klar, was der Mann mit diesem Blick ausdrücken wollte, doch ein Gefühl sagte ihm, dass er mit ihm mitgehen sollte. Und im Grunde blieb ihm ohnehin nichts anderes übrig, also ließ er sich von dem Mann aus dem Basar führen.

Dort stand Illyria und wartete bereits auf sie. Um sie herum waren mindestens ein dutzend Diener und Gefolgsleute verteilt. Sie trug ein edles dunkelblaues Gewand, das perfekt zu ihren Haaren passte. Ganz ohne Zweifel hatte sie es in der Zwischenzeit zu einer angesehenen Persönlichkeit in der Dämonenwelt gebracht. Er hätte es wissen müssen. Selbst damals, als sie Seite an Seite gekämpft hatten, war er sich nie hundertprozentig sicher, ob man ihr vertrauen konnte. Sie war eine selbstherrliche egoistische Göttin, als sie auf die Erde kam und nun schien sie dies wieder zu sein.

Als Illyria sah, wie ihr Diener mit ihrem neu erworbenen Sklaven ankam, wandte sie sich desinteressiert herum und verließ mit samt ihrem ganzen Gefolge das Gebäude. Gefesselt und geknebelt trottete Spike dem jungen Mann nach, der seine Leine weiter fest im Griff behielt. Er fragte sich, was Illyria mit ihm vorhaben würde, wobei ihm ihre damalige Erwähnung wieder einfiel, als sie zu Angel sagte, dass sie Spike als Haustier behalten wolle. Scheinbar schien ihr damaliger Wunsch nun in Erfüllung zu gehen.

Die Heimreise war kürzer als erwartet. Illyria hatte ihr Domizil nur einen Häuserblock weiter. Sofern man halb zerstörte Ruinen als Häuserblock bezeichnen konnte. Sie kamen an eine hohe Mauer, die von außen denselben heruntergekommen Eindruck machte, wie der Rest der Gegend, doch als sie durch das große hölzerne Tor gingen, geriet Spike ins Staunen.

Ein wunderschön angerichteter, und sehr gepflegter Garten erstreckte sich vor ihm. Selbst im Schatten der Nacht konnte er die Herrlichkeit und Vielfalt der zahlreichen Pflanzen erkennen. Liebevoll angelegte Blumenbeete säumten den Weg. Begleitet von dezent verteilten Steinen und niedrigen Sträuchern. Links und rechts waren zwei parallel angelegte Wasserbecken. Zwischen den großen Blättern der Seerosen konnte er die gold glänzenden Farben zahlreicher Fische erkennen. Es wirkte wie eine kleine Version eines prunkvoll angelegten Palastgartens.

Der schmale Weg führte geradewegs zu einem großen Gebäude, dessen gesamte Fassade von wild wachsendem Efeu bedeckt war. Nur dort wo die Fenster waren, hatte das Blättermeer Aussparungen. Bevor Illyria ihr Haus betrat, verließ sie kurz den schmalen Weg, wodurch Spike von seiner hinteren Position aus beobachten konnte, wie sie zu einem jungen Baum ging und dort ihre Hand durch das Blätterdach streifen ließ. Es wirkte, als würde sie mit dem Baum sprechen.

Und erst da fiel Spike ein, dass Illyria anfangs die Gabe hatte mit Pflanzen zu reden, doch sie hatte diese verloren, als ihr Zustand instabil geworden war. Nun fragte er sich unweigerlich, ob sie ihre alten Kräfte wieder zurückerlangen konnte, was eine Erklärung für dieses luxuriöse Heim wäre.

Schließlich betrat Illyria samt ihrem Gefolge das Haus und Spike konnte einen Eindruck des Inneren bekommen. Auch hier wirkte alles wie ein prunkvoller Palast, nur dass es etwas schlichter und in edlerem Stil eingerichtet war, als die früheren Könighäuser der Menschen. Kalter dunkler Marmor bedeckte den Boden. Aufwendig angelegte Stuckarbeiten verzierten die Decken, während die Wände kahl und reinweiß gehalten waren.

Spike verrenkte sich beinah den Kopf, als er entlang der Decke die zahlreichen blassen Skulpturen bestaunte, welche miteinander kämpfende Engel und Teufel darstellten. Es war das ungewöhnlichste und zugleich schönste, was er jemals gesehen hatte.

Man führte ihn in einen kleinen Saal, wo er kaum überrascht war, als er am Ende des Saals eine Art Thron vorfand, wo Illyria ihren Platz einnahm. Ihm fiel plötzlich auf, dass das Gefolge weniger geworden war. Als er die Stuckarbeiten bestaunt hatte, musste ihm entgangen sein, dass manche von Illyiras Dienern im Haus verschwunden waren.

Neben Illyria stand ein etwas wichtig aussehender Dämon, mit einem dunkelgrünen, verschrumpelten Gesicht, roten Augen und kleinen gelben Hörnern, der Spike nun skeptisch musterte. Zu dessen Füßen kniete ein junges Mädchen, das einen traurigen Eindruck machte. Spike zerrte probehalber an seinen Ketten, nur um zu sehen, ob er sie im Notfall sprengen könnte. Er musste irgendwas tun, um sich zu beruhigen, denn diese ganze Situation fing an, ziemlich an seinen Nerven zu nagen.

Zu Illyria gerichtet, meinte der Dämon schließlich: „Ich verstehe wirklich nicht, warum Ihr diesen Sklaven kaufen musstet. Er sieht mir nicht sonderlich wertvoll aus. Außerdem scheint er ziemlich rebellisch zu sein. Er geht nicht einmal ordentlich vor Euch in die Knie, wie es sich für einen Sklaven gehört. Seid Ihr sicher Ihr wollt ihn behalten?"

Das hätte Spike gerade noch gefehlt. Er dachte nicht einmal im Traum daran, vor Illyria auf die Knie zu gehen! In ihrer typischen überheblichen Art, sprach Illyria zu dem Dämon: „Zweifelst du an meinem Urteilsvermögen?"

„Aber nein, Eure Hoheit, das würde ich niemals wagen. Ich gab damit nur meine persönliche Meinung kund", versuchte sich der Dämon schnell herauszureden.

„Mich interessiert deine Meinung nicht. Deine Gegenwart langweilt mich. Lass mich allein."

„Jawohl, Gnädigste", erwiderte der Dämon mit einem tiefen Knicks und eilte rasch aus dem Saal. Dicht gefolgt von dem jungen Mädchen, das Spike einen heimlichen Blick zuwarf, als sie an ihm vorbei kam.

Nachdem der Dämon verschwunden war, erhob sich Illyria von ihrem Thron und trat zu Spike. Sie nahm ihm den Knebel aus dem Mund und besah ihn sich von allen Seiten. Dann stellte sie fest: „Die weißen Haare sind gegangen, aber du bist das Halbblut, das an Angels Seite kämpfte."

Mit Wehmut erinnerte sich Spike an seine weißblonden Locken, die man ihm abrasiert hatte. Die Fellbrüder scherten ihn in regelmäßigen Abständen, sodass nur noch wenige Millimeter Haarpracht auf seinem Kopf vorhanden war.

Ohne den geringsten Respekt, antworte Spike kaltschnäuzig: „Und du hast unsere Sprache noch immer nicht richtig gelernt, was?"

„Du würdest dich wundern, wie viel ich in den letzten Jahren gelernt habe", erwiderte Illyria mit einem feinen Lächeln und einem kurzen Blitzen in ihren blauen Augen, was Spike erahnen ließ, dass sie damit nicht nur sprachliche Dinge meinte.

„Yeah, wie ich sehe hast du es weit gebracht. Aber glaube nicht, dass ich vor dir kriechen werden, wie ein räudiger Köter, nur weil du tausend Dollar für mich gezahlt hast", stellte er von Vornherein klar.

Illyria gab ihrem Diener ein Zeichen, worauf dieser Spike die Ketten von den Handgelenken abnahm, und gleich darauf, zu Spikes großer Überraschung, auch das Halsband entfernte.

Vollkommen perplex sah er zu Illyria, da er mit so etwas nicht gerechnet hatte. Erklärend sagte diese: „Du bist frei, du kannst gehen, wann du willst. Jermyn wird dir etwas Sauberes zum Anziehen geben und falls du Hunger hast, kannst du Blut haben."

Etwas sprachlos meinte Spike nur: „Fein."

Illyria verstand dies als eine Akzeptanz ihrer angebotenen Dinge und gab Jermyn erneut ein Zeichen, damit er ihre Wünsche erledigen würde, worauf dieser sofort des Weges schritt. Spike freundlich zunickend, wollte auch Illyria sich entfernen, worauf Spike ihr nachrief: „Hey, warte! War das etwa alles? Du bietest mir Blut und etwas zum Anziehen an und dann kann ich gehen?"

Illyria legte ihren Kopf leicht schräg, wie sie es immer tat, wenn sie etwas verwirrte und fragte dann: „Ist etwas davon nicht richtig? Wolltest du nicht frei sein?"

„Doch natürlich, aber…" Spike stockte, weil er selbst nicht genau wusste, womit er nicht zufrieden war, denn eigentlich wollte er genau das, was Illyria ihm gerade bot und nicht mehr. Dann aber fiel ihm ein lang gegebenes Versprechen wieder ein und selbst wenn es nie wirklich in Worte gefasst worden war, so war es dennoch ein Versprechen und er wollte es einhalten, weshalb er, nach langem Zögern, endlich zu Ende sprach: „… was ist mit Angel?"

Illyria antwortete nicht sofort. Ihr Blick blieb ausdruckslos und verriet ihre Gefühle nicht, dennoch fühlte Spike, dass etwas nicht in Ordnung war, bis sie ihm schließlich antwortete: „Angel ist verloren. Du kannst ihm nicht helfen."

Danach wollte Illyria sich entfernen, doch Spike hechtete ihr nach und hielt sie auf, indem er sie am Arm packte und grob zu sich zog. Illyira bewegte sich daraufhin so schnell, dass selbst Spike es mit seinen Augen nicht verfolgen konnte. Sie wirbelte herum und stieß ihn zurück, sodass er nach hinten geschleudert wurde.

Prüfend blickte sie ihn an, ihren Kopf wieder leicht schräg legend, und wartete auf eine Reaktion von ihm. Sie musste nicht lange warten. Die Reaktion kam sofort. Spike sprang nach vorn und schimpfte: „Was soll das heißen, er ist verloren? Ist er Staub?"

Illyria zögerte bei ihrer Antwort. Offenbar suchte sie nach den richtigen Worten, was Spike ungutes erahnen ließ und wobei er feststellen musste, dass der Gedanke, dass sein alter Sire tot sein könnte, nicht gerade zu den angenehmsten Gedanken zählte. Besser gesagt ängstigte es ihn irgendwie, weshalb er ungeduldig auf eine Antwort wartete.

„Er ist nicht tot", antwortete sie nun endlich und Spike merkte, wie die Anspannung wieder von ihm wich, von der er gar nicht bemerkt hatte, dass sie da war.

„Wenn er nicht tot ist, dann ist er auch nicht verloren. Warum hast du ihn nicht gerettet, wenn du so groß und mächtig bist?" klagte er sie an.

„Er ist jetzt Sklave des Erzherzogs Sebassis. Des Herrschers über diese Stadt. Der Begründer des neuen Kreises und Verbündeter mit den Seniorpartnern. Zu versuchen ihn zu retten wäre Selbstmord. Außerdem ist er nicht mehr der Angel, den du kanntest", erklärte sie ihm in ruhigen Worten.

„Du würdest dich wundern, wie viele verschiedene Seiten von Angel ich kenne", äußerte er mehr beiläufig, worauf Illyria erneut ihren Kopf schräg legte, da sie nicht recht verstand, was er damit meinte.

Als er ihre fragende Miene erkannte, fügte er hinzu: „Ist nicht so wichtig. Es reicht, wenn du mir glaubst, dass ich ihn schon in vielen Situationen gesehen habe. Ich glaube nicht, dass er verloren ist und um Sebassis scher ich mich einen Dreck. Ich werde einen Weg finden, um Angel da raus zu holen."

„Du willst dein Leben riskieren, um ihn zu retten?" fragte Illyria verwundert nach.

„Nein will ich nicht, aber ich werd’s trotzdem tun. Wir haben’s uns versprochen und ich halte meine Versprechen, also yeah, ich werd mein Leben riskieren, wenn’s sein muss. Ich kann verstehen, wenn du dich da raushalten willst. Ich bin dir schon dankbar, dass du mich aus diesem Drecksloch befreit hast. Aber könntest du mir wenigstens zeigen wo ich Angel finden kann?"

Jermyn kam wieder im Saal an und hatte ein paar Kleidungsstücke bei sich. Spike reagierte jedoch nicht, da er noch immer auf eine Antwort von Illyria wartete. Diese blickte nachdenklich zu Jermyn, als würde sie in ihm die Antworten finden, die sie suchte.

Schließlich blickte sie zurück zu Spike und sagte: „Nächste Woche findet ein Bankett statt. Alle Mitglieder des neuen Kreises und viele angesehene Dämonenführer sind dort eingeladen. Ich werde ebenfalls dort sein. Du kannst mich begleiten. Jedem Gast ist es gestattet, sein persönliches Haustier mitzunehmen."

„Teufel auch! Ich werde nicht als bescheuertes Haustier neben dir herlaufen!" fluchte Spike, ehe sie mehr sagen konnte.

Ein feines Lächeln erschien daraufhin auf ihren Lippen, das Spike sehr stark an Fred erinnerte und schmerzhafte Erinnerungen hervorrief. Dann fügte sie hinzu: „Das Bankett findet beim Erzherzog statt. Dort wird auch Angel sein. Wenn du ihn sehen willst, dann musst du mich begleiten. Als mein Haustier. Niemand sonst kommt lebend in das Gebäude."

Damit schien kein Platz für Diskussionen zu bleiben, was sich Spike schmerzlich eingestehen musste. Mit leidender Miene blickte er zu Jermyn, der noch immer geduldig eine kleine Auswahl an Kleidungstücken für Spike bereithielt, wobei ihm erfreut auffiel, dass es sich genau um seinen Klamottenstil handelte.

Verwundert blickte er zu dem jungen Mann und fragte sich woher dieser wusste, dass er auf schwarze Baumwoll-T-Shirts und schwarze Lederjeans stand?

Jermyn hatte noch immer diesen furchtlosen und geradlinigen Blick auf, als er zu Spike meinte: „Es ist halb so schlimm, wie es sich anhört."

„Huh?" erwiderte Spike fragend, weil er nicht verstand, wovon der Mann redete.

Erklärend sagte Jermyn: „Solche Banketts sind in der Regel recht langweilig. Die Dämonen sitzen nur herum und unterhalten sich über ihre Geschäfte, während ihre Sklaven sich unauffällig im Hintergrund verhalten. Sie bringen ihren Herrschaften zu Essen und zu Trinken und es gibt viele Gelegenheiten sich mit anderen zu unterhalten. Je später die Stunde, desto ausgelassener ist die Gesellschaft. Und desto leichter wird es für dich sein mit Angel zu sprechen. Falls er dich überhaupt wahrnimmt."

Spikes Blick wanderte etwas verwirrt zwischen Illyria und Jermyn hin und her, bis er den jungen Mann schließlich mit hochgezogener Augenbraue fragte: „Du bist also ihr Haustier?"

„Offiziell ja", erklärte dieser frei raus.

„Und inoffiziell?" fragte Spike sofort.

Worauf Illyira einwarf: „Er ist das heilige Gefäß, dass du den Fellbrüdern geraubt hattest. Nachdem man dich und Angel zu Sebassis brachte, sorgte ich dafür, dass die Bruderschaft das Baby nicht wieder fand. Die Mutter wurde getötet, also kümmerte ich mich um ihn. Für mich ist er das, was ihr einen Sohn nennt."

Dies überraschte Spike nun sehr, weshalb sein Blick erneut zwischen Illyira und Jermyn wechselte. Offensichtlich hatte er Illyria unterschätzt und was den Jungen betraf, staunte er: „Teufel auch, bist du groß geworden!"

Daraufhin bildete sich zum ersten Mal ein leichtes Lächeln auf Jermyns Lippen und er erwiderte: „Es sind ja auch fünfundzwanzig Jahre her, seit du mich gerettet hast."

Spike bekam langsam das Gefühl, dass bei Illyria aufzuwachsen, vielleicht nicht gerade das Beste war, das dem Jungen passieren konnte. Dieser schien viele verwirrende Eigenheiten von ihr angenommen zu haben. Aber trotzdem fand er ihn unheimlich sympathisch, weshalb er ihn brüderlich auf die Schulter klopfte und meinte: „Okay, Kleiner, dann zeig mir mal, wo ich mich aufs Ohr hau’n kann. Ich bin sicher in dieser Luxushütte ist irgendwo noch ein Bett frei."

Jermyn blickte verunsichert zu Illyria zurück, doch als diese ihm bestätigend zunickte, führte er Spike in eines der Schlafzimmer.

Dort legte Jermyn die ausgesuchten Kleidungsstücke auf das Bett, welches mittig an der Wand stand und um ein vielfaches luxuriöser war, als Spikes Schlafstätte in den letzten Jahren und stellte ein paar passende Schuhe auf dem Boden ab.

Von dem exquisiten Zimmer sofort begeistert, ließ Spike sich auf die Matratze fallen und seufzte zufrieden auf. „Endlich wieder ein richtiges Bett", murmelte er erleichtert.

Als Jermyn das Zimmer wieder verlassen wollte, rief Spike ihm nach: „Halt warte! Ich muss dich noch was fragen."

Daraufhin wandte sich Jermyn wieder um und wartete ohne Kommentar darauf, was Spike fragen wollte. Unverkennbar war dieser Junge von einer ziemlich wortkargen Illyria aufgezogen worden, wobei sich Spike ernsthaft fragte, woher Illyria wusste, wie man Kinder großzieht.

„Als du Illyria begleitet hast. Auf solchen Banketten. Hast du Angel da gesehen?" fragte Spike vorsichtig nach.

„Ja, das habe ich", antwortete Jermyn simpel.

„Und?" wollte Spike mehr wissen.

„Und was?" erwiderte Jermyn verständnislos.

„Na was hat er gesagt? Wie geht es ihm? Darf er auch auf dem Boden schlafen, wie ich? Lassen sie ihn genauso hart schuften wie ich es musste? Trägt er auch so ein nettes Halsband? Ich will hoffen, dass er das tut, denn wenn nicht und er sitzt da nur auf seinem faulen fetten Hintern, dann kann er was erleben!" brabbelte sich Spike in Rage.

Mit ernstem Blick antwortete Jermyn: „Ich weiß nicht wo er schläft. Und ich weiß auch nicht, was zu seinen täglichen Arbeiten zählt. Ich weiß, dass er sich nicht mehr an Illyria erinnern kann und auch nicht mehr an sich selbst. Sebassis hat ihn einer Art von Gehirnwäsche unterzogen. Von ihm ist nichts weiter übrig, als eine leere Hülle, die die Befehle seines Herrn wahrnimmt."

Entsetzt starrte Spike ihn an. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit so was. Er konnte nicht glauben, dass jemand es geschafft hatte, seinen alten Sire so zu brechen. Nicht einmal der Meister, das alte Rattengesicht, hatte es geschafft Angelus zu brechen. Er konnte es einfach nicht glauben. Und was ihn am meisten schmerzte, war der Gedanke daran, dass Angel auch ihn vergessen haben könnte.

*****

Teil 3

Nachdem Jermyn ihn in seinem neuen Zimmer allein ließ, sah sich Spike etwas genauer um. Er entdeckte ein angrenzendes Badezimmer und stellte dabei erfreut fest, dass es hier warmes fließendes Wasser gab. Sofort entledigte er sich von den spärlichen Resten seiner Jeans und genehmigte sich den Luxus einer heißen Dusche.

Er stöhnte überwältigt auf, als das heiße Wasser seinen verspannten Muskeln schmeichelte. Es war ewig her, als er zuletzt so etwas Wundervolles fühlen konnte. Das Wasser einfach nur seinen Körper herab prasseln lassend, lehnte er sich an die geflieste Badezimmerwand und entspannte sich.

Angels Zustand kam ihm plötzlich wieder in den Sinn und er fragte sich, ob es wirklich stimmte, dass dieser sein Gedächtnis gänzlich verloren hatte. Irgendwie wollte er dies einfach nicht glauben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Sire ihn nicht mehr erkennen würde. Ihn hassen ja, aber nicht ihn nicht kennen. Der Gedanke daran beunruhigte ihn auf seltsame Art und Weise, weshalb er versuchte sich auf andere Dinge zu konzentrieren und sich fertig duschte.

Nach der ausgedehnten und entspannenden Dusche freute sich Spike auf ein richtiges anständiges Bett. Er machte sich nicht die Mühe sich vollkommen trocken zu rubbeln, sondern legte sich sofort auf die angenehm weiche Matratze. Leicht schimmernde Nässe benetzte seine nackte Brust und löste ein angenehm kühles Kribbeln aus, das nach der heißen Dusche eine erfrischende Abkühlung bot. Es dauerte schließlich nur wenige Sekunden, bis Spike in einen lange notwendigen Schlaf driftete.

*****

Spike schreckte von seinem Schlaf hoch, als er eine Hand an seiner Schulter spürte. Sofort knurrte er auf, wie er es in den letzten Jahren jeden Morgen gemacht hatte, bis er endlich bemerkte, dass er nicht mehr in seiner spärlichen Zelle lag, sondern in einem angenehm weichen Bett.

Jermyn war gekommen, um ihn zu wecken und stand nun mit einem kleinen Sicherheitsabstand neben dem Bett. Als Spike so plötzlich aufgeknurrt hatte, war er sicherheitshalber einen Schritt zurückgegangen.

„Morgen", grüßte Jermyn den Hausgast, ohne den Blick von Spikes nacktem Körper abzuwenden. Scheinbar kannte der Junge so etwas wie natürlichen Anstand nicht, stellte Spike in Gedanken fest, während er ein murmelndes „Morgen", erwiderte.

„Es tut mir leid, dass ich dich so früh geweckt habe, doch es gibt ein paar Dinge, die ich mit dir besprechen muss, bevor du anfängst hier im Haus herumzulaufen", erklärte der junge Mann sachlich.

„Huh?" meinte Spike wortkarg, da er noch etwas verschlafen war, während er aufstand und sich eine der bereitgelegten Jeans aussuchte, die passen könnte. Zwar hatte er gewiss den besten Schlaf seit Jahren gehabt, doch irgendwie fühlte er sich wie erschlagen. Scheinbar hatte er zu gut geschlafen.

Jermyn beobachtete ihn ausdruckslos und erklärte: „Der Dämon, den du gestern bei Illyria gesehen hast, nennt sich Moryghes. Er ist ein angesehenes Mitglied der Dämonenbevölkerung. Er kommt von weit außerhalb der Stadt und hat sich hier bis zu dem großen Bankett einquartiert. Da er ein guter Freund von Sebassis ist, konnte Illyria ihn nicht abweisen. Er wohnt also bis nächste Woche hier. Für ihn bist du Illyrias neuer Sklave und er würde es gewiss nicht gut heißen, wenn du hier im Haus frei herumläufst. Dies war auch der Grund, warum ich dir gestern Abend den Knebel anlegen musste. Wir wollten nicht riskieren, dass er bemerkt, dass wir uns kennen."

„Soll das heißen ich kann das Zimmer nicht verlassen?" erwiderte Spike missgestimmt.

„Nicht solange du nicht gelernt hast, dich wie ein Sklave zu benehmen", erklärte Jermyn ruhig.

„Was?" rief Spike geschockt.

„Für das Bankett ist es notwendig, dass du dich wie ein Sklave benimmst. Ich werde dir zeigen, was du zu beachten hast. Bis nächste Woche musst du perfekt sein."

„Vergiss das ganz schnell! Ich werde verflucht noch mal nicht wie ein unterwürfiger Sklave auf den Knien rumrutschen! Auf gar keinen verfluchten Fall! Selbst wenn die Hölle zufrieren würde, würde ich das nicht tun! Nope!"

„Du musst lernen, dich wie ein Sklave zu benehmen", wiederholte Jermyn simpel, wie eine unumgängliche Sache.

„Du verstehst das nicht. Die Fellbrüder haben es in fünfundzwanzig Jahren nicht geschafft einen gehorsamen Sklaven aus mir zu machen, also wirst du es ganz sicher nicht in einer Woche schaffen!" schnaubte Spike widerspenstig.

„Dann sollten wir am besten sofort mit dem Training beginnen, denn wenn wir es nicht schaffen, dich als glaubwürdigen Sklaven auszugeben, wirst du nicht die Chance bekommen mit Angel zu sprechen, und du wirst uns alle in große Gefahr bringen. Sebassis kennt dich. Wenn er auf dich aufmerksam wird und er dahinter kommt, was du vorhast, wird er uns alle töten lassen."

Wütend funkelte Spike ihn an. Selbst ein ausgewachsener Dämon würde Spikes momentanem Blick auf Dauer nicht standhalten können. Jermyn jedoch erwiderte den kühlen Blick ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

„Also gut. Zeig mir, was ich wissen muss", gab sich Spike schließlich geschlagen. Er müsste es ja nur für einen Abend lang tun, also konnte es nicht so schlimm sein. Dachte er sich.

****

Bereits zum dritten Mal erklärte Jermyn ihm, wie Spike sich auf korrekte Weise neben Illyria aufstellen sollte. Auf den Knien, die Hände hinter dem Rücken, um zu zeigen, dass er keine Bedrohung wäre, und den Blick zu Boden gesenkt, um seine Unterwürfigkeit darzustellen. Sobald Jermyn mit der flachen Hand an die Seite seines Oberschenkels klopfte, sollte Spike zu ihm kommen und sich auf korrekte Weise neben ihn hinknien.

Immer wieder korrigierte Jermyn seine Haltung. Immer wieder erklärte er ihm die Wichtigkeit jeder einzelnen Geste und deren Bedeutung.

Spike sträubte sich mit jeder Zelle seines Körpers dagegen, weshalb es schließlich den ganzen langen Vormittag dauerte, bis Jermyn mit Spikes Grundstellung zufrieden war. Dabei war dies erst die Spitze des Eisbergs. Vor ihnen lag noch ein hartes Stück Arbeit und Spikes widerspenstiges und launisches Verhalten machte es ihnen nicht leichter.

Gegen Mittag versuchte Jermyn ihm zu erklären, wie er Illyria Essen und Trinken an den Tisch reichen sollte. Jermyn saß auf einem Stuhl während Spike üben sollte, wie man seinen Herrn korrekt bediente. Dies bewirkte zum einen, dass Spike hungrig wurde und zum anderen, dass seine Laune noch weiter sank. Er hatte keine Lust auf dieses Training und er hatte schon gar keine Lust, all diese Dinge zu lernen.

Spike unterbrach Jermyn mitten in seinen Erklärungen und meinte protestierend: „Ich habe Hunger. Sagte Illyria nicht ich kann Blut haben? Warum machen wir nicht eine Pause und du holst mir einen kleinen Imbiss?"

Jermyn ließ sich äußerlich nicht anmerken, wie sehr es ihn ärgerte, dass Spike nicht richtig aufpasste. Mit ruhiger, aber bestimmter Art antwortete er: „Du bekommst Blut, sobald du gelernt hast, wie man seinem Herrn korrekt bedient."

„Verfluchte Hölle, wer zur Hölle bist du? Mein beschissener Lehrer? Ich habe deinen in windeln liegenden Arsch gerettet, also zeig verdammt noch mal ein bisschen Dankbarkeit und gib mir was zu trinken!" meinte Spike lauter und aufgebrachter, als er es eigentlich wollte. Das ganze unterwürfige Gehabe, das er auflegen musste, nervte ihn zutiefst, weshalb er unausstehlich wurde.

„Du bekommst Blut, wenn du gelernt hast", erwiderte Jermyn unbeeindruckt und auf eine Art, die von Illyria persönlich stammen könnte.

„Ich habe keine Lust auf diesen ganzen Mist! Hörst du? Ich will nicht mehr! Vergessen wir das Ganze. Soll Angel meinetwegen in der Hölle verrecken, ich werde das hier nicht mehr länger mitmachen", rief Spike entnervt.

„Ist das dein letztes Wort?" fragte Jermyn äußerlich unberührt, während er innerlich enttäuscht war. Er hätte Spike mehr Durchhaltevermögen zugetraut. Schließlich war Spike für ihn immer so etwas wie ein Held. Doch seine romantische Vorstellung von seinem einst edlen Lebensretter zerfiel bei Spikes augenblicklichem Anblick zu Staub.

„Yeah, worauf du wetten kannst", brummte Spike mürrisch.

„Wie du willst", sagte Jermyn, erhob sich von dem Stuhl, schob den Ärmel seines Hemdes zurück und reichte Spike sein Handgelenk. „Hier dein Blut", kommentierte er, nachdem Spike ihn nur verwundert ansah.

„Ich soll von dir trinken?" fragte Spike verwirrt.

„Möchtest du lieber das Blut von einem der Hausmädchen?", erwiderte Jermyn, wobei diesmal eine leichte Enttäuschung in seiner Stimme mitschwang, die Spike nicht entging und weshalb er sofort berichtigte: „Nein, das wollte ich damit nicht sagen. Ich dachte nur ihr hättet vielleicht etwas Tierblut auf Vorrat hier?"

„Tierblut ist schwer zu bekommen. Wir alle hier sind Vegetarier. Du kannst entweder von mir trinken, oder von einem der anderen Diener im Haus. Ich habe bereits eins der Mädchen nach Blutvorräten geschickt, aber ich kann nicht sicher sagen, wie lange es dauert, bis wir es bekommen. So etwas wie Schlachthöfe gibt es schon seit Jahren nicht mehr. In diesem Stadtviertel gibt es kaum Vampire, weshalb es schwerer ist Blut zu beschaffen", erklärte Jermyn sachlich, während er Spike weiterhin sein Handgelenk darbot.

Bei dieser Erklärung fragte sich Spike ernsthaft, woher die Fellbrüder sein Blut beschaffen konnten, doch er entschied rasch, dass er es nicht wirklich wissen wollte. Er hatte wirklich großen Hunger und das kaum merkliche pulsieren von Jermyns Ader machte es ihm nicht leichter, weshalb er trotz tiefer Bedenken dem Angebot nicht widerstehen konnte, sein Gesicht sich schließlich von selbst verwandelte und er nach Jermyns Arm griff.

Möglichst sanft bohrte er seine Zähne in das warme Fleisch, doch als die ersten Tropfen Blut seinen Gaumen berührten, stöhnte er laut auf und sein Griff verfestigte sich um das Handgelenk. Es war mehr als ein Vierteljahrhundert her, dass er das Blut aus einer pulsierenden Ader trinken konnte, weshalb sein ganzer Körper vor Blutrausch bebte und er in tiefen Zügen trank.

Ein leises Geräusch drang sich durch sein Bewusstsein. Jermyn hatte nur leise aufgestöhnt, doch es reichte, um Spikes Aufmerksamkeit zu erlangen. Spike trank zu schnell und zu viel, weshalb Jermyn schwach auf den Beinen wurde. Sofort löste er sich von dem Handgelenk und stützte Jermyn gerade noch, bevor dieser ins Schwanken geriet.

„Es tut mir leid. Ich wollte nicht so viel nehmen", entschuldigte sich Spike sofort.

„Schon gut. Ich ahnte, dass du gewiss sehr durstig bist. Ich will mich etwas hinlegen und ausruhen. Ich werde morgen wiederkommen", erwiderte Jermyn, während er seinen Stand wieder festigte und sich von Spike löste. Auf leicht schwummrigen Beinen verließ er das Zimmer und ließ einen besorgt dreinblickenden Spike hinter sich.

Mit einem Mal wurde Spike klar, weshalb er sein Blut erst nach seiner Lektion bekommen sollte, denn Jermyn wusste schon vorher, dass er danach etwas Ruhe brauchen würde. Er bekam plötzlich ein ziemlich schlechtes Gewissen, wegen all der Dinge, die er zu Jermyn gesagt hatte und der Art, wie er sich gegenüber dem Jungen benahm.

Außerdem wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er für den Rest des Tages allein in diesem Zimmer gefangen sein würde, weshalb es ihm bereits jetzt anfing zu langweilen.

*****

Spike war schrecklich langweilig. Ruhelos tigerte er im Zimmer auf und ab. Es war inzwischen mehr als 24 Stunden her, seit Jermyn ihn alleine gelassen hatte. Unweigerlich fragte er sich, ob der Junge nach dem Desaster am Vortag überhaupt noch mal kommen würde. Spike hatte versucht nach dieser Sache etwas Schlaf zu finden. Außerdem wollte er sich langsam wieder daran gewöhnen am Tag zu schlafen und nicht während der Nacht. Schließlich war er ein Vampir und Vampire schlafen nun mal tagsüber.

Doch weder am Nachmittag, noch später in der Nacht fand Spike etwas Schlaf. Seine Sorge um Angel und sein schlechtes Gewissen wegen Jermyn ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.

Mittlerweile war es schon nach Mittag und noch immer gab es von Jermyn keine Spur. Er war schon kurz davor das Zimmer zu verlassen, als er endlich hörte, wie jemand an seine Tür trat. Als Jermyn in sein Zimmer kam, war er erleichtert den Jungen wieder zu sehen.

Er lächelte ihm erfreut entgegen und witzelte: „Hey, na endlich! Ich dachte schon ihr wollt mich hier verrotten lassen."

Jermyn legte seinen Kopf leicht schräg, wie Illyria es tat, wenn sie über etwas verunsichert war, reichte ihm einen kleinen Steinkrug und erwiderte nur knapp: „Ich bringe dir dein Blut."

„Danke", sagte Spike freundlich und nahm den Krug entgegen. Es war frisches menschliches Blut und erneut fragte er sich unweigerlich woher das Blut käme. Nichtsdestotrotz trank er in tiefen Zügen, da er sehr durstig war.

Jermyn wollte bereits wieder gehen, als Spike sein Trinken rasch unterbrach und ihm nachrief: „Wo willst du hin? Sollten wir nicht trainieren oder so?"

Wieder legte Jermyn seinen Kopf leicht schräg und fragte: „Was sollten wir deiner Meinung nach trainieren?"

Spike rüstete sich für eine schwierige Aufgabe und stellte den Krug zur Seite. Er war nie besonders gut darin, sich für etwas zu entschuldigen, weshalb er zunächst versuchte das Ganze zu überspielen: „Na du weißt schon. Dieser ganze Sklavenkram. Ich muss doch fit sein für das Bankett."

„Du sagtest du hättest keine Lust mehr auf all den Mist", wiederholte er Spikes Worte. „Also habe ich Illyria gesagt, dass du sie nicht begleiten wirst."

„Na dann sag ihr einfach ich hab meine Meinung geändert", sagte Spike simpel.

„Und wie oft willst du deine Meinung noch ändern? Wir haben nämlich nicht genug Zeit für weitere Meinungs-Änderungen", fragte Jermyn mit ungewohnt viel Emotion, was Spike ein wenig überraschte.

Er erkannte, dass er um eine Entschuldigung nicht herumkam, weshalb er murmelnd sagte: „Hör zu, es tut mir leid, wie ich mich gestern verhalten haben. Ich hatte Hunger und der ganze Sklavenkram ging mir tierisch auf die Nerven. Ich ließ mich in meinem Leben noch nie von jemand beugen. Nicht einmal Angelus hatte das geschafft. Deshalb fällt es mir verdammt schwer den artigen Sklaven zu spielen. Selbst wenn es nur für kurze Zeit ist. Also wirst du mir weiter helfen es zu lernen, auch wenn ich dabei etwas zickig werde? Bitte."

Jermyn dachte kurz über Spikes Worte nach, bis er schließlich nickte und hinzufügte: „Also gut. Ich werde dir helfen. Folge mir, aber halte deinen Blick auf den Boden gerichtet, egal was du auch für Geräusche oder Bewegungen um dich herum wahrnimmst."

Spike blickte Jermyn ein wenig verirrt hinterher, als dieser daraufhin aus dem Zimmer ging und von ihm erwartete, dass er ihm folgte. Fragend meinte er: „Ich dachte ich muss hier bleiben, solange dieser Kerl im Haus ist."

Mit einem feinen Lächeln erklärte Jermyn: „Moryghes hat heute früh das Haus verlassen und wird nicht vor morgen wiederkommen."

„Was? Und warum hat mir das niemand gesagt? Ich hock schon den ganzen Tag in diesem bescheuerten Zimmer und langweile mich zu Tode!" beschwerte sich Spike arg.

Jermyn bezweifelte, dass so etwas überhaupt möglich wäre, schließlich war Spike bereits tot. Mit gewohnt ausdrucksloser Miene erklärte er daher: „Ich legte keinen Wert auf deine Anwesenheit."

„Verstehe", sagte Spike mit leichtem Ärger. Er konnte es Jermyn jedoch nicht übel nehmen, nach all dem was am Vortag passiert war.

„Können wir jetzt anfangen?" fragte Jermyn trocken.

„Meinetwegen", murmelte Spike griesgrämig

Spike folgte Jermyn aus dem Zimmer. Sie gingen den langen Gang entlang, wobei er versuchte seinen Blick, so wie es Jermyn sagte, auf dem Boden gerichtet zu halten, bis dieser ihn mit einem „Halt", stoppte.

Bereits jetzt genervt von dieser Sache, blickte Spike zu Jermyn, welcher nun plötzlich nicht mehr vor ihm, sondern hinter ihm war. Spike hatte sich so auf den Boden konzentriert, dass ihm entgangen war, dass Jermyn die Richtung gewechselt hatte.

„Dein Gang ist miserabel! Du schleppst deinen Körper wie ein Trampel durch die Gegend. Ich dachte Vampire könnten sich lautlos bewegen? Deine Hände gehören hinter den Rücken. Ich sagte du sollst nicht aufblicken, egal welche Geräusche du hörst, das schließt auch mit ein, wenn ich „Halt" rufe. Und du darfst niemals, unter gar keinen Umständen, deinen Herrn aus den Augen verlieren!" tadelte Jermyn ihn streng.

Spike wollte bereits schnaubend protestieren, doch er schluckte seinen Protest hinunter. Er nahm demonstrativ die Hände auf den Rücken und senkte sein Haupt, hielt nun aber Jermyns Beine in seinem Blickwinkel.

„Besser. Nun folge mir weiter", ordnete Jermyn an, worauf er den Gang weiter bis in den Saal ging. Dicht gefolgt von Spike, der sich diesmal wirklich Mühe gab den Anweisungen zu folgen und sich nicht wie ein Trampel zu verhalten.

Später im Saal sollte Spike einem der Dienerinnen des Hauses folgen, während Jermyn seinen Gang und sein Verhalten fest im Auge behielt und zwischendrin immer wieder korrigierte. Auch das Knien übten sie auf diese Weise, indem Spike den Anweisungen der Dienerin folgte, als wäre es seine Herrin und Jermyn darauf achtete, dass er alles richtig machte.

Während des Nachmittags hielten sich mehrere Dienerschaften im Saal auf und auch Illyria kam mehrmals vorbei, um Spikes Fortschritte zu sehen. Jedes mal, wenn Spike dabei aufblickte, ermahnte Jermyn ihn streng. Jeden noch so kleinen Haltungsfehler korrigierte er und ständig nörgelte er an Spikes Gangart.

Bis in den Abend war Spike so genervt, dass er immer mehr Fehler machte und zu murren begann, was Jermyn ihm natürlich ankreidete. Schließlich sahen alle Beteiligten ein, dass es für diesen Tag keinen Zweck mehr hatte, weshalb Jermyn Spike zurück zu seinem Zimmer führte, wobei Spike selbst da auf seine Gangart zu achten hatte.

Er war schließlich unendlich froh, als der ganze Stress vorbei war und er den Tag geschafft hatte. Erschöpft fiel er ins Bett und schlief sofort ein.

*****

Die nächsten Tage vergingen auf ähnliche Weise. Jeweils am frühen Morgen kam Jermyn, um Spike zu wecken und um das Training fortzusetzen. Spike fragte sich allmählich, ob der Junge keinen Schlaf benötigte, denn wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er viel länger schlafen können. Nicht einmal die Fellbrüder hatten ihn so früh geweckt.

Jermyn wusste, wie gefährlich es werden konnte, wenn Spike sich nicht richtig benehmen würde, weshalb er sehr bemüht war aus Spike einen perfekten Sklaven zu machen. Er nahm diese Aufgabe deshalb sehr ernst, gönnte Spike kaum Ruhepausen und schenkte ihm keine Nachsicht. Jegliche Proteste, Gemurre oder Nörglereien des Vampirs ignorierte er mit erstaunlicher Gelassenheit.

Der Tag des großen Banketts rückte bedrohlich näher, weshalb Jermyn beschloss, dass es an der Zeit war, Spikes Erlerntes zu testen. Er erklärte Spike, dass Illyria von einem fremden Dämon besuch bekommen würde. Spike sollte sich dabei beweisen und Illyria als gehorsamer Diener zur Seite stehen. Allein bei dem Gedanken daran drehte es Spike den Magen um.

Bei Übungen war er Illyria inzwischen schon öfter gefolgt und hatte sie bedient, doch dies waren einfach nur Übungen gewesen. Kleinere Fehltritte waren nicht schlimm gewesen und er konnte jederzeit damit aufhören, doch nun sollte es das erste Mal ernst werden und Spike müsste sich wirklich zusammenreißen. Er dürfte keinen Fehler machen. Er hasste es bereits als Jermyn es ihm sagte, weit bevor der angekündigte Gast in der Nähe war.

*****

Teil 4

Illyria betrat ihren Saal, in dem ihr Gast bereits auf sie wartete. Spike folgte ihr auf lautlosen Schritten und achtete dabei, dass ihm kein Befehl seiner Herrin entging. Er trug ein langärmliges schwarzes Hemd und eine seiner schwarzen Jeans. Um den Hals hatte er ein Halsband, wie es alle Sklaven trugen, doch es war nur eine Attrappe und hatte keine magische Gewalt über ihn. Seinen Blick hielt er sorgfältig auf Illyrias Fersen gerichtet, um ihr auf Schritt und Tritt folgen zu können.

Als Illyria zu ihrem Gast trat und diesen freundlich begrüßte, ging Spike leicht rechts hinter ihr auf die Knie. Illyria und der Dämon tauschten ein paar Worte, bis sie ihm einen Platz an der Tafel anbot, welche direkt vor ihrem Thron aufgebaut worden war, damit sie dort mit ihrem Gast gemeinsam ihr Essen einnehmen konnte. Moryghes war an diesem Abend wieder außer Haus, worüber nicht nur Spike sehr froh war. Also blieb die abendliche Gesellschaft bei zwei Personen.

Jermyn war mit ihnen ihm Saal, genauso wie ein paar weitere Dienstboten, die sofort, nachdem die Gäste sich setzten, das Essen herbeiholten. Spike folgte Illyria an die Tafel und ging dann, auf ein Zeichen von ihr hin, neben ihr auf die Knie.

Der Dämon schien von Spikes Anmut angetan und fragte Illyria ein paar Dinge über ihn. Wie lange sie ihn schon hätte und ob sie ihn eventuell auch verleihen würde. Spike musste mit sich kämpfen dem Dämon keinen ordentlichen Schlag ins Gesicht zu verpassen. Er hasste es, dass man über ihn sprach, als wäre er nicht anwesend und noch mehr hasste er es, dass er nichts erwidern konnte.

Er biss sich mental auf die Zunge, damit ihm kein Fluch über die Lippen huschen würde. Mental deswegen, weil er wusste, dass Jermyn ihn genau im Blick hatte und dieser es merkte, wenn er äußerlich nicht den perfekten Gesichtsausdruck aufgesetzt hätte.

Illyria gab ihm ein spezielles Zeichen, worauf er wusste, dass er ihr etwas zu Trinken reichen sollte. Also erhob er sich in einer fließenden Bewegung und holte von einem kleineren Tisch an der Wand einen Krug mit Wein. Mit dem Krug in der Hand trat er an ihre rechte Seite und wartete geduldig, bis sie ihm erlaubte den Wein einzuschenken.

Danach stellte er den Krug wieder zurück und ging wieder neben ihr auf die Knie. Soweit lief alles perfekt. Auch wenn es ihn unheimlich stresste, so schaffte er es, vollkommen geräuschlos und unbeweglich neben ihr zu verharren und wartete weiter auf einen Befehl oder ein Zeichen.

Schließlich bat der Gast um ein spezielles Getränk, das Spike nicht kannte, wobei er innerlich hoffte, dass Illyria ihm einen eindeutigen Befehl geben würde. Zu seiner großen Erleichterung befahl Illyria Jermyn dieses Getränk zu holen, worauf dieser seinen Stehplatz im Hintergrund sofort verließ, um den Wunsch zu erfüllen.

Ohne Jermyns wachsame Augen fühlte sich Spike plötzlich etwas verunsichert, doch er schaffte es weiter, sich vollkommen unauffällig zu verhalten, so wie Jermyn es ihm ihn langer und mühevoller Arbeit beigebracht hatte.

Jermyn kam schließlich zurück, trat rechts an die Seite des Gastes und schenkte ihm das gewünschte Getränk ein. Er schüttete dabei zuviel in das Glas. Dieses fiel daraufhin um und die klebrig rote Flüssigkeit schwappte genau über den Schoß des Gastes.

Der Gast fluchte erzürnt und sprang von seinem Platz auf. Er schimpfte lautstark auf Jermyn ein und nannte ihn einen nichtsnutzigen Tölpel. Als Spike schließlich das Klatschen einer laut schallenden Ohrfeige hörte, konnte er sich nicht länger beherrschen und sprang von seinem Platz auf. Er hechtete mit einem Satz über den großen Tisch und landete genau vor dem Dämon. Mit voller Wucht verpasste er dem Dämon einen kräftigen Faustschlag, sodass dieser quer durch den Saal geschleudert wurde.

Mit vollem Vampirgesicht schritt er auf dem Dämon zu und war entschlossen ihn zu töten, bis er Jermyn rufen hörte: „Halt!"

Spike erschrak vor sich selbst, als ihm bewusst wurde, wie stark er mittlerweile auf dieses „Halt" reagierte, denn sofort, als Jermyn rief, hielt er inne. Als er zu Jermyn und Illyria zurückblickte, begegneten ihm zwei ziemlich genervte Blicke, was gerade bei den Beiden wirklich viel zu sagen hatte.

„Was ist?" fragte er mit erhobenen Schultern.

„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du dich von nichts ablenken lassen darfst? Ganz egal was um dich herum passiert, du darfst dich nicht von deinem Platz bewegen, außer Illyria gibt dir ein Zeichen! Was verdammt ist daran so schwer?" fragte Jermyn, während er an Spike vorbeiging und dem Dämon auf die Beine half.

Spike begriff, dass dies alles nur gespielt war, um ihn zu testen. Und er hatte versagt. Mit unschuldiger Miene verteidigte er sich: „Hätte ich zusehen sollen, wie er dich verprügelt?"

„Ja, das hättest du. Selbst wenn er schlimmeres mit mir gemacht hätte, hättest du dich nicht bewegen dürfen. Ganz egal was auch passiert. Wenn du Angel siehst und jemand tut ihm weh, oder macht andere grausamere Dinge mit ihm, dann darfst du dich nicht von deinem Platz bewegen. Und glaube mir, du wirst grausame Dinge sehen. Ich weiß es genau, denn ich habe es schon oft gesehen", erklärte ihm Jermyn traurig.

Spike schluckte hart, bevor er fragte: „Was hast du gesehen?"

Jermyn zögerte einen Moment, bis er antwortete: „Ich sah wie Sebassis Angel dazu zwang sexuelle Dienste an ihm und an seinen Gästen zu vollbringen."

Spike hatte so etwas zwar geahnt, doch bisher hatte er den Gedanken an solche Dinge erfolgreich verdrängt. Dass dies wirklich wahr sein könnte, war unerträglich für ihn. Um seine Fassung kämpfend, kniff er die Augen zu und wandte sich von Illyria und Jermyn ab. Dies alles nagte stärker an seinen Nerven, als all die vielen Jahre unter der Gewalt der Fellbruderschaft.

Weiter den Rücken zu den beiden anderen gewandt, sagte er kaum hörbar: „Ihr könnt nicht von mir erwarten, dass ich tatenlos dabei zusehe, wie dieses Mistschwein Angel misshandelt."

Illyria meldete sich mit ungewöhnlich sanfter Stimme und sagte: „Wenn du es nicht schaffst, bringst du uns und alles, was Jermyn und ich in den letzen Jahren aufgebaut haben, in große Gefahr."

Spike lachte verbittert auf und erwiderte spöttisch: „Ihr habt also nur Angst um euer kleines Königreich? Angel muss leiden, weil ihr zu feige seid etwas dagegen zu tun und man euch euer kleines Schloss wegnehmen könnte? Ist das also der Grund?"

Illyrias Blick blieb ausdruckslos, als ob sie die verletzende Anschuldigung nicht gehört hätte und sagte ruhig: „Folge mir, und ich werde dir zeigen von welchem Königreich wir hier sprechen."

Spike hatte eigentlich keine Lust mehr Illyria weiter zu folgen. Egal wohin. Dennoch reagierte er auf ihre Bitte und folgte ihr.

Sie führte ihn ins Kellergewölbe des Gebäudes, in einen einzelnen leeren Raum. Dort trat sie an die nackte Kellerwand und legte ihre Hand an die Mauer. Die Wand begann sich plötzlich zu bewegen und wirkte wie ein flüssiges Element. Illyria blickte zu Spike, um ihn wortlos zu bitten, dass er ihr folgen würde, und trat dann geradewegs durch die Wand.

Spike war über Illyrias Künste beeindruckt. Er folgte ihr und erreichte dadurch einen langen unterirdischen Gang. Er wechselte in sein Vampirgesicht, um besser sehen zu können. Illyira wartete auf ihn und als er schließlich auf ihrer Höhe war, gingen sie weiter.

„Wie viele deiner Fähigkeiten hast du zurückerlangt", fragte er die Frage, die ihm schon seit langem auf der Seele brannte.

Illyrias Lächeln glich wieder dem, welches Fred früher hatte, als sie ihm erklärte: „Durch die Erinnerungen, die ich aus Winifred Burkles Dasein habe, fand ich das Wissen ein paar wenige meiner Fähigkeiten zurückzuerlangen. Ich kann nicht durch Dimensionen reisen, aber ich kann Tore innerhalb einer Dimension erstellen. Wie diese Geheimtüre zu diesem unterirdischen Gang. Meine körperlichen Kräfte haben sich ein wenig regeneriert und unter großem Kraftaufwand ist es mir wieder möglich kleinere Zeitverschiebungen zu verursachen. Und die grünen Dinger sprechen wieder mit mir."

„Du meinst die Pflanzen", fragte er nach.

„Ja, die meine ich", erwiderte sie abschließend, als sie an ihrem Ziel angelangt waren. Ein schwerer Vorhang bedeckte einen seitlichen Höhleneingang und als Illyria den Vorhang beiseite hob, konnte Spike ins innere der Höhle blicken. Dort tief unter der Erde waren viele Menschen versammelt. Männer und Frauen. Alte Leute und viele Kinder. Sie alle hatten hier einen sicheren Unterschlupf gefunden.

„In der ganzen Stadt gibt es drei dieser Höhlen. In jeder leben etwa fünfzig bis hundert Menschen. Und wir sind gerade dabei eine weitere solche Höhle in einer anderen Stadt einzurichten. Der Dämon, dem du vorhin die Faust ins Gesicht geschlagen hast, hilft uns dabei. Er ist ein Freund", erklärte Illyria, während sie die Höhle betrat und worauf sofort ein paar Kinder herbeieilten, um sie freudig zu begrüßen.

„Ein Dämon, der Menschen hilft?" fragte Spike skeptisch nach und beobachtete Illyria, wie sie eins der Kinder liebevoll auf den Arm nahm. Doch selbst bei diesem Anblick konnte Spike sich die ehemalige Dämonenherrscherin schwer als Mutterfigur vorstellen.

„Es gibt viele Dämonen, die den Menschen gegenüber freundlich gesinnt waren. Das solltest gerade du wissen. Nach dem Umsturz wurden viele friedliche Dämonenvölker vertrieben oder sogar vernichtet. Es gibt einige von ihnen, die sich uns anschließen würden, wenn wir kämpfen würden."

„Und worauf warten wir dann noch?" wollte Spike wissen, doch er bekam keine Antwort, weil sie plötzlich von dutzenden Menschen umringt waren, die Illyria grüßten und ihn mit ehrfürchtigen Blicken bewunderten.

Eine männliche Stimme rief: „Er ist es. Das ist der Held, von dem Jermyn uns erzählt hat", worauf nun ein aufgeregtes Raunen durch die Höhle fuhr. Viele Menschen traten näher und zahlreiche Hände griffen nach ihm, um ihn zu berühren.

„Held?" meinte er fragend zu Illyria.

„Jermyn hält sehr viel von dir. Du warst sein Lebensretter", erklärte sie ihm.

Ein kleiner Junge stellte sich vor ihm auf und erzählte stolz: „Jermyn hat mir von dem großen Kampf erzählt, in dem du für unsere Freiheit gekämpft hast. Er hat mir erzählt, dass du ihn gerettet hast, als er noch ein Baby war und dass du eines Tages kommen und für uns kämpfen wirst. Ist das wahr?"

Dutzende fragende Augen waren nun direkt auf ihn gerichtet und er spürte, wie er innerlich nervös wurde. Er war ganz sicher kein Held. Zumindest fühlte er sich niemals wie einer. Doch all diese Menschen hier sahen in ihm einen Held und Lebensretter. Ratlos fragte er sich, was er all diesen Menschen sagen sollte?

„Es stimmt, ich war bei diesem Kampf dabei. Ich kämpfte an der Seite meiner Freunde, von denen viele ihr Leben lassen mussten. Ich habe auch Jermyn gerettet, das ist auch wahr. Und falls es jemals zu einem Kampf kommen sollte, werde ich für die richtige Sache kämpfen, selbst wenn ich dabei draufgehen würde." Noch während er die Worte sprach, wurde ihm klar, wie wahr sie waren. Falls es wirklich einen neuen Kampf geben würde, würde er wieder kämpfen. Ohne zu zögern.

Die vielen fragenden Augen bekamen ein glückliches Strahlen oder ein feuchtes Glänzen. Einige der Menschen umarmten ihn dankbar und flüsterten ihm Worte des Dankes und der Hoffnung zu. Spike fühlte sich zum ersten Mal wie ein besonderer Mann.

*****

Als sie später die Höhle wieder verließen und zurück im Gang waren, stellte Spike fest: „Ihr wusstest, dass ich bei den Fellbrüdern war, nicht wahr? Ihr wusstet es die ganze Zeit. Warum habt ihr nie versucht mich von dort wegzuholen?"

Verteidigend erklärte Illyria: „Jermyn wusste es nicht, aber ich wusste es, das stimmt. Es war zu gefährlich und noch zu früh, um zu riskieren, entdeckt zu werden. Ich hatte einen Spitzel im Haus der Fellbruderschaft. Dadurch erfuhr ich, dass es dir gut ging und du alles hattest, was du brauchtest. Ich wollte dich befreien, sobald du in Gefahr geraten wärst, oder die Zeit zum Kämpfen gekommen wäre. Als ich davon erfuhr, dass man dich auf dem Markt verkaufen würde, hielt ich die ganze Zeit ein Auge auf dich. Ich gebe zu, dass ich mir gewünscht hätte, dass du nicht so bald zu uns gekommen wärst. Jermyn vergöttert dich. Seine Zuneigung zu dir schmerzt mich."

„Du bist eifersüchtig auf mich?" fragte er überrascht nach.

„Ich denke so nennt ihr es, ja. Ich empfinde sehr viel für Jermyn."

Illyira wurde immer mehr ein Rätsel für Spike, weshalb er schließlich stehen blieb und sie fragte: „Warum tust du das alles? Warum hilfst all diesen Menschen? Früher hast du die Menschheit verabscheut. Warum hast du dafür gesorgt, dass dem Baby nichts passiert? Wieso?"

Illyria blieb ebenfalls stehen, blickte ihn ausdruckslos an und sagte: „Wesley hätte es so gewollt."

„Wesley? Du tust das alles, weil Wesley es so gewollt hätte? Ich glaub ich werd verrückt. Willst du mir allen ernstes erzählen, dass hinter der blauen Schale ein echtes Herz schlägt?" staunte Spike erneut.

„Das Herz eines Herrschers schlägt nicht nur für sein Königreich. Auch ein Gott kann Gefühle empfinden. Die Menschen sind voll von Gefühlen und der Körper, den ich bewohne, ist es ebenfalls. Weshalb also findest du es so absurd, dass auch ich Gefühle habe?"

„Sind es wirklich deine Gefühle, oder sind es Freds Gefühle, von denen du sprichst und die in diesem Körper stecken?" fragte er skeptisch nach.

Illyria dachte eine Weile darüber nach und antwortete dann: „Ein bisschen von Beidem. Ich nehme einige von Freds Gefühlen wahr. Manche decken sich mit den meinen, andere nicht. Ich mag keine Nachos, aber wir beide mochten Wesley."

Langsam begann er Illyira zu verstehen. Wenn auch nicht vollkommen. Zumindest war ihm nun einiges klarer und er sah sie mit gänzlich anderen Augen, als früher.

*****

Spike trat in Jermyns Zimmer und fand diesen dort am Fenster stehend und in die späte Nachmittagssonne blickend. Die herein scheinenden Sonnenstrahlen verhinderten, dass er näher treten konnte, weshalb er gezwungen war im sicheren Schatten stehen zu bleiben.

„Ich bin also dein Held, huh?" fragte er Jermyn, ohne ihn vorher zu grüßen.

Jermyn hatte geahnt, dass Spike von all seinen Erzählungen erfahren würde, sobald er die vielen anderen Menschen sehen würde.

Trocken antwortete er: „Du warst es, ja."

„War? Was hat deine Meinung geändert?" wollte Spike daraufhin wissen. Irgendwie tat es ihm leid, dass er Jermyn offensichtlich enttäuscht hatte.

„Babys sehen die Dinge vermutlich mit anderen Augen, als es Erwachsene tun", erwiderte Jermyn Gedanken versunken, während er weiter durchs Fenster in den Garten blickte.

Spike lachte kurz auf und erwiderte: „Du sagst das fast so, als würdest du dich an diesen Tag erinnern."

„Das tue ich", meinte Jermyn ernst.

„Das ist vollkommen unmöglich. Du warst damals noch ein Baby. Du kannst dich unmöglich daran erinnern!", bezweifelte es Spike stark.

Jermyn lächelte schwach, als er erklärte: „Als Kind habe ich mir oft vorgestellt ich hätte einen Vater. Ich stellte mir einen Mann vor mit klaren blauen Augen, scharfen Wangenknochen und fast weißen Haaren, die nach hingen gekämmt waren. Er trug schwarze kurzärmlige T-Shirts und schwarze Jeans. Und einen langen schwarzen Ledermantel. Genau wie der Mann, der mich vor fünfundzwanzig Jahren gerettet hat. Ich erinnere mich so genau daran, als wäre es gestern gewesen. Mein Gedächtnis ist ein wenig besser, als das anderer Menschen."

„Ein wenig? Das halte ich für eine ziemliche Untertreibung", staunte Spike, nachdem ihm klar wurde, dass Jermyn sich tatsächlich an diesen Tag erinnern konnte. Nun war ihm auch klar, woher Jermyn von seinem bevorzugten Kleiderstil wusste.

„Es ist eine Gabe und ein Fluch zugleich. Es gibt manche Dinge in meinem Kopf, die ich lieber vergessen würde", fügte Jermyn traurig hinzu.

Eine kurze Stille entstand daraufhin. Spike fühlte sich schuldig, weil er den Vorstellungen des Jungen nicht gerecht werden konnte. Schließlich meinte er: „Hör zu, es tut mir Leid, dass ich nicht so toll bin, wie deine Traumfigur. Ich bin nun mal, wer ich bin. War niemals ein Held und werde es auch nicht werden. Vielleicht gibst du mir noch ’ne Chance und lernst mich so kennen, wie ich bin. Ich kann zwar kein Held für dich sein, aber wie wär’s mit einem Freund?"

Jermyn drehte sich langsam vom Fenster weg und blickte Spike nachdenklich an. Ihm wurde klar, dass er nie versucht hatte Spike wirklich kennen zu lernen. Er hatte die ganze Zeit nur seine romantische Traumvorstellung seines Helden vor Augen gehabt und war deshalb von Spikes Verhalten schrecklich enttäuscht gewesen. Er sah ein, dass er Spike damit unrecht getan hatte und war froh, dass er ihm das Angebot einer Freundschaft gab.

Freundlich lächelnd, erwiderte er deshalb: „Ich könnte einen Freund gut gebrauchen."

Innerlich erleichtert, witzelte Spike daraufhin: „Yeah, ich auch. Ich muss noch lernen, wie man sich als Sklave auf einem Bankett verhält. Ich kann es kaum erwarten, bis es soweit ist."

Jermyns Lächeln wurde breiter und er gestand: „Was das betrifft, gibt es noch etwas wichtiges, dass ich dir sagen muss."

„Und das wäre?" fragte Spike misstrauisch, nachdem er anhand von Jermyns Gesichtsaudruck deutlich erkannte, dass es ihm vermutlich nicht gefallen würde.

„Auf dem Bankett wirst du diese Sachen nicht tragen können", erklärte er vorsichtig und zeigte dabei auf Spikes Klamotten.

Spike wusste, dass es ihm nicht gefallen würde. Mit ziemlich schlechter Vorahnung fragte er weiter: „Und was werde ich dann tragen?"

Mit entschuldigender Miene schritt Jermyn durch sein Zimmer an eine kleine Kommode und kramte etwas aus seiner Schublade. „Das hier", kommentierte er, als er Spike einen knappen Lederschurz zeigte, der aus nichts weiterem bestand, als einem dünnen Lederbändchen, das um die Hüften getragen wird, und zwei kleinen Lederlappen, welche die persönlichen Zonen kaum bedecken.

Spike schluckte hart und verzog sein Gesicht. Er verkniff sich einen Protest, da er wusste, dass es eh nichts helfen würde. Stattdessen erwiderte er griesgrämig: „Ich wusste es."

„Das ist aber noch nicht alles", fügte Jermyn vorsichtig hinzu.

„Ja, ja, ich weiß. Ich bekomm wieder so ein schickes Halsband, stimmt’s?" lenkte Spike gleich ein.

„Äh, das auch."

„OK, spuck’s endlich aus, was willst du mir noch sagen?" fragte Spike mittlerweile ein wenig genervt.

„Normalerweise wäre der Lendenschurz ausreichend und du könntest ihn während des ganzen Abends tragen. Doch Sebassis kennt dich. Wir müssen deshalb ein wenig von deinem Gesicht ablenken. Viele der Sklaven laufen oft nackt herum und tragen edle Schmuckstücke um deren Genitalien. Dies drückt das Wohlhaben ihrer Besitzer aus und dient zur schmü…" wollte Jermyn weiter erklären, als er von Spike unterbrochen wurde: „Soll das heißen ich werde nichts weiter anhaben, als irgendwelchen bescheuerten Schmuck?"

Jermyn verkniff sich ein Grinsen und antwortete: „Und das Halsband. Ja."

„Womit zum Teufel hab ich das nur verdient?" stöhnte Spike ratlos.

Nun konnte er sein Grinsen nicht mehr länger verkneifen und fügte noch frech hinzu: „Es wäre auch gut, wenn wir dir kleine silberne Ringe durch die Nippel stechen würden. Sebassis gefällt es, wenn Sklaven prächtig geschmückt sind. Auf diese Weise wird er mehr auf deinen Körper achten, als auf dein Gesicht."

„Oh bitte, nicht auch noch irgendwelche verfluchten Piercings! Ich werde irgendetwas dafür töten müssen. Also gut, in Ordnung. Ich werde das durchziehen. Von mir aus kannst du mich wie einen verdammten Weihnachtsbaum schmücken. Meinetwegen kannst du mir auch ein Brustpiercing verpassen, aber ich lasse mir ganz bestimmt nichts durch mein bestes Stück stechen, nur dass das klar ist!"

„Das werde ich nicht", bestätigte Jermyn frech grinsend.

„Gut! Und nur dass das klar ist. Wenn das hier alles vorbei ist, dann werden wir beide einen draufmachen. Ich werd einen kräftigen Schluck Whiskey gebrauchen können und ich trinke ungern allein. Außerdem wird es Zeit, dass dir jemand mal zeigt, wie sich ein Mann in deinem Alter verhält. Illyrias Einfluss hat dir meiner Meinung nach nicht sehr gut getan", stellte Spike abschließend fest.

„Aber…" wollte Jermyn ihm erklären, dass es kaum möglich sein würde guten Whiskey zu besorgen, doch Spike unterbrach ihn sofort und mahnte mit einem Fingerzeig: „Keine Widerrede!"

Jermyn nickte grinsend und warf Spike den Lendenschurz zu. Dieser fing ihn gerade noch auf und betrachtete sich das Lederstück dann genauer.

„Nicht gerade der letzte Schrei, aber einen hübschen Kerl kann bekanntlich nichts verstellen, oder?" witzelte Spike über die Tatsache, dass dies sein Outfit für das Bankett sein würde. Ihm graute nun noch mehr vor dem Abend, als ohnehin schon.

*****

Teil 5

Jermyn betrat den kleinen Saal, in dem Illyria und Moryghes gemeinsam saßen und ihr Abendessen einnahmen. Es war der letzte Abend vor dem Bankett und würde damit auch der letzte Abend für Moryghes in Illyrias Haus sein.

Als Moryghes sah, wen Jermyn bei sich hatte, blieb sein Dämonen-Maul weit offen stehen. Jermyn hielt eine lange silberne Leine aus Kettengliedern in der Hand. Die Leine führte zu einem silbernen Halsband, das Spike um den Hals trug. Das Halsband war nur seitlich zu sehen, da Spike den Blick zu Boden gerichtet hatte.

Seine beiden Brustwarzen waren mit zwei silbernen Ringen verziert, die sich mitten durch seine empfindlichen Warzen bohrten, weshalb diese steif aufgerichtet waren. Eine dünne feingliedrige Silberkette war mit den beiden Ringen verbunden und wippte mit jeder seiner Bewegungen sanft hin und her.

Um beide Oberarme trug er silberne Armmanschetten zur Zierde. Die Hände hielt er auf dem Rücken zusammen, sodass man die feinen silbernen Manschetten um seine Handgelenke nicht sehen konnte. Dafür blitzten die, die er an seinen Fesseln trug, deutlich hervor. Um die Hüfte trug er den ledernen Lendenschurz, der seine Männlichkeit nur knapp verbarg.

Jermyn führte ihn direkt zu Illyria. Spike folgte ihr so elegant wie möglich und versuchte nicht daran zu denken, was er hier gerade tat. Und vor allem versuchte er zu verdrängen, dass er wie ein geschmückter Christbaum herumlief. Dabei trug er noch nicht mal den Genitalschmuck, den Jermyn ihm für das Bankett angedroht hatte. Er versuchte sich einzig allein auf die Dinge zu konzentrieren, die man ihm beigebracht hatte. Als Jermyn vor Illyria stehen blieb, ging er automatisch auf die Knie und wartete auf eine Order.

Illyria nahm die Leine mit einem kurzen „Danke" entgegen und klopfte sich einmal leicht an den Oberschenkel, worauf Spike sich sofort erhob und direkt neben Illyria wieder auf die Knie ging. Mit einer leichten Verbeugung verließ Jermyn den Saal wieder. Liebevoll streichelte Illyria Spike über den Kopf, um vor Moryghes so zu tun, als wäre sie mit ihrem Haustier zufrieden.

Moryghes staunte noch immer und fragte schließlich: „Ist das nicht der widerspenstige Sklave, den Ihr auf dem Markt gekauft habt?"

„Ja, das ist er", antwortete Illyria simpel und informierte ihren Gast beiläufig: „Er wird mich morgen auf dem Bankett begleiten."

„Unglaublich, wie sehr er sich verändert hat. Euer Können ist unbestritten! Ihr habt ein wahres Juwel aus ihm gemacht. Wärt Ihr eventuell daran interessiert ihn zu verkaufen?" wollte Moryghes wissen und hoffte auf eine Zustimmung. Er hatte selten so einen hübschen und anmutigen Sklaven gesehen, dessen Gehorsam offensichtlich zu sein schien.

„Das bin ich ganz bestimmt nicht", erwiderte sie einfach und ließ damit keinen Raum für Diskussionen.

„Wie schade. Ich freue mich, dass Ihr ihn morgen zum Bankett mitnehmen werdet. Ihn dort zu beobachten wird gewiss ein Genuss sein", meinte der Dämon höflich, wobei Spike ein genervtes Schnauben unterdrücken musste. Es reichte ihm schon, dass er sich wie ein Sklave benehmen musste, er hatte keine Lust darauf, dass ihn dieser Kerl auch noch beobachten würde.

Obwohl er dagegen gewesen war, ließ sich Spike von Jermyn überzeugen, dass sie einen weiteren Testlauf mit Moryghes machen sollten. Diesmal war es allerdings wirklich ernst, und jeder Fehler konnte unangenehme Folgen haben. Spike war auch klar, dass wenn er sich vor Moryghes Augen ungehorsam zeigen würde, Illyria dazu gezwungen wäre ihn dafür zu bestrafen. Und darauf wollte er es auf gar keinen Fall ankommen lassen! Also spielte er den perfekt trainierten Sklaven und versuchte alles andere zu verdrängen.

Der Abend verlief erstaunlich gut. Illyria nahm ihm später die Leine vom Halsband, während Spike absolut still hielt. Auf einen Befehl hin, schenkte er ihr und dem Gast etwas zu Trinken ein. Genauso, wie er es gelernt hatte.

Moryghes konnte es sich dabei nicht verkneifen den wunderhübschen Sklaven unauffällig am Oberschenkel zu streicheln. Spike hielt kurz inne und war bereits kurz davor den Dämon dafür zu töten, doch er schaffte es sich zu beherrschen und tat äußerlich so, als wäre nichts weiter geschehen.

Er fühlte sich durch diese Berührung unendlich gedemütigt und hasste es, dass er nichts dagegen tun konnte. Danach war er richtig froh, als er wieder an Illyrias Seite knien konnte und er vor weiteren Betatschungen sicher war. Er bekam eine geringe Ahnung davon, wie sich Sklaven dabei fühlen mussten, wenn sie gegen ihren Willen als solche gehalten und womöglich sogar geschändet wurden.

*****

Der Abend des Banketts stand unmittelbar bevor. Spike ließ sich von Jermyn geduldig die Verzierungen anlegen, die er bereits am Vorabend getragen hatte. Er hasste es, sich so offenherzig zeigen zu müssen, dabei waren sie noch nicht mal zum Genitalschmuck vorgedrungen. Als Jermyn ihm die Silberketten an seine Brustringe befestige, jagte dies erregende Schauer durch seinen Körper. Seine Nippel waren nun viel empfindlicher, als vorher.

Schließlich legte ihm Jermyn eine feingliedrige Silberkette um, welche knapp unter den Hüftknochen durch die Rundungen der Pobacken in Position gehalten wurde und sich elegant um den Körper schmiegte. Genau dort, wo sich die beiden Pobacken trafen, befestigte er eine kurze Silberkette, welche die Hauptkette einen Hauch nach unten zog. Die herabhängende Kette schmiegte sich genau in den Spalt hinein und ging bis unter die Pogrenze, wo das, mit einem kleinen Edelstein bestückte Ende der Kette lose herabhing und Spike am Analbereich kitzelte.

Danach überreichte er Spike einen silbernen Cockring, den dieser sich selber anlegen sollte. Zuvor hatte Spike sich gründlich rasiert, womit nun kein einziges Haar mehr seine Männlichkeit zierte. Lediglich kleine Korrekturen beim Rasieren an den Stellen, wo er selbst nicht hinkam, hatte Jermyn übernommen. Der silberne Cocking schloss sich nun eng um die Wurzel seines Schaftes, worauf sich sofort eine Schwellung bildete. Spike steckte all seine Konzentration in sein Glied, damit sich dieses gefälligst wieder beruhigte. Er hatte keine Lust mit einem Ständer durch die Gegend zu laufen.

Jermyn wartete geduldig, bis Spike ihm zeigte, dass er weitermachen dürfe. Als Spike seine Erektion erfolgreich verdrängen konnte, nickte er Jermyn zu. Am Cockring waren zwei kleine Ringe befestigt, jeweils oben und unten. Jermyn ging vor Spike in die Knie, damit er besseren Zugriff haben würde, und führte eine dünne, aber sehr stabile Silberkette durch den unteren Ring, legte sie um Spikes Hoden herum und führte sie durch den kleinen Ring wieder zurück. Mit einem unscheinbaren silbernen Verschluss zog er die Silberkette enger, und ließ die beiden Enden wenige Zentimeter gleichmäßig herunterhängen. Spikes Hoden waren dadurch eng geschnürt und dezent geschmückt. An den Enden befestigte Jermyn noch kleine blaue Perlen.

Spike musste zugeben, dass dies gar nicht mal so schlecht aussehen würde, wenn es nur nicht sein Schambereich wäre, der damit geschmückt wurde. Jermyn trat einen Schritt zurück und besah sich Spike genauer, ob auch alles perfekt saß.

„Fertig?" fragte Spike hoffnungsvoll.

„Ja, ich denke das reicht. Mann könnte noch mehr machen, aber dies würde mit einschließen, dass ich dir… na ja...", ließ er den Satz unbeendet.

„Keine Löcher in mein bestes Stück!" warnte Spike mit einem leichten Knurren.

Jermyn grinste frech und erwiderte: „Das habe ich damit gemeint."

„Und wofür ist der gut?" fragte Spike und zeigte dabei auf den kleineren Ring, welcher oberhalb am Cockring angebracht war.

„Manche Herrschaften bevorzugen es die Leine ihrer Sklaven dort zu befestigen, anstatt am Halsband", erklärte Jermyn sachlich.

„Gehört Illyria zu diesen Herrschaften?" wollte Spike mit Entsetzen wissen.

„Das tue ich nicht", ertönte Illyiras klare Stimme plötzlich von hinten. Spike hatte nicht bemerkt, wie sie sein Zimmer betreten hatte, weshalb er nun überrascht herumfuhr.

„Hübsch", kommentierte Illyria, als sie ihn nun im geschmückten Zustand sehen konnte. Leicht lächelnd, fügte sie hinzu: „Ich wusste schon immer, dass du ein perfektes Haustier wärst", und spielte dabei auf ihre damalige Aussage Angel gegenüber an, dass sie ihn als Haustier haben wollte, woran sich Spike nur allzu gut erinnern konnte.

Spike verdrehte die Augen und bat innerlich um Kraft, damit er dieses Bankett überleben würde. Zu Jermyn gerichtet, sagte er: „Erinnere mich bitte daran, warum ich das Ganze hier überhaupt mache."

„Du tust es für Angel", erwiderte Jermyn sanft.

„Ich will nur hoffen, dass dieser Bastard das zu auch schätzen weiß!" brummte er griesgrämig, während er sich den Lendenschurz um die Hüften band, damit er fertig wäre und der Abend endlich beginnen konnte.

*****

Durch einen langen schwarzen Kapuzenumhang vor ungebetenen Blicken und den Strahlen der späten Abendsonne geschützt, folgte Spike seiner temporären Herrin. Jermyn begleitete die Beiden noch bis zu ihrer Fahrgelegenheit, wo Moryghes bereits auf sie wartete. Auf dem Weg dorthin erinnerte Jermyn ihn noch an die wichtigsten Regeln, die es zu beachten galt, bis Spike genervt zischte, dass er ihn nur nervös machte.

Durch das offene Tor konnte Spike das Heck eines luxuriösen Autos auf der Straße erkennen, womit sich seine anfängliche These, was die aktuellen Fortbewegungsmittel betraf, anscheinend widerlegte. Als er jedoch näher an das Fahrzeug herantrat, erkannte er, dass der Wagen umgebaut war. Dort, wo sich einst der Motor befand, war nun ein Sitzplatz, für denjenigen, der den Wagen lenkte, und vor das eigentümliche Gefährt waren zwei Pferde gespannt.

Der Chauffeur hielt Illyria die Türe zu dem Fahrzeug auf, das einst einmal eine prächtige Luxuslimousine gewesen war. Innen war genug Platz, für etwa acht Fahrgäste. Moryghes lehnte gemütlich in der gepolsterten Sitzfläche, die quer zur Fahrtrichtung angebracht war, während seine weibliche Begleitung direkt hinter der Fahrerzelle am Boden saß.

Illyria nahm ein gutes Stück von Moryghes entfernt auf einer gegenüberliegenden Sitzfläche platz. Spike folgte dem Beispiel der jungen Sklavin und setzte sich neben sie auf den Boden. Er konnte sie nicht sehen, da die Kapuze seines Umhangs tief in sein Gesicht ging und er seinen Kopf demütig gesenkt hielt, doch er konnte ihre Nervosität deutlich riechen. Er wünschte es würde eine Möglichkeit geben, ihr zu helfen.

*****

Schließlich erreichten sie ihr Ziel. Illyira schritt voran und führte Spike an der Leine mit sich, welche sie ihm bei ihrer Ankunft angelegt hatte. Er trug noch immer den dunklen Kapuzenumhang, worüber er sehr froh war, denn auf dem Weg zu Sebassis’ selbsternannter Residenz überquerten sie einen mit Steinen bepflasterten Platz, auf dem überall primitive Dämonenkämpfer herumlungerten und die eintreffenden Gäste begafften.

Spike erkannte diese Dämonenkämpfer sofort. Es waren dieselben, die damals in dieser unglückseligen Nacht aus dem Nichts aufgetaucht waren und die ganze Stadt zerstört hatten. Er und Angel hatten damals gewiss Hunderte von ihnen getötet, doch allein hier auf diesem großen Platz schienen noch mal so viele von den Dämonenkämpfern zu sein. Sogar zwei der monströsen Drachen dienten hier als Wache.

Nun war ihm klar, weshalb kein ungebetener Gast das Haus betreten könne. Die Dämonenhorden waren auf dem gesamten Gelände um das Gebäude verteilt. Nicht mal eine Maus käme unbemerkt an den zahlreichen Dämonenaugen vorbei, wobei sich Spike ernsthafte Sorgen machte, wie sie Angel von dort herausbringen könnten.

Spike spürte einen leichten Ruck an seinem Halsband, wodurch ihm auffiel, dass er sich zu sehr von den Dämonen hatte ablenken lassen und aus dem Schritt gekommen war. Außerdem war sein Blick nicht mehr auf Illyria gerichtet gewesen. Illyria schenkte ihm einen warnenden Blick, worauf Spike genervt mit den Augen rollte, sich aber schickte, ihr weiter artig zu folgen.

Am Eingang zu dem prachtvollen Gebäude, welches früher die Residenz des ehemaligen Bürgermeisters von Los Angeles gewesen war, wurden sie von menschlichen Dienern begrüßt und ins Haus geführt. Erst als sie das Haus betraten, nahm Illyria Spike den Umhang ab und übergab ihn an einen der Diener. Die Leine gab sie jedoch nicht aus der Hand.

„Den Lendenschurz", forderte Illyria von Spike, worauf dieser begann zu seiner Ablenkung ein innerliches Mantra zu beten, während er ihrer Forderung nachkam und ihr das Lederstück übergab.

Illyria steckte das Lederteil ein und folgte einem der Diener, der sie die Treppe hinauf zum Bankett führte. Jeder der Gäste wurde dort mit einem Getränk seiner Wahl begrüßt. Es waren bereits viele verschiene Arten von Dämonen anwesend und jeder von ihnen bekam sein bevorzugtes Getränk serviert. Dies begann bei gewöhnlichen Dingen, wie Wasser, Wein oder stärkerer Alkoholika, bis hin zu Blut, Proteinshakes und anderen ekelhaften Flüssigkeiten.

Spike wurde regelrecht überschwemmt von Gerüchen verschiedenster Art. Auf Anhieb konnte er mindestens vier Dämonenarten bestimmen, ohne sie gesehen zu haben, da er unter all den Dämonen genau auf sein Gelerntes achtete und deshalb nicht aufblickte.

Illyria wählte einen Fruchtcocktail, den Spike in einem größeren Krug für sie in Empfang nahm. Dann folgte er ihr zu den Plätzen. In einem großen Kreis waren bequeme Sitzkissen verteilt, in denen die meisten der bereits anwesenden Dämonengäste lümmelten, wie die alten Römer zu ihren Lebzeiten. Ein paar der Dämonen waren in Begleitung ihrer Sklaven, wie Spike es für diesen Abend einer war.

Er hasste es, unter all den Augen dieser ekelhaften Monster hier sein zu müssen. Er spürte die Blicke regelrecht auf sich ruhen. Er kam sich vor wie ein geschmückter Liebessklave. Sein inneres Mantra erneut beginnend, versuchte er sich allein auf einen ordentlichen Gang und auf all die vielen Regeln zu konzentrieren, die er zu beachten hatte.

Er war so sehr auf seine Aufgabe konzentriert, ein perfekter Sklave zu sein, dass er erst, als er neben Illyria auf die Knie ging und sich nach ein paar Minuten an die neue Situation gewohnt hatte, bemerkte, dass Angel ebenfalls hier war. Ganz unauffällig wagte er es einen Blick in Angels Richtung zu werfen. Zwar hatte er gewusst, was ihn hier in etwa erwarten würde, doch nichts und niemand auf der Welt hätte ihn auf diesen Anblick vorbereiten können.

Angel kniete einen halben Schritt vor dem Sitzplatz von Sebassis, dessen Platz natürlich prächtiger und größer war, als alle anderen. Seine dunklen Haare, an die Spike sich so gut erinnerte, waren kurz geschoren, wie bei ihm. Angel trug einen schwarzen Knebel, der aussah als würde er seine ganze Mundhöhle füllen. Um den Hals hatte er ein Halsband aus großen Kettengliedern, die mit stumpfen Spitzen versehen waren, die sowohl nach außen, als auch nach innen zeigten und sich bei einem stärkeren Ruck in die Haut bohren würden.

Angel trug auch zwei silberne Piercingringe in der Brust, nur dass diese hinter der Brustwarze durchs Fleisch gestochen waren und die Dicke des Metalls viel stärker war. Im Genitalbereich trug Angel keinen Schmuck und Spike war sich auch nicht sicher, was Angel dort trug, doch er war sich ziemlich sicher, dass es sehr unangenehm sein musste dieses Ding dort zu tragen. Es sah aus wie ein kleiner Stahlkäfig, der Angels Glied vor Berührungen schützte und in eine ruhende Haltung zwang.

Äußerlich hatte sich Angel sonst so gut wie kaum verändert. Dennoch merkte Spike sofort, dass dies nicht der Angel war, den er von früher kannte. Seine Augen waren leer und sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Nicht der geringste Kampfgeist war dort zu sehen. Seine gesamte Körperhaltung strahlte völlige Unterwürfigkeit gegenüber seinem Herrn aus.

Und noch etwas fiel Spike bei näherer Betrachtung auf. Angel hatte Angst. Äußerlich deutete zwar nichts darauf hin, da Angel wie eine versteinerte Statue vollkommen unbeweglich verharrte, doch Spike witterte einen feinen Duft, den er in seinem ganzen Leben nur sehr, sehr selten vernommen hatte. Und dies war ohne Zweifel Angels Angst.

Spike musste mit aller Kraft gegen den Drang ankämpfen, sofort aufzuspringen und seinen Sire von hier fortzuschaffen. Seinen einstigen Erzeuger in solch einer Situation zu sehen belastete ihn mehr als er es sich selbst je eingestanden hätte. Unbewusst entwich ihm ein leises Knurren aus der Kehle. Illyria legte ihm sofort ihre Hand in seinen Nacken und tat so, als würde sie ihr Haustier spielerisch streicheln, um ihn daran zu erinnern, dass er keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen durfte.

In diesem Moment Blickte Sebassis zu ihnen herüber und erhob sich von seinem Platz. Angel blieb unbeweglich knien, während Sebassis zu Illyria näher trat und freundlich meinte: „Illyria, meine Liebe. Wie schön, Sie wieder zu sehen. Wie ich sehe haben Sie ein neues Haustier?"

Spike hielt seinen Blick ein kleines Stück tiefer, damit Sebassis sein Gesicht nicht sehen konnte und hoffte dass dieser ihn nicht erkennen würde. Illyira blieb äußerlich völlig gelassen und erwiderte freundlich: „Ja, das habe ich. Ich grüße Euch, großer Sebassis. Es ist mir eine Ehre heute anwesend sein zu dürfen."

„Die Ehre liegt ganz bei mir. Eine so große Gottheit wie Ihr ist bei mir immer willkommen. Vor allem, nachdem Ihr nun endlich euren Platz in unseren Reihen gefunden habt und nicht länger an der falschen Front kämpft", spielte Sebassis wieder einmal darauf an, dass Illyria im großen Kampf an Angels Seite gekämpft hatte. Fast immer, wenn sie sich begegneten, gab er einen ähnlichen Kommentar wie diesen von sich, was ein deutlicher Hinweis darauf war, dass Sebassis ihr misstraute.

Illyria hatte sich damit herausgeredet, dass sie neu auf dieser Welt war und sich erst zurecht finden musste. Ihrer überheblichen Art, ihrem großen Wissen und einigen kleineren Tricks hatte sie es zu verdanken, dass man ihr glaubte und sie mittlerweile als angesehenes Dämonenmitglied akzeptierte. Sie war damit so erfolgreich gewesen, dass sie nun sogar regelmäßig in Sebassis’ Haus zu Gast war.

„Für einen Gott gibt es keine Fronten. Ich kämpfe nur für mich selbst", wies Illyria zum wiederholten Male darauf hin.

„Dessen bin ich mir bewusst. Und darin seid Ihr sehr gut", erwiderte er, während er Spike genauer betrachtete und schließlich kommentierte: „Ein wirklich schönes Exemplar habt Ihr da bei Euch. Hübsch dekoriert. Wo habt Ihr ihn her?"

„Gekauft auf dem Sklavenmarkt", antwortete sie knapp.

Moryghes, der ganz in der Nähe stand, hatte das Gespräch zufällig mitbekommen und fügte zu Illyrias Antwort hinzu: „Sebassis, ich sage Ihnen, Sie hätten ihn vor einer Woche sehen sollen. Er war ein widerspenstiger, schmutziger Vampir, der zu nichts zu gebrauchen war, und nun ist er ein Abbild eines gehorsamen Sklaven. Es ist mir ein Rätsel, wie sie das in so kurzer Zeit bewerkstelligen konnte!"

„Ein Vampir also", sagte Sebassis Gedanken versunken und trat noch einen Schritt näher an Spike heran, sodass er nun direkt auf ihn herabsehen konnte.

Spike rechnete fest damit, dass ihr Plan jede Sekunde auffliegen würde und die ganze Dämonenhorde gleich hinter ihnen her sein würde. In Gedanken überlegte er sich bereits, ob er schnell genug aufspringen und Angel mit sich ziehen könnte. Äußerlich ließ er sich allerdings nichts anmerken und blieb weiter in seiner perfekten Haltung verharren.

„Moryghes übertreibt. Unter der dicken Schmutzschicht dieses Sklaven war schon immer ein Juwel verborgen. Ich hatte nur Glück dieses Juwel zu entdecken und es jetzt mein Eigen nennen zu können. Doch er ist bei weitem nicht so prachtvoll, wie der Eurige", erklärte Illyria und versuchte Sebassis von Spike abzulenken.

Sebassis’ Blick fiel dabei auf Angel und mit einem feinen Lächeln antwortete er: „Kein Sklave der Welt ist wertvoller, als Angel. Und ihn zu besitzen macht mich zum größten und am meisten gefürchteten Dämonenführer der Welt. Wer kann schon von sich behaupten seinen größten Feind zum willigen Sklaven gemacht zu haben?"

‚Von wegen willig’, schnaubte Spike in Gedanken und hätte dies am liebsten laut und mit Unterstützung seiner Fäuste gesagt.

„In der Tat. Aber er scheint Euch Schwierigkeiten zu machen, wie ich sehe, oder weshalb trägt er heute einen Knebel?" lenkte Illyria Sebassis’ Aufmerksamkeit weiter auf Angel.

„Aber nein. Angel wäre gar nicht mehr fähig Schwierigkeiten zu machen. Ich habe ihm all seine Erinnerung an sein früheres Leben genommen. Den Knebel trägt er nur deshalb, weil er sich noch immer etwas dagegen sträubt mich oder meine Gäste oral zu befriedigen. Es dient lediglich als Trainingsmittel", erklärte Sebassis ohne Umschweife.

Spike schloss die Augen und betete um Beherrschung. Falls noch eine solche Aussage von diesem Scheusal kommen würde, wusste er nicht, ob er sich weiter still verhalten konnte. Seit Spike wieder eine Seele hatte, verspürte er nicht mehr den Drang ein anderes Wesen zu foltern, doch nun wünschte er sich nichts mehr, als einen ungestörten Moment mit Sebassis verbringen zu können.

*****

Teil 6

Der Bankettabend verlief bisher relativ ruhig. Zum Glück achtete Sebassis nicht mehr weiter auf Spike, was ihm die Möglichkeit gab, Angel weiter zu beobachten. Dieser kniete während des ganzen Abends wie eine unbewegliche Statue vor Sebassis’ Platz.

Mittlerweile hatte Illyria ihm die Leine abgenommen, damit er ihr auf korrekte Weise von dem Fruchtcocktail einschenken konnte, sobald ihr Glas leer war. Jermyn hatte ihm erklärt, dass er nicht die ganze Zeit über bei Illyria knien musste. Auf ein Zeichen von Illyria hin, konnte er sich entfernen und einen Stehplatz an der Wand suchen, von wo aus er Angel beobachten konnte. Dabei war nur wichtig, dass er keinen von Illyiras Befehlen übersehen würde. Zum späteren Abend hin, wenn die Gäste ausgelassener werden würden, wollte Illyira ihm dieses Zeigen geben. Doch bis dahin musste Spike sich gedulden und weiter den perfekten Sklaven spielen.

Inzwischen war eine heftige Diskussion entstanden. Einige der Dämonenführer verschiedener Rassen beschwerten sich darüber, dass die Armee der Seniorpartner noch immer für Unruhen sorgte und weiter die Stadt verwüstete, wodurch Spike nun klar war, warum überall so großes Chaos herrschte.

Sebassis beschwichtigte seine Untertaten mit leeren Worten und versprach mit den Seniorpartnern zu sprechen. Seitdem Wolfram & Hart nicht mehr existierte, war er der alleinige Mittelsmann zwischen den Seniorpartnern und der hiesigen Welt. Dies schenkte ihm unbegrenzte Macht, die er nicht bereit war kampflos abzugeben. Und solange die Armee der Seniorpartner unter seiner Macht stand, würde auch niemand wagen ihn zu stürzen.

Die Diskussionen beruhigten sich sehr plötzlich, als ein paar menschliche Tänzerinnen den Saal betraten, zwischen den Plätzen tanzten und den gemütlicheren Teil des Abends einleiteten. Dies war der Moment, an dem Illyira Spike andeutete, dass er sich zurückziehen dürfe. Deshalb erhob er sich und stellte sich abseits der Gesellschaft in den Schatten nahe bei der Türe, von wo aus er alles gut im Blick hatte.

*****

Der Abend zog sich ins Unendliche und Spike verlor langsam die Hoffnung auch nur ein Wort mit Angel wechseln zu können, da dieser sich noch immer keinen Zentimeter von Sebassis wegbewegt hatte. Dies alles zerrte schrecklich an seinen Nerven.

Doch dann begann sich etwas an Sebassis’ Platz zu tun. Einer der Gäste führte seit kurzem ein persönliches Gespräch mit Sebassis. Dieser sagte plötzlich etwas zu Angel, worauf Angel sich dann von seinem Platz erhob und sich direkt in Spikes Richtung bewegte.

Spike musste zweimal hinsehen, weil er es erst kaum glauben konnte, dass Angel sich wirklich bewegte. Angel ging direkt an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen und verließ den Saal. Spike wartete einen Moment, bis er sich absolut sicher war, dass niemand auf ihn achtete, und folgte Angel dann.

Draußen im Gang war zum Glück gerade niemand anwesend. Allerdings war Angel auch nicht mehr zu sehen. Spike konzentrierte sich deshalb auf seine Sinne und folgte Angels Geruch. Es fiel ihm nicht schwer seinem Sire zu folgen. Sein Weg führte ihn direkt zu einem Zimmer am Ende des Ganges, wo die Türe weit offen stand.

Es war ein großes und ziemlich luxuriöses Schlafzimmer, wobei Spike vermutete, dass es Sebassis gehörte. Angel stand mit dem Rücken zu ihm am Bett.

„Angel?" sprach Spike ihn vorsichtig an, worauf dieser erschrocken herumfuhr und Spike ängstlich anstarrte. Erst jetzt erkannte Spike, dass Angel etwas in seinen Armen hielt und es an seine Brust drückte.

„Hey, das ist ja mein Mantel!" rief Spike teils erfreut, teils protestierend aus, deutete dabei auf das Lederteil und trat einen raschen Schritt auf Angel zu.

Angel wich sofort zurück und drückte den Ledermantel fester an sich, als wollte er ihn um keinen Preis hergeben.

„Angel, ich bin’s Spike! Erkennst du mich nicht?" fragte Spike nun etwas ruhiger, nachdem er deutlich wahrnahm, wie Angels Angst anstieg.

Angels Blick fuhr suchend im Raum umher, als würde er nach einem Fluchtweg suchen. Spike hob abwehrend die Arme nach oben und redete beruhigend auf seinen Sire ein: „Ganz ruhig, ich tu dir nichts. Ich bin ein Freund. Komme ich dir gar nicht bekannt vor?"

Verunsichert schüttelte Angel langsam den Kopf. Spike überlegte fieberhaft, womit er Angels Erinnerung zurückrufen könne. Er überlegte, ob er es wagen könnte Angel den Knebel abzunehmen, doch dann hörte er, wie sich jemand dem Zimmer näherte. Rasch versteckte er sich hinter der offenen Türe, sodass man ihn nicht sofort entdecken würde.

Sebassis war gekommen, um nach Angel zu sehen, und schimpfte schon von weitem: „Wo bleibst du so lange? Du solltest doch nur das Geschenk für Abraxas holen!"

Angel fiel sofort auf seine Knie und legte seinen Kopf demütig auf dem Boden auf; den Mantel noch immer in seiner Hand haltend.

Als Sebassis ihn schließlich so auf dem Boden vorfand, war ihm klar, warum sein Sklave so lange gebraucht hatte. „Ah, ich habe vergessen, dass dieses alte Lederding hier herumliegt. Ich schätze du hast es vermisst, nicht wahr mein Junge? Es erinnert dich an etwas Vertrautes. Ich sollte dir diese Erinnerung vielleicht noch austreiben, doch ich werde sie dir lassen, solange sie mir nützlich ist. Zeig mir, dass du ein guter Sklave bist und befolge artig meine Befehle, dann gebe ich dir den Mantel später zurück. Doch nun tu, was ich dir gesagt habe und lass das alte Ding hier."

Angel erhob sich rasch, legte den Mantel zurück auf das Bett und holte eine Schatulle aus Sebassis’ Kommode. Spike stand genau so, dass Angel nur wenige Zentimeter neben ihm an der Kommode war, während Sebassis hinter der Türe wartete und Spike deshalb nicht sehen konnte. Bevor sich Angel mit der Schatulle in der Hand zu Sebassis wandte, schaute er kurz zu Spike, wobei sich ihre Blicke einen Moment lang trafen.

Spike fühlte einen Stich in seiner Brust, als er den Hilfe suchenden Ausdruck in Angels Augen lesen konnte. Am liebsten hätte er kräftig gegen die Türe getreten und Sebassis niedergeschlagen, doch er wusste, dass dies weder ihm, noch Angel helfen würde. Also riss er sich zusammen und sah mit an, wie Angel aus seinem Blickwinkel verschwand und Sebassis die Türe zu machte.

Spike wartete noch ein paar Minuten, bis er sich unbemerkt zurück schlich. Illyria blickte besorgt zu ihm. Sie hatte bemerkt, wie er sich davon geschlichen hatte, und war nun froh, dass er wieder da war.

Der weitere Abend verlief ohne besondere Zwischenfälle. Die Gesellschaft wurde immer ausgelassener und einige der Gäste begannen sich mit ihren Haustieren zu vergnügen. Illyria wusste aus Erfahrung, dass es gut Möglich war, dass Sebassis seinen Gästen erlaubte Angel für sexuelle Dienste zu benutzen. Sie wollte Spike nicht antun, dies mit ansehen zu müssen, weshalb sie sich schließlich vorzeitig beim Gastgeber des Hauses entschuldigte. Sie rief Spike zu sich, legte ihm die Leine wieder an und verließ den Saal.

Draußen im Gang, als sie ungestört waren, fragte Illyria nach: „Konntest du mit ihm reden?"

„Nur kurz", gab er zu.

„Und glaubst du, er erinnert sich an dich?" wollte sie genauer wissen.

„Nicht direkt, aber Sebassis hat meinen alten Ledermantel und Angel hängt an dem Ding, als würde sein Leben davon abhängen, also erinnert er sich noch an etwas, das mit mir zutun hat. Wenn ich es schaffen würde länger mit ihm zu reden, könnte ich vielleicht zu ihm durchdringen. Warum willst du jetzt schon gehen? Vielleicht kann ich später noch mal mit ihm reden", versuchte Spike Illyria zum Bleiben zu überzeugen. Angel hier zurückzulassen fiel ihm unendlich schwer.

„Wenn du glaubst, du kannst zu ihm durchdringen, dann werde ich dir helfen", kommentierte Illyria knapp, während sie einen kleinen Kristall aus ihrem hübschen Kleid hervorholte und im Gang hinter einem Bilderrahmen zwischen Wand und Rahmen einklemmte.

„Was soll das werden?" fragte Spike verwirrt und sah sich nervös um, ob auch niemand sie beobachten würde.

„Das wirst du später noch sehen. Jetzt müssen wir gehen. Mach dir um Angel keine Sorgen. Sehr bald werden wir zurückkommen und ihn holen", erklärte Illyria gelassen.

Spike bezweifelte, dass dies überhaupt möglich wäre, wenn man bedachte, wie viele Wachen vor dem Haus versammelt waren. Er wollte noch protestieren, doch im selben Moment eilte ein geschäftiger Hausdiener durch den Gang.

Auch wenn es ihm schwer fiel, so beschloss er Illyria zu vertrauen und hoffte darauf, dass sie bereits einen guten Plan hatte, um Angel zu befreien.

*****

Endlich wieder wie ein Mann angezogen, tigerte Spike nervös in seinem Zimmer auf und ab. Noch immer hatte er diesen ängstlichen Blick seines Sires vor Augen. Er würde es zwar nie öffentlich zugeben, doch Angel so zu sehen machte ihm mehr Angst, als alles andere, was ihm bisher begegnet war. Auch wenn er immer behauptet hatte, dass er Angel nicht leiden könne, das er ihn hasste und dass er sich wünschen würde, dass er nur noch Staub wäre, so hatte er nie wirklich geglaubt, dass etwas seinen Sire so zerstören könnte, wie Sebassis es getan hatte.

Angel war immer so etwas wie ein unbezwingbarer fester Bestandteil in seinem Leben gewesen. Nichts und niemand konnte ihn zerstören. Dies war so sicher wie die Hölle gewesen und schenkte Spike eine gewisse Sicherheit in seiner Weltordnung.

Seinen Sire so gebrochen zu sehen, bewirkte, dass Spikes kleine Weltordnung zusammenbrach.

*****

Der Morgen war hereingebrochen. Spike hatte versucht etwas zu schlafen, jedoch ohne besonderen Erfolg. Noch immer tigerte er ruhelos in seinem Zimmer umher.

Illyria und Jermyn traten plötzlich in sein Zimmer und ehe Spike fragen konnte, was passiert sei, fragte Illyria: „Willst du noch immer dein Leben für Angel riskieren?"

„Ja", antwortete Spike simpel und sofort, ohne darüber nachzudenken.

„Dann hast du jetzt die Gelegenheit dazu", erklärte sie knapp, bevor sie mit ihrer Hand einen Halbkreis in der Luft zeichnete, worauf sich ein Dimensionsportal vor Spikes Augen öffnete.

„Wir haben nicht viel Zeit", erklärte sie schlicht, bevor sie durch das Portal verschwand.

Jermyn wartete, bis Spike sich endlich bewegte und ebenfalls durch das Portal trat, um ihm dann zu folgen.

Sie kamen auf der anderen Seite in dem Gang an, wo Illyria den Kristall versteckt hatte. Illyria hatte absichtlich gewartet, bis der Morgen graute, da sie wusste, dass Seassis sich um diese Zeit von dem Fest erholen würde. Nun galt es nur noch Angel zu finden, doch dies sollte mit Spikes Hilfe keine Schwierigkeit sein. Sie hoffte nur, dass Angel nicht bei Sebassis wäre.

Als Spike erkannte, wo sie sich befanden, zögerte er keine Sekunde mehr und fing sofort an, seine Vampirsinne nach seinem Sire auszurichten. Angel war definitiv nicht in nächster Nähe, was zumindest bedeutete, dass er nicht in der Nähe von Sebassis’ Schlafzimmer war. Also schlichen sich die drei nach unten durch das Haus.

Unten hörten sie Stimmen von Hausdienern, weshalb sie besonders leise durch die Eingangshalle schlichen. Zum Glück wurden sie nicht entdeckt. Spike witterte endlich eine Spur von Angel, weshalb er zielstrebig einem längeren Gang im Erdgeschoss folgte.

Als er rasch den Gang entlang um eine Ecke eilte, sprang er gleich darauf wieder zurück, da einer von den Dämonenkämpfern dort eine Türe bewachte. Wortlos deutete er den anderen, dass sie vor einem Problem standen. Illyira lugte um die Ecke herum, überlegte kurz und ging dann um die Ecke in den Gang auf den Dämon zu.

Majestätisch trat sie an dem Dämon vorbei, der sie misstrauisch beobachtete. Er kannte Illyria vom Sehen und wunderte sich, warum sie um diese Zeit hier war. Sein Befehl lautete eindeutig, dass Niemand diese Türe betreten durfte, weshalb er auch Illyria den Weg nicht freimachen wollte.

Illyria stellte sich so neben dem Dämon auf, dass dieser sich mit dem Rücken zu ihren Begleitern drehte.

„Ich muss dort hinein", forderte sie ihn auf, den Weg freizumachen.

Der Dämon grunzte als Antwort etwas in einer Dämonensprache, wirkte aber nicht so, als würde er auf sie hören.

Währenddessen allerdings hatten sich Spike und Jermyn bereits herangeschlichen und mit einem kurzen kräftigen Ruck brach Spike dem Dämon das Genick. Rasch öffneten sie die Türe und zerrten den toten Dämon mit sich.

Sie befanden sich in einem vollkommen leeren Raum, ohne Licht, in dem sich nichts weiter befand, als zwei Gestalten, die eng umschlungen in einer Ecke lagen.

Spike erkannte seinen Sire sofort, doch er sah die zweite Person nicht, die sich eng an Angel kuschelte. Er konnte nur einen Schopf langer dunkler Haare erkennen. Ohne es zu wollen, stieg Eifersucht in ihm hoch und er knurrte bedrohlich auf. Er war hier, um Angel zu retten und dieser hatte nichts Besseres zu tun, als mit irgendeinem Flittchen zu…

„Lindsey?!" staunte Spike sprachlos, als er die zweite Person endlich erkannte. Es war Lindsey, der ihn nun aus ebenso ängstlichen Augen, wie Angel, anstarrte. Seine Haare waren etwas länger und fielen ihm über die Schultern, doch es war eindeutig Lindsey.

Angel dränge Lindsey zurück in die Ecke und hielt seinen eigenen Körper schützend vor ihn. Spike war über dieses Verhalten völlig verwirrt. Warum sollte Angel Lindsey beschützen?

„Wir haben nicht viel Zeit", durchbrach Jermyn seine verwirrten Gedanken, worauf Spike endlich aus seiner Starre gerissen wurde und weiter zu Angel herantrat.

Er hob abwehrend die Hände hoch und ging vor Angel in die Hocke, um ihm zu zeigen, dass er keine Gefahr wäre.

„Angel, hör zu, wir sind hier, um dich von hier weg zu schaffen. Komm mit, wir bringen dich in Sicherheit", redete er sanft auf ihn ein.

Angel hatte noch immer den Knebel im Mund, weshalb er nicht sprechen konnte. Er schüttelte ängstlich den Kopf, als hätte er Angst mitzugehen.

Spike war noch nie sehr geduldig, weshalb er genervt aufatmete und weiter auf ihn einredete: „Du brauchst keine Angst haben, hörst du? Wenn du mit uns mit kommst, kann dir Sebassis nichts mehr antun. Angel, hör mir zu, ich weiß genau, dass du stark sein kannst. Vertrau mir einfach."

Angel schüttelte stur den Kopf, worauf Spike die Geduld verlor: „Verfluchte Hölle, warum nimmst du nicht diesen bescheuerten Knebel ab?"

Angels Augen weiteten sich, als wäre die Idee, den Knebel abzulegen, völlig verrückt. Als Spike sich ihm dann näherte, drückte er sich und Lindsey weiter zurück in die Ecke. Spike hatte die Schnauze voll von Angels Schweigsamkeit und beschloss ihm den Knebel abzunehmen, wenn’s sein musste mit Gewallt.

Angel wimmerte ängstlich auf, als Spike an dem Verschluss fummelte und seinem Sire das Plastikteil schließlich aus dem Mund nahm. Erschrocken betrachtete Spike das Plastik, das die Form eines Penis hatte und schleuderte es angewidert in eine andere Ecke.

Vor Angst leicht zitternd, blickte Angel dem Knebel nach. Nachdem Angel nun keine Maulsperre mehr trug, versuchte es Spike erneut: „Angel, verstehst du mich überhaupt?"

Vorsichtig nickte Angel bejahend mit dem Kopf.

„Fein, und kannst du auch sprechen, oder hat dir dieser Mistkerl auch die Sprache genommen?"

„Master Sebassis sehr böse", brach Angel endlich sein Schweigen.

„Er wird dir nichts mehr tun, das verspreche ich dir, aber du musst jetzt mit uns mitkommen, verstehst du?"

„Master Sebassis sehr böse, wenn Angel geht", sagte Angel, als hätte er das Sprachvermögen eines kleinen Jungen.

Spike betete innerlich um Geduld und versuchte es erneut: „Master Sebassis wird dir nichts tun können, wenn du jetzt mit uns mitkommst."

„Master Sebassis sehr böse, wenn Angel geht", wiederholte Angel und deutete dabei auf Lindsey, der sich ängstlich hinter Angels Rücken versteckt hielt, und nur mit einem Auge hervorlugte.

Illyria stellte fest: „Ich denke er fürchtet um das Leben seines Freundes."

„Lindsey ist nicht sein Freund!", zischte Spike ungehalten. Die beiden so eng zusammengekuschelt zu sehen störte ihn irgendwie, weshalb er Lindsey auch ganz bestimmt nicht mitnehmen wollte, doch Angel schien anderer Meinung zu sein, weshalb Spike genervt fragte: „Okay, hör zu, wenn wir Lindsey mitnehmen, kommst du dann mit uns mit?"

„Nicht möglich", antwortete Angel traurig, worauf Spike bereits kurz davor war endgültig die Geduld zu verlieren, doch bevor er explodierte, zeigte Angel ihm den Grund, warum es nicht ging. Lindsey trug einen schweren Eisenring um den Hals, der mit einer dicken Kette an der Wand befestigt war.

„Verdammt", fluchte Spike genervt auf. Er hatte keinen Nerv für so komplizierte Rettungsaktionen. Reingehen, mitnehmen, rausgehen. So sollte das funktionieren, und nicht anders.

Er erhob sich von seiner gehockten Stellung trat zu den Beiden in die Ecke, schob Lindsey etwas von der Wand weg, ohne auf sein ängstliches Wimmern zu achten, und begann an der Kette zu zerren. Illyira trat rasch zu ihm und half ihm. Gemeinsam zogen sie mit aller Kraft an dem Eisen, worauf sich eins der Kettenglieder schließlich langsam zu biegen begann. Sie zogen weiter an der Kette, bis das Kettenglied endlich soweit verbogen war, dass sie es von der Wand lösen konnten.

Spike ließ sich erst gar nicht auf weitere Diskussionen mit Angel ein, sondern packte stattdessen Lindsey und zog ihn mit sich. Mit großer Freude entdeckte er dabei, dass sein Mantel in der Ecke lag, den er sich natürlich sofort griff. Wie er erwartete, folgte Angel ihnen daraufhin.

Erst draußen im hellen Licht des Ganges, fiel Spike auf, dass Linsey ebenso nackt war, und er ebenfalls einen solchen Genitalkäfig trug wie Angel. Er konnte nicht genau sagen, weshalb, aber irgendwie beruhigte ihn das. Zwar schien ihm der Gedanke, dass Lindsey und Angel etwas miteinander haben könnten, vollkommen absurd, doch die Tatsache, dass sie dazu gar nicht in der Lage waren, war seltsam beruhigend.

Spike wollte wieder in Richtung Treppe eilen, von wo sie hergekommen waren, als Jermyn ihn mit einem leisen Laut zurückpfiff. Jermyn deutete auf den Ausgang, als wollte er dorthinaus gehen. Spike verstand nicht recht. Sie konnten unmöglich am helllichten Tag durch eine Horde Dämonenkämpfer durchlaufen, ohne bemerkt zu werden oder durch die Sonne zu Staub zu zerfallen.

Verwirrt trat er zu Jermyn und flüsterte leise: „Was ist?"

„Wir müssen vorne raus", erklärte Jermyn flüsternd.

„Was? Seid ihr verrückt? Da draußen überleben wir keine fünf Sekunden, ganz zu Schweigen davon, dass Angel und ich ein kleines Sonnenproblem haben!" zischte Spike.

Wortlos kramte Jermyn dunkle Kapuzenumhänge aus einer Tasche hervor und wollte Angel einen davon reichen. Dieser wich jedoch erschrocken zurück und blickte ängstlich zu Spike, der noch immer Lindeys Arm fest im Griff hatte. Also gab Jermyn Spike beide Umhänge.

Spike nahm den einen, gab ihn Angel und bat: „Zieh das an."

Angel sah auf den braunen Stoff in Spikes Hand, zögerte einen Moment, bevor er ihn endlich entgegennahm und ihn anzog. Den zweiten Umhang legte Spike Lindsey um. Zwar brauchte dieser keinen Sonnenschutz, doch Spike kam sich albern vor, mit einem nackten Mann durch die Gegend zu laufen. Sich selber konnte er mit seinem geliebten Mantel schützen, den er sich rasch anzog. Das alte Leder wieder an seinem Körper zu spüren fühlte sich großartig an.

„Okay, jetzt erklärt mir bitte, wie wir da durchkommen wollen, ohne dass die ganze Horde Dämonen uns massakriert", fragte er flüsternd.

„Vertrau mir", erklärte Illyria gelassen, während sie unbekümmert zur Eingangstüre schritt. Spike starrte ihr hinterher, als wäre sie verrückt geworden.

Vollkommen sorglos öffnete sie die große Eingangstüre, trat einen Schritt nach vorne und ließ ihre Hand durch die Luft schweifen. Jermyn griff nach Spikes Hand und positionierte sich hinter ihr, denn Illyiras Vorhaben kostete sie unendlich viel Kraft. Sie ließ die Zeit langsamer laufen, so wie sie es früher ohne Probleme konnte, doch ihre Kräfte waren bei weiten nicht mehr so gut, wie damals.

Jermyn fing sie auf, als sie erschöpft zusammenbrach. Durch seine Berührung mit Illyira war Jermyn nicht in dem Zeitraffer gefangen und konnte auch Spike auf diese Weise mit sich ziehen. Spike wiederum hatte nun aber das Problem, dass er bereits Lindsey bei sich hatte, weshalb Angel im Zeitraffer gefangen war und bewegungslos neben ihnen stand.

„Nimm seine Hand!" befahl Spike Lindsey streng, worauf dieser zum Glück sofort reagierte. Jermyn stützte die geschwächte Illyria und dann wanderten alle wie bei einer Polonaise mitten durch die zahlreichen Dämonen, die sich wie in Zeitlupe bewegten.

Spike hatte ein paar kleine Schwierigkeiten. Sein Gesicht konnte er zwar vor der Sonne schützen, indem er den Mantel über den Kopf zog, doch seine Hände waren den Strahlen schutzlos ausgeliefert. Jermyn hatte dies bereits frühzeitig erkannt und überdeckte Spikes Hand mit seiner Tasche, doch Lindsey begriff nicht, warum Spikes Hand plötzlich zu rauchen begann.

Spike hatte keine Wahl als Lindsey weiter festzuhalten und eilte dafür umso schneller über den Hof. Endlich am Ende angekommen, hechteten die Flüchtenden gerade noch rechtzeitig, bevor der Zeitsprung sich auflöste, um eine Ecke und suchten Schutz im Schatten. Dort endlich konnte Spike seine Hand davor bewahren, dass sie in Flammen aufging. Seine Haut roch bereits etwas angebrannt und schmerzte wie verrückt, weshalb er leise fluchte.

In der Nähe wartete bereits eine Eskorte auf sie, die Illyria und Jermyn geordert hatten. Rasch stiegen alle in dieselbe Luxuslimousine ein, die Illyira und Spike auch zum Bankett gebracht hatte. Jermyn setzte Illyira auf einen der Sitzplätze ab und setzte sich neben sie, während Spike sich erschöpft auf der gegenüberliegenden Seite niederließ. Etwas verärgert meinte er zu den Beiden ihm gegenüber: „Wir müssen dringend an unserer Konversation arbeiten!"

Lindsey und Angel fühlten sich verunsichert. Sie saßen auf dem Boden und kuschelten sich eng zusammen. Lindsey drückte sein Gesicht schutzsuchend in Angels Halsbeuge, während Angel ängstlich und beunruhigt zu Spike starrte. Er verstand nicht, warum diese Leute ihn von seinem Master geraubt hatten und er war sich nicht sicher, ob dies gut für ihn und Lindsey war, doch er fühlte sich auf seltsame Weise zu diesem einen Mann hingezogen. Er verstand nur noch nicht warum. Vielleicht lag es nur daran, weil er auch ein Vampir war?

*****

Teil 7

Illyria und Jermyn brachten Spike, Angel und Lindsey zu einer versteckten Höhle unter der Erde, welche nahe am Stadtrand und somit weit von Sebassis’ Horde entfernt war. Dies war eine der ersten Fluchtstätten, die Illyria vor ein paar Jahren eingerichtet hatte. Mittlerweile stand die Höhle leer und diente als schnelle Notunterkunft. Sie war nicht sehr groß, aber gemütlich und erinnerte Spike ein wenig an seine alte Wohnung unter seiner Gruft. Ein großes gemütliches Bettlager befand sich im Zentrum der Höhle und ein selbstgebauter Stuhl stand daneben.

Angel und Lindsey kauerten am Boden und drückten sich gegenüber vom Bettlager gegen die Wand, während Spike nervös auf und ab tigerte. Er wartete darauf, dass Jermyn ihm etwas Werkzeug bringen würde, womit sie Angel und Lindsey von den Halsbändern und den seltsamen Genitalkäfigen befreien könnten.

Lindsey kuschelte sich ängstlich an Angel, während dieser Spike keine Sekunde aus den Augen ließ. Spikes Nervosität machte auch ihn noch nervöser und ängstlicher, als er es ohnehin schon war.

Endlich kam Jermyn mit dem versprochenen Werkzeug in die kleine Höhle. Spike nahm den alten verrosteten Werkzeugkasten dankend entgegen und begann sofort darin nach geeignetem Werkzeug zu suchen. Schließlich fand er eine Kneifzange, mit der er es versuchen wollte.

Etwas ungestüm trat er auf die Beiden zu, worauf diese erschrocken zurückwichen und sich fester gegen die Wand drückten.

„Sie haben Angst vor dir", erklärte Jermyn.

„Was du nicht sagst?" meinte Spike voller Sarkasmus.

Dann versuchte er es mit etwas mehr Vorsicht und redete auf die Beiden ein: „Ihr braucht keine Angst zu haben. Ich will euch nicht verletzen. Ich werde euch nur die Halsbänder und diese Dinger da abnehmen."

„Master Sebassis sehr böse", erklärte Angel, während er Lindsey hinter sich drückte und sich schützend vor ihn schob.

„Sebassis ist nicht mehr euer Master!" erwiderte Spike energisch.

„Nicht mehr Master?" fragte Angel verwirrt.

„Nein! Sebassis ist nicht mehr euer Master. Kein Master mehr. Verstehst du das?" wiederholte Spike, als würde er mit einem Kind reden.

„Kein Master mehr. Nicht gut. Kein Master, nicht gut. Angel kein Master mehr…", wiederholte Angel nun immer wieder.

„Oh verdammt. Was verflucht hat dieses Scheusal nur mit dir gemacht?", fluchte Spike leise auf.

Jermyn schien das Problem, das Angel hatte, zu erkennen und sagte: „Spike ist jetzt euer neuer Master."

„Was?", erwiderte Spike schockiert. „Angel braucht keinen verfluchten Master!"

„Offensichtlich braucht er den schon. Zumindest bis er sich wieder an etwas erinnern kann", erwiderte Jermyn ruhig.

Spike dachte einen Moment darüber nach und wandte sich dann zu Angel: „Also gut. Hör zu. Ich bin jetzt euer Master, in Ordnung? Und ich werde euch jetzt die Halsbänder abnehmen, also haltet schön still."

„Master?" fragte Angel unsicher nach.

„Ja, Master Spike nimmt euch jetzt die Halsbänder ab", erklärte Spike erneut und bat innerlich um Kraft, damit er das alles hier durchstehen könne.

Mit der Zange in der Hand, trat er zuerst an Angel heran, der ihn zwar misstrauisch beobachtete, aber stillhielt, damit Spike ihm das Stachelteil vom Hals entfernen konnte. Danach nahm sich Spike das Eisenteil vor, das Lindsey um den Hals hatte, doch mit der einfachen Kneifzange war es unmöglich das Ding zu knacken. Er musste sich später was anderes überlegen, weshalb er sagte: „Okay, um das Halsband kümmern wir uns später. Jetzt wollen wir erstmal sehen, dass wir euch von dem anderen Ding hier befreien", während er Lindseys Umhang ein Stück weit öffnete, um sich den Genitalkäfig genauer anzusehen.

„Jermyn, weißt du, was das ist?" fragte Spike nach.

„Es ist eine Art Keuschheitsgürtel. Sehr beliebt unter vielen Dämonen. Es soll angeblich eine Erfindung der Menschen sein", erklärte Jermyn zweifelnd.

„Das bezweifle ich nicht", murmelte Spike griesgrämig, während er Lindsey auf die Beine zog. Lindsey wimmerte verängstigt auf und versuchte zurück zu Angel zu gelangen, doch Spike hielt ihn am Arm fest.

Spike sah ein, dass dies so nichts brachte, also nahm er sich zuerst Angel vor, da dieser ihm wenigstens ein kleines bisschen zu vertrauen schien. Er ließ Lindsey wieder los, worauf dieser sich schutzsuchend in Angels Arme warf.

„Angel, hör zu, ich werde dir nicht wehtun. Ich möchte, dass du aufstehst, damit ich dir dieses Ding abnehmen kann."

Angel schien über diese Worte nachzudenken, schob Lindsey etwas von sich und stand dann vor Spike auf. Spike schob ihm den Umhang zur Seite, damit er besser an den Eisenkäfig herankommen würde.

„Master Sebassis wird sehr böse werden", meinte Angel nervös, als Spike die Kneifzange anlegte.

„Was habe ich dir gesagt, wer dein Master ist?" fragte Spike streng nach.

„Master Spike Angel Master", bestätigte Angel sofort.

„Ja, genau. Und Master Spike wird nicht zulassen, dass Sebassis dir jemals wieder etwas antut!", bekräftige Spike, während er das erste Eisenstück durchtrennte.

Stück für Stück arbeitete sich Spike äußerst vorsichtig voran, um Angel nicht zu verletzen. Der kleine Eisenkäfig war so konstruiert, dass ein enger Ring sich um die Peniswurzel schloss und durch einen kleinen Spalt Angels Hodensäcke heraushingen, was nicht bequem aussah. Damit das Gerüst sicher hielt und sich Angel gewiss nicht befreien konnte, war ein Querstift, der direkt durch Angels Eichel führte, an dem Käfig befestigt.

Spike knurrte unbewusst auf, als er die genaue Konstruktion dieses Dings endlich erkannte. Angel dachte sofort, dass sein neuer Master unzufrieden mit ihm war und wich erschrocken zurück. Er wusste nicht, womit er seinem neuen Herrn zeigen konnte, dass es ihm leid tat, dass er einen Fehler gemacht hatte, auch wenn er gar nicht wusste welcher Fehler es war, also reagierte er wie bei Sebassis und ging sofort vor Spike auf die Knie und presste seinen Kopf auf den Boden.

„Was zum… Angel, steh auf!", meinte Spike genervt, worauf Angel sofort aufsprang und sich wieder hinstellte. Sein Master schien sehr unzufrieden mit ihm zu sein, was gar nicht gut war.

Spike beendete schließlich seine Arbeit und schaffte es endlich Angel von dem Keuschheitsteil zu befreien. Danach versuchte er es bei Lindsey genauso, was allerdings nicht so sonderlich funktionierte, da Lindsey furchtbare Angst vor ihm hatte und am ganzen Körper zitterte.

Nachdem Spike ihn dann zum dritten Mal unbeabsichtigt am Penis verletzte, wobei Lindsey jedes Mal erschrocken zurückwich, verlor er schließlich die Geduld.

„Verdammt, kannst du nicht stillhalten?" schimpfte er auf.

Angel warf sich daraufhin zwischen Lindsey und Spike auf den Boden und bat verzweifelt: „Bitte Master Spike, nicht böse sein. Angel kann helfen. Nicht böse sein."

Spike seufzte auf und sagte: „Ich bin nicht böse. Angel, steh auf und sieh mich an."

Angel gehorchte und blickte Spike verunsichert entgegen.

„Ich bin nicht böse, hörst du? Ich will Lindsey nicht verletzen, doch wenn er nicht still hält, dann tu ich ihm weh, ohne es zu wollen, verstehst du das?"

Angel nickte verstehend und trat rasch hinter Lindsey. Von hinten legte er seine Arme um Lindseys Körper und flüsterte sanft in sein Ohr: „Bleib ganz ruhig, hab keine Angst."

Wie gebannt starrte Spike auf Angel, denn plötzlich wirkte er überhaupt nicht mehr wie ein verängstigter Sklave, sondern beinahe so, als wäre er der alte Angel.

„Ist schon erstaunlich. In nur einer Woche wurdest du zum Sklaven und nun bist du ein Master", stellte Jermyn grinsend fest und durchbrach damit einen angenehmen Gedanken, den Spike gerade noch hatte und der nun wie weggeblasen war.

„Ich war kein verfluchter Sklave und werde ganz bestimmt kein Master sein. Das hier ist nur vorübergehend!" zischte er verärgert zurück, worauf Jermyns Grinsen nur breiter wurde.

Als Angel jedoch diese Worte hörte, wurde er sofort hellhörig. Sein neuer Master würde ihn und Lindsey nur vorübergehend behalten? Hieß das, er wollte sie verkaufen? Angel kannte seinen neuen Master noch nicht sehr gut, doch er fühlte sich bei Spike viel wohler, als bei Sebassis. Er wollte nicht wieder verkauft werden. Er nahm sich vor, ein besserer Sklave zu sein, damit sein neuer Master zufrieden mit ihm wäre.

Bevor Spike ihm noch mehr tödliche Blicke zuwerfen würde, fügte Jermyn hinzu: „Ich werde mal versuchen, ob ich für die Beiden etwas zum Anziehen besorgen kann. Du wirst sie kaum so rumlaufen lassen, nehme ich an."

„Hey, das ist die erste gute Idee, die ich aus deinem Mund höre!" erwiderte Spike übertrieben begeistert.

„Ja, schon gut, ich gehe ja schon", meinte Jermyn frech grinsend.

Bevor Jermyn aus der Höhle verschwand, rief ihm Spike nach: „Halt, warte! Angel trägt gern edle Sachen. Weiche Stoffe und so. Ich nehme nicht an, du kannst was von Armani auftreiben, oder?"

„Armani? Ist das ein Dämon?", fragte Jermyn nach.

„Ach vergiss es. Wenn es geht, dann besorg einfach etwas mit einem angenehm weichen Stoff. Keine bunten Sachen und kein unnötiger Schnickschnack", fügte Spike noch hinzu.

„Okay, ich werd sehen, was ich finden kann", versprach Jermyn und verließ die Höhle.

Danach wandte sich Spike wieder Lindseys Keuschheitsgürtel zu, während Angel ihn aufmerksam studierte. Angel fragte sich, woher sein neuer Master wusste, dass er weiche Stoffe mag? Master Sebassis hatte sich nie darum gekümmert, was Angel mochte oder nicht. Dies verwirrte ihn etwas, weshalb er Spike genau beobachtete, um hinter das Geheimnis dieses Mannes zu kommen.

*****

Ungeduldig wartete Spike am Höhleneingang auf Jermyn. Nachdem er endlich sämtliche Eisenteile von seinem Sire entfernt hatte - darunter auch die überdimensional großen Brustringe – brauchte er dringend etwas Abstand, weshalb er an die Oberfläche geflüchtet war. Im Schutz des Schattens, den nebenstehende Ruinen ihm gaben, versuchte er seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen.

Seinen Sire so hilflos und ängstlich zu sehen machte ihm schwer zu schaffen. Und die Art, wie dieser mit Lindsey umging, gefiel ihm ganz und gar nicht.

Fünfundzwanzig Jahre lang hatte er keine Zigarette mehr zu sehen bekommen, doch noch nie hatte er sich einen Glimmstängel so sehr herbeigesehnt, wie in diesem Augenblick.

„Alles in Ordnung mit dir? Du siehst besorgt aus", fragte Jermyn plötzlich wie aus dem Nichts. Spike hatte nicht bemerkt wie Jermyn sich genähert hatte, weshalb er sich ein wenig ertappt fühlte.

„Nein, alles okay", antwortete er rasch. Um von seiner wahren Stimmung abzulenken, fragte er sofort: „Hast du was zum Anziehen gefunden?"

„Ja. Ich habe mehrere Sachen mitgebracht. Ich hoffe darunter ist etwas „weiches" dabei", erwiderte Jermyn ein wenig neckend und zeigte auf eine alte zerschlissene Reisetasche, die nicht verschlossen war und worin Spike einige Kleidungsstücke sehen konnte.

Spike sparte sich einen Kommentar, schenkte Jermyn nur eine erhobene Augenbraue und ging dann zurück in die Höhle, wobei er absichtlich darauf verzichtete Jermyn mit der Tasche zu helfen.

Als Spike zu Angel und Lindsey zurückkam, begegnete ihm ein schockierender Anblick. Angel lag halb auf Lindsey. In einer festen Umarmung hielten sie einander fest. Leise Stöhngeräusche hallten durch das Gemäuer.

„Was zum Teufel ist hier los?" rief Spike wütend auf.

Als Angel die wütende Stimme seines neuen Herrn hörte, löste er sich von Lindsey blickte erschrocken zu Spike und ging dann sofort in die Stellung, in der er es gewohnt war um Verzeihung und Gnade zu bitten. Auf dem Boden kniend und den Kopf den Boden berührend. Mit zittriger Stimme fragte er: „Master böse?"

Lindsey rückte währenddessen rasch zurück an die Wand und starrte Spike ängstlich entgegen. An seinem Hals waren zwei blutende Male. Erst jetzt erkannte Spike, dass Angel von Lindsey getrunken hatte, worüber er ein wenig verwirrt, aber auch erleichtert war. Im ersten Augenblick hatte es so ausgesehen, als ob die beiden etwas Intimeres miteinander getan hätten.

Überrascht stellte Spike schließlich fest: „Du hast von Lindsey getrunken."

Angel wusste nicht weshalb sein Master sich darüber wunderte, weshalb er vorsichtig aufblickte, um zu sehen, ob Spike noch böse mit ihm wäre.

Nachdem Angel noch immer auf dem Boden kauerte, meinte Spike: „Angel, steh auf und erklär mir, warum du Lindsey gebissen hast."

Angel erhob sich zögernd und antwortete: „Lindsey Blut, Master."

„Ja, mir ist klar, dass Lindsey Blut hat, er ist ja auch ein Mensch. Ich will wissen, warum du ihn gebissen hast? Wolltest du ihn töten?" fragte Spike genauer nach.

Energisch schüttelte Angel den Kopf und erwiderte: „Angel Lindsey niemals töten!"

„Aber du trinkst von ihm", stellte Spike fest.

„Lindsey Blut, Master", wiederholte Angel.

„Herrgott Angel! Was verflucht bedeutet das?" wurde Spike schließlich ungeduldig.

Angel zögerte, weil er Spike nicht erzürnen wollte und antwortete dann: „Lindsey ist ein Geschenk der Seniorpartner. Es ist seine neue Hölle, sagte Master Sebassis. Lindsey ist hier, damit Angel von ihm trinken kann."

Spike starrte Angel entgegen. Dies war der längste zusammenhängende Satz, den er seit fünfundzwanzig Jahren von Angel gehört hatte und es klang gar nicht mehr so holprig.

„Sag, kann es sein, dass du mich hier verarschst?" fragte Spike nach.

Angel glaubte, dass seinem Master die Antwort nicht gefallen hatte, weshalb er nun ein ziemlich mulmiges Gefühl bekam. Er wollte seinem neuen Master unbedingt gefallen, doch egal was er auch tat, nichts schien Spike zufrieden zu stellen. Angel stand deshalb ziemlich unter Stress. Nervös bekräftigte er: „Nein, Master Spike!"

„Du hast doch eben noch ganz normal geredet. Also kannst du auch reden, nicht wahr?"

„Angel kann reden", bestätigte Angel mit einem gezwungenen Lächeln.

„Du weißt genau was ich meine! Willst du mich zum Narren halten? Du kannst in ganzen Sätzen sprechen, also warum tust du die ganze Zeit so, als könntest du nicht bis drei zählen?" fragte Spike etwas energischer nach.

Nun endlich verstand Angel was sein neuer Master meinte, doch er verstand nicht warum dieser so wütend darüber war. Er wollte aber ein guter, artiger Sklave sein, weshalb er rasch antwortete: „Master Sebassis hat Angel…" Er stockte, da Spike seine Augenbraue hob und ihn abwartend musterte. Dann atmete er unnötiger Weise tief durch und fuhr fort: „…er hat mich gezwungen so zu reden. Er wollte, dass es so aussieht, als könnte ich nicht mehr normal sprechen. Als wäre mein Gehirn so weich gekocht, dass ich nicht mehr normal denken könnte."

Ein triumphierendes Grinsen erschien über Spikes gesamtes Gesicht. Er war unheimlich froh, dass Angel doch nicht so extrem verblödet war, wie es aussah.

„Aber so ist es nicht, nicht wahr? Dein Gehirn ist nicht so weich gekocht. Du kannst ganz normal sprechen und du verstehst auch alles, hab ich nicht recht?" wiederholte Spike.

„Ja, Master", bestätigte Angel zusammen mit einem Nicken.

„Nenn mich nicht Master. Ich bin Spike. Oder Will…ah, ganz einfach nur Spike", berichtigte er sich selbst, da Angelus ihn früher William genannt hatte, als er noch ein junger Frischling war und es nur schmerzhafte Erinnerungen wecken würde, wenn Angel ihn William nennen würde.

„Ja, Spike", wiederholte Angel artig.

„Okay, hör zu. Ab jetzt will ich, dass du wieder ganz normal sprichst. Vergiss alles, was dieses Arschloch Sebassis dir jemals eingetrichtert hat. Du bist nicht mehr sein Sklave. Du kannst tun und lassen, was du willst. Du darfst sprechen, wie du willst. Du kannst meinetwegen Lindsey beißen, wenn du willst… Moment mal…", stockte Spike und sah sich Lindsey genauer an. Ihm fiel erst jetzt auf, dass Lindsey sich kein bisschen verändert hatte. Als Mensch hätte er um fünfundzwanzig Jahre gealtert sein müssen, doch er sah keinen Tag älter aus, als er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Lindsey konnte unmöglich ein Mensch sein.

Prüfend näherte er sich Lindsey, während dieser sich weiter zurück gegen die Wand drängte. Spike versuchte anhand seines Geruchssinns zu erkennen, was Lindsey war, aber Lindsey roch eindeutig menschlich. Und er roch auch eindeutig nach Lindsey. Angel beobachtete seinen Herrn genau. Spikes plötzliches Interesse für Lindsey beunruhigte ihn sehr.

Neben Lindsey hockend, blickte Spike zu Angel zurück und fragte: „Er war ein Geschenk der Seniorpartner? Erklär mir das genauer und zwar in ganzen Sätzen."

„Sebassis brachte ihn eines nachts zu mir. Er war vollkommen verstört und verängstigt. Ich habe mich seitdem um ihn gekümmert. Sebassis sagte, solange ich tue was er sagt, wird er Lindsey am Leben lassen. Er sagte auch, dass ich meinen Blutdurst nur an ihm stillen darf. Es tötet Lindsey nicht, egal wie viel ich von ihm trinke. Wenn Sebassis wütend mit mir war, hat er uns voneinander getrennt. Ich wusste nicht, was mit Lindsey passierte und ich bekam auch nichts zu trinken, solange bis die Strafe vorbei war."

„Er hat also Lindsey benutzt, um dich in Schach zu halten", stellte Spike fest.

„Ja", gab Angel kleinlaut zu, da er im Grunde wusste, wie schwach er damit war.

Spike musterte Lindsey noch eine Weile, bis er ihn direkt fragte: „Was ist mit dir? Kannst du auch reden?" Lindsey hatte bisher noch kein einziges Wort gesprochen.

Lindsey antwortete nicht, sondern blickte stattdessen Hilfe suchend zu Angel.

„Er kann nur ein paar Wörter. Bei ihm wirkte Sebassis’ Gehirnwäsche besser, als bei mir", erklärte Angel an Lindseys Stelle.

Nachdenklich stand Spike wieder auf und blickte dann fragend zu Jermyn, der bisher nur stummer Beobachter war. „Jermyn, wie sicher ist diese Höhle, vor den Seniorpartnern?"

Jermyn antwortete stolz: „Alle unsere Verstecke sind magisch gesichert. Illyria sorgte dafür, dass die Seniorpartner in keine der Höhlen Einsicht bekommen."

„Und was wäre, wenn die Seniorpartner eine Art Sender in eine der Höhlen schleusen könnten?" fragte Spike genauer nach.

„Sender?" wiederholte Jermyn fragend, weil er nicht verstand, was Spike damit meinte.

„Lindsey wurde von den Seniorpartnern zum Leben erweckt. Sie machten ihn Sebassis zum Geschenk, damit dieser Angel besser kontrollieren kann und ganz nebenbei seine persönliche Hölle durchlebt. Also warum nicht gleich eine Art Sender mit einbauen, damit Angel auch bestimmt nicht verloren gehen kann?"

„Du meinst die Seniorpartner haben Lindsey etwas eingepflanzt, damit sie ihn orten können?" fragte Jermyn nach.

„Ich hätte es getan", meinte Spike simpel.

Jermyn dachte kurz darüber nach und sagte dann: „Ich werde mit Illyria darüber sprechen. Vielleicht kann sie herausfinden, ob deine Vermutung richtig ist." Damit verabschiedete er sich knapp und verschwand aus der Höhle.

Spike bemerkte, dass er von Angel und Lindsey angestarrt wurde, was ihm plötzlich unangenehm war. Deshalb ging er rasch auf das Bettlager zu, wo Jermyn die Tasche abgelegt hatte, und begann sich die Sachen genauer durchzuschauen. Es war höchste Zeit, dass Angel und Lindsey etwas zum Anziehen bekamen. Vor allem, weil Spike es extrem nervös machte, seinen Sire halbnackt herumlaufen zu sehen.

*****

Teil 8

Spike warf Angel ein Schwert zu, damit dieser ihn angreifen würde. Angel reagierte automatisch und fing das Schwert auf, ließ es allerdings sofort wieder fallen, als hätte er sich daran die Finger verbrannt.

„Das ist nur ein Schwert, das tut dir nicht weh!" meinte Spike genervt. Er hoffte, dass Angel sich ans Kämpfen erinnern würde, sobald er wieder ein Schwert in der Hand hielt.

Mittlerweile war Angel wenigstens angezogen, was Spikes Gefühlschaos ein wenig beruhigte. Ihn mit Kleidung zu sehen, lenkte ihn von der Tatsache ab, dass sich Angel wie ein hirnloser Sklave benahm. In Jermyns Reisetasche waren alte ausgetragene, aber bequeme Jeans, ein paar dunkle Hemden, aus angenehm weichem Stoff etwas Unterwäsche und festes Schuhwerk. Damit waren Angel und Lindsey nun wenigstens ordentlich eingekleidet. Nur dass für Lindsey keine passenden Schuhe dabei waren, er also vorläufig barfuss blieb.

Etwas unwohl blickte Angel zwischen dem Schwert am Boden und Spike vor ihm hin und her. Kleinlaut gab er schließlich zu: „Ich kann nicht."

„Warum nicht?" fragte Spike mittlerweile leicht gereizt.

„Ich… ich kann keine Waffen berühren. Immer wenn ich es versuche, dann…" Angel stockte bei den Erinnerungen an all die Dinge, die Sebassis mit ihm gemacht hatte, immer dann, wenn er auch nur in die Nähe einer Waffe gekommen war.

„Was dann?" wiederholte Spike mit ruhiger Stimme fragend, da er bemerkte, wie sehr es an Angels Nieren ging.

„Sebassis. Er hat mich bestraft, wenn ich eine Waffe…", gab Angel stockend zu.

„Was hat er getan?" fragte Spike sanft nach.

„Er hat…" Angel schluckte schwer. Ihm fiel es sehr schwer darüber zu sprechen. „Er hat mich… er hat…"

„Vergiss es, ich will es nicht wissen", unterbrach ihn Spike. Im Grunde wollte er es wirklich nicht wissen und ihm wurde klar, dass es für Angel noch zu früh war darüber zu sprechen.

Angel atmete erleichtert auf. Er war sehr froh, dass sein neuer Master viel Verständnis für seine und Lindseys Bedürfnisse hatte. Spike war viel besser zu ihnen, als Sebassis, weshalb er inständig hoffte, dass er ihn und Lindsey nicht wieder verkaufen würde.

Spike hob das Schwert vom Boden auf, trat vor Angel, nahm dessen Hand und legte dort den Griff des Schwertes hinein. Hielt dabei aber Angels Hand fest, damit dieser das Schwert nicht wieder wegwerfen konnte. Angel geriet regelrecht in Panik, als er das Schwert in seiner Hand spürte, doch er konnte es nicht loswerden, weil sein Master ihn festhielt und ihn zwang, es weiter zu halten. All die schlimmen Bestrafungen, die er unter Sebassis’ Hand durchleiden musste, kamen ihm schmerzlich in den Sinn.

Spike bemerkte Angels Panik und redete bewusst langsam auf ihn ein: „Angel, hör mir zu. Sebassis kann dir nichts mehr tun. Dir wird nichts passieren! Ich will, dass du dieses Schwert hältst und mich damit angreifst."

Angels Augen weiteten sich in Schock! Er sollte seinen Herrn angreifen? In Panik versuchte er sich von Spike zu lösen, doch dieser hielt ihn fest und wiederholte erneut: „Angel! Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen! Es wird dir nichts passieren! Halte einfach dieses verfluchte Schwert fest!"

Langsam beruhigte sich Angel, wobei er auch bemerkte, dass nichts schlimmes passierte, als er das Schwert weiter hielt. Schließlich ließ Spike seine Hand ganz langsam los und Angel hielt es ganz von alleine. Es war ein ungewohntes Gefühl und er hatte noch immer Angst dabei, doch irgendwie fühlte er sich wie befreit, dass er eine Waffe in der Hand halten konnte.

Spike holte nun mit seinem Schwert aus, und schwang es in Angels Richtung, in der Hoffnung, dass Angel sich aus reiner Reaktion heraus verteidigen würde. Er führte seine Bewegungen absichtlich etwas langsamer aus als sonst, schließlich wollte er Angel nicht verletzen. Und sein Plan ging auf. In letzter Sekunde schnellte Angel mit seinem Schwert hoch und hielt Spikes Klinge davon ab, sich ihm zu nähern.

Zufrieden grinste und zwinkerte Spike ihm zu und meinte lobend: „Sehr gut. Noch mal."

Angel beobachtete seinen Herrn, wie dieser zwei Schritte zurückging und einen erneuten Angriff simulierte. Vollkommen perplex registrierte er, dass sein Herr ihn gerade dafür gelobt hatte, dass er sich mit dem Schwert verteidigte. Doch viel wichtiger war, dass sein Herr anscheinend zufrieden mit ihm war, weshalb er sich bemühte besser zu kämpfen.

Lindsey saß währenddessen etwas abseits an der Wand und beobachtete die beiden. Abwesend spielte er mit dem Rest der Eisenkette, die noch immer an seinem schweren Halsband befestigt war. Früher war Lindsey den ganzen Tag in ihrer Zelle angekettet und wartete sehnsüchtig, bis Angel wieder zu ihm kommen durfte, doch nun konnte er Angel überall hin begleiten und ihn beobachten. So gefiel es ihm viel besser.

Er verstand zwar nicht, weshalb der neue Master sich in vielen Dingen so seltsam benahm, aber solange dies für ihn bedeuten würde, dass er in Angels Nähe bleiben durfte, war es ihm vollkommen egal wie seltsam Spike war.

Spike versuchte noch ein paar weitere Angriffsversuche, doch je länger sie übten, desto ungeschickter stellte sich Angel an. Spike merkte recht schnell, dass Angel krampfhaft versuchte seinen Wünschen nachzugehen, was jedoch nicht sein beabsichtigtes Ziel war. Er hatte vielmehr darauf gehofft, dass Angel sich durch die Kampfübungen ans Kämpfen erinnern würde, doch stattdessen versuchte dieser, seinen neuen Master mit größter Anstrengung zufrieden zu stellen.

Er sah ein, dass dies nichts brachte, winkte die ganze Sache ab und meinte geknickt: „Lass gut sein. Das bringt nichts."

Angel bemerkte, dass sein neuer Master wieder von ihm enttäuscht war, was ihn sehr beunruhigte. Am liebsten hätte er sich auf den Boden geworfen und um Verzeihung gefleht, doch mittlerweile wusste er, dass dies seinen Herrn nur noch mehr verstimmte. Also blieb er stumm stehen und blickte bedrückt zu Lindsey.

Spike merkte Angels Bedrückung, doch er besaß nicht den Nerv, sich darum zu kümmern. Er musste vielmehr einen Weg finden, wie er Angels Erinnerungen wieder zurückholen konnte. Ihn nervte es allerdings, dass Angel dreinblickte, als wäre jemand gestorben, weshalb er mehr als froh war, als Jermyn und Illyria in die Höhle traten.

Nach einer kurzen Begrüßung, erklärten die beiden Besucher, dass sie gekommen waren, um Lindsey zu untersuchen. Mit Angels Hilfe brachten sie Lindsey dazu, dass er schön still hielt, damit Illyria ihn sich genauer ansehen konnte. Angel setzte sich auf das Bett und Lindsey setzte sich bei ihm zwischen die Beine, so konnte Angel ihn beruhigen und Illyria konnte ungehindert etwas Blut abnehmen.

Dank Freds Erinnerungen, die Illyria in sich trug, besaß sie das Wissen, welches sie brauchte, um Lindseys Blut genauer zu untersuchen und um festzustellen, ob etwas damit nicht stimmte. Sie machte auch ein paar Routineuntersuchungen, wie Puls und Herzschlag überprüfen und das Abhören der Atemwege. Äußerlich wirkte Lindsey wie ein vollkommen normaler Mensch. Und auch sein ganzer Körper schien wie der eines Menschen zu funktionieren.

Illyria stellte den beiden noch ein paar Fragen, wobei sie eine weitere erstaunliche Entdeckung machten. Lindsey brauchte keine Nahrung. Er besaß quasi keinen Stoffwechsel, was für einen Menschen unmöglich war. Er war aber auch kein Vampir. Nur sein Blut entsprach nicht vollkommen dem eines Menschen. Illyria entdeckte einige fremdartige Substanzen, über die sie mit ihren einfachen Mitteln im Moment nicht mehr herausfinden konnte. Sie hatte nur ein einfaches Mikroskop bei sich, womit sie also keine genaueren Analysen durchführen konnte.

Abschließend stellte sie fest: „Er ist zum größten Teil menschlich, aber sein Blut ist nicht normal. Ich nehme an, das ist auch der Grund dafür, dass er nicht stirbt, obwohl er keine Nahrung zu sich nimmt, er nicht altert und er Angel mit großer Menge Blut versorgen kann, ohne selbst Schaden davon zu nehmen. Allerdings rate ich dringend davon ab, dass Angel weiter von ihm trinkt. Vielleicht sind diese fremden Substanzen Schuld an Angels Gedächtnisverlust."

Lindsey machten diese Worte Angst, auch wenn er nicht ganz verstand, was die blaue Lady damit genau meinte. Eingeschüchtert drückte er sich weiter zurück gegen Angel und versteckte sein Gesicht in dessen Halsbeuge. Angel drückte ihn etwas fester zu sich, um ihn zu zeigen, dass er ihn nicht in Stich lassen wollte.

Spike sah abschätzend auf Lindsey herab. Für ihn war Lindsey ein nicht kalkulierbares Risiko, weswegen er ihn am liebsten sofort aus den Armen seines Sires gerissen hätte und ihn entweder getötet, oder weit fort geschafft hätte, wenn nur Angel nicht wäre. Er brauchte nicht mal seine Sinne als Childe einzusetzen, um mit bloßen Augen zu erkennen, dass die Beiden sehr eng miteinander verbunden waren. Was ihn allerdings nur noch mehr ärgerte und seine Eifersucht ansteigen ließ.

„Was ist mit den Seniorpartnern? Können die Lindsey ausfindig machen?" fragte Spike hoffnungsvoll. Wäre Lindsey wirklich wie ein Peilsender, hätte er einen triftigen Grund, um die beiden voneinander zu trennen.

„Das kann ich nicht sicher sagen. Diese Höhle ist normalerweise vor den Augen der Seniorpartner sicher. Doch falls sie eine Möglichkeit haben Lindsey direkt zu orten, könnte es sie zumindest in die Nähe hierher führen", antwortete Illyria sachlich.

„Wäre es dann nicht sicherer, wenn wir ihn vorläufig woanders hinbringen, damit die Seniorpartner Angel nicht finden?" meinte Spike fragend.

Angel und Lindsey erschraken beide, als sie dies hörten und blickten mit flehenden Augen zu ihrem Master auf. Sie wollten nicht voneinander getrennt werden.

Während Illyria ihm antwortete „Sicherer wäre es bestimmt", fielen Spike die flehenden Blicke der Beiden auf, weshalb er sofort ein schlechtes Gewissen bekam.

„Soll ich Lindsey woanders hinbringen?" fragte Jermyn an Spike und Illyria gerichtet.

Angel konnte nicht länger still bleiben, weshalb er seinen Master anflehte: „Master Spike, bitte trennt uns nicht. Ich will alles tun, was Ihr von mir verlangt! Ich werde besser kämpfen. Ich werde Euch perfekt dienen. Ihr werdet nicht enttäuscht sein, das schwöre ich. Ich kann ein guter Sklave sein. Ich verspreche es! Bitte!"

Lindsey fester an sich drückend, sah er bittend zu seinem Herrn auf, während Lindsey ebenfalls mit großen Hundeaugen zu Spike sah und dann zum ersten Mal seinen Mund auf machte und sagte: „Bitte Master Spike. Lindsey gut."

Spike versuchte den beiden möglichst ruhig zu erklären: „Hört zu, ich will euch damit nicht weh tun. Es ist nur zur Sicherheit. Sebassis wird hinter uns her sein. Wenn er tatsächlich eine Möglichkeit hat, Lindsey ausfindig zu machen, dann wird es nicht mehr lange dauern und die ganze Gegend hier ist voll von Dämonen, die nach uns suchen!"

Angel ließ sich dies kurz durch den Kopf gehen und erwiderte traurig: „Dann schickt uns zurück zu Master Sebassis. Wenn er uns hat, gibt es für ihn keinen Grund, dass er uns sucht. Ihr seid dann alle außer Gefahr."

Das machte Spike wütend. Angel benahm sich genauso, wie er es früher tat. Lieber wollte er sich selbst opfern, als für sich selbst zu kämpfen. Zornig fuhr er Angel an: „Du selbstloser, hirnverbrannter Idiot! Glaubst du, wir riskieren Kopf und Kragen, um dich da raus zu holen, nur damit wir dich anschließend zu ihm zurückschicken? Fang lieber an, dich endlich daran zu erinnern, wer du wirklich bist! Früher hättest du Sebassis in seinen königlichen Arsch getreten, anstatt dich freiwillig zu ergeben!"

Angel erschrak über den plötzlichen Wutausbruch seines Masters. Er wollte doch nur verhindern, dass sein neuer Master in Gefahr käme. Er wünschte sich nichts mehr, als dass er sich an sein altes Ich erinnern könnte und er dann vielleicht auch wüsste, wer sein neuer Herr wirklich war. Er fühlte so eine starke Bindung zu ihm, doch er wusste nicht woher diese Bindung stammte.

Spike wurde dies alles zuviel. Ihm fehlte noch immer die springende Lösung, wie er seinen Sire dazu bringen konnte, sich an früher zu erinnern. Resigniert ließ er sich auf den einzigen Stuhl nieder und vergrub sein Gesicht in beiden Händen.

Angel und Lindsey warteten angstvoll auf Spikes Entscheidung. Jermyn wartete ebenfalls auf eine Entscheidung und blickte fragend zu Illyria, die daraufhin meinte: „Es ist nicht nötig die Beiden zu trennen."

Alle blickten nun überrascht zu Illyria auf. Spike fragte sogleich: „Ist es nicht?"

„Nein", antwortete sie simpel.

„Und was willst du damit sagen? Wenn ich fragen darf?" bohrte Spike genervt nach.

Illyria sah fragend zu Jermyn, der bereits ahnte, was sie damit meinte. Nachdem er ihr kurz zunickte, antwortete sie schließlich: „Jermyn trägt ein Schutzamulett, damit weder die Fellbrüder, noch die Seniorpartner das heilige Gefäß ausfindig machen konnten. Es kann Lindsey ebenso beschützen."

Spike sprang von seinem Platz auf und rief sofort auf: „Das kommt nicht in Frage!"

Spike wollte auf keinen Fall das Leben von Jermyn riskieren, nur um Lindsey zu schützen. Er konnte Lindsey nicht leiden. Er war eifersüchtig auf ihn, weil sein Sire sich so sehr um ihn bemühte und außerdem stellte er eine Gefahr für sie alle dar.

Jermyn lenkte sachlich ein: „Die Fellbrüder brauchten mich damals als Opferbeigabe für ein Ritual, das sie durchführen sollten, sobald ich 12 Jahre alt bin. Ich habe dieses Alter schon längst überschritten, also bin ich heute wertlos für sie. Ich brauche den Schutz nicht. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass sie immer noch nach mir suchen."

„Und was ist, wenn sie dich trotzdem suchen? Und sie dich töten wollen?" fragte Spike herausfordernd nach.

„Dann sollen sie ruhig kommen. Ich bin sicher sie werden von uns einen gebührenden Empfang erhalten", erwiderte Jermyn kühn, während er das besagte Amulett ablegte und es Lindsey um den Hals band.

„Bist du sicher, dass du nicht mit Angel verwandt bist?" fragte Spike mit leichtem Sarkasmus.

„Soweit ich weiß ja", erwiderte Jermyn neckend und fügte hinzu: „Zumindest sicher nicht mit Angel."

Zumindest besaß dieser Junge einiges mehr an Kampfgeist, als die derzeit traurige Version seines Sires, dachte sich Spike, wobei ihm klar wurde, dass er sehr stolz auf Jermyn war, als wäre Spike sein Vater, oder sein Sire.

Nachdenklich beobachtete er, wie Jermyn das Amulett an Lindseys Brust zurecht rückte, wobei ihm plötzlich etwas durch den Kopf schoss. Wenn er schon nicht fähig war, Angels Erinnerungen zurückzuholen, vielleicht wäre es dann aber möglich den Dämon in Angel zu erwecken und dessen Kampfgeist heraufzubeschwören?

Wie aus heiterem Himmel befahl Spike: „Lasst uns allein. Alle!", während er Angel fixierend anstarrte.

Jermyn wich verunsichert zurück. Spikes Blick glich dem eines Jägers, der sein Opfer fixiert hatte. „Was hast du vor?" fragte Illyira unbeeindruckt von Spikes Befehlston.

„Ich will einen Dämon beschwören", antwortete er ihr, indem er ihren Blick erwiderte und dabei deutlich unterstrich, dass er nicht genauer darauf eingehen wollte.

Illyria nickte ihm akzeptierend zu, gab Jermyn ein kurzes Zeichen und verließ dann mit ihm zusammen die Höhle. Lindsey blieb weiter dicht an Angel gekuschelt. Angel selbst wusste nicht so recht, was er von Spikes Aussage halten sollte, doch er war froh, dass Lindsey bleiben konnte und wollte deshalb seinen Herrn nicht erneut verärgern. Also verhielt er sich ganz still und wartete ab, was sein Master mit ihm vorhatte.

Zu Lindsey meinte Spike in langsamen Worten: „Lindsey, ich muss mit Angel eine Weile allein sein. Geh nach vorne zum Höhleneingang und warte, bis ich dich hohle, hast du das verstanden?"

Lindsey nickte heftig und erwiderte erfreut: „Lindsey versteht."

„Gut, dann geh jetzt", meinte Spike freundlich.

Lindsey gehorchte eifrig und verließ die Höhle, womit die beiden schließlich alleine waren.

Angel ahnte, weshalb sein neuer Master mit ihm allein sein wollte. Master Sebassis hatte sehr oft von ihm verlangt, dass er ihm sexuell zu Diensten stehen sollte, was er jedes Mal nur sehr ungern getan hatte, und auch nur, um Lindsey zu schützen. Diesmal jedoch fürchtete sich Angel nicht und der Gedanke daran, all solche Dinge mit seinem neuen Master zu machen, störte ihn nicht im Geringsten. Er war sogar etwas aufgeregt darüber und konnte es kaum erwarten, bis sein Herr ihm einen Befehl geben würde.

„Steh auf", folgte schließlich der heiß ersehnte Befehl, weshalb Angel sofort gehorchte und aufsprang. Er zitterte leicht vor Aufregung und wartete nervös, auf eine erneute Anweisung.

Spike war etwas verunsichert, weil er nicht wusste, wie er die Sache angehen sollte. Er musste irgendwie zu Angels Dämon durchdringen. Er musste einen Weg finden, wie Angel seinen inneren Dämon spüren und sich ihrer Verbindung als Sire und Childe bewusst werden würde.

„Schließ die Augen und halte sie geschlossen", ordnete er an. Als Angel gehorchte, entledigte sich Spike seines Hemdes und trat direkt vor Angel. Er nahm dessen Hand und legte sie sich auf seine nackte Brust. Dann redete er sanft auf ihn ein: „Entspanne dich. Versuch deine Gedanken zu vertreiben. Erfühle deine Instinkte. In dir schlummert ein Dämon, der ausbrechen will."

Angel verstand nicht, was Spike von ihm wollte, doch er versuchte dessen Anweisungen zu befolgen. Vielleicht war dies eine Art seltsames Vorspiel?

Spike redete weiter: „Hör auf dein Blut. Es sagt dir, wer ich bin. Vertraue auf deine Instinkte und tu das, wonach dir am meisten ist."

Sollte das etwa eine Anweisung sein? Sollte Angel etwas Bestimmtes tun? Das, wonach ihm am meisten war? Angel dachte darüber nach. Am liebsten wollte er mit dieser komischen Sache aufhören und sofort mit dem eigentlichen Akt beginnen. Doch irgendwie war er sich nicht mehr ganz so sicher, dass sein Master dies auch von ihm wollte, weshalb er das zweite tat, wonach ihm am meisten war.

Er öffnete die Augen, studierte kurz Spikes Gesicht, dessen Augen geschlossen waren, und beugte sich zu ihm zu einem sanften Kuss auf Spikes geschlossene Lippen herab.

Spikes Augen sprangen überrascht auf, als er die kühlen Lippen seines Sires auf sich spürte. Das war es nicht, was er erwartet hatte. Allerdings fühlte es sich keineswegs unangenehm an.

Angel bemerkte die Überraschtheit seines Herrn und wich verunsichert zurück, wobei seine Hand von Spikes Brust glitt. Hatte er etwa das falsche getan?

„Warum hast du mich geküsst?" fragte Spike perplex nach.

„War das nicht richtig?" fragte Angel mit ansteigender Furcht.

„Hast du etwa geglaubt…" Spike stockte, als ihm klar wurde, was Angel geglaubt hatte, dass er von ihm erwartet hatte.

„Es tut mir leid, wenn ich Euch missverstanden habe", erwiderte Angel kleinlaut und auch enttäuscht darüber, dass er sich in Spikes Wünschen getäuscht hatte.

Spike war etwas aus dem Häuschen. Es war nicht so, dass er es nicht wollte. Es gab Zeiten, in denen hätte er alles getan, um seinen Sire dazu zu bewegen, mit ihm zu schlafen. Schließlich war es das natürliche Verlangen eines Childes, seinem Sire nah sein zu wollen. Und selbst nach Jahren, sehnte sich Spike heimlich nach dieser Nähe, auch wenn er es sich selbst niemals eingestehen wollte.

Doch in all den Jahren waren so viele Dinge passiert, die es für die Beiden unmöglich gemacht hatten sich näher zu kommen. Angels Fluch zerstörte den alten Sire, der Spike eigentlich erschaffen hatte, auch wenn dies gar kein allzu großer Verlust war, trieb es dennoch einen Keil zwischen sie. In den späteren Jahren wäre es undenklich gewesen, dass sie auch nur Freunde gewesen wären. Und selbst als Spike dann selbst eine Seele hatte, waren sie sich fremder als je zuvor. Erst ganz am Ende, als sie dem Tode nahe schienen, entwickelte sich etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen.

Doch die tiefe Verbindung zwischen Sire und Childe war immer da gewesen. Und selbst jetzt konnte Spike es deutlich spüren und er fragte sich, ob Angel dies auch konnte. Und noch mehr fragte er sich, was wäre, wenn er diese Verbindung auf besondere Art und Weise vertiefen würde?

„Ach was soll’s", meinte Spike schließlich mehr zu sich selbst und stieß Angel an, sodass dieser rittlings aufs Bett fiel. Erschrocken keuchte Angel auf und blickte Spike nervös entgegen.

Spike grinste triumphierend, während er seine Jeans aufköpfte, den Stoff von den Beinen streifte und sich dann wie eine Raubkatze auf Angel zubewegte. Angel wich verunsichert zurück, bis er das Kopfende des Bettes erreichte.

Seinen Sire zu verführen würde bestimmt ein Mordsspaß werden, dachte sich Spike.

*****

Teil 9

Mittlerweile beide nackt, räkelten sich Spike und Angel auf dem Bettlager. Spike glaubte zu träumen, da sein Sire sich ihm vollkommen hingab, sich unter seine Neckereien und Streicheleinheiten hilflos wandte und lustvoll aufstöhnte. Er hatte Angel noch nie so begierig erlebt. Noch nie schien sein alter Sire so viel Verlangen in sich gehabt zu haben, oder hatte er es sonst immer unterdrückt?

Spike schenkte den besonders empfindlichen Körperstellen seines Sires viel Aufmerksamkeit. Leckte und streichelte ihn am Hals, an den Nippeln und selbstverständlich besonders an dessen Männlichkeit. Angel machte keine Anstalten ihn aufzuhalten. Er ließ Spike vollkommen gewähren und blieb absolut passiv.

Angel genoss die Aufmerksamkeiten, die sein neuer Herr ihm schenkte. Er spürte ein unglaublich erregendes Kribbeln und fühlte sich so geborgen, als ob er nach einer sehr langen Zeit endlich nach Hause gekommen wäre. Er verspürte ein tiefes Vertrauen zu Spike und wollte alles für ihn tun.

Spike konnte einfach nicht glauben, wie willig sich Angel unter seinen Händen verhielt. Es war einfach zu perfekt. Und während er einen von Angels Nippeln mit der Zunge bearbeitete und einsaugte, seine Hand Angels harten Schaft massierte und Angel lustvoll unter ihm aufstöhnte, bemerkte er, wie falsch dies alles hier war.

Angel war sein Sire. Er sollte sich nicht so passiv verhalten. Spike war das Childe und es sollte Angel sein, der sich von ihm nahm, was er wollte. Es sollte Angel sein, der den Ton angab.

Es war nicht so, als ob Spike es nicht genoss der aktive Part zu sein. Es war einfach unglaublich! Es war wie ein Traum, der nach langer Zeit endlich in Erfüllung ging! Wie oft hatte er darüber fantasiert, seinen Sire zu nehmen und nun lag er halb über genau diesem Traum und war nur einen kleinen Schritt weit davon entfernt seinen erregten Schaft in einen willigen Körper zu stoßen.

Doch es war so falsch.

Abrupt löste sich Spike von Angel und setzte sich mit dem Rücken zu Angel gewandt ans Bettende. Angel erstarrte, weil er glaubte etwas falsch gemacht zu haben. Erschrocken fragte er seinen Herrn: „Master Spike? Habe ich was falsch gemacht?"

„Das hier alles ist falsch", murmelte Spike niedergeschlagen.

Eine leichte Verzweiflung begann sich in Angel aufzubauen. Egal wie sehr er auch versuchte seinen Herrn zufrieden zu stellen, er erreichte damit nur das Gegenteil. Er wusste nicht was er tun sollte, weshalb er flehend fragte: „Master bitte, sagt mir, was ich falsch gemacht habe. Ich kann es besser, ich verspreche es!"

„Nenn mich nicht Master. Ich bin nicht dein Master", erwiderte Spike erschöpft.

„Warum wollt Ihr nicht mein Master sein? Gefalle ich Euch nicht? Ich kann ein guter Sklave sein, ich schwöre es. Ich werde mich mehr anstrengen. Bitte, ich bitte Euch. Ich möchte so sehr der Eurige sein", bat Angel erneut.

Spike wandte sich zu Angel um, sah ihm in die Augen und sagte: „Das bist du doch schon seit ewigen Zeiten. Ich bin dein Childe, Angel!"

„Was ist ein Childe?" fragte Angel nicht verstehend nach.

„Du weißt nicht, was ein Childe ist?" meinte Spike überrascht.

„Nein Master", antwortete Angel gehorsam.

„Angel bitte, ich sage es dir ein letztes Mal. Nenn mich nicht Master! Und rede mich nicht mit „Ihr" oder „Euer" an. Mein Name ist Spike. Du kannst mich einfach Spike nennen und mit „Du" ansprechen!" wiederholte Spike diesmal etwas energischer.

Angel wollte sofort mit „Jawohl, Master" antworten, stockte jedoch und sagte schließlich: „Okay."

„Weißt du wie Vampire erschaffen werden?" kam Spike auf das eigentliche Thema zurück.

„Nein", gab Angel zu.

„Aber du weißt, was Vampire sind und du weißt, dass du einer bist, nicht wahr?"

„Ja, das weiß ich."

„Und du weißt auch, dass ich ein Vampir bin, oder?"

„Ja, das weiß ich auch", antwortete Angel artig.

„Und woher wusstest du, dass ich ein Vampir bin?"

Angel überlegte kurz und gab dann zur Antwort: „Ein Gefühl sagte mir das."

Spike wurde hellhörig. Rasch rückte er etwas näher zu Angel heran und bohrte weiter: „Dieses Gefühl, das dir sagte, dass ich ein Vampir bin, sagte es dir vielleicht noch mehr als das?"

Angel wusste nicht, wie weit er gehen durfte, aber er vertraute Spike, weshalb er offen sagte: „Ich fühlte eine seltsame Verbindung zu… dir."

Spike war sich nun sicher, dass er auf dem richtigen Weg war, weshalb er fast euphorisch strahlte und weiter redete: „Das ist großartig! Hör zu, dieses Gefühl ist das, worauf du hören musst. Das ist dein Instinkt. Ich möchte, dass du dich auf dieses Gefühl und diese Verbindung konzentrierst. Handle einfach so, wie es dir dieses Gefühl sagt."

Angel war damit sichtlich überfordert. Er wusste nicht, was Spike von ihm erwartete. Er strengte sich zu sehr an, seinen Herrn zufrieden zu stellen, dass er gar nicht fähig war auf seinen Instinkt zu lauschen.

Schließlich rückte Spike noch ein Stück näher und küsste Angel sanft auf die Lippen. Danach fragte er: „Wenn wir uns berühren, fühlst du dann auch diese Verbindung?"

„Ja, wenn wir uns berühren, ist es sogar noch deutlicher", gab Angel zu.

„Magst du es, wenn ich dich berühre?"

„Oh ja, sehr!" gestand Angel sofort.

Spike musste grinsen und fragte weiter: „Möchtest du mich nicht auch berühren?"

Angel wurde verlegen und erwiderte schüchtern: „Ich möchte schon."

„Dann tu es!" drängte Spike sogleich.

Zaghaft hob Angel seine Hand und berührte Spike an der Wange. Etwas in ihm begann sich zu regen und er fühlte die innere Verbindung aufleben. Spike näherte sich ihm und bot seinen Hals dar. Er hoffte, dass Angel die stumme Einladung annehmen und sein Recht als Sire bei ihm einfordern würde.

Im Zeitlupentempo ließ Angel seine Lippen auf Spikes Wange herab und wanderte sich quälend langsam zu dessen Nacken hinunter. Spikes Blut rief unter der dünnen Haut zu ihm und schrie förmlich danach, dass er es nehmen sollte. Spike ließ seine Hand unterstützend zu Angels Kopf gleiten, wo er sofort die weichen Haare vermisste, die sein Sire früher getragen hatte.

„Trink", flüsterte Spike verlangend, nachdem Angel noch immer keine Anstalten machte. Erst dann erlaubte sich Angel seinem Verlangen hinzugeben, sein Gesicht verwandelte sich von selbst und seine Zähne bohrten sich langsam in das zarte Fleisch.

Spike bäumte sich ihm stöhnend entgegen und drückte ihn fester an sich. Es war weit mehr als hundert Jahre her, als er dies zuletzt spüren durfte und es fühlte sich fantastisch an.

Als die ersten Bluttropfen Angels Gaumen berührten, fühlte Angel einen ungewohnten Blutrausch aufkommen, was ihm mit Lindsey niemals passierte. Spikes Blut schmeckte vollkommen anders und schien viel mehr Kraft in sich zu haben. Er saugte das wertvolle Lebenselixier fester in sich und spürte mit jedem Schluck, wie sich diese seltsame Verbindung zwischen ihnen verstärkte.

Plötzlich blitzten kurze Erinnerungen vor seinem inneren Auge auf. Es waren nur kurze, bruchstückhafte Bilder, mit denen er nichts anfangen konnte, doch die Gefühle, die nun plötzlich in ihm entstanden, waren enorm.

Spike merkte, wie sich in Angel etwas zu regen begann und er entschied einen Schritt weiter zu gehen. Laut ungeschriebenem Gesetz war es ihm eigentlich verboten ohne Erlaubnis von seinem Sire zu trinken, doch in dieser Situation konnte man bestimmt eine Ausnahme machen. Außerdem scherte sich Spike nie sehr viel um Vampirgesetze. Also verwandelte er sein Gesicht und biss Angel in den Hals, um das Blut seines Sires zu stehlen und das alte Bündnis zwischen ihnen zu erneuern.

Dies war kein Schritt ohne Risiko für Spike. Ihm war klar, dass sich dadurch sein Gefühlschaos Angel gegenüber nur noch mehr verstärken würde, doch er musste einen Weg finden, wie dieser seine Erinnerungen zurückerlangen konnte.

Als Angel den feinen Schmerz an seinem Hals spürte und er bemerkte, wie Spike ihm sein Blut entzog, wurden die Gefühle in ihm stärker. Er fühlte eine tiefe Zuneigung zu Spike, die mit jedem Schluck Blut, den sie tauschten, stärker zu werden schien. Ihm wurde klar, dass Spike mehr war, als nur ein normaler Vampir. Er schmeckte sich selbst in dessen Blut. Er war ein Teil von ihm selbst.

Vertrautheit, tiefe Zuneigung und das unbändige Verlangen Spike vollkommen zu besitzen wuchsen immer mehr in ihm an. Sein Griff um Spike verfestigte sich und er begann während seiner tiefen Schlucke leise zu knurren, wie ein Hund, der einen geliebten Knochen vor Fremden beschützt.

Spike hoffte, dass dieses Knurren bedeutete, dass Angel sich erinnerte. Er löste sich schließlich von dessen Hals und keuchte von seinen Gefühlen überwältigt: „Sire!"

Als ob Spike damit einen kleinen Umschalter in Angel betätigt hätte, löste dieses eine Wort eine ungeahnte Reaktion aus. Angel drückte Spike zurück auf die Matratze, saugte noch ein paar mal in tiefen Zügen von seinem Childe, während er seine erregte Härte gegen Spikes Hüfte stieß. Das Verlangen danach, in diesen wunderschönen Körper zu stoßen, wurde immer größer in ihm, als hätte er es schon seit vielen Jahren verdrängt und würde genau in diesem Moment ausbrechen wollen.

Spike ließ seinen Sire gewähren, gab ihm die Oberhand, die er sonst nur einmal in seinem Leben an Angel übergeben hatte, oder vielmehr an Angelus. Und dies war beinahe zweihundert Jahre her.

Angels Saugen wurde leichter, bis er nur noch leicht an der Wunde leckte, während seine Hände begierig nach Spikes Körper tasteten. Er küsste sich schließlich einen Weg hinab zu dessen Brust, saugte die empfindlichen Nippel, die noch immer mit Piercing-Ringen versehen waren, ein und ließ Spike unter sich hilflos winden.

In keiner Sekunde dachte Angel darüber nach, was er hier tat, er handelte rein aus Instinkt. Sein Verlangen und sein innerer Dämon bestimmten sein Handel und er nahm sich das, wonach er sich in tiefster Seele sehnte. Er nahm sich das, was ihm gehörte.

Willig spreizte Spike seine Schenkel, um Angel darin Platz zu gewähren. Er wurde leicht nervös, schließlich gab es außer Angelus keinen anderen Mann mehr in seinem Leben, dem er so etwas gestattet hatte. Und zur Hölle, selbst Angel hätte er diesen Akt früher nicht freiwillig gewährt, auch wenn er es sich unterbewusst immer gewünscht hatte. Freiwillig hätte er sich niemals dargeboten. Und nun spreizte er seine Beine, wie ein vertrauter Liebhaber. Spike musste sich beherrschen, Angel nicht aufzuhalten.

Wie in vertrauter Routine, als hätten die beiden über die letzten Jahre hinweg nie etwas anderes getan, als sich intim zu berühren, drückte Angel seinen erhärteten Schaft gegen die pulsierende Öffnung seines Childes. Spike machte sich innerlich auf den Schmerz gefasst, den er erwartete. Es war mehrere Jahrzehnte her, dass sein Sire ihn zuletzt auf diese Weise genommen hatte.

Trotz seines großen Dranges sich in Spike zu vergraben, schaffte es Angel sich zu beherrschen. Sein Instinkt sagte ihm, dass er sehr vorsichtig sein müsse, sonst würde er Spike große Schmerzen zufügen, deshalb drückte er sich so sachte wie möglich gegen Spikes Körper, der ihn überrascht musterte. Soviel Sanftheit hatte er nicht erwartet. Trotz fehlender Vorbereitung fühlte er keinen Schmerz.

Millimeter für Millimeter drang Angel tiefer ein. Spikes Gefühlswelt begann sich zu überschlagen. Die tiefe Verbindung zu seinem Sire festigte sich. Er wusste, nach diesem Akt würde alles anders sein. Er würde wieder das Childe sein und Angel der Sire. Falls Angel sich danach wieder erinnern würde, hätte er alle Macht und Kontrolle über Spike und dies machte ihm Angst. Falls Angel sich danach an den Hass, den die beiden so lange geteilt hatten, zurück erinnern und er Spike von sich stoßen würde, wusste Spike nicht, ob er dies ertragen konnte.

Durch all diese Ängste aufgewühlt, stahl sich bei Spike eine kleine Träne aus den Augenwinkeln. Angel fühlte längst, dass Spike bedenken hatte, weshalb er inne hielt und Spikes Träne mit dem Daumen sanft wegwischte. Ihm war nicht klar, mit welchen Ängsten Spike gerade kämpfte, aber ihm war die große Bedeutung dieser Verbindung bewusst. Auch er fühlte genau, dass sich damit alles ändern würde.

„Soll ich aufhören?" fragte Angel flüsternd.

„Teufel nein!" antwortete Spike energisch, griff fester um seinen Sire, zog ihn an sich und drückte sich selbst entgegen, sodass Angels Schaft sich bis zum Anschlag in Spike vergrub. Zum Teufel mit all den Zweifeln, dachte sich Spike. Auch wenn danach alles zur Hölle gehen würde. Was zählte war der Moment und zur Hölle, dies war ein verflucht guter Moment, den er um nichts in der Welt versäumen wollte.

Dies war die letzte Bestätigung, die Angel brauchte, womit nun alle Beherrschung verschwand. In tiefen und gleichmäßigen Stößen vergrub er sich in Spikes ihm entgegenstemmenden Körper. Sie errechten schnell einen alt vertrauten Rhythmus zurück, der sich rasch steigerte.

Suchende Hände tasteten sich beinahe verzweifelt am Körper des andern. Leidenschaftliche Lippen suchten sich ihren Weg über zarte Haut und empfindliche Vampirmale, wodurch ein elektrisierendes Kribbeln in beiden Körpern ausgelöst wurde. Feuchte Zungen leckte die über frische Wunden und bettelten um einen tropfen Blut.

„Sire!" keuchte Spike auf, während dieser immer fester in ihn stieß und ihn in einem festen Besitz ergreifenden Griff an sich drückte.

„William", erwiderte Angel, worauf ein bebender Schauer durch Spike fuhr. Angel begann sich an ihn zu erinnern. Freude und zugleich panische Angst stiegen in Spike an. Angst, weil er nicht wusste, ob sie nach dieser Verbindung noch Freunde wären. Doch zumindest waren sie sicher nie wieder Master und Sklave.

Angels Stöße wurden schneller und mit einem tiefen Grollen aus seiner Kehler bohrte er seine Vampirzähne erneut in Spikes Hals und nahm sich zurück, was ihm zustand. Er festigte seinen Besitzanspruch über Spikes Körper, welcher unter ihm zu beben begann. Spike wurde von all seinen Gefühlen überwältigt und sein Körper reagierte von selbst auf seinen Sire. Gleichzeitig erreichten die beiden einen gewaltigen Höhepunkt, während Angel Spike erneut Blut aus den Adern zog. Mit weiteren Stößen presste sich Angel gegen den Körper seines Childes. Vergrub sich ein letztes Mal tiefer, bis sich die Erschöpfung breitmachte.

Angel hörte auf zu trinken, leckte aber weiter über Spikes Wunde. Spike selbst lag schlapp unter ihm und war unfähig auch nur einen einzigen Muskel zu bewegen. Sie waren beide vollkommen ausgepowert. Angel rutschte ein kleines Stück von Spike herab, sodass er mit dem Kopf neben ihm lag, während sein halbsteifer Schaft weiter in Spikes Körper vergruben war.

Sie blickten einander tief in die Augen, wobei keiner der Beiden sicher war, was der andere wirklich fühlte. Angel wirkte verändert. Er war kein bisschen mehr wie ein verunsicherter Sklave.

Spike ertrug diese Ungewissheit nicht länger, weshalb er fragte: „Erinnerst du dich wieder?"

Angel dachte eine Weile darüber nach. In ihm waren in den letzten Minuten so viele Gefühle und Erinnerungen aufgetaucht, dass er nicht wusste, wie er dies alles einordnen sollte. Als Antwort sagte er leise: „Ich habe dich erschaffen. Es war in einer Nacht in einer dunklen Gasse. Es war ein unglaublicher Moment. So unglaublich wie das, was ich eben erleben durfte. Doch an mehr erinnere ich mich nicht. Es ist alles sehr verschwommen. Ich höre eine Stimme in mir, die mir mehr zu erzählen versucht, aber es ist so, als würde ich die Sprache nicht verstehen, die diese Stimme spricht. Was ist das?"

Spike ahnte, wovon Angel sprach, weshalb er sagte: „Das ist dein Dämon. Sebassis muss es geschafft haben, dass du deinen Kontakt zu ihm verloren hast. Du musst wieder lernen deinen Dämon zu verstehen, aber hör nicht zu viel auf ihn. Er ist ein egoistischer kaltblütiger Killer."

Spike war erleichtert, dass Angel sich nicht an früher erinnern konnte, aber sich trotzdem nicht mehr wie ein Sklave verhielt.

„Wirst du mir helfen ihn zu verstehen?" fragte Angel hoffnungsvoll nach.

„Yeah, das werde ich. Und ich werde dir in den Hintern treten, wenn du anfängst verrückt zu spielen", witzelte Spike. Durch seine Erleichterung war auch sein frecher Humor zurückgekommen.

„Erlaube dir nicht zu viel, Childe", warnte Angel mit einem kühlen Blick, der deutlich machte, dass sich Angel seiner Macht über Spike bewusst war. Daraufhin erstarrte Spike innerlich. Es beunruhigte ihn etwas, da er mittlerweile selbst ein Meistervampir war und er sich ganz gewiss nicht unterordnen wollte. Auch seinem Sire nicht.

Doch das anschließende Lächeln, das Angel aufsetzte, löste die aufgetretene Spannung sofort wieder auf. Es war nur ein Necken unter Sire und Childe gewesen und als solches verstand Spike es dann auch.

Schließlich spürten beide eine schwere Erschöpfung. Der Akt hatte sie viel Kraft gekostet und ebenso all die Gefühle, die in ihnen tobten. Müde kuschelten sie sich beide zusammen, wobei sie die kühle Nässe von Spikes Orgasmus zwischen ihnen vollkommen ignorierten. Sie wollten nur noch eins, und das war gemeinsam in einen erholsamen Schlaf versinken.

Spike war gerade dabei einzuschlafen, als er Angels murmelnde Stimme neben sich hörte: „Was ist mit Lindsey? Sollten wir ihn nicht holen?"

Mit einem Schlag waren all die schönen Momente wie weggezaubert, als Angel den Namen des Mannes erwähnte, an den Spike ganz sicher nicht denken wollte. Lindsey war ihm ein Dorn im Auge. Er war tierisch eifersüchtig und jetzt sogar noch mehr.

Als Antwort gab er nur ein verstimmtes Knurren von sich, worauf Angel leise kicherte. Er merkte sehr wohl, dass Spike sehr eifersüchtig war, weshalb ihm klar wurde, dass er daran arbeiten musste. Er mochte Lindsey sehr und er war der Einzige auf der Welt, dem Lindsey vertraute und bei dem er keine Angst empfand. Deshalb konnte er ihn nicht links liegen lassen.

„Ich hole ihn", kommentierte Angel, während er sich aus ihrer Umarmung löste. Spike brummte griesgrämig auf, als sich Angels Körper von ihm wegbewegte und die Nässe an seinem Körper unangenehm kalt wurde. Grummelnd griff er sich die Decke und zog sie sich selbst über den Kopf.

Angel grinste über das kindliche Benehmen seines Childes, das ihm seltsam vertraut vorkam. Ein paar neue Bilder blitzten vor seinem inneren Auge auf. Neue Erinnerungen wurden deutlicher, doch noch immer blieb ihm seine eigene Vergangenheit verborgen.

Seufzend verließ er die Höhle und folgte dem schmalen Gang zum Höhleneingang, wo Lindsey artig wartete.

Draußen war es sehr kalt und ein eisiger Wind wehte in die Höhle hinein. Die späte Abendsonne gab kaum noch Wärme ab. Lindsey hatte keine Schuhe an. Zitternd kauerte er auf dem Boden und versuchte sich mit seinen eigenen Händen zu wärmen. Er fürchtete sich sehr so ganz allein hier am Eingang der Höhle zu sitzen. Am liebsten wäre er zurück zu Angel geflüchtet, doch sein Master hatte ihm den eindeutigen Befehl gegeben hier zu warten, weshalb er es nicht wagte sich zu bewegen.

Er war unendlich erleichtert, als er Angel erkannte. Erfreut sprang er auf, eilte ihm entgegen und stürzte sich in seine Arme.

Angel drückte den kalten, zitternden Körper fest an sich. Obwohl er selbst ein nackter Vampir war, schien er mehr Wärme in sich zu tragen, als Lindsey.

„Du bist ja total unterkühlt", stellte er besorgt fest. „Komm, wir wärmen dich auf."

„Lindsey kalt", stimmte Lindsey mit zittriger Stimme zu.

Angel rubbelte kurz über Lindseys Rücken und zog ihn dann tiefer in die Höhle.

Spike hörte die beiden in der Höhle ankommen, blickte aber nicht auf, sondern vergrub sich noch tiefer in dem Bettlager. Er wollte nicht mit ansehen, wie liebevoll sich Angel um Lindsey kümmerte.

„Angel nass", stellte Lindsey fest und strich mit seinen Fingern über Angels Brust, wo noch immer Reste von Spikes Samen klebten.

„Oh", kommentierte Angel knapp, da er dies bisher vollkommen ignoriert hatte. Suchend blickte er sich in der kargen Höhle nach einer Reinigungsmöglichkeit um, doch ehe er etwas entdecken konnte, war Lindsey bereits dabei ihn sauber zu lecken.

Angel schluckte schwer, als er Lindseys Zunge auf sich spürte. Er musste ein Stöhnen unterdrücken, weil es sich so gut anfühlte. Mit sanftem Druck versuchte er Lindsey von sich zu schieben und meinte verlegen: „Ähm… ich sollte nach einem Tuch suchen."

„Lindsey will", bekräftigte Lindsey energisch und fuhr seine Arbeit fort. Mit viel Liebe und Aufmerksamkeit leckte er Angel gründlich sauber.

„Mhmm", entwich Angel ein genießerischer Laut, worauf Spike finster unter der Decke hervorlugte, um zu sehen, was da vor sich ging. Als er sah, wie Lindsey seinen Sire den gesamten Oberkörper sauber leckte und sich dabei immer weiter nach unten arbeitete, entwich ihm ein bedrohliches Knurren aus der Kehle.

Angels Augen sprangen sofort alarmiert auf. Doch als er den Grund für das Knurren erkannte, grinste er Spike nur frech entgegen. Bevor Lindsey sich schließlich seiner Männlichkeit zuwenden konnte, zog Angel ihn auf seine Beine zurück und fragte ihn laut genug, damit Spike es sicher hören konnte: „Das gefällt dir, nicht wahr?"

„Lindsey gefällt", erwiderte Lindsey mit einem breiten Lächeln.

Spike wandte sich demonstrativ herum, sodass er mit dem Rücken zu den Beiden lag. Er wollte sich das nicht länger mit ansehen. Und ganz sicher wollte er sich von Angel nicht weiter necken lassen.

Angels Grinsen wurde breiter. Leise flüsterte er Lindsey etwas ins Ohr, worauf dieser verunsichert zwischen ihm und Spike hin und her sah. Angel nickte ihm beruhigend zu, um zu verdeutlichen, dass Lindsey sich nicht vor dem zu fürchten brauchte, worum er ihn flüsternd gebeten hatte.

Spike war überrascht, als er schließlich spürte, wie Angel zu ihm unter die Decke schlüpfte und ihn liebevoll in den Arm nahm. Als er über seine Schulter zu ihm zurück blickte, grinste Angel ihm frech entgegen. Irgendwas hatte sein Sire vor, doch er wusste nicht was.

Angel zog Spikes Kopf zu einem Kuss zu sich, worauf ihre Zungen sich sofort begierig aneinander rieben. Spike bemerkte, wie sich das Bett unter ihnen bewegte und ehe ihm klar wurde, was vor sich ging, spürte er eine warme Zunge an seiner Brust.

Überrascht löste er sich von Angel und blickte an sich herab. Lindsey lag direkt vor ihm und leckte ihn auf die gleiche zärtliche Art sauber, wie er es eben bei Angel tat.

„Hey, hör auf damit! Das ist widerlich!" murrte Spike griesgrämig, obwohl es sich in Wahrheit sehr gut angefühlt hatte.

Lindsey hielt sofort inne und blickte ängstlich zu seinem Master hoch. Angel rückte näher an Spikes Rücken heran, knabberte spielerisch an dessen Ohr und fragte flüsternd: „Ist es das wirklich?"

„Yeah!" unterstrich er, während sich Lindseys Kulleraugen in ihn zu bohren begannen.

Angel flüsterte weiter auf Spike ein: „Es gefällt ihm. Er mag deinen Geschmack und seine Zunge ist sehr talentiert." Währenddessen schob Angel sein Becken gegen Spikes Hintern. Der Gedanke an eine talentierte Zunge auf seiner Haut und Angels sich neu erhärtender Schaft an seiner Kehrseite entlockte ihm ein ungewolltes Stöhnen.

„Du musst ihm nur erlauben, dass er weitermachen darf", meinte Angel verführerisch.

„Ja", keuchte Spike stöhnend auf. Nicht um Lindsey die Erlaubnis zu geben, sondern weil Angel genau in diesem Moment einen Finger tief in seinen Anus drängte und dort direkt den besonderen Lustpunkt in ihm traf, welcher leichte Stromstöße durch seinen Körper jagte.

Lindsey verstand dies jedoch als seine ersehnte Erlaubnis und fuhr fort, über Spikes Brustkorb zu lecken.

„Oh fuck!" kommentierte Spike das überwältigende Gefühl, das Angel und Lindsey in ihm auslösten.

Während Lindsey langsam zu Spikes neu erwachter Härte herabwanderte, fügte Angel einen weiteren Finger hinzu, vermied es aber seine Prostata erneut zu treffen.

Frustriert stöhnte Spike auf, bewegte sein Becken nach mehr verlangend gegen Angels Finger und flehte schon fast: „Bitte!"

Lindsey verstand dies als Aufforderung seinen Herrn mit seinem erhärtenden Problem behilflich zu sein, dem er sehr gerne nachkommen wollte. Angel wartete die ganze Zeit nur diesen einen Augenblick ab, und als Lindseys Mund sich schließlich um Spikes Härte schloss, stieß er mit seinen Fingern erneut gegen diesen einen Punkt, der die Sterne vor Spikes Augen aufblitzen ließ.

Mit einem Schrei ergoss sich Spike direkt in Lindseys Mund. Das doppelte Spiel der Beiden hatte ihn jeglicher Kontrolle beraubt. Sprichwörtlich ausgesaugt, lag er schlapp in Angels Armen, während Lindsey begierig jeden Tropfen von ihm schluckte und ihn sauber leckte.

Spike konnte nicht fassen, dass er sich ausgerechnet von Lindsey einen blasen ließ. Und woher zum Teufel konnte dieser das so gut? Mit gespielt böser Miene blickte er zu seinem Sire zurück und meine: „Das war unfair."

„Aber es hat dir gefallen, nicht wahr?" schnurrte Angel mit einem wissenden Lächeln.

„Kann sein", gab Spike widerwillig zu. Entsetzt bemerkte er, wie Lindsey sich nach getaner Arbeit an seine Brust schmiegte. Er war darüber so perplex, dass er es nicht schaffte ihn von sich zu stoßen. Stattdessen gab er nur einen irritierten Laut von sich.

Angel kommentierte flüsternd: „Es ist sehr ungewöhnlich, dass er nur so wenig Angst vor dir hat. Sebassis hat mir erklärt, dass die Seniorpartner ihn so programmiert haben. Lindsey ist dazu bestimmt für immer und ewig unter Angst zu leben. Ich brauchte Jahre, bis er mir vollkommen vertraute und er in meiner Gegenwart keine Angst mehr hatte. Er denkt, dass du sein neuer Master bist, weshalb er dir aufs Wort gehorchen wird. Du hast keinen Grund auf ihn eifersüchtig zu sein."

„Ich bin nicht eifersüchtig", protestierte Spike sofort. Angels leichtes Lachen machte jedoch deutlich, dass Angel genau wusste, dass es doch so war.

Spike blickte nachdenklich auf den Haarschopf herab, der sich sanft an seine Brust schmiegte. Irgendwie tat ihm Lindsey leid. Es musste schrecklich sein, ständig in Angst zu leben.

„Hat Sebassis ihm beigebracht, wie man Schwänze lutscht?" fragte Spike, wobei er die Antwort bereits erahnen konnte.

„Ja", erwiderte Angel knapp und mit einem schweren Schlucken, wobei ziemlich klare Erinnerungen an Sebassis in ihm wach wurden, wo dieser nicht nur Lindsey, sondern auch ihm auf schmerzhafte Art und Weise beibrachte wie genau Sebassis es bevorzugte befriedigt zu werden.

Spike entging dies nicht, weshalb er sagte: „Dieser Mistkerl wird dafür büßen, das verspreche ich dir." Und damit meinte er nicht allein die Dinge, die dieser Lindsey angetan hatte, sondern ganz besonders all die Qualen und Schmerzen, die Sebassis seinen Sire spüren ließ.

*****

Teil 10

Spike steckte gerade in einem angenehmen Traum, als er auf ziemlich unliebsame Weise aus seinem Schlaf gerissen wurde. Jemand zerrte und rüttelte grob an seinem großen Zeh. Desorientiert öffnete er die Augen, wobei er feststellte, dass er von zwei warmen Körpern umringt war. Links und rechts neben ihm lagen Angel und Lindsey dicht an ihn gekuschelt. Angel hatte einen Arm um seine Hüfte geschlungen. Dessen Hand reichte bis zu Lindsey, wo sie entspannt auf dessen Oberarm lag. Lindsey selbst lag etwas tiefer und hatte sich halb zu einem Ball eingerollt. Sein Gesicht aber, war in Spikes Bauchhöhle versteckt.

„Wach endlich auf!" drängte Jermyns Stimme, in der ein Ton mitschwang, der eindeutig nach Gefahr roch. Sofort war Spike hellwach und fragte: „Was ist los?"

„Du hattest Recht, was den Sender betraf. Aber es ist nicht Lindsey, der das Signal sendet. Sebassis ist bereits auf dem Weg hierher", warnte Jermyn.

„Wenn es nicht Lindsey ist, was ist es dann? Und woher zum Teufel weißt du das?" wollte Spike genauer wissen. Diesmal wollte er besser informiert werden.

„Es ist sein Halsband. Wir haben einen Spitzel im Haus, der hat uns gewarnt. Wir haben nicht viel Zeit, wir müssen von hier verschwinden. Sofort!"

Angel war mittlerweile wach geworden. Sich der Gefahr bewusst, stieg er sofort aus dem Bett und begann seine Sachen anzuziehen, während Spike eilig folgte.

„Wie viele sind es?" fragte Spike, während er in seine Sachen schlüpfte.

„Das kann ich nicht genau sagen. Vielleicht zehn, oder zwanzig. Vielleicht auch mehr."

„Na großartig", murmelte er missgestimmt. „Und dieses Arschloch ist mit dabei?"

„Sebassis? Ja, soweit ich weiß ist er selbst mit dabei."

Angel erklärte daraufhin: „Sebassis verlässt das Haus nie ohne seine Privatarmee. Das sind ungefähr zwanzig Kämpfer. Sehr gute Kämpfer." Nebenbei stieß er Lindsey an, welcher bisher schlafend im Bett geblieben war.

„Also gut, wie lautet der Plan. Diesmal will ich es genau wissen!" forderte Spike Jermyn auf, ihn zu unterrichten.

„Ich bringe euch zu einer der anderen Höhlen. Illyria ist gerade dabei unser Haus abzuriegeln und alle unsere Freunde zu warnen. Sie wird in der Höhle auf uns warten. Du und Angel müsst sofort von hier weg."

„Und was ist mit Lindsey?" fragte Angel besorgt.

„Er muss hier bleiben. Er ist eine zu große Gefahr für uns. Wenn Sebassis oder die Seniorpartner von den anderen Höhlen erfahren, ist alles verloren."

„Ich werde ihn nicht alleinlassen!" stellte Angel klar.

Spike fühlte, wie sich innerlich alles zu drehen begann. Er hatte einen Sire, der nicht kämpfen konnte, einen jungen Kerl, der nicht auf ihn hören würde, und einen Sklaven, der zwar auf ihn hören würde, aber zum Kämpfen nichts taugte. Wie um alles in der Welt sollte er sie alle heil von hier wegschaffen?

An Spike appellierend, wiederholte Angel: „Spike, bitte. Ich kann ihn nicht alleinlassen."

„Also gut, hört mir zu. Du gehst zurück zu Illyria und sagst ihr bescheid. Sie soll ihren blauen Hintern hierher bewegen, denn ich weiß nicht, wie lange ich die Dämonen allein aufhalten kann. Und ihr beide sorgt dafür, dass ihr am Leben bleibt", wies Spike zuerst Jermyn und dann Angel und Lindsey an.

„Du willst allein gegen die Dämonen kämpfen?" fragte Jermyn überrascht. Der Glanz von seinem Traumhelden kehrte daraufhin langsam wieder zurück.

„Hast du eine bessere Idee?" erwiderte er kühn, während er sich die beiden Schwerter vom Boden holte und eins davon Angel zuwarf.

„Dann werde ich hier bleiben und an deiner Seite kämpfen", verkündete Jermyn stolz.

„Du wirst auf gar keinen Fall hier bleiben! Mit Dämonen zu kämpfen ist kein Kinderspiel. Ich will nicht Schuld an deinem Tod sein. Verschwinde von hier, solange du noch kannst!" befahl Spike.

„Ich kann kämpfen. Wenn es sein muss, kann ich es sogar mit dir aufnehmen", erwiderte Jermyn störrisch.

Spike wollte sich über diese Aussage gerade lustig machen, als plötzlich einer von Sebassis’ Kämpfern in die Höhle stürmte. Jermyn, der dem Gang am nächsten war, stürzte sich sofort auf den Dämon. Innerhalb von nur wenigen Sekunden und mit bloßen Händen, schlug er geschickt auf den Gegner ein und erledigte ihn mit einem sauberen Genickbruch.

Auf den Leichnam herabblickend, kommentierte er trocken: „Das war einer von Sebassis’ Spähern. Wir haben keine Zeit mehr. Sie werden jeden Augenblick hier sein."

Von dieser Darbietung ziemlich beeindruckt, musste Spike zugeben: „Anscheinend hat dir Illyria doch ein paar nützliche Dinge beigebracht. Also gut, du gehörst zum Team."

Jermyn lächelte stolz. An der Seite seines Helden zu kämpfen war schon immer ein Traum von ihm gewesen.

An Angel gerichtet, fragte Spike skeptisch: „Was ist mit dir? Muss ich ein Auge auf dich werfen, oder kannst du alleine kämpfen?"

Angels Gesichtzüge verwandelten sich und er erklärte kühn: „Ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst." Angel erinnerte Spike ganz stark an Angelus. Sein Körper schien bis zum letzten Muskel angespannt und auf den Kampf bereit. Somit standen die Chancen vielleicht doch nicht so schlecht.

„Na schön, dann warten wir ab und bereiten Sebassis einen gebührenden Empfang. Durch den schmalen Höhleneingang sind sie gezwungen einer nach dem anderen zu uns zu kommen. Das verschafft uns eine gewissen Vorteil", verkündete Spike mit gewisser Vorfreude. Es war lange her, dass er zuletzt einen richtig guten Kampf hatte.

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Dämonen hereinstürmten. Der ausbleibende Späher führte sie direkt zu ihnen in die Höhle. Es war dieselbe Art Dämonen, wie in dieser einen unseligen Nacht vor fünfundzwanzig Jahren, doch diesmal waren es ein gutes Stück weniger, weshalb sie nun viel bessere Karten hatten.

Spike fühlte sich großartig. Mit vollem Enthusiasmus schlug er auf seine Gegner ein, als wollte er sich all de verlorenen Jahre zurückerkämpfen. Jermyn war von klein an von Illyria darauf trainiert worden, wie man gegen Dämonen kämpft. Er hatte keine Schwierigkeiten seine Gegner zu besiegen. Angel überließ die Führung des Kampfes seinem inneren Dämon. Es fühlte sich für ihn an, als wäre in seinem Körper ein böser Geist gefangen, der ihm zeigte wie er die Dämonen auf schnelle Weise killen konnte. Dieser Geist grollte bedrohlich. Er kämpfte zum Schutz für sein Childe und für Lindsey.

Während des Kampfes hielt sich Lindsey neben dem Bettlager versteckt. Er hatte schreckliche Angst und zitterte am ganzen Leib. Er hoffte inständig, dass Angel und seinem netten Master nichts passieren würde.

Es sah sehr gut aus für das Kampfteam. Die meisten der Dämonen waren bereits geschlagen. Ein letzter Trupp Dämonenkämpfer drang nachträglich noch in die Höhle und forderte das Team heraus. Mit ihnen betrat Sebassis selbst das Kampffeld. Als Spike ihn erblickte, funkelten seine Augen gelb auf und sein Kampfgeist wurde aufs Neue entfacht. Er wollte Sebassis in jedem Fall töten, komme was wolle.

Sebassis schien sich des Sieges sicher. Herablassend blickte er auf die drei Kämpfer, doch sein eigentliches Ziel verbarg sich noch immer hinter dem Bettlager. Er grinste teuflisch auf, als er Lindsey endlich entdeckte.

Als Lindsey Sebassis erblickte, erstarrte er vor Schreck. Er wollte am liebsten aus der Höhle fliehen und seinem ehemaligen Master entkommen, doch dazu war es bereits zu spät. Er spürte, wie sich der eiserne Reifen um seinen Hals auf magische Weise zusammenzog und ihm Stück für Stück die Atemluft entzog. In Panik versuchte er mit beiden Händen das Halsband von sich zu ziehen, doch er hatte nicht die geringste Chance. Röchelnd rang er nach Luft.

Erschrocken erkannte Angel, dass Sebassis dabei war Lindsey auf magische Weise zu erdrosseln. Sofort eilte er Lindsey zur Hilfe und versuchte das Halsband aufzuhalten, doch er schaffte es nicht. Er bekam Angst um Lindseys Leben, weshalb er zu Sebassis blickte, welcher triumphierend auflachte.

Spike hatte währenddessen alle Hände voll zu tun, die letzten Gegner zu bekämpfen. Er erkannte, dass Angel nicht mehr an seinem Platz war und blickte sich rasch um. Dabei sah er mit Schrecken, wie Angel sein Schwert zur Seite legte, demütig auf die Knie ging und seinen Kopf auf den Boden legte.

„Angel, verflucht! Was zum Teufel soll das werden? Steh gefälligst auf und kämpfe!" herrschte er ihn an, während er seine Gegner mit Mühe in Schach hielt.

„Wenn ich das tue, wird er ihn töten", erklärte Angel kraftlos. Sein Dämon rebellierte in ihm, doch Lindsey war ihm wichtiger, als seine eigene Freiheit.

Erst dann erkannte Spike was gerade vor sich ging. Er sah wie Sebassis seine Hand in die Richtung von Lindsey ausstreckte und Lindsey röchelnd nach Luft rang. Wutentbrannt erstach er einen seiner Gegner.

„Legt eure Waffen nieder, oder ich werde ihn töten", warnte Sebassis.

Jermyn und Spike wichen von den beiden letzten Gegnern zurück und sahen einander prüfend an. Spike blickte zu Angel, der noch immer auf dem Boden kniete. Er konnte es nicht fassen, dass Angel so leicht aufgab. Noch dazu, wo sie es beinah geschafft hätten.

„Ich sagte, ihr sollt die Waffen niederlegen!" wiederholte Sebassis erneut und funkelte Spike bedrohlich an.

„Komm her und hol sie dir, Wichser!" warf ihm Spike entgegen.

„Spike, bitte", bat Angel kaum hörbar.

Wütend forderte Spike seinen Sire auf: „Steh endlich auf!"

Spike wollte sich auf keinen Fall geschlagen geben. Lieber wollte er hier und jetzt sterben, als erneut als gefallener Gegner aus einer Schlacht ziehen. Erzürnt hob er sein Schwert und holte zum Schlag gegen Sebassis selbst aus.

Ganz plötzlich schien sich alles um ihn herum wie in Zeitlupe zu bewegen, weshalb er in seinem Schlag innehielt. Bis er registrierte was eben geschah, sah er Illyria neben sich stehen. Sie wirkte sehr erschöpft. Sie hatte erneut die Zeit verlangsamt ablaufen lassen, was sie sehr viel Kraft kostete. Sie hatte nur ihn berührt, sodass er als einziger von dem Zeitraffer unberührt blieb.

„Du hast höchstens eine Minute Zeit. Nutze sie gut", erklärte Illyira schwach. Die Anstrengung war zu groß gewesen, weshalb sie erschöpft sie auf dem Boden zusammensackte.

Spike zögerte keine Sekunde. Er eilte die wenigen Schritte zu Sebassis und rammte sein Schwert in dessen Körper hinein.

Durch seine Berührung wurde auch Sebassis aus dem Zeitraffer gerissen. Vollkommen überrascht sah er Spike entgegen. Wegen der Zeitverschiebung hatte er dessen Bewegung nicht kommen sehen. Schmerz zog sich durch seinen Körper. Ungläubig blickte er auf seine Wunde herab.

Spike war noch lange nicht mit ihm fertig. Er warf das Schwert zu Boden und schlug mit bloßen Fäusten auf Sebassis ein. Dieser konnte ein paar der Schläge abblocken, doch wegen der tiefen Wunde besaß Spike die Oberhand. Er prügelte wie ein Besessener auf Sebassis ein. Selbst nachdem dieser rittlings zu Boden fiel und sich kaum noch verteidigen konnte, schlug Spike weiter. Seine Faust hämmerte erbarmungslos in das blaue Gesicht, bis dieses vollkommen blutüberströmt war.

Als sich die Zeitverschiebung wieder auflöste, erkannte Jermyn überrascht was geschehen war. Spike saß auf Sebassis’ Brust und prügelte noch immer auf dessen Gesicht ein. Das Halsband lockerte sich wieder, worauf Lindsey tief nach Luft rang. Angel blickte erstaunt auf, als er an Lindseys Atmung hörte, dass Gefahr gebannt war.

Dann schließlich sah auch er, wie Spike auf Sebassis einschlug. Sofort sprang er auf. Zusammen mit Jermyn erledigten sie die letzten wenigen Dämonen, bevor diese Sebassis zur Hilfe eilen würden. Als endlich alle Dämonen besiegt waren, schlug Spike noch immer auf Sebassis ein, welcher stöhnend unter ihm lag.

Angel trat an Spike heran, blickte auf Sebassis herab und berührte sein Childe sanft an der Schulter. Erst dann erlangte Spike seine Beherrschung wieder zurück und hörte auf zu schlagen. Wie benommen stand er auf und starrte auf seinen Feind herab. Sebassis stöhnte auf und krümmte sich vor Schmerzen. Angel blickte ebenfalls wie benommen auf seinen ehemaligen Master herab. Irgendwie konnte er es nicht fassen, dass Sebassis geschlagen vor ihm lag.

Ein leises Wimmern weckte die Aufmerksamkeit der beiden Vampire und als sie sich danach umdrehten, erkannten sie Lindsey, zu einem kleinen Ball zusammengekauert, auf dem Boden sitzen. Er war vollkommen verstört und zitterte am ganzen Körper.

Angel eilte sofort zu ihm, ging neben ihm in die Hocke und schloss ihn in eine sichere Umarmung, um ihm Schutz und Trost zu schenken. Spike beobachtete die beiden nachdenklich. Er konnte sich selbst nicht erklären weshalb, aber aus einem unerfindlichen Grund verspürte er den Drang Lindsey ebenfalls zu beruhigen. Sebassis weiter im Auge behaltend, fragte er den Rest der Truppe: „Alles okay bei euch?"

Nachdem jeder mit einem mit einem Nicken oder einem zustimmenden Laut bestätigte, dass alle den Kampf gut überstanden haben, meinte Spike: „Wir müssen Lindseys Halsband entfernen."

Jermyn hatte sich inzwischen um Illyria gekümmert. Noch immer etwas geschwächt, saß sie am Ende des Bettes, um sich zu erholen. An Jermyn gerichtet, fragte Spike: „Kannst du eine Eisensäge besorgen? Oder etwas anderes, das stark genug ist, das Teil zu durchtrennen?"

Jermyn trat von Illyrias Seite zu Lindsey, der noch immer in Angels Armen am Boden saß, und sah sich das Halsband genauer an. Lindsey zuckte erschrocken zusammen, als Jermyn nach dem Reifen griff.

„Ich versuche etwas aufzutreiben. Ich komme so schnell wie möglich wieder zurück", erklärte Jermyn schließlich, bevor er die Höhle verließ.

Danach blickte Spike kurz zu Illyria und sagte: „Danke für deine Hilfe. Wie kommt es, dass du rechtzeitig hier warst? Wolltest du nicht in der anderen Höhle warten?"

Illyria blickte ihm unberührt entgegen und kommentierte: „Ich ahnte, dass ihr Lindsey nicht zurücklassen würdet."

Spike war sich nicht sicher, ob dies als Vorwurf zu verstehen war, weshalb er mit leichtem sarkastischem Unterton erwiderte: „Es kann nicht jeder so perfekt sein wie ein Gott."

Illyrias Mundwinkel zogen sich zu einem leichten Grinsen hoch und sie antwortete ehrlich: „Wäre ich an eurer Stelle gewesen und Jermyn an Lindseys, hätte ich genauso gehandelt."

„Na dann bin ich ja froh, dass sogar eine Eiskönigin, wie du, zu Gefühlen fähig ist", witzelte Spike frech, während er Sebassis weiter genau im Auge behielt.

Angel wiegte Lindsey beruhigend in seinen Armen. Er lauschte dem Gespräch zwischen Spike und Illyria. Schließlich fragte er die beiden: „Was machen wir jetzt mit…?" Angel vermied es Sebassis’ Namen auszusprechen.

Spike griff sich sein Schwert vom Boden, zielte damit auf Sebassis’ Kehle und kommentierte mit finsterem Blick: „Das kommt ganz darauf an, wie brav er ist."

Sebassis wich eingeschüchtert zurück, bis er die steinerne Wand an seinem Rücken spürte. Ihn schmerzte sein ganzer Körper und das Atmen viel ihm schwer. Er schien innere Verletzungen zu haben, da er aufhusten musste und dabei Blut zum Vorschein kam.

Von dessen Zustand unberührt, folgte Spike Sebassis’ Bewegungen und bedrohte ihn weiterhin mit der Klinge seines Schwertes. Wenn es allein nach ihm gegangen wäre, wollte er ihn am liebsten sofort töten.

*****

Lindseys kniete vor dem Stuhl. Sein Kopf lag mit dem Gesicht zur Stuhllehne gewandt auf der Sitzfläche auf. Angel strich seine Haare liebevoll zur Seite und streichelte ihn dabei beruhigend. Lindsey hatte furchtbare Angst. Er fürchtete alles, was mit dem Halsreif zu tun hatte. Seit dem Augenblick, als Sebassis ihm dieses Ding angelegt hatte, fühlte er sich von dem schweren Eisen bedroht.

Mehrmals raubte es ihm die Luft, immer dann, wenn Sebassis ihm eine Straflektion erteilt hatte. Der Halsreif war ein ständiges Symbol dafür, was er zu sein glaubte. Ein dummer und zu nichts zu gebrauchender Sklave, der selbst als einfacher Diener nichts taugte. Dies war es, was Sebassis und die Seniorpartner ihm beigebracht hatten, bis er lernte Angel zu vertrauen. Angel gab ihm das Gefühl nicht wertlos zu sein.

Genauso wie sein neuer Master. Spike war vollkommen anders als Sebassis. Und im Gegensatz zu seinem alten Herrn, nahm Spike ihn wahr und redete auch mit ihm, was Lindsey sehr viel bedeutete.

Deswegen bemühte er sich nun möglichst still zu halten, da sein Master ihm den Halsreif vom Hals entfernen wollte. Auch wenn er deswegen schreckliche Panik verspürte.

Halt suchend nahm er eine von Angels Händen, verknotete seine Finger mit denen von Angel und führte sie nah an seinen Mund, wodurch er mit seinen Lippen und seiner Zunge leicht an Angels Daumenrücken nippen konnte. Dies schenkte ihm wenigstens ein bisschen Halt.

Spikes Dämon rebellierte innerlich auf, als er Lindsey so hilflos und ängstlich vor sich sah. Früher hatte er nie viel für ihn übrig gehabt und es war ihm egal gewesen, was die Seniorpartner mit ihm taten, doch der Mann vor ihm hatte mit dem früheren Lindsey überhaupt nichts mehr gemeinsam. Er war wie ein unschuldiges Kind, das vor allem Angst hatte und sich schutzsuchend an denjenigen anlehnte, der ihn beachtete.

Vorsichtig hielt er mit der einen Hand den Halsreif fest und führte mit der andern die Eisensäge heran. Er blickte zu Angel, damit dieser den Reif mit seiner freien Hand festhalten würde. Dann erst begann er das schwere Eisen zu bearbeiten.

Kaum als die Eisensäge begann sich durch den Halsreif zu arbeiten, schrie Lindsey laut auf, als ob Spike ihn mit der Säge verletzt hätte. Erschrocken zog Spike die Säge sofort zurück und überprüfte, ob er Lindsey aus Versehen erwischt hätte, doch es war keine Wunde zu sehen. Dennoch wimmerte Lindsey noch immer laut auf, als ob er schlimme Schmerzen hätte.

Angel fragte schließlich besorgt: „Lindsey, was ist los? Was hast du?"

„Tut weh!" jammerte er weinerlich, kniff dabei die Augen fest zu und hielt sich seine, mit Angels verknotete Hand, an seinen Kopf.

Spike kannte diese Art von Schmerzen nur allzu gut. Viele Male war er in den Genuss dieser markerschütternden Qualen gekommen, die immer dann ausgelöst wurden, wenn er gegen sein ehemaliges Halsband oder gegen seine Peiniger rebelliert hatte. Er konnte Lindsey gut nachfühlen, wie schmerzhaft dies war, weshalb er eine gewisse Sympathie für ihn verspürte.

Abrupt stand er auf und eilte zu Sebassis, welcher mittlerweile gefesselt und geknebelt in einer Ecke der Höhle lag. Jermyn, der den Feind bewachte, wich zurück und gab Spike damit freien Zugriff. Spike verpasste Sebassis einen kräftigen Fußtritt in die Rippen. Dieser stöhnte in den Knebel hinein und begann schmerzhaft zu husten.

Unberührt packte Spike ihn am Kragen, riss ihm den Knebel aus dem Mund und herrschte Sebassis wütend an: „Wie bekommen wir das Ding von ihm runter?"

Sebassis lachte auf, wobei er wieder zu husten begann und antwortete mitleidlos: „Gar nicht."

Spike schlug ihn mit der Faust so hart ins Gesicht, dass dessen Lachen schlagartig verstummte. Sein Gesicht verwandelte sich in sein wahres Antlitz und mit einem bedrohlich knurrenden Unterton wiederholte er ganz langsam: „Wie bekommen wir es runter? Überlege dir gut, was du sagst, denn wenn du mir nicht weiterhelfen kannst, dann sehe ich keinen Grund, warum ich dich weiter am Leben lassen sollte!"

Sebassis schluckte schwer. Spikes Drohung blieb nicht unberührt, weswegen er zur Antwort gab: „Das Halsband ist durch einen Zauber mit ihm verbunden. Ihr müsst den Zauber rückgängig machen, doch das kann nur ein mächtiger Magier oder eine sehr mächtige Hexe. Sonst habt ihr keine Chance. Nicht einmal ich könnte es."

Dies war keine zufrieden stellende Antwort, weshalb Spike ihn erneut in das bereits geschwollene Gesicht schlug. Sebassis wie einen nassen Sack fallen lassend, erhob er sich und richtete sich fragend an Illyira: „Was würde deiner Meinung passieren, wenn sich herumspricht, dass Sebassis tot ist?"

Illyira dachte kurz darüber nach und antwortete: „Unter den Oberhäuptern der stärksten Dämonengruppen würde ein Machtkampf ausbrechen. Jeder von ihnen würde sich um Sebassis’ Thron reißen."

„Wie viele Verbündete konnten du und Jermyn inzwischen auf eure Seite bringen?" fragte er weiter.

„Nicht viele. Ein paar wenige Gruppen von Halbdämonen stehen uns zur Seite, doch es sind keine Kämpfer sondern friedliebende Dämonen. Dann noch all die Menschen, die wir im Laufe der Jahre retten konnten, doch gegen die Armeen der Seniorpartner sind sie nutzlos", erklärte Illyria sachlich.

„Wenn wir also Sebassis töten und einem der Dämonenführer als Präsent zukommen lassen, dann würde uns das etwas Zeit geben, nicht wahr?" fragte Spike weiter nach.

„Ja, vermutlich. Aber wozu?" wollte Illyria hinter Spikes Gedankengänge kommen.

„Dazu, um einen Krieg gegen die Armee der Seniorpartner vorzubereiten", erklärte Spike schlicht, während er sich sein Schwert holte, zurück zu Sebassis trat und diesem mit einem einzigen kräftigen Schlag den Kopf vom Rumpf abtrennte.

Überrascht sahen alle dem rollenden Kopf hinterher. Mit leichten Witz in der Stimme meinte Spike zu Jermyn: „Würdest du mir kurz helfen? Ich muss ein Geschenkpaket einpacken."

Jermyn erwiderte frech grinsend: „Brauchen wir eine Geschenkschleife?"

*****

Teil 11

Spike und Jermyn packten Sebassis’ Leiche wortwörtlich in ein großes Geschenkpaket und sorgten dafür, dass es Rojan gebracht wurde, einem weiteren Mitglied des neuen Ringes, welcher schon immer ein Auge auf den Thron geworfen hatte. Nur wenige Minuten nachdem Rojan das Paket erhielt, verkündete dieser den Tod des Herrschers und beanspruchte den Thron für sich selbst. Wie erwartet sprach sich die Nachricht von Sebassis’ Tod wie ein Lauffeuer in der ganzen Stadt herum. Und noch in derselben Nacht, wurden unter den mächtigeren Dämonenführern bereits Pläne geschmiedet, um die Machtherrschaft an sich zu reißen.

Dies gab der Gruppe Zeit, ihre nächsten Schritte zu planen. Außerdem waren die Mitglieder des Ringes zu sehr damit beschäftigt um die Thronfolge zu kämpfen, als nach dem Mörder ihres ehemaligen Herrschers zu suchen. Somit waren sie wenigstens vorläufig in Sicherheit.

Illyria und Jermyn alarmierten zusätzlich alle ihre Spitzel, die in den Häusern der verschiedenen Dämonengruppen lebten. Auf diese Weise waren sie über die nächsten Schritte und Pläne ihrer Gegner informiert.

Ein paar kleinere Dämonengruppen schlossen sich zusammen und begangen bereits gegen Rojan um den Thron zu kämpfen. Mit ein bisschen Glück würden sich die Dämonenherrscher vielleicht sogar gegenseitig töten.

Spike glaubte allerdings nicht an soviel Glück, weshalb er daran arbeitete, einen Plan auszuarbeiten, wie sie Krieg gegen die Dämonen führen konnten. Außerdem brauchte er etwas, um sich von seinem Gefühlschaos abzulenken, das immer mehr in ihm anwuchs. Die Wiederbelebung des alten Bundes zwischen ihm und seinen Sire verursachte einige ungewollte Gefühle, mit denen er nicht zurecht kam.

Ihn beunruhigte es sehr, dass er sich wie in seinen ersten Vampirjahren zu seinem Sire hingezogen fühlte. Ständig kämpfte er gegen den Drang an, in Angels direkter Nähe sein und ihn berühren zu wollen. Deshalb versuchte er sich absichtlich von Angel fernzuhalten und sich auf andere Dinge zu konzentrieren.

Mit Hilfe der Informationen, die sie von den Spitzeln erhielten, arbeiteten er, Jermyn und Illyria gemeinsame Pläne aus, um die Dämonenherrscher gegeneinander auszuspielen.

In den darauf folgenden Nächten schafften sie es zwei weitere Mitglieder des neuen Ringes zu überraschen und unschädlich zu machen. Sie ließen es so aussehen, als wäre es das Werk eines anderen Ringmitgliedes gewesen. Dadurch entstanden immer mehr Streitereien zwischen den Mitgliedern. Und es schütze die Gruppe davor, entdeckt zu werden.

Während dieser Nächte wich Spike seinem Sire so gut es ging aus. Er vermied es Angel zu berühren. Kämpfte möglichst nicht neben ihm und wechselte auch so gut wie kaum Worte mit ihm. Jedes Mal, wenn Angel ihn darauf ansprach, erfand Spike neue Ausreden, weshalb er gerade etwas Wichtigeres zu tun hatte. Am Tage bestand Spike darauf, dass sie abwechselnd Wache hielten, damit er nicht in die Versuchung kam neben seinem Sire im Bett zu liegen.

Spike hatte einfach viel zu große Angst, dass Angels Macht über ihn wieder anwachsen würde und dieser es dann benutzen würde, um ihn zu kontrollieren. Oder schlimmer noch, dass er sich wieder in seinen Sire verlieben und dieser ihn wieder verlassen würde. Spätestens, wenn Angel sein volles Gedächtnis wieder zurückerlangte.

Angel merkte sehr wohl, dass Spike ihm bei jeder Gelegenheit auswich. Es schmerzte ihn sehr, denn auch er fühlte sich zu seinem Childe hingezogen. Sein wiedererwachter Instinkt sagte ihm, dass er sein Recht über sein Childe mit Gewalt einfordern sollte, doch etwas anderes in ihm warnte ihn davor.

Immer mehr kurze Erinnerungen blitzten in seinem Geist auf, wo er auch Spike wieder erkannte. Doch in all diesen aufblitzenden Bildern sah er nur Hass und Abneigung in den Augen seines Childes. Und auch seine Gefühle, die zusammen mit den kurzen Bildern erschienen, deckten sich nicht mit den Gefühlen, die er nun für Spike empfand.

Es machte ihn langsam verrückt, nicht zu wissen, wer er früher war. Was er erlebt hatte und wie er zu seinem Childe stand. Waren sie früher ein vereintes Team? Oder waren sie etwa verfeindet? Die wenigen Erinnerungen deuteten eher auf Letzteres hin und dies beunruhigte Angel sehr.

Illyria und Jermyn versuchten nebenbei eine vertrauenswürdige Hexe oder einen Magier zu finden, der ihnen mit Lindseys Halsband helfen könnte. Doch die wenigen magisch Gewandten, die sie fanden, waren Freunde von Sebassis oder einem anderen Ringmitglied.

*****

Die kleine Gruppe stand in der kleinen Höhle beisammen, welche für Spike, Angel und Lindsey mittlerweile eine neue Heimat geworden war. Illyria und Jermyn berichteten über Neuigkeiten zwischen den Ringmitgliedern. Gemeinsam arbeiteten sie an einen Plan, wie sie Rojan ausschalten könnten. Er war im Moment der mächtigsten Gegner. Ihn beiseite zu räumen wäre ein guter Schachzug.

Angel mischte sich nur sehr selten in die Diskussionen der Anderen mit ein. Meist hielt er sich zurück und kümmerte sich nebenbei um Lindsey. Es war Spike, der die Gruppe anführte. Er forderte die nötigen Informationen von Illyria und Jermyn und arbeitete dann gemeinsam mit ihnen Pläne aus, wie sie weiter vorgehen sollten. Zum ersten Mal in seinem Leben schaffte er es auch, sich selbst an seine eigenen Pläne zu halten.

Er war schon immer gut darin gewesen, Pläne zu schmieden, nur hatte er bisher nie die notwendige Geduld besessen seine eigenen Pläne auch einzuhalten. Mittlerweile hatte er aber gelernt, dass man mit Geduld oft weiter kam, als mit Eile. Vieles stand diesmal auf dem Spiel, weshalb er es endlich einmal richtig machen wollte.

In der kommenden Nacht wollten sie in Rojans Residenz eindringen und ihn ausschalten. Durch, in dessen Haus als Diener lebende Spitzel wussten sie, dass Rojan ein paar seiner stärksten Kämpfer auf eine geheime Mission zu einem anderen Ringmitglied schicken würde, um diesen wiederum unbemerkt aus dem Weg zu räumen. Diesen Umstand wollten sie nutzen, um Rojan zu erledigen. Dies würde den Machtkampf zwischen den ansässigen Dämonen noch stärker entfachen.

Nachdem alle Einzelheiten für die bevorstehende Aktion geklärt waren, fragte Spike wie jedes Mal nach: „Wie steht’s mit einer Hexe oder einem Magier? Konntet ihr jemanden finden?"

Bisher war die Suche stets vergeblich gewesen, doch diesmal hatte Illyria bessere Nachrichten: „Ich habe von einer sehr mächtigen Hexe erfahren, die uns bestimmt helfen könnte. Doch ich kenne keinen Weg, wie wir zu ihr kommen."

Sofort hellhörig, fragte Spike: „Wieso? Wo ist diese Hexe?"

„In Europa gibt es eine kleine Gruppe Widerstandskämpfer, die sich bislang erfolgreich gegen die Armeen der Seniorpartner auflehnen konnten. Soweit ich weiß sind es überwiegend weibliche Kämpferinnen, die sehr große Kräfte besitzen. Unter den Menschen existiert das Gerücht, dass es sich um Amazonen handelt, doch ich habe auch gehört, dass es ganz gewöhnliche Menschen sein sollen. Unter ihnen lebt diese Hexe", berichtete Illyria von ihrem Wissen.

Als Spike dies hörte, kam ihm sofort Buffy in den Sinn. Als er zuletzt von ihr gehört hatte, war Buffy in Rom gewesen. Zusammen mit ihren Freunden hatte sie viele Jägerinnen zusammengeschart. Gewiss sind dies die Kämpferinnen, von denen Illyira sprach. Und die Hexe musste demzufolge Willow sein. Doch etwas an Illyrias Erklärung beunruhigte ihn, weshalb er zum ersten Mal die Frage stellte, die schon lange in ihm brannte, und die er bisher nie gewagt hatte zu fragen, da er die Antwort fürchtete: „Wie weit reicht das Chaos, das die Armeen der Seniorpartner verursacht haben?"

„Das weißt du nicht?" fragte Illyria überrascht nach, da sie bisher angenommen hatte Spike hätte das ganze Ausmaß mitbekommen.

„Woher sollte ich das wissen? Ich war fünfundzwanzig Jahre in dem Haus der Fellbrüder gefangen. Na los sag schon, wie schlimm sieht es aus?" erwiderte Spike ungeduldig.

Illyria wechselte einen kurzen Blick mit Jermyn, bevor sie anfing das ganze Ausmaß zu beschreiben. Nicht nur Spike, sondern auch Angel lauschte aufmerksam ihren Worten. Auch er hatte während seiner Gefangenschaft nicht mitbekommen, was in der Welt vor sich gegangen war.

„Nachdem die Dämonenhorden ganz LA dem Erdboden gleichgemacht hatten, verbreiteten sie sich noch in derselben Nacht über ganz Kalifornien. Innerhalb von drei Tagen breiteten sie sich dann über ganz Amerika aus. Die Seniorpartner hatten überall in der Regierung Verbündete, weshalb die Invasion ohne nennenswerten Widerstand der Staaten geschah. Danach verbreiteten sie sich über den gesamten Kontinent, und gleichzeitig über halb Europa und Asien. Auf der ganzen Welt gibt es heute kaum noch einen Ort, an dem nicht ein Dämon über das Land herrscht."

Sichtlich geschockt starrte Spike sie mit offenem Mund an. Es war irgendwie witzig, denn als er noch keine Seele hatte, stellte er sich ein solches Szenario immer als einen riesigen Spaß vor. Und war es nicht genau das, was Angelus und seine Dru immer angestrebt hatten? Doch im Augenblick empfand er die Vorstellung alles andere als witzig und ganz plötzlich wurde ihm klar, in welcher ausweglosen Situation sie waren. Selbst wenn es ihnen gelingen würde, den derzeitigen Ring der Macht zu zerstören, waren da noch immer abertausende von Dämonen, die sie bekämpfen mussten.

Fast wünschte er sich, er hätte die Fellbrüder nie verlassen, denn dann hätte nie von all diesen Dingen erfahren. Dann hätte er auch das Bündnis mit seinem Sire nicht erneuert und müsste sich jetzt nicht mit störenden Gefühlen herumschlagen. Er müsste sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie sie die Ringmitglieder ausschalten konnten, was, wie er nun wusste, eh keinen Sinn haben würde und er müsste sich nicht um Lindsey sorgen. Einen Kerl, für den er früher nicht mal einen Finger gerührt hätte.

Nervlich erschöpft setzte er sich auf das Bettlager, stütze seine Ellbogen auf seine Knie und vergrub sein Gesicht in seinen beiden Händen. Langsam wurde ihm die Führerrolle zuviel.

Angel erkannte durch seine Verbindung zu Spike, wie sehr dies alles sein Childe belastete. Er wollte etwas tun, womit er Spike helfen könnte, doch er wusste nicht was, weshalb er sich einfach neben ihn setzte und seine Hand auf Spikes Rücken legte. Als stille Unterstützung und nicht mehr.

Spike blickte überrascht auf und sah direkt in Angels besorgte Miene. Es störte ihn, dass Angel seine Gefühle so offensichtlich erkennen konnte und es war ihm unangenehm, dass sein Sire ihm in aller Öffentlichkeit zu helfen versuchte. Er war ein starker Meistervampir. Er brauchte keinen Trost seines Sires.

Abrupt sprang er deshalb von seinem Platz wieder auf und verkündete im Befehlston: „Also gut, jeder weiß, was er zu tun hat. Wir werden den Plan wie besprochen durchziehen. Und danach zerbrechen wir uns den Kopf darüber, wie wir nach Rom kommen. Noch Fragen?"

„Woher weißt du, dass wir nach Rom müssen?" fragte Illyria überrascht. Sie war sich sicher die Stadt nicht erwähnt zu haben.

„Ich kenne die Kämpferinnen, von denen du gesprochen hast. Es sind Jägerinnen. Ich kenne eine von ihnen. Ihr Name ist Buffy. Sie war zuletzt in Rom gewesen, deshalb gehe ich davon aus, dass sie dort noch immer ist. Der Name der Hexe, von der du gehört hast, lautet Willow. Sie ist in der Tat eine der mächtigsten Hexen, die ich kenne. Sie kann uns bestimmt helfen. Ob sie es auch tun wird, ist eine andere Frage", erklärte er, während er bei den letzten Worten auf Angel herabsah, der noch immer auf dem Bett saß.

Er erinnerte sich noch sehr gut daran, was war, als Angel das letzte Mal um Willows Hilfe gebeten hatte. Damals hatten die Scoobies ihn abgewiesen, weil sie ihm nicht mehr trauten, da er der Leiter von Wolfram & Hart geworden war.

Angel bemerkte, dass dieser letzte Kommentar sich auf ihn bezog. Allerdings hatte er nicht die geringste Ahnung auf was Spike anspielte. Er konnte sich nicht an eine Hexe namens Willow erinnern und auch der Name dieser so genannten Jägerin erweckte keinerlei Erinnerungen ihn ihm. Er wünschte sich so sehr, dass er sich endlich an alles erinnern könnte. Vielleicht könnte er dann endlich verstehen, weshalb Spike sich so abweisend ihm gegenüber verhielt, denn all die kurzen Bilder, die er sah, verwirrten ihn nur noch mehr.

Während Angel verzweifelt in seinen spärlichen Erinnerungen nach Antworten suchte, besprachen die Anderen noch einmal ihre nächsten Schritte. Danach verabschiedeten sich Jermyn und Illyria, um Vorbereitungen für den bevorstehenden Plan zu treffen. Spike verkündete, dass er die erste Schicht der Wache übernehmen würde und verschwand gleich nach den beiden anderen aus der Höhle, um am Eingang seinen Wachposten einzunehmen.

Angel saß nun allein mit Lindsey in der Höhle und starrte vor sich ins Leere. „Buffy", rollte er den Namen flüsternd über die Lippen. Er spürte tief in ihm, dass dieser Name eine wichtige Bedeutung haben musste, weshalb er den Drang verspürte ihn auszusprechen, damit es ihm vielleicht seine Erinnerungen zurückgeben würde, doch es brachte nichts. Er erinnerte sich nicht.

„Angel?" hörte er die verunsicherte Stimme von Lindsey neben sich. Lindsey hatte gemerkt, dass Angel sehr betrübt war. Jedoch wusste er nicht, was seinen Freund belastete. Ihm war aufgefallen, dass etwas zwischen Angel und Spike vor sich ging, doch er verstand nicht was es war. So sehr er es auch versuchte, er wurde nicht schlau aus den Beiden, weshalb er es schließlich aufgab der Sache auf den Grund zu gehen und sich stattdessen um Angel kümmern wollte.

Vorsichtig setzte er sich neben Angel auf das Bettlager und blickte Angel mit großen Hundeaugen entgegen.

Angel musste lächeln, als er Lindseys Hundeblick sah. Wenigstens schien die Freundschaft zwischen ihnen noch immer zu bestehen, was ein kleiner Trost war.

Liebevoll fragte er: „Bist du auch müde?"

„Lindsey müde", bestätigte er Kopf nickend.

„Na dann lass uns schlafen", meinte Angel.

Somit legten sich die beiden zum Schlafen nieder.

Draußen am Eingang der Höhle lehnte Spike im sicheren Schatten der Höhlenwand und hielt ein wachsames Auge über die Gegend. Ihm gingen viele beunruhigende Gedanken durch den Kopf. Was würde passieren, wenn sie es nicht schafften den Ring zu zerstören? Oder was wäre, wenn sie es doch schafften, die Seniorpartner dann aber wieder einen vernichtenden Streifzug gegen sie ziehen würden?

Sie hätten gewiss bessere Chancen, wenn sie sich bis nach Rom durchschlagen, und sich dann mit den Jägerinnen verbinden könnten. Doch dann war da noch die Frage, wie Buffy auf sie reagieren würde. Würde sie ihnen helfen? Was würde sie tun, wenn sie von Angels Gedächtnisverlust erfahren würde? Wie würde Angel auf Buffy reagieren? Würde er sich wieder in sie verlieben?

Spike wusste nicht, was ihn mehr beunruhigte. Er wusste nur, dass er Jermyn das nächste Mal ganz dringend nach Zigaretten fragen musste. Er war bereits jetzt ein nervliches Wrack und wollte gar nicht wissen, wie sich das entwickeln würde, falls sie es tatsächlich bis zu Buffy schaffen würden.

*****

Bisher verlief der Plan sehr gut. Illyira, Jermyn, Spike und Angel schafften es unbemerkt in das Gebäude einzudringen, was die stattliche Residenz von Rojan darstellte. Lindsey wartete währenddessen etwas entfernt an einem Ort, wo sie sich nach erfolgter Mission treffen wollten.

Es war weit nach Mitternacht. Der Sonnenaufgang war nicht mehr weit entfernt. Dies war sowohl bei den tag- als auch bei nachtaktiven Dämonen die ruhigste Zeit. Rojans stärkste Kämpfer waren wie erwartet aufgebrochen, um ein anderes Ringmitglied zu vernichten. Rojan selbst wartete in seiner Residenz auf das Ergebnis seines Feldzugs.

Rojan war ein Skilosh-Dämon. Dieser Art von Dämon war Angel schon einmal begegnet, nur erinnerte er sich nicht mehr daran. Skilosh-Dämonen sind skelettartige Dämonen mit weißen Köpfen. Durch ihre Gesichter laufen zwei schmale rote Streifen und an ihrem Hinterkopf befindet sich ein drittes Auge. Sie vermehren sich, indem sie ihre Larven in menschliche Fremdwirte setzen. Wenn die Entwicklung der Larve abgeschlossen ist, schlüpft ein vollständig ausgewachsener Skilosh-Dämon aus dem Körper des Menschen.

Als Angel schließlich einen Blick auf den Dämon werfen konnte, tauchten neue Erinnerungen vor seinem inneren Auge auf. Erinnerungen an geliebte Freunde, doch Spike war nicht unter ihnen. Da waren eine junge hübsche Frau mit braunen Haaren, ein Mann in einem Rollstuhl und ein weiterer dunkelhäutiger junger Mann. Er fühlte sich seltsam zu ihnen hingezogen und verspürte gleichzeitig eine tiefe Trauer. Waren diese Leute seine Freunde gewesen? Was war mit ihnen geschehen? Waren sie tot? Und warum war sein Childe nicht unter ihnen?

Angel war gerade noch in seinen Gedanken gefangen und versuchte sich genauer zu erinnern, als die Gruppe plötzlich unerwartet angegriffen wurde. Auf einmal waren sie von Dämonen umringt und es entstand ein erbitterter Kampf um Leben und Tod. Die Gruppe wehrte sich mit allen Mitteln, doch die Dämonen waren eindeutig in der Überzahl.

Die Dämonen übermannten zuerst Jermyn, worauf Illyria sofort versuchte ihm zu helfen, doch auch ihr gelang es nicht, sich gegen die Übermacht zu wehren. Der Angriff war zu plötzlich gekommen, weshalb sie ihren Zeittrick nicht anwenden konnte. Bei ihrem Versuch Jermyn zur Hilfe zu eilen, wurde sie durch eine scharfe Klinge am Oberarm verletzt. Einige der Dämonen übermannten schließlich auch sie und fesselten sie und Jermyn sofort, damit sie keinen weiteren Schaden anrichten könnten.

Schließlich mussten auch Spike und Angel sich geschlagen geben. Die Übermacht war zu groß und Jermyn und Illyiras Leben stand auf dem Spiel. Widerwillig ließen sie ihre Waffen zu Boden fallen und ergaben sich.

Spike fluchte innerlich auf. Warum konnte es nicht einmal glatt laufen? Warum musste er immer wieder vor neue Schwierigkeiten gestellt werden? Langsam ging ihm das tierisch auf die Nerven.

Die Skilosh-Dämonen schleiften sie vor die Füße ihres Führers. Mit einem selbstgefälligen Grinsen blickte Rojan auf sie herab. Triumphierend meinte er: „Dachtet ihr wirklich ihr könntet mich vernichten? Ich hatte euch längst erwartet. Euer Plan war nutzlos."

Spikes erster Gedanke war sofort, dass die Seniorpartner auf Lindseys Halsband aufmerksam geworden sein mussten. Vermutlich hatten diese sie schon die ganze Zeit im Auge behalten und wie Marionetten mit ihnen gespielt. Wut stieg in ihm auf. Er hatte es satt, immer nur von anderen benutzt zu werden.

Dann aber wurde ein gefesselter Mann zu Rojans Seite geschleift, der üble Verletzungen trug, die auf eine sehr lange und grausame Folter schließen ließen.

Rojan kommentierte amüsiert: „Mein kleines Vögelchen hier hat mir bereits alles über euch gezwitschert." Grob griff er in die Haare des Mannes, worauf dieser schmerzvoll aufstöhnte.

Illyira erkannte den Mann sofort. Es war einer ihrer Spitzel, der ihr die Informationen über Rojan gegeben hatte. Zu Spike gerichtet meinte sie flüsternd: „Das ist unser Informant."

Blitzschnell ließ Rojan seine zweite Hand hervorschnellen, schlug sie gegen das Kiefer des Mannes und brach ihm damit das Genick.

„War", erwiderte Spike trocken.

Der leblose Körper des Mannes fiel mit dem Gesicht zu ihnen gerichtet auf den Boden. Dessen leere offene Augen starrten ihnen entgegen und lösten einen kalten Schauer bei ihnen aus. Keiner von ihnen wusste, was sie erwarten würde, doch ihnen wurde klar, dass es kein Zuckerschlecken werden würde.

*****

Lindsey wartete bis Sonnenaufgang auf die anderen. Nachdem keiner der Gruppe kam, wurde ihm klar, dass etwas passiert sein musste. Er wusste nicht, was er tun sollte. Am liebsten wollte er sich in irgendeinem Erdloch verkriechen. Seine Panik stieg immer mehr an. Was sollte er ohne Angel und ohne seinen Master tun?

Er hatte viel zu große Angst, um etwas zu unternehmen und er glaubte auch nicht, dass er allein helfen könnte. Doch irgendetwas musste er tun, weshalb er sich in die Nähe von Rojans Residenz schlich, um herauszufinden, was mit den Anderen passiert war.

*****

Die Dämonen sperrten Spike, Angel, Jermyn und Illyira in einen runden Käfig, welcher in der Mitte eines fußballfeldgroßen Platzes stand. Der gesamte Platz war mit Dämonen aus der Armee der Seniorpartner gefüllt. Links und rechts neben dem Käfig standen zwei monströse Drachen, die gierig auf sie herabblickten. Es gab nicht die geringste Chance für die Gruppe aus dem Käfig zu entkommen.

Illyria machte sich Sorgen um Jermyn. Der Kampf hatte ihn schwer mitgenommen. Er hatte tiefe Schnittwunden am ganzen Körper, die verpflegt werden sollten, doch ihr fehlte das nötige Verbandsmaterial, weshalb sie kaum etwas für ihn tun konnte. Spike zog sich sein T-Shirt aus, damit sie den Stoff zerreißen und Jermyns Wunden wenigstens notdürftig verbinden konnte.

Ruhelos lief Spike im Käfig auf und ab. Er konnte es nicht fassen, dass er schon wieder eingesperrt war. Langsam hatte er die Schnauze voll davon. Er suchte fieberhaft nach einem Ausweg, auch wenn ihm im Grunde klar war, dass es hier aus diesem Käfig keinen geben würde. Er fragte sich, ob die Skilosh-Dämonen Lindsey ebenfalls entdeckt hätten. Doch selbst wenn nicht, glaubte er nicht daran, dass Lindsey ihnen eine große Hilfe sein könnte.

Angel beobachtete wie sein Childe im Käfig hin und hier tigerte. Dieser Anblick zusammen mit der Hilflosigkeit, die er durch die Gefangennahme verspürte, kam ihm seltsam vertraut vor. Er erinnerte sich plötzlich an eine leere Lagerhalle und an einen Vampir, mit einer abartigen Liebe zu klassischer Musik und Folterinstrumenten. Er erinnerte sich an stechende Schmerzen, die sich durch seinen Körper zogen. An glühende Schürhaken, die sich durch sein Fleisch bohrten. Sein Childe war auch dort gewesen, aber nicht um ihm zu helfen.

War Spike es etwa gewesen, der ihm diese Schmerzen zufügte? Angestrengt versuchte er sich zu erinnern. Nein, es war dieser perverse Vampir, der ihm die Folterinstrumente in den Körper stieß, doch Spike hatte etwas damit zu tun. Aber warum? Warum sollte sein Childe ihn verletzen wollen?

Angels Kopf begann zu schmerzen von all den Fragen und seinen anstrengenden Versuchen sich zu erinnern. Es machte ihn wahnsinnig nicht zu wissen wie Spike früher zu ihm stand und das reservierte Verhalten, das Spike ihm gegenüber zeigte, ließ ihn Schlimmes ahnen.

*****

Teil 12

„Spike? Kann ich mit dir sprechen?" brach Angel nach langer Zeit das Schweigen, das in dem Käfig herrschte. Mittlerweile drohte der baldige Sonnenaufgang. Zwar war der Käfig oben mit einer massiven Platte abgedeckt, doch durch die Gitterstäbe würden die Sonnenstrahlen ungehindert herein scheinen können. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie den direkten Sonnenstrahlen ausgesetzt wären.

Illyria lehnte derweilen sitzend an den Gitterstäben und wachte über Jermyn, welcher schlafend bei ihr lag. Mit seinem Kopf in ihrem Schoß. Die Wunden hatten ihn viel Kraft gekostet, weshalb ihm diese Erholung gut tat.

Spike überdachte gerade, ob sein Ledermantel ihm und Angel genug Schatten spenden könne, um sie vor dem Verbrennen zu bewahren, als Angels Stimme ihn in seinen Überlegungen störte.

„Jetzt ist nicht gerade der beste Zeitpunkt für ein Plauderstündchen", erwiderte Spike ablehnend.

„Ich denke, jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt. Wenn die Sonne aufgeht, werden wir beide verbrennen und ich würde das gern klären, bevor ich in Staub aufgehe!" zischte Angel drängend. Er war bereit, seine Macht als Sire einzusetzen, falls es nötig wäre.

Spike fiel Angels fordernde Haltung sofort auf und es störte ihn gewaltig. Dies war eine von Angels Wesenszügen, die ihn schon immer an seinem Sire störten.

„Es gibt nicht zu klären zwischen uns! Und wir werden nicht verbrennen!" stellte Spike im Vornherein klar, da er ahnte, dass Angels Frage sich auf ihre Beziehung zueinander beziehen würde.

„Spike!" wiederholte Angel, doch diesmal schwang ein scharfer Befehlston in seiner Stimme mit.

Spike erinnerte sich so gut an diese Stimme. Es war die Stimme seines Sires, die er immer nur dann gehört hatte, wenn er einen Fehler gemacht, oder sich gegen seinen Sire aufgelehnt hatte.

Wütend trat er zu Angel heran, funkelte ihm bedrohlich entgegen und fragte scharf: „Was willst du klären?"

Spikes aggressives Verhalten verstörte Angel etwas, weshalb er irritiert zurückwich. Dann aber festigte er seinen Blick und fragte: „Wie standen wir früher zueinander?"

Einige Dinge schossen bei dieser Frage durch Spikes Kopf. Sie waren bereits so vieles gewesen. Sire und Childe. Geliebte. Fremde. Feinde. Verhasste. Freunde. Was davon sollte er ihm erzählen? Was wollte Angel hören? Und was wollte er, dass Angel erfuhr?

„Warum spielt das für dich eine so große Rolle?" fragte er schließlich zurück. War es nicht unbedeutend, wer oder was sie früher waren? Sollte die Frage nicht eher lauten was sie jetzt waren?

Da war es wieder; dieses ausweichende Verhalten seines Childes. Warum wich Spike dieser Frage immer wieder aus? Angel hielt dem stechenden Blick seines Childes stand. Diesmal wollte er eine Antwort erhalten, weshalb er weiter drängte: „Ich will es wissen, bevor ich sterben muss."

Spikes finstere Miene verzog sich plötzlich zu einem Grinsen, bis er sich nicht mehr beherrschen konnte und bei Angels Antwort zu lachen begann.

Angel fand das gar nicht witzig, weshalb er Spike blitzschnell am Hals packte und zurück gegen die Gitterstäbe presste. „Was ist daran so lustig? Childe" fragte er, wobei ein drohendes Knurren in seiner Stimme hallte.

Spike behielt ein amüsiertes Grinsen auf den Lippen, während er, von Angels Angriff unbeeindruckt, antwortete: „Du bist beinahe fünfhundert Jahre alt. Deine Jahre in der Hölle mal nicht mitgerechnet. Und das einzige, was dich vor deinem endgültigen Ableben interessiert, ist ob wir beide dicke Busenfreunde waren, oder nicht. Das finde ich wirklich sehr lustig, Angelus!"

Als Angel seinen alten Namen hörte, erschienen plötzlich neue Erinnerungen vor seinem inneren Auge. Er sah Bilder von schreienden und um Gnade bettelnden Menschen. Blut klebte an seinen Händen. Das Blut unzähliger Toter, die er auf seinem Gewissen hatte. Das Blut seiner Childer, deren Ungehorsam er auf grausame Weise bestraft hatte.

Auf einmal wurde ihm klar, wer und was diese Stimme in seinem Inneren war. Er erkannte das Monster in ihm. Erkannte, dass er einst ein kaltblütiger Killer war, bis etwas Bedeutendes geschehen war und er sich verändert hatte.

„Ich war Angelus", sprach die Erkenntnis aus ihm. Verwirrt ließ er von Spike ab und trat einen Schritt zurück.

Spike beobachtete ihn mit Unbehagen. Ohne Gedächtnis war ihm Angel irgendwie sympathischer.

„Doch jetzt bin ich Angel. Was ist mit mir geschehen? Warum fühle ich so, wie ich fühle? Wer bin ich?" häuften sich nun die Fragen in Angel.

„Du wurdest mit einer Seele verflucht. Du bist ein Vampir mit Seele", erklärte Spike vorsichtig. Er fürchtete sich noch immer vor dem Moment, wenn Angel sich der alten Feindschaft zwischen ihnen wieder bewusst werden würde.

„Verflucht?" fragte er nach.

„Ja, verflucht. Von Zigeunern. Sie waren ein wenig beleidigt, weil du ’ne kleine Zigeunerin verspeist hattest", erklärte Spike unberührt.

Entsetzt kam es aus Angel: „Ich bin ein widerliches Monster! Ich habe so viele Menschen getötet! Sebassis hatte recht mich so zu behandeln. Ich hatte es verdient! Warum hast du mich nur befreit? Ich sollte nicht frei…"

Ein plötzlicher, gut gezielter und ziemlich schmerzhafter Kinnhacken von Spike stoppte ihn in seiner ‚ich-habe-es-verdient-Arie’. Spike hatte dieses Gefasel satt!

Energisch stellte er klar: „Du warst ein selenloser Vampir. Niemand kann von einem Vampir erwarten, dass er Menschen rettend durch die Gegend rennt. Was du getan hast, war, aus der Sicht der Menschen, nicht gerade sehr freundlich, aber aus vampirischer Sicht warst du der Größte, den es je gab! Deine Seele zeigte dir, dass es nicht in Ordnung ist, Menschen zu töten, und du hast damit aufgehört. Du hast jahrelang für deine Vergebung gekämpft und den Kampf der Gerechten ausgefochten. Du hast dich selbst für diese bescheuerte Welt geopfert. Das war weitaus mehr, als du je für mich getan hast! Du hast es ganz bestimmt nicht verdient, dass so ein Arschloch wie Sebassis dich misshandelt. Und jeder, der das Gegenteil behauptet, legt sich mit mir an, ist das klar?"

Überrascht starrte Angel seinem Childe entgegen. Er spürte den Schmerz in seinem Childe, doch er konnte nicht deuten woher dieser Schmerz kam. Was meinte er damit, dass er mehr für die Welt, als für Spike getan hätte?

Fragen über Fragen. Je mehr er erfuhr und je mehr er sich erinnerte, desto mehr Fragen tauchten in ihm auf und noch immer wusste er nicht, wie sie beide früher zueinander standen.

„Wir waren keine Freunde, nicht wahr?" fragte er schließlich, wobei er sich vor der Antwort beinahe fürchtete.

Spike dachte darüber nach, was er antworten sollte. Waren sie jemals richtige Freunde gewesen? Gab es nicht immer irgendetwas, das zwischen ihnen stand? Erst das Childe/Sire-Band, dann die Seele und danach die ganzen Jahre des Hasses zwischen ihnen. Sie waren so vieles gewesen, doch gab es wirklich eine Zeit, in der sie Freunde waren?

„Nein", antwortete Spike schließlich simpel, da er nicht genauer darauf eingehen wollte.

„Was waren wir dann?" bohrte Angel weiter nach.

Spike spürte den nahenden Sonnenaufgang und wusste, dass, falls kein Wunder geschehen würde, sie beide bald zu Staub zerfallen würden, weshalb er sich schließlich ans Herz fasste, um seinen Sire die ganze Wahrheit zu sagen.

Doch bevor er den Mund aufmachen konnte, zischte Illyira genervt: „Könnt ihr Beide nicht endlich still sein? Ich versuche mich hier zu konzentrieren!"

Verwundert blickten Spike und Angel zu Illyria. Sie war die ganze Zeit nur still da gesessen und es hatte so ausgesehen, als ob sie geschlafen hätte.

„Worauf versucht du dich zu konzentrieren? Um den Sonnenaufgang aufzuhalten müsstest du die Zeit erheblich länger aufhalten, als nur ein paar Minuten", meinte Spike sarkastisch.

Illyira überlegte ernsthaft, ob sie auf einen so frechen Kommentar überhaupt antworten sollte. Allerdings brauchte sie wirklich etwas Ruhe, weshalb sie schließlich erklärte: „Ich bin gerade dabei eine Sprache zu lernen, also wenn ihr bitte still sein würdet!"

„Interessant! Lass mich raten. Ist es italienisch? Oder ungarisch? Nein halt, vermutlich ist es chinesisch. Und was zum Teufel soll uns das bringen?" fauchte Spike entnervt zurück.

„Eigentlich ist es mehr ein Gesang, als eine Sprache. Um genau zu sein sind es Drachengesänge. Und wenn du mich noch länger störst, werde ich es nie bis zum Sonnenaufgang schaffen!" konterte sie ebenso scharf zurück.

„Drachen?" erwiderte Spike erstaunt, womit ihm sofort klar wurde, was Illyria plante. Und es schien ein wirklich guter Plan, weshalb er aufgeregt fragte: „Du kannst diese Viecher verstehen?"

Illyria seufzte genervt auf, da Spike noch immer keine Ruhe gab. Antwortete aber relativ ruhig: „Ich versuche es. Es fällt mir schwer mich zu konzentrieren, wenn ihr beide so laut seid. Außerdem verstehen die Drachen uns sehr gut und sie hören es nicht besonders gerne, wenn man sie Viecher nennt."

„Oh", meinte Spike verstehend und sagte zu einem der Drachen gerichtet: „War nicht so gemeint. Ich mag Drachen. Ganz ehrlich!"

Der Drache hatte den Gefangenen schon eine ganze Weile interessiert gelauscht und sich mit seinem Artgenossen über sie unterhalten. Die Drachen verstanden jedes Wort der Menschen und es gab Zeiten, wo auch Menschen die Gesänge der Drachen kannten. Doch diese Zeiten lagen mehrere tausend Jahre zurück. Nachdem die Menschen ihnen die Schuld an all ihrem Unglück gegeben hatten und anfingen, sie auszurotten, waren sie in eine entfernte Dimension geflohen. Dort waren sie von den Dämonen der Seniorpartner unterjocht worden und lebten seither als unfreiwillige Kriegsdiener. Vor tausenden Jahren waren die Drachen noch sehr friedliebend und freundliche Wesen gewesen.

Illyira wusste das, weshalb sie versuchte die Sprache der Drachen zu erlernen, um dann mit ihnen in Kontakt treten zu können.

„Wenn die Drachen uns verstehen können, warum fragen wir sie nicht einfach, ob sie uns helfen?" fragte Angel nach.

Illyira war sich nicht sicher, welcher der beiden Vampire ihr im Moment mehr auf die Nerven ging. „Um ein Gespräch mit Jemandem zu führen, reicht es nicht, wenn man nur Fragen stellt. Mann muss die Antworten auch verstehen können!"

Spike wurde auf eine Bewegung am Rande des Platzes aufmerksam. Als er ans Gitter trat und genauer in die Ferne blickte, meinte er zu Illyira: „Hey Blue, ich rate dir dich mit dem Singen zu beeilen!"

„Was ist los?" fragte Angel und trat neben Spike ans Gitter.

Als auch er erkannte, was außerhalb des Käfigs vor sich ging, verwandelte sich sein Antlitz augenblicklich und er rüttelte energisch an den Gitterstäben. Erst als Spike ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter legte, verwandelte sich Angel zurück in sein menschliches Antlitz.

„Beeil dich!" herrschte nun auch Angel Illyria an. Illyria brauchte nicht zu sehen, was Angel und Spike so sehr beunruhigte. Sie konnte es an deren Verhalten deutlich erkennen. Offensichtlich hatte Rojan einen weiteren Gefangenen.

*****

Lindsey war nicht einmal nah genug an Rojans Residenz herangekommen, um herauszufinden, was mit den Anderen passiert war, als Rojans Männer ihn bereits aufgriffen und ihn vor deren Führer schleiften.

Er bekam fürchterliche Angst. Er schrie und tobte. Versuchte sich verzweifelt aus den festen Griffen der Männer zu befreien, doch es war nutzlos. Sie schleiften ihn vor Rojan und zwangen ihn dort auf den Boden.

Rojan brauchte nur einen kurzen Blick auf Lindsey werfen, bis er das eiserne Halsband entdeckte und sofort wusste, wer dort vor ihm auf dem Boden lag. Und nun erinnerte er sich auch, weshalb ihm dieser eine seiner Gefangenen so bekannt vorgekommen war. Es war Angel, Sebassis’ wertvollster Sklave gewesen.

Vermutlich hatten seine Gefangenen auch etwas mit dem Tod des alten Herrschers zu tun, wofür er ihnen sogar dankbar sein müsste.

Er befahl seinen Männern ihm zu folgen und den Menschen mitzunehmen. Er wollte seinen Gefangenen gebührend dafür danken, dass sie ihm den Thron zugespielt hatten.

Vergnügt verließ er sein prunkvolles Haus und betrat den großen Platz direkt vor dem Gebäude. Dort waren einige seiner, nun gehorsam dienenden, Dämonensoldaten versammelt, um den großen runden Käfig mit seinen Gefangenen zu bewachen.

Lindsey wurde gewaltsam mitgeschleift. Er versuchte sich halbherzig zu wehren, da er sehr große Angst hatte und nicht wusste, was Rojan mit ihm vorhaben würde.

Rojan trat schließlich direkt vor den Käfig, von wo aus zwei wütende Vampire ihm entgegen blickten. Mit einem süffisanten Lächeln fragte Rojan: „Gefällt es euch nicht in euer neuen Behausung? Ah, ich fürchte fast es wird euch etwas zu sonnig sein."

Spike lag ein beleidigender Kommentar auf der Zunge, doch um Illyira nicht noch mehr zu stören, verkniff er ihn sich.

Nachdem er keine Antwort erhielt, winkte er seinen neuen Gefangenen herbei. Angel und Spike hofften, dass Rojan nicht wusste, dass sie und Lindsey sich kannten und er seinen neuen Gefangenen nur zu ihnen in den Käfig sperren wollte. Doch als Rojan seine Hand in die Harre des vor ihm knienden Mannes vergrub und Lindseys Kopf mit Gewalt zurück zwang, wurde ihnen schnell klar, dass Rojan anderes im Sinne hatte.

„Ich schätze mal, der hier gehört zu euch. Ich bin euch wirklich zu Dank verpflichtet. Ich vermute ich habe es Euch zu verdanken, dass ich nun an Sebassis’ Stelle alle Macht in den Händen halte. Und nun, als krönenden Abschluss, bekomme ich Sebassis’ Sklaven als Extrabonus. Soweit ich weiß hat Sebassis dich gut gelehrt, wie sich ein Sklave gegenüber seinem Herrn zu verhalten hat, nicht wahr Angel?"

Angel verstand nur allzu gut, was Rojan ihm damit sagen wollte. Er sollte sich als gehorsamer Sklave zeigen und Rojan in Demut dienen. Er sah zu Lindsey, der ihm mit nassen Augen entgegenblickte. Stumm bettelte Lindsey um Hilfe, wie er es immer tat, als Sebassis ihn in der Gewalt hatte. Angel wog die Chancen ab, die ihnen noch blieben. Vielleicht sollte er Rojans Anspielung folgen, damit ihnen mehr Zeit zum Handeln blieb.

„Denk nicht einmal daran!" zischte Spike ihm drohend entgegen, da er Angels Gedankengänge schon beinah laut hören konnte. Er wollte nie wieder mit ansehen müssen, wie sein Sire vor jemanden anderen auf die Knie ging und schon gar nicht vor einem Skilosh-Dämon.

„Dadurch gewinnen wir etwas Zeit", versuchte Angel Spike von seinem Vorhaben zu überzeugen.

„Du wirst nicht vor diesem Wichser kriechen, sonst schlag ich dich windelweich!" warnte Spike erneut.

„Ich warte", meinte Rojan ungeduldig und festigte seinen Griff in Lindseys Haaren, sodass dieser ein schmerzvolles Wimmern von sich gab.

„Wenn ich tue, was du verlangst, was geschieht dann mit meinen Freunden?" fragte Angel, ohne auf Spikes wütenden Blick zu achten.

Rojan lächelte zufrieden und gab zur Antwort: „Sie werden einen schnellen Tod erhalten."

„Und wenn ich es nicht tue?" wollte Angel noch wissen.

„Dann wird ihr Tod sehr lange dauern und sehr schmerzvoll sein. Du wirst dennoch als mein Sklave dienen, doch der hier", kommentierte er, indem etwas an Lindseys Kopf rüttelte, „er hier wird mir als Folterobjekt dienen. Mal sehen, wie wirkungsvoll der Unsterblichkeitszauber der Seniorpartner tatsächlich ist."

Dies waren schreckliche Aussichten, denen Angel auf keinen Fall begegnen wollte. Weder wollte er seine Freunde qualvoll sterben, noch Lindsey leiden sehen. Noch war nicht sicher, ob Illyira mit ihrem Vorhaben erfolgreich sein würde. Und sonst gab es keinerlei Möglichkeiten zu fliehen. Ihm blieb kaum eine andere Wahl, als sich Rojans Forderung zu ergeben. Er wollte bereits demütig auf die Knie sinken, als Spike ihn grob am Arm packte, ihn zur Seite schob und gegen die Gitterstäbe drängte.

„Spike, bitte, ich muss es tun!" forderte Angel flehend.

„Du wirst es auf gar keinen Fall tun! Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie du dich diesem Arschloch vor die Füße wirfst! Du bist tausend Mal mehr wert, als er! Er sollte es sein, der sich vor dir verbeugt. Du bist Angelus, die Geisel Europas. Du bist der verfluchte Rächer aller hilflosen Seelen. Du bist ein Kämpfer und kein Kriecher. Also benimm dich gefälligst auch so!" schimpfte Spike auf ihn ein.

Ein plötzlicher Schmerzensschrei erweckte die Aufmerksamkeit der beiden Vampire. Direkt in Lindseys Brust steckte ein Dolch, den Rojan noch immer in der Hand hielt. Rojan festigte seine Faust um den Griff des Dolches und ließ die Klinge in der Wunde ein Stück drehen, worauf Lindsey erneut laut aufschrie und sich windend aus Rojans Griff zu befreien versuchte.

Angel wollte am liebsten zu Lindsey eilen und ihm helfen, doch sie waren in diesem Käfig gefangen. Er wollte wieder nach vorne in Rojans Nähe hechten, konnte es aber nicht, weil Spike ihn aufhielt. Bittend blickte er seinem Childe entgegen, doch Spike gab nicht nach. Lieber wollte er unter Qualen sterben, als dass er erneut mit ansehen musste, wie sein Sire gedemütigt werden würde.

„Wie ich sehe, hast du dich wohl entschieden?" sagte Rojan amüsiert, während er die Klinge erneut in Lindseys Wunde drehte und sich über dessen schmerzerfüllte Schreie erfreute.

„Illyria!" forderte Spike sie auf, endlich etwas zu unternehmen.

„Selbst die göttliche Illyria kann euch jetzt nicht mehr helfen. Glaubt mir", versicherte Rojan siegessicher.

Daraufhin fing Illyria an zu singen. Sie sang mit einer glasklaren Stimme, so lieblich und schön, dass sogar Spike sich in seiner Seele berührt fühlte. Die Worte, die sie benutzte, glichen keiner menschlichen oder dämonischen Sprache. Langgezogene Vokale bildeten einen wunderschönen Gesang. Wunderschön und gleichzeitig so traurig, dass das Herz eines einfachen Menschen zerspringen könnte.

Die beiden Drachen hatten gebannt auf diesen Augenblick gewartet. Schon so lange lebten sie unter dem Joch der Seniorpartner. Unglücklich gefangen und weit ab von ihrer eigentlichen Bestimmung. Waren sie doch vor ewigen Zeiten geschaffen worden, um die Menschheit zu beschützen. Doch nachdem die Menschen sie verstoßen hatten, schworen sie sich erst dann zurück zu ihrer Bestimmung zu kehren, wenn Jemand, der würdig war, sie um ihre Hilfe bat.

Illyira schien würdig zu sein, da sie sich um andere ihrer Art, oder Artverwandte kümmerte. Und sie hatte die Drachengesänge gelernt, um sie würdevoll um Hilfe zu bitten.

Dies reichte den Drachen, um sich gegen ihre Herren zu widersetzen. Mit einem lauten Schrei, der weit über den morgendlichen Himmel hallte, breiteten beide ihre mächtigen Flügel aus. Die Dämonenkämpfer der Seniorpartner waren sofort alarmiert und wichen verunsichert zurück. Einer der Drachen trat an den Käfig, packte mit seinen Pranken nach der schweren Eisentüre und riss diese mit einem Ruck aus den Angeln.

Angel und Spike staunten nicht schlecht über die Kraft, die diese riesigen Tiere hatten. Sie halfen Jermyn auf die Beine, der mittlerweile erwacht war und sich staunend umsah.

Rojan herrschte die Dämonensoldaten wütend an: „Worauf wartet ihr? Steht gefälligst nicht so dumm herum! Greift sie an!"

Sofort befolgten die Dämonenkämpfer den Befehl. Ein paar der Dämonen versuchten die Gefangenen anzugreifen, während andere sich auf die Drachen stürzten. Doch sie kamen nicht weit. Die beiden Drachen öffneten ihre Feuerlungen und spuckten den Dämonen jeweils eine gewaltige Feuerfontäne entgegen.

Rojan und die Skilosh-Dämonen flohen in Panik davon und ließen Lindsey unbewacht zurück. Angel eilte zu ihm und drückte ihn schützend an sich. Lindsey war unendlich erleichtert wieder bei Angel und seinem Master zu sein. Dort fühlte er sich sicher. Seine Wunde schmerzte sehr, aber wegen des Unsterblichkeitszaubers der Seniorpartner bestand keine Lebensgefahr für ihn.

Zusammen mit den Drachen, erledigten Angel und Spike jeden einzelnen der Dämonensoldaten auf dem Platz und achteten gleichzeitig darauf, dass ihren verwundeten Freunden nichts geschah.

So sehr in ihren Kampf verstrickt, bemerkten Angel und Spike ein paar Minuten später nicht, wie plötzlich die ersten Sonnenstrahlen sich ihren Weg auf die Erde bahnten. Erschrocken blickte sich Spike nach dem Horizont um und versuchte sich sofort mit seinem Mantel vor den Strahlen zu retten.

Umso erstaunter war er, als er feststellen musste, dass er überhaupt nicht in Flammen aufging. Als er schließlich die Augen wieder öffnete, um zu sehen, was ihn vor dem Flammentod bewahrt hatte, erkannte er, dass er im Schatten eines mächtigen Drachenflügels stand. Die beiden Drachen hatten jeweils ihre Flügel ausgebreitet und boten Angel und Spike einen sicheren Schatten.

Die Gefahr war begannt.

„Danke Kumpel", bedankte sich Spike in seiner unnachahmlichen charmanten Art bei dem einen Drachen, der ihm Schatten spendete.

„Bitte", erwiderte dieser mit einer tiefen hohlen Stimme.

„Hey, Blue! Sagtest du nicht, Drachen würden singen?" fuhr es sofort erstaunt aus Spike heraus, als er den Drachen reden hörte.

Illyria verdrehte die Augen und bat innerlich um Hilfe. Wie hatten es die Menschen nur geschafft so lange über diesen Planeten zu herrschen? Kein Wunder, dass die Seniorpartner sie so leicht bewältigen konnten.

„Ich erkläre es dir später. Jetzt lass uns in ein sicheres Versteck gehen, bevor noch mehr der Soldaten kommen", antwortete Illyira ihm sachlich, ohne ihre wahren Gedanken erkennen zu lassen.

Damit war Spike mehr als einverstanden. Schließlich konnten er und Angel schlecht gegen weitere Dämonen kämpfen, solange die Sonne am Himmel stand.

Während die Drachen vorsorglich darauf achteten, dass keine der Sonnenstrahlen zu den Vampiren durchdrang, begaben sie sich zurück zu ein paar versteckten Höhlengängen, durch die sie auch ans Gelände von Rojans Residenz gelangt waren.

Illyira bedankte sich freundlich bei den beiden Drachen und fragte sie, ob sie und ihre Artgenossen ihnen im Kampf gegen die Dämonen zur Seite stehen würden. Einer der Drachen versprach ihr, mit den anderen seiner Art zu sprechen. Die beiden Drachen konnten ohnehin nicht mehr zurück zu der Armee der Seniorpartner, weshalb sie ihnen ihre weitere Hilfe versprachen und bei Sonnenuntergang zurück sein wollten.

Somit hatte die kleine Gruppe zwei starke Verbündete in ihrem Kampf gegen die Armeen der Seniorpartner. Und Spike hatte plötzlich eine Idee, wie sie vielleicht doch noch sehr bald nach Europa kommen würden.

*****

Teil 13

Angel kniff die Augen fest zu und versuchte sich durch ruhiges und bewusstes Atmen zu entspannen, was angesichts eines mangelnden normalen Systemkreislaufes nicht so recht funktionierte. Er befürchtete, dass er sich übergeben müsse, falls er noch einmal die Augen aufmachen und nach unten blicken würde. Auch Lindsey fühlte sich nicht besonders wohl. Was vor allem daran lag, da Angel seine Arme so fest um ihn geschlossen hielt, dass er sich ziemlich beengt fühlte. Die beiden saßen auf dem Rücken eines der beiden Drachen und schwebten in luftiger Höhe über der Erde.

Spike, der den zweiten Drachen für sich alleine hatte, war alles andere als beunruhigt. Nachdem er seine anfängliche Scheu vorm Fliegen überwunden hatte, genoss er jede Sekunde. Er empfand es als ein fantastisches und befreiendes Gefühl. Die riesigen Drachen flogen ohne Mühe über den Wolken dahin, wodurch sie vor den Blicken der Erdbewohner geschützt waren. Nun galt es nur noch rechtzeitig in Rom anzukommen, bevor die Sonne aufging.

„Und du bist sicher wir schaffen es noch vor Sonnenaufgang bis nach Rom?" rief Angel seinem Childe durch die Luft zu.

„Woher soll ich das wissen?" erwiderte Spike Schulter zuckend und warf seinem Sire ein freches Augenzwinkern zu. Angel fand das gar nicht lustig. Er hatte mehrmals versucht selbst eine Information aus dem Drachen, auf dem er saß, herauszubekommen, doch dieser weigerte sich strickt mit ihm oder mit Lindsey zu reden.

Die Drachen spürten, dass ein Zauber der Seniorpartner auf Lindsey und Angel ruhte, weshalb sie nicht mit ihnen reden wollten. Nur mit Spike, Illyria und Jermyn wechselten sie menschliche Worte.

Spike konnte es sich allerdings genauso wenig vorstellen, wie sie es in nur einer Nacht bis nach Rom schaffen würden, weshalb zu dem Drachen unter sich sagte: „Mir ist noch immer nicht ganz klar, wie ihr uns rechtzeitig nach Rom bringen wollt."

Der Drache lachte amüsiert auf, wodurch sein ganzer Körper zu beben begann und Spike sich rasch am Hals des Drachen festklammen musste, damit er nicht fiel.

„Es dir so zu erklären, dass du es auch verstehst, wäre zu schwierig. Stell es dir einfach wie ein Zeitloch vor, das wir benutzen, um rechtzeitig dort zu sein. Nur wir Drachen sind in der Lage diese Löcher zu finden und sie zu nutzen. Es gibt viele davon. Die meisten befinden sich weit über der Erde, weshalb ihr Menschen nie etwas davon bemerkt habt. Nur ein paar wenige existieren dicht über dem Meeresspiegel. Was ich in den letzten Jahren so gehört habe, nennt ihr einen dieser Orte Bermuda Dreieck. Vielleicht hilft dir das, um es dir besser vorzustellen?" erklärte der Drache ausführlich.

„Ja klar, das Teufelsdreieck, das kennt doch jedes Kind. Also dann fliegen wir also durch dieses Dreieck hindurch und dann landen wir in Rom, oder wie?" erwiderte Spike ohne genau verstanden zu haben, was ihm der Drache gerade erklärt hatte.

Der Drache seufzte laut auf und meinte: „Ich sagte doch, dass du es nicht verstehen wirst. Glaub mir einfach, dass wir rechtzeitig ankommen werden."

Damit war die Diskussion beendet. Spike legte im Grunde gar keinen Wert auf eine genauere Erklärung. Ihm war nur wichtig, dass sie vor Sonnenaufgang ankommen würden. Außerdem machte er sich schwere Gedanken, ob und wie er Buffy begegnen würde. War sie noch immer am Leben? Und wenn ja, was würde sie sagen, wenn er ganz plötzlich vor ihr auftauchen würde? Wie würde sie auf Angel reagieren? Und was noch viel wichtiger war, wie würde Angel auf Buffy reagieren?

*****

Während die Drachen, Lindsey und Angel in einem sicheren Versteck auf Spikes Rückkehr warteten, wagte sich Spike in die Nähe eines gewaltigen Schutzwalls, der halb Italien vom Rest der Welt abgrenzte. Ihr Flug hierher dauerte nicht mehr als fünf Stunden, wodurch ihm genug Zeit blieb, um in Kontakt mit den Jägerinnen zu treten. Bevor er sich in die unmittelbare Reichweite irgendwelcher Pfeile schleudernden Schusswaffen begab, sah er sich die aus Holzpfählen und Schuttresten erbaute Mauer erst einmal etwas genauer an.

Mit Hilfe seiner scharfen Vampiraugen erkannte er mehrere Wachposten, welche in gleichmäßigen Abständen über die Gegend wachten. Es waren vorwiegend weibliche Wachen, von denen er sich sicher war, dass es Jägerinnen waren.

Er hatte kein gutes Gefühl dabei, sich so vielen Jägerinnen zu nähern, doch um sein Ziel zu erreichen, blieb ihm keine andere Wahl. Also machte er sich todesmutig auf den Weg und hielt direkt auf ein großes bewachtes Tor zu.

Als er nur noch wenige Meter vom Tor entfernt war, hörte er eine weibliche Stimme rufen: „Ein dutzend Pfeile sind auf dein Herz gerichtet. Nenn mir nur einen guten Grund, warum ich dich nicht töten soll?"

Spike hielt sofort inne, hob die Hände abwehrend in die Höhe und rief zurück: „Mein Name ist Spike. Ich bin ein Freund von Buffy Summers. Ich bin hier, um mit ihr zu sprechen, falls sie noch lebt, und sie unter euch ist."

Eine Stille entstand, was Spike ein wenig Unbehagen bereitete. Er war sich nicht sicher, ob Buffy überhaupt noch lebte und konnte nur hoffen, dass die Jägerinnen wenigstens wussten, wer Buffy war. Eigentlich sollte man ja meinen, dass ein Mann, der gestorben ist, um die Welt zu retten, es nicht nötig hätte sich auf eine Freundschaft zu einer Jägerin zu berufen.

Etwas wurde von Mauer herab, direkt vor Spikes Füße geworfen. Als es mit einem eisernen Klirren direkt vor ihm landete, erkannte er, dass es eine stabilere Art von Handschellen war.

„Was verflucht soll das?" schimpfte er beleidigt.

„Glaubst du wirklich wir lassen einen Vampir einfach so zu uns hereinspazieren? Leg dir die Eisen an, dann öffnen wir das Tor", rief die Stimme ihm zu.

Widerwillig bückte er sich nach den Handschellen und legte sie sich um sein erstes Handgelenk. Bevor er sich die zweite Hälfte an sein anderes Handgelenk anlegen konnte, hörte er die Stimme erneut rufen: „Auf dem Rücken!"

„Verfluchte Weibsbilder", murrte er griesgrämig, während er der Aufforderung folgte.

Nachdem seine Hände auf dem Rücken gesichert waren, öffnete sich das Tor. Sogleich stürmten ihm mehrere Jägerinnen entgegen und bedrohten ihn mit Holzpflöcken und Armbrüsten. Die meisten der Frauen waren mindestens über dreißig, wenn nicht sogar vierzig Jahre alt, doch seine Sinne warnten ihn davor, sie zu unterschätzen. Eine der Frauen überprüfte die Eisenmanschetten. Erst dann gaben sie ihm den Weg durch das Tor frei.

Die Jägerinnen führten ihn direkt an die Seite eines Pferdes, worauf er sich mit hochgezogener Augenbraue umblickte und meinte: „Das ist nicht euer Ernst, oder?"

„Entweder du steigst auf das Pferd, oder du kannst zu Fuß laufen. Zu Buffys Haus sind es ungefähr fünf Meilen, also kannst du es dir aussuchen", erwiderte eine der Jägerinnen, während sie auf ein weiteres Pferd aufstieg und ihn von oben herab ansah.

„Und wie verdammt, soll ich auf dieses Vieh rauf kommen?" fragte er genervt und wedelte dabei mit seinen gefesselten Händen.

Spike bekam große Augen, als zwei der Jägerinnen auf ihn zukamen und ihn aufs Pferd hievten. Allerdings nicht sitzend in den Sattel, sondern quer über dem Rücken des Pferdes liegend. „Hey, was soll das!" beschwerte er sich noch, doch ehe er sich wehren konnte, hatte er eine Schlinge um den Hals, die mit seinen Beinen verbunden war, sodass er wie ein Sack über das Pferd gebunden war.

„Ihr verfluchten Weiber! Bindet mich gefälligst los!" schimpfte er respektlos auf, doch es half ihm nichts. Drei der Jägerinnen stiegen auf ihre Pferde und gemeinsam setzte sich die kleine Karawane in Bewegung.

Spike fragte sich ernsthaft, weshalb er dies hier eigentlich über sich ergehen ließ. Es gab nichts auf der Welt, das ihn für diese Tortur und Demütigung entschädigen könnte. Außer vielleicht ein vor ihm kniender, nackter Angel, der sich ihm willig hingeben würde. Mit einem feinen Lächeln musste er an die Nacht zurückdenken, als Angel sich ihm freiwillig darbot. Allein der bloße Gedanke daran ließ sein Glied erhärten, was angesichts seiner unbequemen Lage ziemlich unangenehm war. Er hätte sich damals nehmen sollen, was Angel ihm anbot. Nun würde er nie wieder die Gelegenheit dazu bekommen.

****

Nach einer schier endlosen und ziemlich unbequemen Reise quer durchs Land kamen sie endlich in bewohntem Gebiet an. Aus seiner Position heraus konnte Spike kaum etwas von der Gegend sehen. Er erkannte ein paar Häuser, die im Gegensatz zu den Gebäuden, die er bisher gesehen hatte, sehr gut erhalten waren. Die Jägerinnen machten schließlich Halt und Spike konnte hören, wie eine von ihnen vom Pferd abstieg und zu Fuß weiter ging.

Dann hörte er eine weibliche Stimme, deren Worte ihn hoffen ließen, dass seine unbequeme Reise endlich ein Ende hatte: „Buffy! Hier ist jemand, der dich sprechen möchte. Er nennt sich Spike."

Spike versuchte verzweifelt einen Blick auf die Personen zu werfen, die daraufhin näher an sein Pferd traten, doch er schaffte es nicht. Er spürte schließlich, wie ihn jemand von den Stricken an seinen Beinen befreite und ihn vom Pferd zog. Nachdem er endlich wieder auf seinen eigenen Füßen stand, blickte er sich sofort um.

Direkt vor ihm stand eine Frau mittleren Alters, mit blonden Haaren, in denen sich die ersten grauen Strähnchen bildeten, und grünen, feucht strahlenden Augen. Sofort, als er in ihre Augen sah, wusste er, dass Buffy vor ihm stand.

„Spike? Bist du es wirklich?" fragte sie ungläubig.

„Hallo Liebes", erwiderte er ihr in seinem unnachahmlichen Charme.

Erfreut fiel sie ihm um den Hals und drückte ihn fest an sich. Sie konnte es kaum glauben, dass sie nach so langer Zeit einen ihrer alten Freunde wieder sehen würde.

Spike stöhnte überrascht auf. Mit einer so herzlichen Begrüßung hatte er nicht gerechnet. Als sie sich wieder von ihm löste, strahlte sie ihn glücklich an und für einen kurzen Augenblick erinnerte er sich seiner Liebe, die er einst für diese Frau empfunden hatte, wobei ihm bewusst wurde, wie viel Zeit inzwischen vergangen war, und wie sehr sich seine Gefühle zu der Frau vor ihm geändert hatten.

Vor ihm stand nicht mehr die bildhübsche, junge Jägerin von damals, sondern eine reife Frau, die zwar noch immer vor Schönheit strahlte, doch auch bei ihr hatten die vergangenen Jahren Spuren hinterlassen. So vieles hatte sich inzwischen verändert. Er fragte sich, was sie in all den Jahren wohl erlebt hatte und es lag ihm auf der Zunge danach zu fragen, doch am meisten interessierte ihn eine ganz andere Sache, weshalb er geradeheraus fragte: „Ist Willow auch hier?"

„Willow?" erwiderte Buffy überrascht und auch mit einer gewissen Enttäuschung. Nach so vielen Jahren taucht Spike ganz plötzlich bei ihr auf und das erste, wonach er fragt, ist Willow!

Spike hörte die Enttäuschung aus ihrer Stimme, doch er hatte nicht die Zeit sich mit Kleinigkeiten herumzuschlagen. Er brauchte eine fähige Hexe, und zwar schnell.

„Ich muss sie dringend sprechen. Es geht um einen Zauber, den sie für mich ausführen soll. Denkst du sie könnte das für mich tun?"

„Du kommst den weiten Weg hierher und betrittst ein Lager, das ausschließlich aus Jägerinnen besteht, und das nur wegen eines Zaubers?" fragte sie ungläubig.

„Nun ja, das war nicht der einzige Grund, aber ja, deswegen bin ich hier", erwiderte er Schulter zuckend.

„Und was ist der andere Grund?" wollte Buffy erfahren, bevor sie ihn zu Willow führen würde.

„Ich wollte dich fragen, ob ihr euch uns anschließt, um gegen die Seniorpartner zu kämpfen."

„Uns?" fragte Buffy neugierig nach, da sie außer ihm niemanden sehen konnte.

Spike druckste etwas um die Antwort herum. „Wir sind ein paar ziemlich fähige Kämpfer. Da wäre Illyria, sie ist eigentlich ein uralter Gott aus der Vorzeit. Sie hat einige coole Tricks auf Lager. Dann wär’ da noch Jermyn, er ist das heilige Gefäß. Er hat ein Gedächtnis wie ein Elefant und kämpfen kann er auch. Außerdem haben wir zwei gewaltige Drachen auf unserer Seite, ein paar verschiedene Dämonen und etwa vierhundert Menschen", übertrieb er so gut es ging und stellte ihre kleine Gruppe möglichst positiv dar. Am Ende seiner Erzählung fügte er mit einem erstickten Murmeln und einem gekünstelten Husten hinzu: „… und Angel."

„Was war das?" fragte Buffy nach, da sie glaubte Angels Namen gehört zu haben.

„Ähm.. was meinst du?" äußerte er sich mit unschuldiger Miene.

„Ich dachte ich hätte Angel verstanden", bohrte sie weiter nach.

Spike fand keinen Weg mehr, der Sache auszuweichen. Außerdem würde sie ihm früher oder später sowieso begegnen, also gab er zu: „Angel ist auch im Team. Er ist hier. Wir sind zusammen mit Lindsey gekommen. Er ist ein Freund und er ist auch der Grund weshalb ich den Zauber brauche."

„Wegen Angel?" fragte sie genauer nach.

„Nein. Wegen Lindsey. Sebassis und die Seniorpartner haben ihm ein Halsband verpasst, das wir nicht ohne magische Hilfe runter bekommen. Solange er es trägt, besteht die Gefahr, dass die Seniorpartner ihn ausfindig machen, darum muss das Teil so schnell wie möglich von ihm weg", erklärte er schließlich in groben Zügen.

Buffy wirkte nun gar nicht mehr so erfreut ihn zu sehen wie anfangs, sondern wirkte eher abweisend. Ihr gefiel das ganze überhaupt nicht. Sie vermutete einen Trick der Seniorpartner hinter dieser ganzen Sache.

Die Arme vor ihrer Brust verschränkend, meinte sie: „Es ist das Beste, wenn du jetzt gehst."

„Was?" fuhr es erstaunt aus ihm heraus.

„Du hast verstanden, was ich gesagt habe. Geh zurück zu Angel. Sag ihm, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will und dann verschwindet von hier, bevor ich meine Leute auf euch loshetze. Schließlich war er es, der uns das ganze hier eingebrockt hat. Seinetwegen ist die Welt zerstört. Du kannst ihm von mir gratulieren, wenn du ihn siehst", erklärte sie kühl.

„Buffy hör zu! Das ganze hier hat nichts mit Angel zu tun. Er erinnert sich nicht mal mehr an dich. Ich bitte nur darum, dass Willow uns mit dem Halsband hilft, mehr nicht. Danach verschwinden wir wieder und lassen uns nie wieder blicken, wenn es das ist, was du willst. Ich gebe dir mein Wort!" redete er energisch auf sie ein.

Buffy ließ sich das ganze durch den Kopf gehen und fragte schließlich: „Was meinst du damit, er erinnert sich nicht an mich?"

„Sebassis hat ihm sein Gedächtnis vollkommen ausradiert. Es kostete mich viel Arbeit, dass er sich an mich zurückerinnert. Ganz langsam kommt alles zurück, doch es wird noch lange dauern, bis er ganz der Alte ist", beschrieb er Angels Zustand, wobei es ihm überhaupt nicht schwer fiel den Betroffenen zu spielen.

Buffy musterte ihn eine Weile und versuchte dahinter zu kommen, ob eine Falle hinter dieser Sache steckte. Bisher hatte sie Spike immer vertraut, selbst als sich all ihre Freunde gegen sie wandten, war er der Einzige, der ihr loyal zur Seite stand. Sogar bis in den Tod hinein.

Dass Spike überlebt hatte, hatte sie schon vor langer Zeit von Andrew erfahren. Sie fragte sich so oft, warum er nie mehr zu ihr zurückgekommen war und glaubte, ja hoffte fast, dass er bereits tot war. Denn dadurch, dass er nie wieder zu ihr gekommen war, und nie wieder versucht hatte sie zu umwerben, fühlte sie sich von ihm verstoßen. Hatte er nicht immer behauptet, sie wäre etwas Besonderes für ihn? Waren das nur leere Worte gewesen? Fühlte er noch immer so für sie, oder hatte er inzwischen eine andere Liebe gefunden?

Starr blickte Buffy in die Leere und hing mit ihren Gedanken weit zurück in der Vergangenheit. So viele Fragen tauchten nun auf, dessen Antwort direkt vor ihr stand, doch dazu müsste sie ihm seine Bitte gewähren. Auf ihren Schultern lag jedoch so viel Verantwortung. So viele Menschen verließen sich darauf, dass sie die richtigen Entscheidungen traf. Schon so lange hielt sie das Zepter in ihrer alleinigen Hand und sie war innerlich so erschöpft und ausgelaugt.

Sie sehnte sich heimlich danach wieder in diesem einen verlassen Haus zu sein. In Spikes sicherer Umarmung zu liegen und einfach alle Sorgen um sich herum fallen zu lassen. So viel Zeit war inzwischen vergangen. Sie hatte andere Männer gehabt. Doch keiner von ihnen schien sie so bedingungslos geliebt zu haben, wie Spike es einst tat.

„Buffy, bitte", störte er sie in ihren Gedankengängen. Er hatte bemerkt, dass sie gedanklich nicht hier war, weshalb er besonders sanft zu ihr sprach.

„Also gut. Aber nicht hier. Willow und ich kommen mit zu euch, zusammen mit ein paar der Mädchen", gab sie schließlich nach.

„Einverstanden. Dann kann ich diese Dinger jetzt endlich loswerden?" fragte er mit flehenden Augen und hob ihr seine gefesselten Arme entgegen.

Buffy lächelte frech und fragte: „Warum so eilig? Ich kann mich an Zeiten erinnern, da gefiel es dir ganz gut mit Ketten zu spielen."

„Glaub mir Liebes, diese Zeiten sind längst vorbei!" antwortete er ihr mit vollem Ernst.

*****

Buffy ritt mit Spike zusammen zu dem leer stehenden Fabrikgebäude, das groß genug war, um sowohl den Drachen, als auch den Freunden Schutz zu bieten. Hier warteten Angel und Lindsey noch immer auf Spikes Rückkehr. Der Sonnenaufgang war nicht mehr weit entfernt. Buffy und Spike hatten sich während ihres Ausritts viel zu erzählen, weshalb der Ritt etwas länger gedauert hatte, als normal.

Buffy berichtete von ihren Widerstandskämpfen. Wie sie erfolgreich verhindern konnten, dass die Seniorpartner dieses Gebiet eroberten. Und wie sie zusammen mit ihren Freunden und den vielen Jägerinnen überlebte.

Spike erzählte ihr, wie alles zustande gekommen war. Wie sie damals den Kampf verloren hatten und was danach mit ihm und Angel geschehen war. Er ließ die schmutzigen Einzelheiten über Angels Sklavendasein aus und berichtete stattdessen ein wenig mehr von seiner Zeit bei den Fellbrüdern. Er wollte nicht, dass Buffy zuviel über Angel erfuhr, weshalb er bei allen Fragen, die Angel betrafen, geschickt auswich.

Schließlich kamen sie am alten Fabrikgebäude an. Der drohende Sonnenaufgang lag bereits in der Luft und es galt Abschied voneinander zu nehmen. Auch, wenn es nur für kurze Zeit wäre, da Buffy am späten Nachmittag mit Willow zurückkommen wollte.

Spike und Buffy stiegen von den Pferden ab und Spike übergab ihr seine Zügel. Dadurch standen sie plötzlich ganz dicht beisammen und blickten einander fest in die Augen. Eine seltsame Stille entstand. Buffy fühlte sich um Jahre zurückversetzt. Spikes klare blaue Augen glänzten noch genauso, als sie ihn das letzte Mal sah. Sein Gesicht hatte sich in all den vielen Jahren nicht verändert, während sie selbst alt geworden war.

Als ihr die plötzliche Erkenntnis kam, dass sie nun nicht mehr die blutjunge, hübsche Frau war, griff sie mit ihrer Hand beschämt in ihr Gesicht und wollte sich verstecken. Sie fühlte sich plötzlich um ein vieles älter, als sie es war.

„Nicht", sagte er sanft und nahm ihr die Hand vom Gesicht. Er ahnte, was in ihr vorging, weshalb er ihre Hand an seinen Mund heranführt und ihr einen zärtlichen Handkuss gab. „Du bist noch immer so schön wie damals", schmeichelte er ihr mit einer rauen Stimme, was ihr ein schüchternes Lächeln aufs Antlitz zauberte.

„Danke", erwiderte sie leise. Als sie spürte, wie sich ihre Wangen erhitzten, wandte sie sich rasch von ihm ab. Sie wollte ihm nicht zeigen, wie sehr er sie durcheinander brachte. Eilig stieg sie auf ihr Pferd, winkte ihm kurz zu und ritt davon.

Spike blickte ihr mit einem zufriedenen Grinsen nach. Er hätte nie geglaubt, dass sich die Dinge zwischen ihm und der Jägerin einmal so verändern würden. Er hatte genau gemerkt, wie sehr er sie nervös machte. Und er fragte sich plötzlich, ob er eventuell Chancen bei ihr hätte, wobei er sich nicht sicher war, ob er so etwas überhaupt noch wollte.

Als er sich zurück zum Fabrikgebäude wandte, sah er Angel in der offenen Türe stehen, wie dieser ihn mit verschränkten Armen musterte.

„War das die Frau, von der du erzählt hast? War das die Jägerin?" fragte Angel sein Childe, nachdem Spike näher gekommen war.

„Ja, das war sie", erwiderte Spike knapp und betrat das Gebäude.

Angel folgte ihm und meinte weiter: „Sie ist eine schöne Frau."

„Ja, das ist sie", sagte Spike, während er den kleineren Raum betrat, der früher mal ein Büro war und ihnen für diesen Tag als Schlaflager diente. Während seiner Abwesenheit hatten Lindsey und Angel die Gegend abgesucht und ein paar gut erhaltene Matratzen und Bettzeug gefunden, womit sie ein schönes großes Bettlager gebaut hatten.

Lindsey lag bereits darin und blickte mit großen Augen zu Spike, der sich seinen Ledermantel auszog, um sich zum Schlafen fertig zu machen.

„Liebst du sie?" kam plötzlich die Frage von Angel, die alle Anwesenden überraschte. Was Spike am meisten verwunderte, war der Schmerz, der in diesen wenigen Worten mitschwang und so deutlich zu spüren war. Scheinbar hatte Angel ihn und Buffy beobachtet, als sie bei den Pferden gestanden waren.

„Red keinen solchen Unsinn", wich Spike aus und tat so, als hätte er Angels Schmerz nicht bemerkt. Spike war müde und erschöpft von der langen Reise und all der Aufregung bei den Jägerinnen. Er wollte einfach nur schlafen und sich ausruhen.

Gerade, als er alle Sachen ausgezogen hatte, um sich ins Bett zu legen, wurde er von Angel gepackt und mit der Brust nach vorn, gegen die Wand geschoben. Angel hatte ihn so sehr überrascht, dass er sich nicht sofort zur Wehr setzen konnte. Erbost wollte er protestieren und sich von der Wand stemmen, als er Angels kühle Zunge plötzlich an seinem frischen Bissmal spürte und damit jeder Wille zur Gegenwehr gebrochen war.

Angels Körper presste ihn gegen die Wand, dessen stumpfe Zähne neckten ihn zusammen mit dessen Mund, der an seinem Hals saugte. Angels Finger bohrten sich in seine linke Schulter und dessen zweite Hand wanderte zielstrebig zu seiner Männlichkeit hinab, die sich schon längst unter dem plötzlichen Angriff seines Sires erhärtet hatte.

Angel knurrte leise und fuhr fort sein Childe nach allen Regeln der Sirekunst zu beeinflussen. Er leckte weiter über das Bissmal, da er wusste wie erregend und verführerisch es für jedes Childe ist, wenn ein Sire dies tut. Mit langsamen Bewegungen rieb er mit seiner Hand an Spikes Härte. Sein Childe zusammen mit dieser Frau, und diese seltsame Vertrautheit zwischen ihnen, zu sehen, hatten ihn fürchten lassen, dass er sein Childe verlieren würde. Wobei ihm klar wurde, wie viel Spike ihm bedeutete. Spike war Familie. Die einzige, die er im Moment kannte. Er war der Schlüssel zu seiner Vergangenheit und gleichzeitig zu seiner Zukunft.

Er wollte ihn nicht verlieren, weshalb er seinem inneren Dämon endlich nachgab und sich auf dämonische Weise das nahm, was ihm gehörte.

Spike fühlte sich wie berauscht. Seinen Sire so Besitz ergreifend über ihn zu spüren, löste einige tiefe Gefühle in ihm aus. Natürliche Gefühle eines jeden Childes, die in den jungen Jahren meist stärker sind und in späteren Jahren langsam verblassen. Doch nun fühlte er sich in seine ersten Jahre zurückversetzt. Fühlte sich unter dem festen Griff seines Sires in Sicherheit. Er fühlte sich gewollt, begehrt und geliebt.

Rasch löste Angel sich von der Männlichkeit seines Childes, um seine eigene aus dem beengenden Gefängnis zu befreien. Als Spike spürte, dass Angels entblößter Schaft an seiner Öffnung anstieß, wurde ein letzter Abwehrmechanismus in ihm ausgelöst.

„Nicht", keuchte Spike halbherzig. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Angel endlich zustoßen und ihre Verbindung erneut besiegeln würde, doch er fürchtete sich noch immer, dass Angel ihn danach zurückweisen würde, so wie er es immer gewesen war.

Angels Dämon brüllte in ihm auf, dass er zustoßen und sich mit Gewallt nehmen sollte was ihm gehörte, doch Angel zögerte. Die halbherzige Bitte seines Childes war ihm nicht entgangen, aber Angel wollte nicht so schnell aufgeben.

Er drückte sich nur ein kleines Stück in den Körper seines Childes. Gerade so, dass der Kopf seiner Eichel halb bedeckt war. Gerade so, dass Spike ihn spüren konnte und Angel in richtiger Position war.

„Liebst du sie?" fragte Angel erneut, doch diesmal in einem neutralen Ton.

„Nein", antwortete Spike sofort, denn dies war die Wahrheit.

Angel beugte sich vorsichtig vor, um den Kontakt zu seinem Childe nicht zu verlieren und leckte erneut über dessen Bissmal, worauf Spike leise aufstöhnte. Doch Angel spürte, wie Spike sich noch immer gegen ihn wehrte. Etwas Entscheidendes hielt Spike davon ab, sich ihm hinzugeben.

„Wovor hast du Angst? Willst du nicht, dass ich das tue?" fragte Angel ihn sanft und drückte sich nur ein kleines Stück tiefer in Spikes Körper, worauf ein weiteres Stöhnen aus Spike entwich.

Spike spürte, wie sich Tränen der Verzweiflung in seinen Augen sammelten. Er hasste es, sich so schwach zu fühlen. Er hasste es, mit der ständigen Angst einer Abweisung leben zu müssen. Sein ganzes Leben war er von all denen abgewiesen worden, die er liebte. Er konnte einfach nicht glauben, dass es diesmal anders sein würde.

„Wovor hast du Angst?" fragte Angel erneut. Er konnte nicht so schnell aufgeben. Nicht bei Spike.

„Davor, dass du mich wieder verlässt", gestand Spike endlich und fühlte sich ein wenig erleichtert, dass er die Worte endlich aussprechen konnte.

Betroffen fragte Angel nach: „Habe ich das früher getan? Ist es das, warum du dich gegen unsere Verbindung wehrst? Habe ich dich früher einmal verletzt?"

„Ja, verdammt, das hast du! Du hast dein ganzes Leben nichts anderes getan, als das", erwiderte Spike verbittert. Er war sich sicher, dass mit diesen Worten ein Stück von Angels Erinnerung zurückkommen würde und er sich jede Sekunde von ihm abwenden würde. Warum auch sollte Angel noch länger eine Verbindung zu ihm eingehen wollen, wenn er nun wusste, dass sie früher nie verbunden waren.

„Es tut mir Leid. Verzeih mir bitte", flüsterte Angel ihm ins Ohr, wobei Spike glaubte sich verhört zu haben. Niemals zuvor hatte er Angel solche Worte zu ihm sprechen gehört.

„Ich werde dich niemals verlassen, das verspreche ich dir. Du bist mein Childe und ich will, dass unser neuer Bund für immer besteht. Gib dich mir hin. Sei mein Childe. Und ich will dir ein Sire sein", bat Angel, damit Spike seine letzten Schranken fallenlassen würde und sich ihm endgültig und vollkommen unterwarf. Damit ihr Bund stärker und tiefer wäre, als er es jemals war.

Spike wollte diesen Worten so sehr Glauben schenken. Er wollte, dass es genau so sein würde. Er war es leid, dagegen zu anzukämpfen. Also vertraute er auf Angels Worte. Er vertraute auf die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft als verbundenes Team. Sire und Childe. Sehnte er sich doch nach nichts mehr, als unter der geborgenen Sicherheit seines Sires zu stehen.

Als Antwort stemmt er sich selbst mit seinem Hintern gegen den harten Schaft seines Sires. Nur ein kleines Stück, damit Angel spürte, dass er sich nicht mehr dagegen wehrte. Dass er bereit war, sich fallen zu lassen.

Angel knurrte erregt auf, als er dies bemerkte. Harsch bohrten sich seine Finger in Spikes Hüften und er zog sich noch mal ein kleines Stück zurück. Gerade so, dass die Spitze seiner Eichel in Position blieb.

„Wer bin ich?" forderte er mit erregter Stimme.

„Mein Sire", antwortete Spike prompt.

„Wer bist du?"

„Dein Childe", keuchte Spike schwer atmend.

„So soll es sein", erwiderte Angel, während er endlich zustieß und sich mit einem einzigen Stoß ganz in Spikes Körper vergrub.

Spike schrie auf. Vor Schmerz und vor Erregung, über die plötzliche Invasion. Der heftige Stoß verursachte kleine Risse in Spikes empfindlichem Fleisch und seine Schließmuskeln zogen sich schmerzhaft zusammen. Doch all der Schmerz wirkte nicht unangenehm. Er war ein Vampir und Schmerz war schon immer sehr erregend für ihn. Aus allem Schmerz entstand Neues. Und aus seinem Schmerz entstand ein unbeschreibliches Lustempfinden und zugleich wuchs ihre tiefe Verbindung zueinander an.

Angel wusste das, weshalb er sich sofort in einen schnellen und harten Rhythmus in sein Childe versenkte. Seine Fingerspitzen bohrten sich so tief in Spikes Hüften, dass es Spuren hinterlassen würde. Seine linke Hand wanderte hastig zu Spikes Nacken, wo er ihn in einen festen Griff nahm und Spikes Oberkörper zu sich heranzog.

Damit verlor Spike den Kontakt zur Wand und fühlte sich Angel vollkommen ausgeliefert. Seine Hände suchten nach Halt und stützten sich schließlich an der Wand ab. Er war so in Angels verlangenden Rhythmus gefangen und berauscht, dass er jeglichen Bezug zur Realität verlor. Er fühlte sich wie ein junges Childe, das in der sicheren Umarmung seines Sires lag.

Das harte Spiel trieb Angel rasend schnell auf seinen Höhepunkt zu. Als er spürte, wie sich seine Hoden zusammenzogen und sich sein Orgasmus in seinen Lenden bildete, knurrte er ein tiefes „Mein!" und vergrub seine Vampirzähne in Spikes noch frisches Vampirmal. Kaum dass Spike den stechenden Schmerz von Angels Zähnen spürte und er fühlte, wie Angel ihm das Blut aus den Adern sog, ergoss auch er sich mit einem Schrei, ohne dass jemand seinen Schaft berührt hatte.

Vollkommen erschöpft sackte Spike zusammen und wurde nur noch von Angels starken Armen gehalten. Noch immer tief in dem Körper seines Childes vergraben, leckte Angel die letzten Blutstropfen von dem Mal.

„Du bist mein und ich lasse dich nie wieder gehen", hörte Spike die sanften Worte seines Sires zu ihm sprechen. Als er dies hörte, übermannten ihn seine Gefühle und eine einsame Träne rollte über seine Wange. Denn nach diesem Akt war er gar nicht mehr in der Lage Angel zu verlassen. Er spürte die tiefe Verbindung zu seinem Sire und wusste, dass Angel nun noch mehr Macht über ihn hatte.

Er war sich nicht sicher, ob er über die Vertiefung ihres Bundes glücklich sein sollte, oder ob er sich davor fürchten sollte. Doch im Grunde war es ohnehin zu spät sich dagegen zu wehren, weshalb er seinem Sire und seinem Glück eine letzte Chance gewährte. Er wollte sehen, ob es diesmal funktionieren würde. Ob er einmal die richtige Wahl getroffen hatte und derjenige, dem er sein Herz schenkte, es danach nicht wieder zertrampeln würde. Er wollte es noch einmal riskieren, doch das bedeutete nicht, dass er sich nicht weiter davor fürchten würde.

Angel küsste ihm die Träne sanft aus dem Gesicht. Er hob seinen schlappen Körper in seine starken Arme und trug ihn zu dem Bettlager, wo Lindsey rasch Platz für sie machte. Dann rutschte er zwischen Spikes Beine, hob einen von Spikes Schenkel hoch und begann ihn liebevoll mit seiner Zunge zu säubern, was viele kleine Stöhngeräusche aus Spikes Mund entlockte. Schließlich war Angel noch lange nicht mit ihm fertig.

*****

Teil 14

Als Spike aus einem tiefen und erholsamen Schlaf erwachte, war er zunächst orientierungslos und wusste nicht, wo er sich befand. Er fühlte sich unendlich geborgen, ausgeruht und völlig entspannt. Als er seine Augen öffnete, sah er Lindseys schlafendes Gesicht direkt vor ihm liegen, was ihn ein wenig irritierte. Er hatte den Geschmack von Blut auf der Zunge und nach genauerem Überprüfen bemerkte er, dass es Sireblut war. Sein Anus fühlte sich an, als hätte er einen stundenlangen Ritt hinter sich und als er sich ein kleines Stück bewegte, stellte er fest, dass noch immer etwas ziemlich großes und hartes in ihm steckte.

Dann erst fielen ihm die vielen Stunden Sex ein, die er und sein Sire geteilt hatten. Es war ein unendlicher Rausch voller Hingabe und Leidenschaft gewesen. Er erinnerte sich, mit welch großem Verlangen sich Angel in ihn vergraben hatte. Wie oft er danach fragte, wer er sei. Immer wieder wiederholte Angel seine Besitz ergreifenden Worte. Als hätte er Angst gehabt ihn zu verlieren, wiederholte er immer wieder dieselben Worte, bis sie irgendwann völlig erschöpft zusammen eingeschlafen waren. Angel lag noch immer dicht hinter ihm, seinen Arm um Spikes Körper geschlungen und seine neu erwachte Härte tief in ihm vergraben.

Angel war kurz vor Spike erwacht. Als er spürte, dass er noch immer in Spikes Körper vergraben war, war sein Glied zu neuer Härte angeschwollen und er musste sich beherrschen nicht sofort wie verrückt in Spikes Körper zu stoßen. Nach all den Stunden hartem Liebesspiel wusste er, wie mitgenommen Spikes Anus sein musste, weshalb er sich ganz vorsichtig in ihm zu bewegen begann und ihn sanft an sich drückte.

Spike stöhnte daraufhin auf. Auf diese Weise wollte er am liebsten jeden Morgen geweckt werden.

„Guten Morgen", murmelte Angel ihm ins Ohr, wobei er wieder über die Bissmale leckte, welche noch frisch und gut sichtbar an Spikes Hals zu sehen waren. Dies jagte erregende Schauer durch Spikes Körper, worauf er erneut aufstöhnte und sich selbst gegen das Becken seines Sires drückte.

„Noch immer nicht genug?" fragte Angel neckend.

„Niemals", erwiderte Spike sofort und betonte dies mit einer weiteren Bewegung gegen Angels Becken und presste dabei seine Schließmuskeln fest zusammen.

Nun war es Angel, der von den Gefühlen übermannt aufstöhnte.

„Ich will dir in die Augen sehen", meinte Angel sanft und kaum hatte er diese Bitte ausgesprochen, schon bewegte sich Spike von ihm weg, nur um sich wartend auf den Rücken bereit zu legen, damit Angel sich zwischen seinen Beinen positionieren konnte.

Lindsey bemerkte, dass das ewige Liebesspiel der Beiden wieder weiterging, doch er interessierte sich nicht mehr dafür. Er war schrecklich müde, weshalb er sich desinteressiert umdrehte, den Beiden seinen Rücken zuwandte und seine Decke über den Kopf zog, in der Hoffnung, dass er noch ein wenig Schlaf erhaschen könne.

Spike und Angel hatten im Moment nur Augen für sich, und kaum als Angel sich zwischen den Beinen seines Childes positioniert hatte, fuhren sie in ihrem Liebesspiel fort. Diesmal jedoch weniger gewaltsam, sondern mit viel mehr Zärtlichkeit. Angel bewegte sich langsam und vorsichtig. Seine Augen fixierten den verschleierten Blick seines Childes. Seine Finger spielten neckend mit einer von Spikes Brustwarzen und entlockten ihm viele kleine Stöhngeräusche.

Schließlich veränderte Angel seine Position so, dass er zwischen ihren Körpern an Spikes Schaft heran kam, welcher bereits sehnsüchtig auf eine Berührung wartete. Als Spike die Hand seines Sires um sein Glied fühlte, presste er seine Schließmuskeln aus reiner Reaktion heraus fester zusammen, was schließlich beide aufstöhnen ließ.

Angel kramte nach der zweiten Decke, die ihnen während ihres Schlafes Wärme geboten hatte, und schob sie Spike unter den Hintern. Somit kam er besser an Spikes Männlichkeit heran, ohne den Kontakt zu seinem Childe zu verlieren.

Auf diese Weise blieben sie weiter in einem langsamen und zärtlichen Rhythmus. Ihre Blicke jeweils fest auf den Anderen gerichtet.

*****

Buffy, Willow und drei weitere Jägerinnen machten sich auf den Weg zu dem Versteck, das Spike Buffy am frühen Morgen gezeigt hatte. Es war später Nachmittag und so wie verabredet, kamen sie, damit Willow versuchen konnte den Zauber von Lindseys Halsband zu lösen.

Die fünf Frauen lenkten schließlich ihre Pferde auf das alte Fabrikgelände. Buffy rief nach Spike, aber nachdem sich nichts und niemand rührte, betrat sie das Gebäude, um nach Spike zu suchen, während die Anderen draußen warteten.

Die beiden Drachen blickten sie argwöhnisch an, hinderten sie aber nicht das ehemalige Büro des Gebäudes zu betreten, da sie Spike mit ihr gesehen hatten und sie nicht als Gefahr betrachteten.

Ihr waren die beiden Drachen nicht sonderlich geheuer, aber sie ließ sich ihre Furcht nicht anmerken und hielt schnurstracks auf das Büro zu. Sie hörte seltsame Geräusche aus diesem Zimmer und als sie es schließlich betrat, stockte ihr der Atem.

Sie sah, wie Angel über Spike lehnte und die beiden eindeutig Sex miteinander hatten. Sie war sichtlich geschockt. „Oh mein Gott, Angel! Was machst du da mit… Spike!" rief sie lauter, als sie es wollte.

Die beiden Vampire hielten sofort inne und blickten überrascht zu Buffy.

„Buffy, es ist nicht so wie du…" wollte Spike anfangen zu erklären, stoppte jedoch bei seiner Erklärung, weil er im Grunde selber nicht wusste, was genau nun wirklich zwischen ihm und Angel war.

„Wie… Ich meine, … ihr Beide, das ist… ihr habt euch doch immer gehasst, also wie?" versuchte Buffy einen klaren Gedanken zu erfassen.

Lindsey bemerkte, dass sie nicht mehr alleine waren, weshalb er sich vorsichtig zu der Frau umdrehte, die nun im Raum stand. Bisher hatte Buffy ihn unter der Bettdecke nicht gesehen, aber als sie dann auch noch ihn mit nackten Oberkörper erblickte, murmelte sie entsetzt: „Ich muss hier raus" und stürmte davon.

Sie konnte einfach nicht verstehen, was sie da gerade gesehen hatte. In diesem Raum waren zwei Männer, mit denen sie vor langer Zeit einmal intim gewesen war und diese beiden Männer trieben es gerade vor ihren Augen miteinander. Das war eindeutig zuviel für sie. Und sie wollte sich gar nicht ausmalen, warum dieser dritte Mann mit ihnen im Bett war.

„Buffy, was ist los?" fragte Willow überrascht, als sie ihre langjährige Freundin völlig aufgelöst aus dem Gebäude stürmen sah.

„Wir gehen", erwiderte Buffy knapp.

Kurz darauf erschien Spike in der offenen Türe. Er hatte sich nur rasch seine Jeans angezogen, um ihr folgen zu können, doch die Sonne hinderte ihn daran weiterzugehen. Bittend rief er ihr nach: „Buffy bitte! Wir brauchen Eure Hilfe! Bitte geht nicht."

Buffy war gerade dabei auf ihr Pferd zu steigen, als sie Spikes flehende Worte rufen hörte. Willow trat an sie heran und fragte fordernd: „Was ist hier los? Warum willst du jetzt auf einmal so plötzlich weg? Ich dachte Spike braucht Hilfe mit einem Zauber?"

„Ich… ich. Die Beiden… ich meine", stotterte Buffy hilflos vor sich hin, da ihr die Worte fehlten.

Willow erkannte nicht, weshalb Buffy so durcheinander war und sie sah auch keinen Grund, weshalb sie so schnell wieder aufbrechen sollten. Darum ging sie zu Spike und begrüßte ihn freundlich. Außerdem freute auch sie sich sehr, Spike wieder sehen zu können.

„Hallo Spike. Buffy sagte, du brauchst Hilfe bei einem Zauber. Worum genau geht es?"

Spike starrte die Frau vor ihm überrascht an. Er musste zweimal hinsehen, bevor er Willow wieder erkannte. Auch sie war um einige Jahre gealtert, doch hinzu kam, dass statt der roten Haare, die früher ihr Markenzeichen waren, sie nun strahlendweißes Haar trug.

„Willow?" fragte er deshalb irritiert.

„Ja, erkennst du mich nicht? Das wird an den Haaren liegen", erwiderte sie frech grinsend und fügte erklärend hinzu: „Das liegt an der weißen Magie. Meine Kräfte sind stärker geworden, doch ich befasse mich nur noch mit reiner weißer Magie. Kein Teufelszeug mehr."

„Steht dir gut", kommentierte er beeindruckt.

„Danke, aber du hast dich auch verändert", meinte sie lächelnd und deutete erst auf Spikes beringte Brustwarzen und dann auf seine kurzen dunklen Haare.

Spike strich sich verlegen über den Kopf und sagte rasch: „Ist nur vorübergehend."

Willow erkannte, dass es ihm unangenehm war, darüber zu sprechen, weshalb sie das Thema rasch wechselte: „Also, was kann ich für dich tun?"

Spike war noch immer etwas durcheinander, wegen Buffys plötzlichen Auftritts. Rasch suchte er nach den richtigen Worten und begann zu erklären: „Ein Freund von uns trägt ein Sklavenhalsband, das irgendwie magisch mit ihm verbunden ist. Als wir versucht haben es zu zersägen, hatte er schreckliche Schmerzen. Solange er das Halsband weiter trägt, wirkt es wie ein Sender. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kommt, danach zu suchen. Kannst du uns helfen?"

„Ich werde es versuchen. Wo ist dein Freund", erwiderte Willow freundlich.

Spike deutete ins Gebäude und blickte verunsichert zu Buffy. Diese hatte sich inzwischen wieder genähert, und als sie merkte, dass Willow in das Gebäude gehen wollte, fragte sie entsetzt: „Will! Du willst doch nicht wirklich da reingehen?"

„Warum sollte ich es nicht tun?" erwiderte Willow.

„Die Beiden hatten gerade da drinnen miteinander Sex!" rief Buffy aus, als ob dies alles erklären würde.

„Wer?" fragte Willow nicht verstehend nach.

Spike vergrub sein Gesicht in seinen Händen und stöhnte genervt auf. Wenn er das alles vorher gewusst hätte, hätte er sich vor fünfundzwanzig Jahren selbst gepfählt.

„Spike und Angel!" rief Buffy schließlich.

„Na und?" fragte Willow unberührt.

„Na und?" wiederholte Buffy ungläubig.

Spike blickte überrascht auf. Er hätte nicht gedacht, dass Willow so ruhig reagieren würde. Er hatte fest damit gerechnet, dass eine sehr lange Diskussion vor ihm liegen würde. Stattdessen betrat Willow unbekümmert das Fabrikgebäude und suchte sich selbst den Weg zum Schlafzimmer.

„Will!" rief Buffy ihr entsetzt hinterher.

Angel war währenddessen auf dem Bett geblieben. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich anzuziehen, oder sich zuzudecken. Er war ein wenig verärgert, über das ruppige Benehmen dieser Frau. Sie hatte ihn in einer sehr angenehmen Situation gestört. Er war auch verärgert über Spike, da dieser sofort hinter der Frau hergelaufen war, als wenn diese ihm viel bedeuten würde und es ihm peinlich war, von ihr mit seinem Sire erwischt zu werden. Beinahe so, als ob es etwas Schlimmes wäre, Sex mit seinem Sire zu haben.

Doch was ihn am allermeisten beschäftigte, war dieser eine Satz, den diese Frau gesagt hatte. ‚Sie hätten sich immer gehasst’, hatte sie gesagt. Gehasst. Ein hartes Wort. Und ein noch härteres Gefühl. Es ließ ihm keine Ruhe mehr. Hatten sie sich wirklich gehasst?

„Hallo Angel", sagte plötzlich eine andere Frau zu ihm, und als er zu ihr aufblickte, erkannte er eine freundlich dreinblickende Frau mittleren Alters, mit weißen Haaren, die ihn amüsiert anlächelte.

„Hallo", erwiderte er zurückhaltend, da sie ihm völlig fremd war. Noch immer verspürte er nicht den Drang, seine Nacktheit zu bedecken. In den fünfundzwanzig Jahren als Sklave bei Sebassis hatte er nie Kleidung tragen dürfen, weshalb es sich für ihn nicht ungewöhnlich anfühlte, nackt zu sein.

Spike war ihr inzwischen gefolgt. Erklärend sagte er seinem Sire: „Angel, das ist Willow. Sie ist die Hexe, von der ich erzählt habe. Sie will uns mit Lindseys Halsband helfen." Dann deutete er auf Lindsey und sagte zu Willow: „Das ist Lindsey."

Willow wunderte sich ein wenig darüber, weshalb Spike sie bei Angel vorstellte, als wenn sie sich nicht kennen würden, doch sie ging nicht näher darauf ein. Stattdessen trat sie zu Lindsey ans Bett, um sich den Halsreif genauer anzusehen.

Lindsey war dies nicht geheuer, weshalb er sofort die Flucht in Angels Arme ergriff, welcher ihn sogleich an sich drückte und beruhigte. Buffy stand mittlerweile auch mit im Raum, um Willow im Notfall zu schützen. Zumindest redete sie sich ein, dass dies der Grund war, denn Willow war gut fähig sich alleine zu verteidigen. Mit ansteigender Faszination beobachtete sie das Geschehen auf dem Bett.

„Warum hat er so große Angst vor mir? Ich tu ihm doch gar nichts", fragte Willow, über Lindseys Verhalten verwirrt.

„Er hat vor Allem Angst. Das hat nichts mit dir zu tun. Sebassis hat ihm das angetan", erklärte Spike. Dann setzte er sich zu den beiden anderen aufs Bett und redete liebevoll auf Lindsey ein: „Siehst du diese Lady? Sie ist hier, um uns mit dem Halsband zu helfen. Sei ein braver Junge und halte schön still, damit sie es sich genauer ansehen kann. Du brauchst keine Angst zu haben. Angel und ich beschützen dich."

„Lindsey brav", bestätigte Lindsey ihm tapfer, obwohl ihm die Frau mit den weißen Haaren sehr unheimlich vorkam. Und auch die andere Frau, die vorhin so laut gerufen hatte, machte ihm Angst, da sie ihn böse anstarrte.

Spike nickte Willow freundlich zu, worauf sie sich gegenüber von ihm ebenfalls aufs Bett setzte und sich den Eisenring um Lindseys Hals genauer ansah. Lindsey versuchte sich möglichst still zu verhalten, doch er fürchtete sich so sehr, dass er sich mit seinem Kopf Schutz suchend in Angels Halsbeuge versteckte. Angel strich ihm seine Haare zur Seite, damit Willow besseren Zugriff hatte. Dies reichte ihr, um es genauer zu untersuchen.

Buffy starrte mit wechselhaften Gefühlen auf das Schauspiel im Bett. Spike, Angel und der fremde Mann wirkten beinahe wie eine kleine führsorgliche Familie. Doch es waren ausgewachsene Männer. Vampire, um genau zu sein. Sie konnte einfach nicht verstehen, was hier vor sich ging.

„Wie zum Teufel konnte das passieren?" fragte Buffy aus dem Nichts heraus, worauf alle, außer Lindsey, verdutzt zu ihr blickten.

„Was meinst du? Sebassis hat…" wollte Spike anfangen zu erklären, wie das mit dem Halsband zustande kam. Doch Buffy unterbrach ihn sofort: „Nein, ich meine euch beide! Wie konnte das passieren? Ich meine… ich würde es verstehen, wenn er dein Sire wäre. Giles hat mir von solchen abartigen Verhaltensweisen der Vampire erzählt, aber…"

„Buffy, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt!" unterbrach Spike sie rasch, bevor sie noch mehr Dinge aus seiner Vergangenheit ausplaudern würde, von denen er eigentlich nicht wollte, dass Angel sie im Moment erfahren würde.

Allerdings war Angel die Erwähnung von Spikes Sire nicht entgangen und er fragte in scharfem Ton: „Was hast du dieser Frau erzählt, wer dein Sire ist?"

„Angel, bitte, lass uns später darüber sprechen", versuchte Spike sich aus der Misere zu ziehen.

„Nicht später, jetzt! Was hast du ihr erzählt? Wer ist dein Sire?" forderte Angel eine sofortige Antwort.

Buffy mischte sich erneut ein und sagte: „Was soll das heißen, was er mir erzählt hat. Jeder weiß doch, dass Drusilla sein Sire ist. So steht es doch auch in den Wächterbüchern."

Fassungslos starrte Angel zu Buffy. Die Erwähnung von Angels zweitem Childe weckte einige neue Erinnerungen in Angel. Sehr weit zurückliegende Erinnerungen von einem ziemlich verrückten Childe.

Wütend und enttäuscht fuhr er Spike an: „Du hast behauptet, dass Dru dein Sire ist? Du hast alle Welt glauben lassen, dass du von einer Verrückten erschaffen wurdest, anstatt von mir? Hast du mich tatsächlich so sehr gehasst?"

„Ich weiß nicht, weshalb du dich so aufregst? Dru war mir viel mehr ein Sire, als du es jemals gewesen bist. Früher hat es dich auch nicht gestört. Im Gegenteil, du selbst hast später behauptet, Dru hätte mich erschaffen. Ich war dir als Childe nie gut genug. Wir beide haben die Lüge solange verbreitet, bis es zur Wahrheit wurde, und das weißt du! Erinnere dich, Bastard!" warf Spike ihm aufgebracht entgegen.

Das respektlose Verhalten seines Childes brachte ihn nur noch mehr in Rage, weshalb er Lindsey grob von sich schob und mit einem Satz auf Spike zusprang. Durch die Wucht, mit der Angel auf Spike losging, fielen sie beide vom Bett und landeten hart auf den Boden. Angel hatte sein Childe an der Kehle gepackt und funkelte ihn aus gelbgoldenen Vampiraugen an.

„Warum!?" schrie er Spike ins Gesicht.

Buffy schnellte nach vorne und verpasste Angel einen kräftigen Schlag, sodass Angel von Spike heruntergeschleudert wurde. Angel knurrte wütend auf und versuchte sich hoch zu rappeln, doch Buffy war bereits bei ihm und gab ihm einen schmerzhaften Tritt mit dem Bein. Weiter kam sie jedoch nicht, weil Spike sie plötzlich von hinten packte und von seinem Sire wegzog. Seine Bande zu Angel waren so eng geknüpft, dass er alles riskieren würde, um seinen Sire zu schützen.

Die drei wartenden Jägerinnen hörten, dass ein Streit und ein Kampf im Gange war, weshalb sie alarmiert ins Gebäude stürmten, um Buffy beizustehen. Sie konnten das kleine Büro allerdings nicht betreten, weil die beiden Drachen ebenfalls durch den Lärm aufgeschreckt waren und die drei Jägerinnen nun mit eindeutigen Drohgebärden in Schach hielten.

Willow starrte ungläubig auf das Durcheinander vor ihren Augen. Buffy versuchte sich aus dem festen Griff von Spike zu befreien, während Angel sich aufrichtete und mit wütendem Antlitz auf Spike zuging. Lindsey flüchtete in Panik aus dem Bett, um sich in einer entfernten Ecke zu verkriechen.

Willow hatte genug von dem Chaos. „Institio!!" rief sie laut auf, worauf sich augenblicklich Ruhe einstellte. Alle Anwesenden waren in ihrer Bewegung erstarrt, als hätte Willow die Zeit angehalten. Nichts und niemand bewegte sich.

Willow atmete erst einmal erleichtert auf, bevor sie ihre Konzentration auf Spike richtete und „Movere", sagte.

Damit war Spike plötzlich als einziger aus seiner Starre gerissen und machte genau da weiter, wo er vorher erstarrt war. Er hielt weiter Buffy fest und versuchte sie daran zu hindern ihren Sire anzugreifen. Als ihm dann auffiel, dass Buffy sich gar nicht mehr wehrte, blickte er sich verwundert um. Alles im Raum war wie versteinert. Sogar die Bettdecke, die Lindsey in der Eile mit sich gezogen hatte, schwebte halb in der Luft.

Erst als er Willows freundliches Lächeln erblickte, erkannte er, dass sie einen Zauber gesprochen hatte.

Er wollte etwas sagen, doch sie kam ihm zuvor und fragte fordernd: „Was geht hier eigentlich vor? Warum benimmt sich Angel so komisch?"

Vorsichtig ließ Spike Buffy los und stellte dabei erstaunt fest, dass sie sich keinen Millimeter bewegte und weiter ihn ihrer Stellung verharrte. Während er sich das versteinerte Gesicht seines Sires ansah, erklärte er Willow: „Sebassis hat ihm sein Gedächtnis ausgelöscht. Es kommt langsam wieder zurück, aber nur bruchstückweise."

„Jetzt ist mir so einiges klar", erwiderte Willow ruhig und ging zu Lindsey, um sich endlich das Halsband in Ruhe anzusehen.

Spike folgte ihr verwundert, während er immer wieder zu den beiden anderen blicken musste. Buffy und Angel so versteinert zu sehen, wirkte ziemlich ungewöhnlich.

Während Willow den Halsreif studierte, kommentierte sie mehr zu sich selbst: „Keinerlei Gravierungen. Das Material selbst ist nicht magisch. Es muss eine Art Verbindungszauber sein, der deinen Freund hier mit dem Eisen verbindet."

„Huh?" meinte Spike unkonzentriert. Er war zu sehr damit beschäftigt Buffy und seinen Sire zu studieren, als Willow zuzuhören.

Willow verdrehte ihre Augen und sagte zu ihm: „Ich werde versuchen den Zauber zu lösen."

Das hatte Spike nun sehr gut verstanden, weshalb er ihr interessiert zusah.

Den Eisenring in beiden Händen haltend, schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Sie murmelte eine lateinische Formel vor sich her, worauf ein seltsames Strahlen von dem Halsband ausging. Willow murmelte weiter, bis auf einmal ein Klicklaut ertönte und sich das Halsband öffnete. Mit einem triumphierenden Lächeln hob sie Spike den Eisenring entgegen.

Dieser blickte ihr begeistert entgegen und meinte aufrichtig: „Danke!" Wenigstens war damit eines seiner Probleme gelöst, auch wenn inzwischen die Zahl seiner Probleme drastisch angestiegen war.

Willow lächelte zufrieden und überreichte Spike das Eisenteil. „Hier. Am besten du gibst es einem euer geflügelten Freunde und bittest ihn, es hinaus ins Meer zu werfen. Das wird für denjenigen, der versucht es zu finden, sehr verwirrend sein."

Spike nickte einverstanden, nahm den offenen Ring von ihr an und ging aus dem Büroraum, um ihn einem der Drachen zu geben. Dort sah er, wie die beiden Drachen die drei Jägerinnen in Schach hielten.

„Was zum Teufel ist hier los?" fragte er verwundert, woraufhin auch Willow auf das Geschehen aufmerksam wurde und zu ihnen kam.

„Diese Monster bedrohen uns!" beschwerte sich eine der Jägerin.

„Willow, Schatz, ist alles in Ordnung?" fragte eine weitere Jägerin besorgt nach.

„Kennedy?" fragte Spike überrascht, als er sich diese Jägerin genauer ansah, und Willows Freundin erkannte.

„Hallo Spike, könntest du deinen gemeingefährlichen Wachhunden sagen, dass sie uns in Ruhe lassen sollen?" forderte Kennedy ihn auf.

Spike grinste frech auf, trat zu einem der Drachen heran und streichelte ihn demonstrativ am Bauch, während er gespielt betroffen meinte: „Wie kannst du nur so grausame Sachen zu ihnen sagen? Das sind sensible Wesen. Sie mögen es nicht, wenn man sie so nennt."

Beide Drachen warfen ihm einen skeptischen Blick zu, wobei jeder der Anwesenden merkte, dass gerade er der falsche Kerl war, so etwas zu behaupten.

Spike ignorierte dies vollkommen. An einen der Drachen gewandt, sagte er: „Könntest du das hier verschwinden lassen? Möglichst so, dass es sehr lange dauert, wenn die Seniorpartner versuchen es wieder zu finden."

„Dafür kenne ich den perfekten Ort. Ich bin in ein paar Stunden wieder zurück", erwiderte der Drache, wobei Willow und die Jägerin überrascht feststellten, dass diese Wesen sprechen konnten.

Die Rückwand des Fabrikgebäudes war beinahe vollkommen zerstört, und so war dort ein ausreichend großes Loch, aus dem der Drache kriechen konnte und sich dann mit kräftigen Flügelschlägen mühsam in die Luft erhob und davonflog.

Spike blickte dem Drachen nach. Dann registrierte er eine Bewegung der Jägerinnen und drehte sich rasch zu ihnen um. Kennedy wollte den Raum betreten, wo Angel, Buffy und Lindsey noch immer erstarrt waren.

Dies passte Spike überhaupt nicht. Es waren schon mehr als genug Frauen, die seinen Sire nackt sahen, es mussten nicht noch mehr werden, weshalb er etwas überstürzt rief: „Verflucht, was soll das? Habt ihr Weiber eigentlich schon mal was von Privatsphäre gehört? Ich spaziere doch auch nicht einfach so in euer Schlafzimmer, wie es mir passt!"

Kennedy hielt überrascht inne und blickte fragend zu Willow. Diese grinste über Spikes aufgebrachtes Wesen und meinte sanft zu Kennedy: „Ist schon in Ordnung. Buffy geht es gut. Macht euch keine Sorgen, ich habe alles im Griff."

„Bist du dir sicher?" fragte Kennedy sicherheitshalber nach, da sie sich wunderte, weshalb Buffy sich nicht mehr blicken ließ.

„Absolut", bestätigte Willow überzeugend.

Daraufhin zogen sich die Jägerinnen wieder nach draußen zurück, um dort zu warten. Spike trat etwas zaghaft an Willow heran und versuchte ein paar Worte zu bilden. Er hasste es, wenn er einem Menschen etwas schuldig war und noch mehr, wenn er diesen um einen weiteren Gefallen bitten wollte.

„Willow, ich weiß, ich bin dir bereits einiges schuldig, aber könntest du vielleicht noch versuchen Angels und Lindseys Erinnerungen zurückzubringen?"

„Bist du sicher, dass du das auch willst?" fragte Willow nach, da sie wusste, dass Angel früher nie eine intime Beziehung mit Spike eingegangen wäre, es jetzt aber ganz den Anschein danach hatte, als wären die beiden in einer solchen Beziehung.

Genau das war der Grund, warum auch Spike sich nicht sicher war, ob er das wirklich wollte, aber so wie es jetzt zwischen seinem Sire und ihm stand, gab es ohnehin einige Dinge zu klären, also würde eine Wiederherstellung von Angels Erinnerungen ihm vielleicht sogar nützlich sein. Zumindest bräuchte er Angel dann nichts mehr über dessen Vergangenheit verheimlichen.

„Ich will es", erwiderte er schließlich.

Mit mulmigem Gefühl im Bauch folgte er Willow zurück in das Zimmer. Er dachte daran, wie wundervoll dieser Morgen noch angefangen, und wie schnell sich dann alles geändert hatte. Als er auf Angels versteinerte Miene blickte, die soviel Zorn und Enttäuschung widerspiegelte, begann er sich zu fürchten, ob sein Sire ihn nach alledem noch haben wollte. Was wäre, wenn Angel so wütend auf ihn war, dass ihre neu geknüpfte Verbindung wieder zerbrechen würde? Was sollte er dann tun? Und könnte er das überhaupt ertragen?

*****

Teil 15

„Das alles hier ist ein einziger beschissener Alptraum! Mein Sire kommt zu mir zurück, aber nur, weil er sich nicht an früher erinnert. Und je mehr er sich erinnert, desto mehr verliere ich ihn wieder. Verfluchter Mist!" murmelte Spike griesgrämig vor sich hin, während er ein paar Vorbereitungen traf, bevor Willow den Unbeweglichkeitszauber über Angel, Lindsey und Buffy wieder rückgängig machen würde.

„Bist du endlich fertig, dich mit Selbstmitleid zu bewerfen?" fragte Willow neckend.

„Ich bewerfe gar nichts mit Selbstmitleid!" fauchte er zurück und fügte leise hinzu: „Verfluchte Weiber."

Willow lächelte amüsiert. Spikes typisches Verhalten erinnerte sie an längst vergangene Zeiten zurück, die viele schöne Erinnerungen an ihre alten Freunde weckten.

„Du hast dich kein bisschen verändert", sagte sie seltsam wehmütig.

Spike wurde gerade fertig, als er ihre plötzliche Stimmungsschwankung bemerkte. Völlig ernst erwiderte er ihr: „Ist schwer sich zu verändern, wenn man ein Vampir ist, Liebes."

„Ich weiß. Du erinnerst mich nur so sehr an früher und an unsere Freunde", meinte sie traurig.

Als er sie genauer ansah, erkannte er tiefe Trauer in ihr, was ihn ahnen ließ, dass einige der alten Gang nun nicht mehr unter ihnen weilten. Mitfühlend fragte er: „Wer ist alles umgekommen?"

Mit einem gezwungenen Lächeln antwortete sie „Xander und Andrew starben vor zehn Jahren bei einem Kampf gegen die Dämonen. Giles vor sechs Monaten. Er war nicht mehr der Jüngste und unsere medizinische Versorgung ist nicht gerade auf dem neuesten Stand. So viele Jägerinnen starben auf den Schlachtfeldern, dass ich aufgehört habe sie zu zählen. Faith und Dawn sind vor sechs Jahren spurlos verschwunden. Wir wissen nicht, was mit ihnen passiert ist, aber wir vermuten, dass sie auch tot sind. Von der alten Truppe sind nur noch Buffy und ich übrig."

„Tut mir leid", erwiderte Spike aufrichtig. Auch wenn er früher nie fiel für diese Menschen übrig hatte, so waren sie, eine kurze Zeit lang in seinem Leben, etwas wie eine Art Freunde gewesen. Und er wusste, dass sie etwas Besseres verdient hätten, als in einem Kampf gegen Dämonen zu sterben. Vor allem um Dawn tat es ihm leid.

Willow wollte nicht weiter Trübsal blasen, weshalb sie rasch umschwenkte und motiviert sagte: „Lass uns jetzt endlich weitermachen. Sind wir so weit?"

Spike war erleichtert, dass sie nicht länger über dieses Thema sprachen. Zu viel Gefühlsduselei war noch nie etwas für ihn.

„Yep, alles bereit. Wir können loslegen", antwortete er ihr.

In mühevoller Arbeit hatte Spike seinen noch starren Sire in Hosen gepackt und in eine Ecke gestellt, während er Buffy in die genau entgegengesetzte Ecke verfrachtet hatte. Willow positionierte sich vor Angel und Spike stellte sich direkt vor Buffy auf. Dies schien im Augenblick am sichersten. Lindsey verharrte noch immer halb in einer weiteren Ecke.

Willow gab Spike ein Zeichen und löste dann den Zauber. Sofort wollten Buffy und Angel weiter toben, als sie beide verblüfft bemerkten, dass sich ihre Position im Raum verändert hatte und Angel verwirrt feststellte, dass er plötzlich seine Hosen trug.

„Was ist hier los? Willow, warst du das?" rief Buffy sofort aufgebracht, während gleichzeitig Angel zu Spike rief: „Spike! Was passiert hier?"

Buffy wollte nach vorne stürmen, genauso wie Angel, der zu Spike stürmen wollte, doch sie beide wurden jeweils von Spike und Willow in Schach gehalten. Rasch begann Willow einzulenken, bevor noch Blut fließen würde: „Stopp! Sofort alle beruhigen, oder ich werde euch noch mal verzaubern!"

Endlich schienen sich die beiden Streithähne etwas zu beruhigen, doch es herrschte noch immer Kampfstimmung.

Aufgebracht fragte Buffy: „Willow, warum beschützt du dieses Monster? Du weißt genau wozu er fähig ist. Er hat Schuld am Tod unserer Freunde!"

Spikes natürlicher Beschützerinstinkt seinem Sire gegenüber schaltete sich ein, worauf er zu Buffy meinte: „Halt den Rand, Liebes. Angel wird niemanden etwas tun und es ist nicht seine Schuld, dass alles so gekommen ist, das weißt du genau!"

Angel verstand nicht, was diese Frau damit meinte. Warum sollte er am Tod ihrer Freunde Schuld haben? Er kannte diese Freunde nicht einmal. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Er konnte sich an gar nichts erinnern und dies hasste er am allermeisten.

Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er diesen beiden Frauen jemals begegnet wäre. Er wusste nichts von irgendwelchen Freunden. Er wusste auch nichts darüber, was sein Childe zu ihm sagte. Dass er selber behauptet hätte, dass Dru Spikes Sire wäre. Und er konnte sich nicht vorstellen, warum er so etwas jemals hätte behaupten sollen? Er liebte sein Childe und er konnte sich nicht vorstellen, dass es jemals anders gewesen wäre.

Er hasste es, dass diese beiden Frauen sein Childe besser kannten, als er selbst. Er hasste die vertraute Art, mit der sie untereinander umgingen. Er wollte nichts mehr, als sich endlich an alles zu erinnern.

„Spike, bitte. Was meint sie damit? Woran habe ich schuld?" fragte Angel fast flehend.

Spike drehte sich zu Angel um und betonte fest: „Du hattest keine Schuld daran!"

„Woran? Verdammt, warum sagt es mir niemand? Ich will es wenigstens wissen, wenn ich mich schon nicht erinnern kann", rief er erzürnt.

Vorsichtig lenkte Willow ein: „Angel, ich kann dir helfen dein Gedächtnis zurückzuerlangen. Dazu musst du mir nur gestatten, dass ich dich berühre."

Äußerst skeptisch blickte er auf sie herab und fragte: „Berühren?"

Willow errötete augenblicklich, als ihr bewusst wurde, wonach sich dies gerade anhörte und berichtigte sich rasch: „Am Kopf. Ich muss dich nur am Kopf berühren, nichts weiter. Keinerlei unsittlichen Sachen oder so."

Ihr verlegenes Verhalten erinnerte Spike sehr stark an die kleine Willow von früher, die er kannte. Auch in Angel begann eine kurze Erinnerung an ein junges Mädchen aufzuflackern, doch dieses Mädchen sah ganz anders aus, als die erwachsene Frau, die vor ihm stand.

Noch immer skeptisch, fragte er nach: „Indem du mich einfach nur am Kopf berührst, kannst du meine Erinnerung zurückholen?"

„Nun ja, so einfach ist es leider nicht. Ich habe dich vorhin gecheckt und ich habe festgestellt, dass deine Erinnerungen durch etwas blockiert werden. Vermutlich ein Zauber, oder vielleicht ist es auch eine schmerzliche Erinnerung, ich weiß es nicht genau. Vielleicht auch beides. Aber ich könnte dir helfen diese Blockade zu durchbrechen. Das bedeutet dann allerdings nicht, dass du dich sofort wieder an alles erinnern wirst, aber du wirst deine Erinnerungen schneller zurückerlangen, als bisher, da du keine Blockade mehr überwinden musst."

„In Ordnung, tu es. Aber könntest du dich vorher um Lindseys Halsband kümmern?" bat Angel freundlich, wobei er sich suchend nach Lindsey umsah, welcher sich ängstlich in der Ecke versteckt hielt. Das letzte, woran Lindsey sich erinnern konnte, war, wie Angel ihn grob von sich gestoßen hatte.

„Das ist schon erledigt", rief Spike seinem Sire zu.

Ungläubig ging Angel zu Lindsey, und wollte sich selbst davon überzeugen, doch Lindsey wich erschrocken zurück und drückte sich weiter gegen die Wand.

„Lindsey, was hast du? Ich bin es, Angel!" meinte Angel besorgt.

Lindsey war ziemlich verwirrt. Erst hatte Angel ihn achtlos weggeschuppst. Dann stellte er fest, dass sein Halsring einfach so verschwunden war. Und er fühlte sich plötzlich so seltsam.

„Bitte tu mir nicht weh", sagte er zu Angel.

Angel war total überrascht. Zum ersten Mal seitdem er ihn kannte, sprach Lindsey einen normalen Satz, ohne sich selbst mit „Lindsey", sondern mit „mir" zu betiteln.

„Lindsey, ich würde dir niemals wehtun!" bekräftigte Angel.

Spike musste ein sarkastisches Lachen unterdrücken, in dem er gekünstelt aufhustete. Angel bemerkte dies sehr wohl und wandte sich zu seinem Childe um. An Spikes Blick konnte er deutlich erkennen, dass Spike etwas über Lindsey und ihn wusste, was er nicht wusste.

Er wollte endlich wissen, wer er war, weshalb er zu Willow trat, und fordernd sagte: „Bitte hilf mir diese Blockade zu durchbrechen."

Willow nickte ihm einverstanden zu.

*****

Willow und Angel saßen sich gegenüber auf dem Boden. Buffy war währenddessen nach draußen zu den anderen Jägerinnen gegangen, während Spike sich um Lindsey kümmerte. Lindsey war durch das alles ziemlich verwirrt, weshalb er unendlich froh war, dass er zusammen mit seinem Master auf dem Bett sitzen durfte und dieser ihn einfach nur in den Armen hielt. Spike kam sich zwar etwas albern vor, doch es lenkte ihn wenigstens etwas von seinen Befürchtungen ab, dass Angel ihn wieder hassen würde, sobald er sich an alles erinnern könnte.

Willow bat Angel, die Augen zu schließen, und sich allein auf ihre Stimme zu konzentrieren. Er bemühte sich ihre Anweisungen genau zu befolgen. Sie berührte ihn links und rechts an den Schläfen, während sie ein lateinisches Mantra wiederholend aufsagte.

Angel bekam das Gefühl zu schweben. Seine Sinne fingen an ihm verwirrende Signale zu senden. Er suchte nach seinem Childe, doch konnte es mit seinen Sinnen nicht ausfindig machen. Erschrocken versuchte er die Augen zu öffnen, doch es ging nicht.

Er versuchte sich zu bewegen, doch er hatte das Gefühl an Armen und Beinen gefesselt zu sein. Plötzlicher Schmerz zog sich durch seinen ganzen Körper. Er riss die Augen auf und dann sah er Sebassis direkt vor seinen Augen. Dieser lächelte ihn finster entgegen. Angel versuchte aufzuschreien, doch sein Mund war mit einem großen Gegenstand verschlossen. Er trug wieder den Knebel, den Sebassis ihm immer angelegt hatte. Er lag ausgestreckt auf einem Tisch. Arme und Beine waren daran befestigt, sodass er sich keinen Millimeter bewegen konnte.

Wieder zog sich eine erneute Schmerzwelle durch seinen Körper. Jede Faser seiner Muskeln zuckte und rebellierte gegen die Qualen. Er hörte die lachende Stimme von Sebassis, die sich tief durch sein Bewusstsein bohrte. Ein anderes Gesicht erschien vor ihm. Das Gesicht eines Menschen, in einem weißen Kittel. Dieser hatte zwei stählerne Nadeln mit Drähten in den Händen. Die Nadel näherte sich immer mehr seinen Augen. Angel versuchte seinen Kopf wegzubewegen. Er wehrte sich mit aller Kraft, doch es war aussichtslos. Der Mann bohrte die Nadel jeweils seitlich in seine beiden Augen, worauf ein schrecklicher Schmerz durch seinen ganzen Kopf jagte.

Angel schrie laut auf, schlug mit seinen beiden Händen um sich und versuchte seinem Schicksal zu entrinnen.

Dabei schlug er Willows Hände von sich, sprang wie von der Tarantel gestochen auf und taumelte rückwärts gegen das Bett.

In Panik blickte er sich verwirrt um, als er feststellte, dass er nicht mehr gefesselt war, sondern wieder in dem Fabrikgebäude war. Spike schob Lindsey sanft von sich und griff nach vorne, nach seinem Sire.

„Angel, alles in Ordnung?"

Angel fuhr erschrocken zu Spike herum. Mit Spikes Anblick erschienen plötzlich tausende Bilder in seinem Kopf, doch es waren zu viele auf einmal und sie kamen und gingen zu schnell, als dass er einen klaren Gedanken fassen konnte.

„Spike", war das einzige, was er herausbrachte.

„Ja, ich bin’s. Der gute alte Spike. Ist alles okay bei dir? Erinnerst du dich?"

„Nichts ist okay! Du hast mich angelogen! Du hast mich die ganze Zeit belogen!" rief Angel wütend, als er sich daran erinnerte, dass Spike ihn tatsächlich gehasst hatte.

„Was redest du da für einen Unsinn? Ich hab dir nie was vorgelogen!" versuchte Spike Angel zu überzeugen.

„Du hast mich gehasst! Wir waren niemals Freunde! Und wir waren auch nie zusammen! Du und Dru! Ihr beide habt mich in Stich gelassen!" erwiderte Angel verletzt.

Dies machte Spike wütend, weshalb er konterte: „Wow wow wow, moment mal! Wer hat hier wen verlassen, huh? Du verfluchter Mistkerl hast uns mit Darla alleingelassen! Du hast mich mit zwei verrückten Weibsbildern zurückgelassen! Streng dein bisschen Grips etwas mehr an, bevor du anfängst mir die Schuld für dein ganzes beschissenes Leben in die Schuhe zu schieben."

„Darla?" fragte Angel nach, da er sich nicht an den Namen erinnern konnte.

„Darla, ja. Dein Sire. Ein ziemliches Miststück, wenn du mich fragst."

Erneut erschienen Bilder vor Angels Augen. Bilder einer bildhübschen blonden Frau, die ihm süß entgegenlächelte. Ein süßes, aber kaltes Lächeln, das den Tod versprach. Dann ein weiteres Bild, von einer anderen blonden Frau. Ein Mädchen. Eine Jägerin. Buffy.

Plötzlich erinnerte er sich an die tiefe Liebe, die er einst zu Buffy empfunden hatte. Diese ganzen verschiedenen Gefühle brachten ihn total durcheinander. Hilfe suchend blickte er zu Spike, doch dabei durchflutete ihn ein weiteres neues Gefühl. Eifersucht. Er erinnerte sich daran, dass Spike und Buffy etwas miteinander hatten.

„Du hast mir Buffy geraubt!" fuhr es sofort aus ihm heraus, ohne genauer darüber nachzudenken.

„Ich hab was?" erwiderte Spike völlig sprachlos.

„Du hast mir die Liebe meines Lebens geraubt!" wiederholte Angel überzeugt. „Du hast mich mein ganzes Leben lang gehasst und dann hast du mir Buffy weggenommen. Und ich habe dir vertraut! Ich habe unser Band erneuert. Du hast mich betrogen! Wie konnte ich dir nur vertrauen? Du bist ein seelenloser Vampir. Du kannst keine Gefühle entwickeln. Du bist es nicht wert mein Childe zu sein", warf Angel ihm weiter entgegen.

Spike spürte, wie etwas in ihm zerbrach. Diese Worte verletzten ihn mehr, als ein Schwerthieb es je hätte tun können.

Willow sah das Chaos immer größer werden, weshalb sie helfend einwandte: „Angel, nicht! Du bringst alles durcheinander. Du weißt nicht, was du da tust!"

„Ich weiß genau, was ich tue!" zischte er wütend zurück.

Spike kämpfte um seine Fassung. Tränen wollten sich aus seinen Augen schleichen, doch er wollte ganz sicher nicht in Gegenwart anderer Leute weinen, weshalb er sich seinen Ledermantel schnappte und mit folgenden Worten aus dem Zimmer flüchtete: „Diesen Mist hör ich mir nicht mehr länger mit an."

„Spike!" rief Willow ihm nach und eilte ihm hinterher. „Spike, so warte doch! Er weiß nicht was er sagt. Er erinnert sich nur zum Teil und bringt deshalb alles durcheinander!"

Spike blieb plötzlich stehen, und funkelte Willow aus nassen Augen an. Verletzt sagte er zu ihr: „Es war nicht das erste Mal, dass er das zu mir sagt!"

Willow wusste nicht, was sie darauf erwidert sollte, da sie nicht wusste, was genau zwischen Angel und Spike war. Spike wollte nicht weiter darüber diskutieren. Er ging zu dem Drachen, der noch da war und bat ihn, ihn so schnell wie möglich von hier fortzuschaffen. Er stieg auf den Rücken des Drachens auf, welcher sich sogleich aus dem Gebäude hinaus in die Lüfte erhob.

Willow blickte ihm besorgt nach. Als sie sich zurück zum Büro umdrehte, sah sie Angel in der Türe stehen.

„Was hab ich getan?", meinte Angel mehr zu sich selbst, als ihm das leise Gefühl beschlich, einen Fehler gemacht zu haben.

Willow seufzte niedergeschlagen auf. Dass es so schlimm enden würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Hätte sie dies gewusst, hätte sie den Zauber mit Angel unter vier Augen durchgeführt.

Buffy kam plötzlich hereingestürmt. Sie hatte Spike mit dem Drachen fortfliegen sehen, weshalb sie nun aufgebracht fragte: „Was ist los? Warum ist Spike so plötzlich auf und davon?"

Angel und Willow blickten ihr betroffen entgegen. Da Angel sich nun an Buffys Liebe erinnern konnte, wusste er nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Flüchtend kehrte er zurück in das Zimmer, wo Lindsey ihn mit großen Augen entgegen blickte.

„Wo ist mein Master?" fragte Lindsey vorwurfsvoll, als Angel zu ihm zurückkam.

„Er ist fort", antwortete Angel niedergeschlagen.

„Wann kommt er wieder?" wollte Lindsey weiter wissen.

„Ich weiß es nicht."

Willow und Buffy hatte dieses Gespräch mitbekommen. Buffy fragte neugierig und zum Teil entsetzt: „Warum nennt er Spike seinen Master?"

Angel wich Buffys stechendem Blick aus und erklärte: „Spike hat mich und Lindsey aus Sebassis’ Gewalt befreit. Lindsey denkt, dass Spike sein neuer Master ist und wir ließen ihn in dem Glauben, da er es anders nicht verstanden hätte."

„Das wird ja immer abartiger", meinte Buffy entsetzt und wollte den Raum wieder verlassen.

Doch Angel hielt sie mit einem sanften Griff an ihrem Arm auf und blickte ihr mit flehenden Augen entgegen. Buffy erschauderte innerlich, als sie ihm in seine Augen sah. Er hatte denselben Gesichtsausdruck wie früher, als sie beiden noch ein Paar waren. Viele Erinnerungen keimten nun auch in ihr auf und ihr war es plötzlich unmöglich sich von ihm abzuwenden.

„Buffy, bitte. Es tut mir leid, falls früher etwas zwischen uns vorgefallen ist, weshalb du wütend auf mich bist. Ich kann mich nicht an alles erinnern, aber ich weiß, dass wir beide uns einmal geliebt haben. Ich bitte dich um dieser Liebe willen. Hilf mir, dass ich mich zurückerinnere. Erzähl mir was früher war. Wer bin ich? Und wer ist Spike?" Angel fiel es schwer diese Bitte zu formen. Als Sire sollte er wissen, wer Spike wirklich war. Er sollte nicht gezwungen sein, einen Menschen zu fragen.

Buffy haderte einen Moment mit sich selbst, bis sie schließlich zustimmte ihm zu helfen, sich an alles zu erinnern. Und so setzten sich alle aufs Bett und begannen gemeinsam Angels Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.

Lindsey wurde dies schon nach kurzer Zeit sehr langweilig, weshalb er sich mit seinem Kopf auf Angels Schoß legte. Während Angel den Erzählungen der beiden Frauen lauschte, streichelte er abwesend über Lindseys Haare, worauf dieser friedlich einschlief. Für Buffy war dies ein sehr ungewöhnlicher Anblick, doch sie sagte nichts dazu. Willow fand es einfach nur süß, wie liebevoll Angel mit Lindsey umging, ohne es selbst zu merken.

Auf diese Weise saß die kleine Gruppe noch lange zusammen und sie halfen Angel sich zu erinnern.

*****

Spike bat den Drachen, ihn zurück nach LA zu fliegen. Er wusste nicht, wohin er sonst gehen sollte. Bei Buffy wollte er ganz gewiss nicht bleiben und sonst kannte er keinen anderen Ort außer LA. Er musste nur etwas Abstand von seinem Sire haben, auch wenn ihn dies innerlich fast zerriss. Das Childe in ihm drängte ihn, sofort zurückzukehren, doch sein Sturkopf war stärker.

Er hatte es geahnt, dass es so kommen würde, doch ein kleiner Funke Hoffnung hatte bewirkt, dass er sich seinem Sire hingegeben hatte. Und dieser Funke war nun schuld daran, dass er sich furchtbar elend fühlte.

Die neu geknüpfte Verbindung bewirkte, dass er sich nach seinem Sire sehnte. So sehr, dass es innerlich schmerzte, doch er wollte diesem Schmerz nicht nachgeben. Er konnte es nicht. Er konnte nicht noch mehr Beschimpfungen von seinem Sire ertragen. Nicht jetzt.

Er brauchte unbedingt etwas, um seine Wut und seinen Schmerz abzureagieren. Er brauchte innere Kraft, damit er den Tatsachen ins Auge blicken konnte, dass sein Sire ihn erneut verstoßen hatte.

Er brauchte etwas, dass er töten konnte.

Nach einem schier endlosen Flug, in dem Spike erfolglos mit seinem Gefühlschaos kämpfte, landeten die beiden in einem ihm wohlbekannten Viertel in LA. Den Drachen schickte er zurück zu Illyria, nachdem er ihm das Versprechen abnahm, niemanden zu erzählen, wo er war. Zumindest nicht bis zum nächsten Sonnenuntergang. Der Drache gab ihm sein Ehrenwort und flog davon. Zum Glück war der Anblick eines Drachens in dieser Gegend keine ungewöhnliche Sache.

Spike beobachtete einen Moment lang das Gebäude, welches sein Zielobjekt war. Er hatte noch eine offene Rechnung zu begleichen und empfand den kommenden Tag als geradezu perfekt dafür. Er kannte die Bewohner dieses Gebäudes so gut, wie seine eigene Manteltasche. Er wusste genau, wann es am sichersten war, das Gebäude zu betreten und kurzen Prozess mit ihnen zu machen. Er malte sich genau aus, wie er vorgehen und er einen nach dem anderen erledigen würde.

Seiner Meinung nach war es höchste Zeit den Fellbrüdern das Fell über die Ohren zu ziehen. Dies war die perfekte Ablenkung für ihn, um nicht an Angel zu denken.

*****

Teil 16

Nachdem sie Angels Gedächtnis aufgefrischt hatten, sah sich Willow Lindsey noch mal genauer an. Sie versuchte auch bei ihm die Gedächtnisblockade zu entfernen. Doch leider stellte sie dabei fest, dass Lindsey keine Blockade hatte. Das Halsband hatte bewirkt, dass er sich so extrem unterwürfig verhielt und sein Denkvermögen gerade mal dem eines Dreijährigen Kindes entsprach. Ohne den Halsreif begann Lindsey sich relativ normal zu verhalten. Bis auf die Tatsache, dass er noch immer körperlichen Kontakt zu Angel suchte. Allerdings auf ganz unschuldige Art und Weise.

Seine Erinnerungen reichten etwa bis zu dem Zeitpunkt zurück, als die Seniorpartner ihn wieder zurück ins Leben gerufen hatten. Alles was davor war, war unwiederbringlich verloren.

Langsam wurde es für die beiden Zeit zurückzukehren, wenn sie es noch in dieser Nacht zurück nach LA schaffen wollten. Zum Glück war der Drache nun endlich bereit mit den beiden zu reden, nachdem er keinen Zauber mehr wittern konnte.

Angel hoffte inständig, dass Spike zurück zu Illyria und Jermyn geflogen war und er dort dann die Gelegenheit haben würde, sich bei ihm zu entschuldigen. Mittlerweile sah er ein, dass er überreagiert hatte. Er konnte nur hoffen, dass Spike ihm noch mal verzeihen würde.

*****

Der Drache brachte die beiden direkt zu den versteckten Höhleneingängen, die zu Illyrias derzeitigem Versteck führten. Nachdem nun Rojan von ihr wusste, war es für sie nicht mehr länger sicher, in ihrem Haus zu wohnen. Alle unterirdischen Höhlen, in denen die Menschen lebten, waren vorläufig gesichert, sodass man sie nicht entdecken würde.

Illyira und Jermyn blieben derweilen in der einen kleineren Höhle, wo auch Angel, Spike und Lindsey nach ihrer Flucht wohnten.

Als nun Angel und Lindsey ohne Spike dort auftauchten, fragte zunächst Illyria nach: „Wie lief es in Rom? Wart ihr erfolgreich?", während Jermyn wissen wollte: „Wo ist Spike?"

Angel atmete unnötiger Weise tief auf und meinte dann zu Illyira: „Es lief soweit alles gut. Willow konnte das Halsband entfernen und sie half mir, meine Erinnerungen etwas aufzufrischen. Ich erinnere mich jetzt an einiges mehr, aber es ist noch immer vieles unklar. Vielleicht könntest du mir ein wenig helfen und mir von den letzten Ereignissen vor dem Kampf erzählen." Zu Jermyn sagte er dann: „Ich hatte gehofft Spike wäre hier. Wir haben uns gestritten. Daraufhin ist er auf und davon."

„Ihr habt euch gestritten? Worüber?" fragte Jermyn, während er Angel finster musterte.

„Ich hab ein paar Dinge zu ihm ge…" wollte Angel reumütig berichten, doch Jermyn fuhr ihm ins Wort und fragte: „Was hast du zu ihm gesagt?"

Angel entging nicht, wie aufgebracht Jermyn plötzlich reagierte, weshalb er sich sofort fragte, warum der Junge sich so sehr um Spike kümmerte.

Schließlich antwortete er: „Ich sagte, dass er es nicht wert sei, mein Childe zu sein."

„Bist du vollkommen bescheuert? Selbst ich hab gesehen, wie viel du ihm bedeutet hast! Er war wegen dir total durcheinander. Wie konntest du so etwas zu ihm sagen? Wenn du mich fragst, bist du es, der es nicht wert ist, sein Sire zu sein!" beschimpfte Jermyn ihn.

„Jermyn", wies Illyria ihn darauf hin, dass er zu weit ging, doch Jermyn war dies egal.

Er hatte die letzten Tage Spike eingehend studiert und genau bemerkt, wie sehr Angels Anwesenheit ihn verändert hatte. Wie sehr Spike innerlich mit sich gekämpft hatte. Wie glücklich er war, nachdem er das Bündnis zu seinem Sire erneuert hatte, und wie ängstlich er danach war, dass dieses Band wieder zerbrechen könnte. Sein geringes Wissen über Vampire reichte ihm aus, um sich auszumalen, wie sich Spike nach so einer Aussage fühlen musste. Und dies hatte Spike seiner Meinung nach nicht verdient.

Wütend fuhr er herum und verließ die Höhle. Er brauchte dringend frische Luft.

Illyira blickte ihm besorgt nach. Es war selten, dass Jermyn so viele Emotionen zeigte. Ihr war aufgefallen, dass Jermyn sich immer mehr verändert hatte, seit er näheren Kontakt zu Spike hatte. Sie war sich nicht sicher, ob dies gute oder schlechte Veränderungen waren. Sie hoffte nur, dass es Jermyn in keiner Weise verletzen würde.

„Es tut mir Leid", murmelte Angel reumütig, als Jermyn verschwunden war.

„Was genau ist passiert?" fragte Illyria ruhig nach.

„Ich begann mich zu erinnern. Doch die Erinnerungen kamen alle durcheinander und es tauchten so viele Gefühle mit auf, die ich nicht zuordnen konnte. Ich beschuldigte Spike wegen einigen Dingen, von denen ich jetzt weiß, dass es nicht seine Schuld war", erklärte er nun genauer.

„Spike ist kein unschuldiger Mann. Ich bin sicher einige dieser Gefühle hatten ihre Richtigkeit", versicherte Illyira ihm überzeugt.

„Kann sein. Aber ich bin zu weit gegangen. Ich hätte nicht sagen dürfen, dass er es nicht wert ist, mein Childe zu sein. Ich fürchte ich habe ihn damit sehr verletzt. Jermyn hat vollkommen recht", gestand er.

„Spike wird uns in jedem Fall sehr fehlen. Die Armeen der Seniorpartner sind auf der Suche nach uns. Ich konnte es schaffen weitere Drachen auf unsere Seite zu ziehen und unsere dämonischen Verbündeten warten nur noch auf ein Zeichen von mir, um loszuschlagen. Doch ohne Spike es wird schwieriger sein, die Menschen zum Kämpfen zu überzeugen. Für sie ist er ein großer Held und sie glauben daran, dass er sie befreien wird. Einige von ihnen werden nicht ohne ihn kämpfen wollen", brachte ihn Illyira auf den neuesten Stand der Dinge.

Angel blickte überrascht auf. Bisher hatte er nicht gewusst, dass die Menschen Spike als Held betrachteten. Wobei ihm auffiel, dass Spike schon die ganze Zeit über ständig der Anführer der Truppe gewesen war. Dies passte so gar nicht in das Bild, das er im Moment aus seinen Erinnerungen von Spike hatte. Vielleicht hatte sich Spike in den letzten Jahren einfach so stark verändert? Aber spielte es überhaupt eine Rolle, wer sein Childe früher war. Sollte er sich nicht vielmehr fragen, wer sein Childe nun war?

„Illyira, kannst du mir mehr über Spike erzählen? Erzähl mir alles, was du von ihm weißt. Erzähl mir von dem Kampf. Wie war das damals? Wo war Spike in den letzten Jahren? Hat er sich sehr stark zu früher verändert? Bitte!", drängte Angel sie, ihm endlich seine Wissenslücken zu schließen.

Und so begann Illyira ihm von den Ereignissen der letzten Jahre zu berichten. Ihr Zugang zu den Erinnerungen von Fred ermöglichte es ihr, Angel viele seiner Fragen zu beantworten. Es wurde ein langer Tag.

*****

Spike hatte sich bei Morgengrauen ins Gebäude geschlichen. In nur wenigen Sekunden schaltete er die ersten drei Dämonen der Fellbruderschaft aus. Es waren schnelle und schmerzlose Tode für die Dämonen und eine kurze schnelle Befriedigung für Spike. Bei den anderen wollte er sich eigentlich mehr Zeit lassen, doch er wollte auf keinen Fall riskieren, dass er zu früh auffliegen würde, also überwältigte er die nächsten Beiden ebenso kurz und schmerzlos. Ein viel zu schnelles Ende, wenn er daran dachte, wie viele Jahre er hinter den Kerlen hergeräumt und sie bekocht hatte, und wie viele Peitschenhiebe er dafür bekommen hatte.

Von den Brüdern waren nun nur noch zwei übrig, doch seine Sinne sagten ihm, dass nur noch einer der beiden im Haus war. Also überwältigte er den einen, wobei er mit Freuden feststellte, dass es sein spezieller Liebling war. Es war derjenige, der ihn jeden Morgen mit einem freundlichen Fußtritt aufgeweckt und dem er die meisten seiner Schläge zu verdanken hatte.

Als dieser merkte, wer ihn überrumpelte, geriet er regelrecht in Panik. Spike brauchte kaum mit Schlägen zu drohen, damit dieser ihm sofort freiwillig erzählte, dass der älteste der Ordensbrüder den ganzen Tag über unterwegs, und erst im Laufe des Tages zurück sein würde.

Dies war eine sehr lange Zeit, in der Spike den ganzen Tag eingesperrt in diesem Haus verbringen würde. Wenigstens hatte er jemanden bei sich, der ihm Gesellschaft leisten würde, wobei er jedoch sehr stark daran zweifelte, dass dieser Jemand seine Gesellschaft wirklich genießen würde. Spike war in Spiellaune. Seine Wut und sein Schmerz über seinen Sire waren noch immer frisch und er brauchte dringend eine Ablenkung.

Vor allem brauchte er jemanden, mit dem er darüber reden konnte. Wobei es keine Rolle spielte, ob dieser Jemand ihm zuhören würde oder nicht.

Also tat Spike etwas, dass er schon sehr, sehr lange nicht mehr getan hatte, und was vor allem sein innerer Dämon mehr als genoss. Er spielte mit dem Ordensbruder und folterte ihn ausgiebig. Der Tag war noch jung, weshalb er sich viel Zeit ließ.

*****

Illyria war gerade mitten in ihren Erzählungen, als Jermyn plötzlich aufgebracht hereinstürmte und schrie: „Sie kommen! Sie greifen uns an!"

Dies war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. So kurzfristig konnte Illyira ihren dämonischen Verbündeten kein Signal übermitteln und die Höhlen der Menschen waren zu weit entfernt. Also mussten sie sich alleine dem Gegner stellen. Allerdings war es mitten am Tag und Angel konnte die Höhle nicht verlassen.

Illyira stürmte sofort nach oben, um sich das Ausmaß genauer zu betrachten. Dicht gefolgt von den anderen. Auch Lindsey folgte ihnen, denn er war nicht mehr so übertrieben ängstlich wie sonst. Kaum als sie den Höhleneingang betraten, wurden sie bereits von den ersten Dämonen angegriffen.

Illyira und Angel erledigten diese sofort mit bloßen Händen, wodurch sie den toten Dämonen ihre Waffen abnehmen konnten und diese an Jermyn und Lindsey weiterreichten. Lindsey konnte sich nicht daran erinnern, jemals eine Waffe in der Hand gehalten zu haben, weshalb er auch nicht besonders geschickt damit umging, doch er versuchte sein Bestes.

Die angreifenden Dämonen waren eindeutig in der Überzahl, weshalb Angel nichts dagegen tun konnte, als Lindsey übermannt und fortgeschleift wurde. Lindsey rief ihm Hilfe schreiend zu, doch selbst wenn keine Dämonen ihn daran gehindert hätten, hätte er allein wegen der Sonne nicht folgen können.

Nur noch zu dritt, hielten sie wacker die Stellung, allerdings war es nur noch eine Frage der Zeit, bis man sie überwältigen würde. Als die Situation zunehmend brenzlig wurde, erschienen endlich die beiden Drachen, die ihnen ihre Hilfe versprochen hatten. Einer der beiden Drachen landete sofort auf der Erde und griff sich noch im Flug einige der Dämonen mit seinen messerscharfen Krallen. Der andere Drache flog hoch in die Lüfte und gab einen grellen markerschütternden Laut von sich, womit er all seine Brüder aufrief sich gegen die Dämonen der Seniorpartner zu erheben.

Dieser Ruf erreichte tausende Drachen im Umkreis von mehreren hundert Meilen. Überall erhoben sich die Drachen in die Lüfte, um sich zu versammeln und dem Ruf zu folgen.

Angel, Illyria und Jermyn blickten überrascht nach oben, als sich der Himmel über ihnen plötzlich verdunkelte. Hunderte von Drachen kreisten in der Luft und begannen sich über ihren Köpfen zu versammeln. Einige von ihnen landeten bei ihnen auf der Erde und schlossen sich dem Kampf gegen die zahlreichen Dämonen an. In nur wenigen Minuten waren schließlich alle Dämonen vernichtet und die ganze Gegend wimmelte nur so von unzähligen gewaltigen Drachen.

Die kleine Gruppe Kämpfer blickte sich erstaunt um. Sie waren umringt von diesen gewaltigen Wesen. Einer der beiden Drachen, die sie bereits kannten, hob seinen gewaltigen Flügel, um Angel genug Schutz vor der Sonne zu bieten, sodass dieser weiter aus der Höhle treten konnte.

Dieser Drache sagte schließlich erklärend zu der Gruppe: „Es tut mir Leid, dass wir so spät helfen konnten. Mein Bruder und ich waren unterwegs, um Ignis, unserem Führer, von euch zu erzählen. Wir haben uns geeinigt, euch bei eurem Kampf zur Seite zu stehen. Ab heute wird jeder Drache in dieser Dimension euch und den Menschen wieder Schutz gewähren, so wie es unserer ursprünglichen Bestimmung entspricht."

Illyria ergriff das Wort und sagte: „Überbringe eurem Führer unseren Dank. Wir werden ewig in eurer Schuld stehen."

„Ihr könnt es ihm gleich selber sagen. Er ist hier, um euch kennen zu lernen", erwiderte der Drache freundlich und deutete mit dem Kopf in die Lüfte, wo gerade einer der Drachen sich der Erde näherte und genau auf sie zuschwebte.

Dieser eine Drache war viel dunkler, als alle anderen. Sein prächtiges Schuppenkleid war fast schwarz und glänzte majestätisch in der Sonne. Alle anderen Drachen verbeugten ehrfürchtig ihr Haupt vor ihrem Führer, als dieser sich der kleinen Truppe näherte.

„Ich grüße euch. Es fiel mir schwer es zu glauben, als man mir erzählte, dass sich Menschen und Dämonen vereinigten, um sich gegen die Seniorpartner zu erheben. Doch ich bin froh, dass ich diesen Tag noch miterleben darf", begrüßte Ignis die Gruppe.

Wieder war es Illyria, die erwiderte: „Wir danken dem Volk der Drachen für seine Hilfe."

„Wir erfüllen nur unsere Bestimmung. Sag mir, Dämonenfrau, wo ist der Vampir mit Seele, von dem man mir erzählt hat?" wollte der Drachenführer wissen.

„Bitte nennt mich Illyira. Falls Ihr damit Spike meint, dann wissen wir nicht, wo er ist", gab Illyira zur Antwort.

Angel fühlte sich erneut schuldig, dass Spike seinetwegen verschwunden war. Und erneut wunderte es ihn, wie es dazu kam, dass Spike eine so bedeutende Rolle eingenommen hatte, obwohl seine lückenhaften Erinnerungen an sein Childe ihm ein ganz anderes Bild vermittelten.

Der eine Drache, mit dem Spike davongeflogen war, trat zu dem Drachenführer heran und flüsterte diesem etwas ins Ohr. Daraufhin beugte sich der Führer zu Angel herab und begab sich direkt auf dessen Augenhöhe.

„Mein Sohn Sulpur erzählt mir gerade, dass er wegen dir verschwunden ist. Er nahm meinem Sohn das Versprechen ab, dir nichts von seinem Aufenthaltsort zu erzählen, doch das heißt nicht, dass ich es dir nicht sagen darf. Die Frage lautet nur, was wirst du mit einer solchen Information anfangen?", fragte Ignis mit einem wartenden Ausdruck im Gesicht.

„Sag mir wo er ist, dann werde ich versuchen meinen Fehler wieder gutzumachen", bat Angel den Drachen.

„Vielleicht reicht es nicht aus, es nur zu versuchen", erwiderte der Drache, wobei es so wirkte, als würde er eine seiner Augenbrauen skeptisch anheben.

Angel wurde unbewusst nervös und antwortete: „Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht."

„Die Macht eines Sires reicht sehr weit über sein Childe. Vielleicht solltest du es besser nicht mit deiner Macht versuchen", gab Ignis ihm den Rat zusammen mit einem Augenzwinkern.

Angel war überrascht, wie viel diese Drachen über Vampire wussten. Die Worte, die Ignis zu ihm sprach, brachten ihn zum Nachdenken. Vielleicht hatte der Drache Recht. Vielleicht sollte er nicht seine Macht über Spike nutzen, sondern genau das Gegenteil versuchen. Vielleicht war es Zeit für eine drastische Veränderung.

*****

Spike wurde es langsam Leid mit dem Ordensbruder zu spielen. Irgendwie war er nicht recht in der Stimmung zu foltern. Dies lag eventuell auch an der Tatsache, dass er ständig an Angel denken musste. Er fing an, seinem Opfer die ganze Geschichte mit Angel zu erzählen und mit jedem Wort stiegen seine Wut und seine Verzweiflung. Er wusste, dass es für ihn keinen Ausweg gab. Wenigstens nicht in nächster Zeit. Das Band zwischen ihm und seinem Sire war zu stark und zu frisch geknüpft. Früher oder später würde es ihn zu ihm zurückziehen und er würde erneut verletzt werden.

Er wurde schließlich so wütend, dass er anfing sämtliche Einrichtungsgegenstände, die ihm in den Weg kamen, gegen die Wand zu werfen und zu zerstören. Der Lärm der Zerstörung hallte durch das ganze Haus. Er war so außer sich, dass er nicht bemerkte, wie der letzte der Ordensbrüder das Haus betrat. Sofort alarmiert von den Geräuschen, schlich sich dieser unbemerkt an Spike heran.

Spike bemerkte dessen Anwesenheit erst, als ein zertrümmerter Rest einer Holzkommode ihn am Hinterkopf traf. Stöhnend brach er auf dem Boden zusammen. Er kämpfte gegen seine Ohmacht an und rollte sich zur Seite, wodurch er das triumphierende Grinsen des ältesten der Fellbrüder erblickte. Mit aller Kraft versuchte Spike seine Glieder dazu zu bringen, dass sie sich rasch bewegten, doch der Schlag war zu heftig gewesen, sodass er ins Trudeln geriet und nichts weiter erreichte, als auf dem Boden zurückzurutschen.

Der Ordensbruder holte mit dem Holzstück zum tödlichen Schlag aus, um es in Spikes Herz zu rammen, als plötzlich der zischende Laut kalten Stahles, der sich durch die Luft schnitt, erklang und der Ordensbruder im nächsten Moment ohne Kopf vor Spike stand.

Der kopflose Körper fiel seitlich zu Boden und gab Spike den Blick auf seinen Sire frei, welcher nun zu ihm trat und ihm die helfende Hand reichte.

Spike hatte gerade seinem Tod in die Augen gesehen, weshalb er im ersten Moment ziemlich perplex war und sich von Angel auf die Beine ziehen ließ. Dann aber löste er sich sofort von Angel und fing erbost zu schimpfen an: „Verflucht, was fällt dir ein? Den ganzen beschissenen Tag warte ich darauf, dass der Kerl endlich heimkommt, damit ich ihn töten kann und dann kommst du einfach so hereingeschneit und nimmst mir den ganzen Spaß!"

„Ich hab dir gerade das Leben gerettet!" verteidigte sich Angel.

„Na und? Das gibt dir trotzdem nicht das Recht, meine Rachepläne zu durchkreuzen! Das Arschloch gehörte mir! Und glaube jetzt ja nicht, dass ich deswegen dankbar zu Boden falle und die Beine spreize. In spätestens sechs oder sieben Monaten wird dieser bescheuerte Vampirbund wieder schwächer werden und du wirst mich nie wieder sehen, also such dir besser gleich ein anderes Spielzeug zum Ficken. Und wage es ja nicht, mich zu irgendwas zu zwingen. Ich kann dich vielleicht nicht sofort verlassen, aber ich kann dir sehr wohl die Fresse einschlagen, wenn es sein muss!" redete sich Spike immer mehr in Rage.

„Du wolltest mich gar nicht verlassen? Du wärst zurückgekommen?" fragte Angel überrascht.

„Das fragst du noch? Hat man dir ins Gehirn geschissen? Erinnerst du dich nicht daran wie oft du mich gevögelt hast und wir dabei unser Blut getauscht haben? Bist du so bescheuert, oder tust du nur so?" wies Spike erneut auf das enge Band hin, das sie miteinander geknüpft hatten.

„Deswegen bin ich hier. Ich möchte dir etwas anbieten. Es tut mir Leid, was ich zu dir gesagt habe. Jermyn hatte Recht, ich bin es nicht wert dein Sire zu sein. Ich möchte…"

Angel stockte in seinen Worten. Es fiel ihm schwer sein Vorhaben in Worte zu fassen. Spike wunderte sich noch, dass Jermyn für ihn Partei ergriffen hatte und staunte dann sehr, als Angel vor ihm auf die Knie sank und sein Hemd auszog.

„Was zum Teufel…", wollte Spike noch fragen, als er mit Verwunderung beobachtete, wie Angel mit seinem Schwert zuerst einen Schnitt in sein Handgelenk und dann einen weiteren an seinem Hals machte. Das kostbare Sireblut lief an seinem Arm und an seiner Brust herab. Wie magnetisiert starrte Spike auf die rote Flüssigkeit.

„Ich gebe mich dir freiwillig hin. Ich bitte dich, von mir zu nehmen, was du zu nehmen bereit bist. Ich möchte nicht länger dein Sire sein, sondern dein ebenbürtiger Partner", sprach Angel die Worte, die ein sehr altes Ritual einleiteten, in dem ein Sire sich seinem Childe unterwarf und das Childe somit nicht mehr länger der Untergebene blieb. Verständlicher Weise wurde ein derartiges Ritual bisher in der Gesichte der Vampire sehr selten durchgeführt.

Spike benutzte seine eigenen Worte, um dieses Ritual zu interpretieren und fragte überrascht: „Du willst dass ich dich besinnungslos ficke, dir das Blut aussauge und dich zu meinem was…?" Er suchte kurz das richtige Wort und ergänzte dann: „Zu meinem Partner machen?"

Irgendwie hörte sich das Ganze mit Spikes Worten nicht mehr so glorreich an, doch im Grunde war es genau das, was Angel wollte, weshalb er zur Antwort gab: „So in etwa würde es ablaufen. Ja."

„Wozu?" fragte Spike nach.

Angel wurde nervös. Er war sich zwar nicht sicher gewesen, doch er hatte gehofft, dass es das wäre, was Spike wollte.

„Ich besitze dann keine Macht mehr über dich. Der Bund wäre noch da, aber ich könnte dir nichts mehr befehlen. Du wärst frei und unabhängig", erklärte er unsicher.

„Das ist es, was du willst? Mir meine Freiheit geben? Deswegen bist du hier? Es reicht, wenn du deine Macht nicht benutzt. Dazu musst du dich mir nicht unterwerfen. Also weshalb das Ganze?" bohrte Spike weiter. Er genoss es seinen Sire vor sich auf den Knien zu sehen, weshalb er diesen Moment weiter auskosten wollte.

Angel hatte geahnt, dass Spike es ihm nicht so einfach machen würde, weshalb er erneut Anlauf nahm: „Ich will dich nicht verlieren. Du bist die einzige Familie, die ich noch habe. Mir ist klar, dass ich dich verletzt habe und es tut mir leid. Ich will es wieder gutmachen. Ich bitte dich um eine neue Chance, doch diesmal nicht als dein Sire, sondern als ebenbürtiger Partner."

Spike erinnerte sich bei Angels Worten daran, dass Angel irgendwo da draußen noch einen Sohn hatte, doch er beschloss dieses kleine Detail vorläufig für sich zu behalten. Im Augenblick galt es etwas Wichtigeres zu erledigen. Nämlich seinen Sire gegen die Dielen zu ficken und ihn seines Sirestatuses zu berauben. Danach könnte er ihn immer noch verlassen wenn er wollte. Eine solche Gelegenheit würde sich ihm gewiss nie wieder bieten und er hatte nicht vor so ein Angebot ein zweites Mal abzulehnen. Diesmal wollte er es so richtig auskosten.

Deswegen entledigte er sich hastig seiner Klamotten und sank direkt vor Angel auf den Boden, um dessen Lippen sofort mit einem stürmischen Kuss zu erobern.

*****

Teil 17

Drängend drückte Spike seinen Sire auf den Boden, bevor es sich dieser noch anders überlegen würde. Angel stellte mit Unbehagen fest, dass Spike ihn direkt in die Blutlache der Leiche des Ordensbruders drängte, was er mit einem protestierenden Stöhnen kundgab. Zu mehr war er nicht fähig, da Spikes Lippen noch immer mit denen von Angel verbunden waren und ihre Zungen einen kleinen Kampf um die Führung ausfochten. Schließlich gab sich Angel hin und erlaubte Spike den Kuss zu dominieren.

Spike achtete nicht auf Angels schwachen Protest und begann an dessen Hose zu zerren. Bevor Spike seine Hosen zerreißen würde, half Angel ihm rasch und zog sie sich ganz aus.

Nachdem sein Sire endlich nackt unter ihm lag, griff er sofort nach Angels Männlichkeit, welche durch die stürmischen Küsse halbsteif war. Zu mehr Härte reichte es im Moment nicht, da Angel wegen des bevorstehenden Aktes ziemlich nervös war.

Als Spike merkte, dass Angel kaum erregt war, hielt er plötzlich inne und blickte nachdenklich auf Angel herab. Zweifel tauchten plötzlich in ihm auf. Sollte er dies wirklich tun? Sollte er dieses Angebot wirklich annehmen. Angel wirkte nicht so, als ob er sich wehren würde, doch es schien ihm auch keine besondere Freude zu bereiten. Plötzlich kam sich Spike beinahe so schäbig vor, wie Sebassis, der sich von seinem Sire mit Gewalt genommen hatte, was er wollte.

Angel bemerkte Spikes Zögern und fragte sich sofort, was los war. Wollte er ihn etwa nicht?

„Was ist?" fragte Angel nervös, wobei es ihm nicht gelang seinen Schmerz zu verbergen.

Spike legte sich neben Angel, starrte an die Decke und fragte kaum hörbar: „Ich werde nicht der Erste sein, der dir deine Unschuld raubt, nicht wahr?"

Angel verstand nicht, worauf Spike hinauswollte, doch er antwortete ehrlich: „Ich wünschte du wärst es. Sebassis hat…"

Bevor Angel mehr sagen konnte, legte ihm Spike rasch seine Finger auf die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Mit dieser Bewegung lehnte Spike nun über Angel, sodass er ihm direkt ins Gesicht sehen konnte. Sanft bat Spike ihn: „Sprich nicht diesen Namen. Ich möchte, dass du das hier nicht mit ihm vergleichst oder mit den Dingen, die er dir angetan hat. Ich will mich dir nicht aufdrängen. Ich werde dein Angebot annehmen, aber nur, wenn es wirklich das ist, was du willst."

Angel nahm Spikes Finger in seine Hand, zog sie von seinen Lippen weg und legte sie sich sanft auf seine Brust. Mit einem nervösen Lächeln erwiderte er: „Ich will es wirklich. Ich wollte es, als ich dein Sklave war und ich will es jetzt als dein Sire."

Dies reichte Spike als Antwort, weshalb er nicht weiter zögern wollte. Allerdings sah er ein, dass es in einem Bett angenehmer für sie beide wäre. Also stand er rasch auf und reichte Angel die Hand, um ihn anschließend auf die Beine hochzuziehen.

Angel war etwas verunsichert und rechnete fast damit, dass Spike es sich anders überlegte. Als Spike ihn dann allerdings ins nächstgelegene Schlafzimmer zog, wurde ihm schnell klar was sein Childe im Sinn hatte.

Mit einem kräftigen Schups landete Angel in der angenehm weichen Matratze. Spike stellte begeistert fest, dass es ein ganz neues Bett war. So gesehen hatte es sich doppelt gelohnt den Fellbrüdern die Betten zu Kleinholz zu verarbeiten.

Spike gesellte sich neben Angel und begann mit der Zunge das köstliche Sireblut von dessen Brust aufzulecken. Er ließ sich dabei extra viel Zeit und hielt sich besonders lange an Angels Brustwarze auf. Das zärtliche Lecken seines Childes wirkte ziemlich erregend auf Angel, weshalb er sehr bald alle Zweifel verdrängte und sich nur noch auf Spikes Zunge konzentrierte.

Als Spike bemerkte, wie sich Angel unter ihm entspannte und dessen Schaft sich zu voller Härte erhob, wanderte er mit seiner Zunge weiter nach unten. Angel sog scharf die Luft ein, als Spike seinen harten Schaft urplötzlich mit dem Mund umschloss und anfing daran zu saugen. Angel erinnerte sich an längst vergangene Zeiten, als Spike noch ein Frischling war und Angelus ihm lehrte, wie man seinen Sire mit dem Mund befriedigt.

Spike wusste genau wie Angel es am liebsten mochte, weshalb er sich besonders viel Mühe gab, um seinen Sire unter sich in Ekstase zu treiben. Er wollte, dass Angel sich ganz entspannte.

Schließlich wurde der Raum von Angels lustvollen Lauten erfüllt und Spike wagte einen Schritt weiter. Er tauschte Angels Schaft ganz kurz mit seinen Fingern aus, um diese mit seinem Speichel zu benetzen. Dies ging so schnell, dass Angel es gar nicht bemerkte. Weiter an Angels Härte saugend, führte Spike seine Hand zu Angels Öffnung und drängte einen seiner Finger hinein.

Durch diese unerwartete Aktion wurde Angel wieder nervös, doch Spikes geschickter Mund verhinderte, dass er sich dagegen wehrte. Er wusste, dass es sehr wehtun würde, wenn er sich zu sehr verkrampfte, weshalb er versuchte sich wieder zu beruhigen.

Spike blieb vorsichtig und konzentrierte sich wieder mehr auf Angels Schaft, während er seinen Finger ruhig hielt, um Angel die Möglichkeit zu geben, sich daran zu gewöhnen. Nur ganz langsam begann er seinen Finger zu bewegen. Als er spürte, wie Angel sich wieder entspannte, fügte er einen zweiten Finger hinzu und tastete nach einem kleinen Knubbel, von dem er wusste, dass er herrliche Gefühle in Angel auslösen würde.

Als Angel erregt aufstöhnte und sich unbewusst gegen Spikes Finger drängte, wusste Spike, dass er fündig geworden war. Er fuhr fort, weiter diesen einen Punkt zu bearbeiten, während sein geschickter Mund weiter an Angels Härte saugte.

Dies trieb Angel sehr schnell an den Rand seines Höhepunktes, doch ehe er ihn erreichen konnte, löste sich Spike von ihm und umschloss die Wurzel seines Schaftes mit einem festen fachmännischen Griff, um den drohenden Orgasmus zu verhindern.

Angel protestierte mit einem leidenden Stöhnen und blickte Spike flehend an. Spike hatte jedoch anderes im Sinn, weshalb er seine Finger aus Angel entfernte und sich selbst zwischen Angels Beinen positionierte. Angel war so stark erregt, dass ihm beinahe alles egal war und er sich kaum noch Gedanken darum machte, was Spike mit ihm vorhatte.

Angels Schaft noch immer in einem sicheren Griff haltend, positionierte Spike seine eigene Härte an Angels Öffnung. Mit einem letzen Blick in Angels Augen suchte er nach einer Reaktion, die ihm sagte, ob sein Sire dies auch wirklich wollte. Alles was er dort sehen konnte, war pure Lust, weshalb er nicht weiter zögerte und seinen harten Schaft gegen Angels Öffnung drängte.

Angel war dieses Gefühl nicht fremd. Als Sklave von Sebassis musste er seinem Herrn sehr oft sexuell zu Diensten sein, doch noch nie war er dabei selber so sehr erregt, wie er es im Augenblick war. Unbewusst spreizte er seine Beine weiter auseinander, um Spike besseren Zugang zu gewähren. Mit seinem Becken drängte er sich selbst gegen Spikes Härte, damit dieser tiefer in ihn eindringen würde. Er wollte mehr spüren, innerlich noch mehr ausgefüllt werden und endlich seinen erlösenden Orgasmus erreichen.

Spike begann sich mit einem gleichmäßigen Rhythmus in Angel zu bewegen, wobei er immer wieder gegen diesen einen Knubbel stieß, der Angel jedes Mal aufstöhnen ließ und ihn immer weiter in den Wahnsinn trieb. Angels Schaft lag zuckend zwischen ihnen und bettelte regelrecht um eine Berührung. Spike hatte den festen Griff inzwischen gelöst, um sich besser bewegen zu können. Ein deutlicher Lusttropfen hatte sich an Angels Eichel bebildet.

Spikes Bewegungen wurden nun schneller. Er wollte es eigentlich noch etwas hinauszögern, doch so tief in Angel vergraben zu sein, war ein so unbeschreibliches und überwältigendes Gefühl, dass er sich seinem Höhepunkt in rasender Geschwindigkeit näherte.

Je drängender Spikes Bewegungen wurden, umso mehr stieg auch die Lust in Angel. Beide waren so in ihrem Rausch gefangen, dass sich ihre wahren Gesichter an die Oberfläche drängten. Angels Hände suchten nach Halt und er klammerte sich an Spikes Rücken fest. Spike beugte sich gierig herab, um Angels Lippen in stürmischer Leidenschaft zu erobern. Zartes Fleisch verletzte sich an den scharfen Vampirzähnen und füllte deren Münder mit dem köstlich roten Elixier. Angels Becken drängte sich beinahe wie von selbst gegen Spikes Schaft. Sein ganzer Körper vibrierte und bettelte nach mehr.

Als Spike seinen nahenden Höhepunkt deutlich spürte, löste er sich von Angels Lippen und vergrub seine Fänge in Angels Hals. Genau dort, wo Angel den kleinen Schnitt mit dem Schwert gemacht hatte. In tiefen Schlucken begann er von seinem Sire zu trinken. Er nahm sich mehr, als Angel es ihm jemals erlaubt hatte. Mehr, als je ein Sire es seinem Childe normalerweise erlauben würde.

Gleichzeitig vergrub sich Spike in letzten heftigen Stößen, bis er schließlich seinen Höhepunkt erreichte und seinen kalten Samen in Angels Körper pumpte. Das heftige Saugen und Spikes ekstatisches Zucken lösten in Angel eine Kettenreaktion aus. Ohne eine einzige Berührung seines Schaftes, erreichte auch er seinen Höhepunkt und ergoss sich zwischen ihren Körpern.

Nach einer kurzen Pause saugte Spike weiter an Angels Blut und nahm all dessen Stärke in sich auf. Angel spürte, wie ihm schwindlig wurde und er nahe vor der Bewusstlosigkeit stand. Spike hingegen fühlte sich berauscht und war voller Energie. Mit jedem Schluck Blut, den er in sich aufnahm, bildete sich eine neue Verbindung zu Angel. Es war, als würde Angel ein Teil von ihm werden auf eine ganz neue Art, als bisher.

Schließlich löste sich Spike mit einem zufriedenen Seufzen von Angels Hals. Er blickte auf Angel herab und erkannte dessen verschleierten Blick. In diesem Augenblick war ihm Angel vollkommen hilflos ausgeliefert. Angel war nicht mal in der Lage eine Fliege zu töten. Seine Arme hatten nicht mehr genug Kraft sich an Spike festzuhalten und sackten leblos auf die Matratze.

Angels schwacher Anblick jagte Spike plötzlich Angst ein, obwohl es dafür eigentlich gar keinen Grund gab. Auch ohne seine Hilfe würde Angel sich nach einiger Zeit wieder erholen. Wenn er wollte, könnte er ihn in diesem Augenblick einfach verlassen. Angel wäre nicht in der Lage ihn aufzuhalten. Stattdessen aber griff er in Angels Nacken und drückte ihn an seinen Hals, damit dieser von ihm trinken konnte.

Nur allmählich spürte er das vertraute Kratzen von Angels Zähnen an seinem Hals. Angel war zu schwach, um sofort zu zubeißen. Das Beißen kostete ihn seine letzten Kräfte, bis endlich die ersten Tropfen von Spikes Blut seinen Mund füllten. Er trank erst zaghaft, doch mit jedem Tropfen erlangte er ein Stück seiner Kraft zurück, bis er schließlich in größeren Schlücken von Spike trank.

Damit schloss sich der Kreis ihrer neuen Verbindung. Angel fühlte, wie mit jedem Schluck, den er aufnahm, die Präsenz von Spike in ihm stärker wurde. Er spürte ihn auf neue Art und Weise. Nicht als Childe, sondern als etwas anderes. Ähnlich wie ein Childe, das die Präsenz seines Sires in sich aufleben spürt, doch zugleich spürte er noch immer die Verbindung zu seinem Childe. Das gleiche geschah auch in Spike. Er fühlte sich für ihn an, als würde er Angel gleichzeitig als seinen Sire und als sein Childe wahrnehmen.

Sie waren einander nicht länger unter- oder übergeordnet, sondern sie waren ebenbürtige Vampire, die durch ein starkes Bündnis miteinander vereint waren.

Als Angel instinktiv wusste, dass er genug getrunken hatte, löste er sich von Spikes Hals und legte sich ein wenig erschöpft ins Kissen zurück. Ihre Blicke trafen sich und jeder konnte in den Augen des anderen sehen, wie neu und ungewohnt diese Situation für beide war.

Es war Spike, der den Blickkontakt abbrach, sich dann erst aus Angels Anus zurückzog und sich schließlich dicht an Angels Körper kuschelte. Er musste all diese neuen Gefühle erst einmal aussortieren und dazu gab es keinen besseren Ort, als an der Brust seines Sires, wobei ihm auffiel, dass Angel nun gar nicht mehr sein Sire war.

„Was sind wir jetzt eigentlich?" fragte er neugierig.

„Was meinst du?" fragte Angel amüsiert.

„Na du bist jetzt nicht mehr mein Sire und ich bin nicht mehr dein Childe. Also was sind wir?"

Angel überlegte kurz und antworte: „Ich würde sagen wir sind Vampire, die miteinander verbunden sind."

„Fein. Also wenn mich jemand fragt, wer du bist, sage ich dann du bist ein Vampir, der mit mir verbunden ist? Das klingt ja voll bescheuert", beschwerte sich Spike grummelnd

„Dann sag mir etwas, das besser klingt. Wie wär’s mit Partner oder Liebhaber?"

„Gott verdammt, nein! Auf gar keinen Fall nenn’ ich dich meinen Liebhaber!" meinte Spike entsetzt.

Angel lachte leise auf, sodass seine Brust bebte und Spikes Kopf angehoben wurde. Daraufhin rückte Spike höher, damit er Angel ins Gesicht sehen konnte und sagte: „Partner also?"

„Klingt gut", erwidert Angel leicht lächelnd.

„Okay, als dein Partner will ich volles Mitspracherecht über alles haben. Egal worum es geht. Ist das klar?" stellte Spike schon mal klar.

Angel verzog amüsiert sein Gesicht und meinte: „Wenn ich mich recht entsinne, hast in der letzten Zeit sowieso du allein alles bestimmt."

Spike stutzte kurz, bis ihm klar wurde, dass Angel Recht hatte. Rasch fügte er dann hinzu: „Stimmt! Und genau so soll es auch bleiben."

„Ich bekomme also kein Mitspracherecht?" fragte Angel amüsiert nach.

Spike dachte über diesen Punkt nach und meinte dann: „Nein. Du hast schon genug Ärger produziert, den ich jetzt erstmal wieder geradebiegen muss. Später können wir ja noch mal darüber reden."

„In Ordnung", erwiderte Angel mit einem warmen Lächeln.

Spike war etwas überrascht über diese Antwort, doch er wollte es sich nicht anmerken lassen, weshalb er rasch das Thema wechselte: „Wie hast du mich eigentlich so schnell gefunden? Ich dachte ich hätte mich bei der fliegenden Eidechse klar genug ausgedrückt dass du es nicht vor Sonnenuntergang erfahren sollst?!"

„Sein Name ist Sulpur. Und er hat es nicht mir, sondern seinem Vater gesagt. Sein Vater ist Ignis. Er ist der Führer der Drachen. Ignis hat es mir gesagt und sein anderer Sohn, Pix, brachte mich hierher."

„Ignis, Pix und Sulpur? Feuer, Pech und Schwefel? Willst du mich verarschen?"

„Nein! Ich schwör dir, so heißen die drei", erwiderte Angel, wobei er sein Lachen unterdrücken musste.

„Komische Viecher", murmelte Spike unbekümmert, während er sich wieder an Angels Brust schmiegte. Mehr zu sich selbst, fügte er noch hinzu: „Kaum lässt man seinen Sire mal einen halben Tag lang alleine, macht er die Bekanntschaft mit dem König der Drachen höchstpersönlich."

„Er wollte aber nicht mich, sondern dich sehen", informierte Angel ihn.

„Ehrlich?"

„Ja, und es gibt da noch etwas, dass ich dir erzählen muss", fand Angel es an der Zeit über ernstere Dinge zu sprechen.

„Spuck’s aus, was ist los?" meinte Spike, als er an Angels Stimme erkannte, dass es etwas Ernstes war.

„Heute Mittag griff uns die Armee der Seniorpartner an. Sie hätten uns beinahe erledigt. In letzter Sekunde kamen die Drachen und halfen uns. Doch sie haben Lindsey. Sie müssen ihn sofort weggeschafft haben, denn nach dem Kampf war keine Spur von ihm zu finden. Illyria ist gerade dabei einen Angriff zu organisieren", brachte Angel ihn auf den Laufenden.

„Verstehe. Du wirst Lindsey sicher befreien wollen", erwiderte Spike nachdenklich.

„Illyria hat mir viel erzählt. Ich erinnere mich jetzt an vieles. Auch wie es zu dem Kampf kam, der all das Chaos auf der Welt verursacht hat. Ich erinnere mich auch an Lindsey", informierte ihn Angel weiter.

„Soll das heißen du pfeifst auf ihn und willst ihn nicht befreien?" fragte Spike überrascht.

Statt zu antworten, fragte Angel weiter: „Warum hast du Lindsey nicht getötet, als er ein Problem für uns war? Du kanntest ihn. Du wusstest, was er für ein Mensch war. Warum hast du ihn nicht einfach getötet? Er war eine Gefahr für uns. Er ist kein richtiger Mensch mehr, also kann das nicht der Grund gewesen sein."

Spike dachte kurz darüber nach und antwortete dann: „Ich konnte es nicht tun, weil du wie eine bescheuerte Mutterhenne an ihm geklebt hast. Außerdem war er nicht mehr der Kerl, denn ich kannte. Er war wie ein unschuldiges Kind. Ich brachte es einfach nicht übers Herz."

„Denkst du er hat es verdient, dass wir ihn retten?" wollte Angel wissen.

„Konnte Willow ihm sein Gedächtnis wiedergeben?"

„Nein. Sie sagte irgendwas davon, dass er nicht mehr derselbe ist, der er war, bevor ihn die Seniorpartner zurück ins Leben brachten. Ich hab’s nicht so genau verstanden", gab Angel zu.

„Wie auch immer. Ist ja auch egal. Ich bin dafür, dass wir ihn da rausholen. Allein schon, um es den Wichsern zu zeigen, dass wir besser sind, als sie", witzelte Spike mit einem frechen Grinsen.

Angel nickte einverstanden und meinte: „Dann sollten wir jetzt besser aufbrechen. Es wird gleich dunkel."

„Hey! Was hab ich dir gesagt, wer ab jetzt die Entscheidungen trifft? Ich sage, wann wir aufbrechen, und zwar genau jetzt. Schau zum Fenster raus, die Sonne geht gleich unter. Wir müssen uns beeilen. Ein paar Dämonen warten darauf, dass wir ihnen die Fresse einschlagen", erwiderte Spike gebieterisch, während er sich erhob und an eine Kommode trat, wo eine Waschschale und ein Krug Wasser bereit standen, womit er sich sogleich sauber wusch.

Angel schüttelte lächelnd den Kopf.

*****

Als Spike und Angel nach Sonnenuntergang bei Illyiras Versteck ankamen, hatte sich einiges verändert. Ein riesiger Massenauflauf von Drachen, verbündeter Dämonen und Menschen war hier versammelt. Sie alle warteten bereits auf die Beiden. Ein erfreutes Raunen ging durch die Menschen, als diese von Spikes Ankunft erfuhren.

Spike wurde von allen freundlich begrüßt und willkommen geheißen. Überrascht blickte er in die zahlreichen Gesichter der Anwesenden, die ihm alle mit Respekt entgegentraten. Angel blieb immer an seiner Seite. Statt seiner anfänglichen Eifersucht, fühlte er nur noch Stolz und freute sich für Spike.

Schließlich schafften sie es, sich zu Illyria und Jermyn durchzukämpfen, wo ihnen dann ein junges Mädchen einen großen Krug mit frischem Blut überreichte. Spike erkannte das Mädchen sofort, weshalb er überrascht feststellte: „Hey, du bist doch die Kleine, die bei Moryghes war!"

Das Mädchen war sehr schüchtern, weshalb sie es nicht wagte darauf zu antworten und stattdessen rasch davoneilte.

Jermyn sagte daraufhin zu Spike: „Dachtest du, wir hätten sie einfach so bei diesem Widerling gelassen?"

„Ihr habt sie befreit?" fragte Spike, noch immer nicht verstehend, nach.

„Sicher! Illyria und ich tun schon seit Jahren nichts anderes", erklärte Jermyn, als wäre es das Natürlichste von der Welt.

„Was geschah mit Moryghes?" fragte Spike interessiert nach.

„Bei seiner Rückreise erlitt er einen tragischen Unfall. Er und seine Sklavin sind dabei tödlich verunglückt", erklärte Jermyn gespielt betroffen.

„Verstehe", erwiderte Spike grinsend.

„Habt ihr beide euch jetzt geeinigt?" kam Illyira nun näher und richtete die Frage an Angel.

Angel blickte fragend zu Spike, ob er es wagen konnte die Frage für sie beide zu beantworten. Er wollte Spikes geforderte Autorität nicht gleich bei der ersten Gelegenheit untergraben.

Spike Antwortete für Angel und sagte: „Yep, haben wir. Er ist nicht mehr mein Sire. Ich bin ab jetzt der Boss."

Illyria richtete einen prüfenden Blick auf Angel, welcher nichts dazu sagte, sondern nur amüsiert lächelte. Illyira verstand sofort, was zwischen den Beiden vor sich ging und meinte dann zu Spike: „Also gut, Boss. Dann sage unserer Armee, dass der Kampf beginnen soll."

„Worauf du einen lassen kannst", erwiderte Spike mit einem vorfreudigen Grinsen.

*****

ENDE

 

 

Nicht verwendete Szene: *fg*

 

„Wir müssen ihm unbedingt ein paar passende Schuhe besorgen", meinte Spike an Angel gerichtet, als er Lindsey barfuss am Gang stehen sah.

Angel lächelte leicht und meinte: „Ich bin froh, dass du ihn gern hast."

„Wer sagt, dass ich ihn gern habe?" erwiderte Spike mit bestürzter Miene.

Lindsey wirkte daraufhin etwas verunsichert und blickte fragend zu seinem Master. Spike seufzte genervt auf und brummte: „Ja, okay, ich hab ihn gern. Seid ihr jetzt alle zufrieden?"

Ihn nervte diese ganze Gefühlsduselei, weswegen er rasch aus der Höhle eilte. Er brauchte baldigst einen guten Kampf, damit er sich wieder wie ein richtiger Mann fühlen konnte.

*****

 

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